Bundespatentgericht:
Beschluss vom 31. März 2005
Aktenzeichen: 25 W (pat) 105/03
(BPatG: Beschluss v. 31.03.2005, Az.: 25 W (pat) 105/03)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die am 19. Dezember 1997 angemeldete Wortmarke Indocutanist am 11. Februar 1998 für die Waren
"Arzneimittel"
unter der Nummer 397 61 001 in das Markenregister eingetragen worden. Die Eintragung wurde am 20. März 1998 veröffentlicht.
Die Inhaberin der seit dem Jahr 1983 für die Waren
"Specialites pharmaceutiques pour la medicine humaine et veterinaire"
international registrierten Marke 475 334 INDOCONTIN hat dagegen Widerspruch erhoben. Die rechtserhaltende Benutzung wird von der Inhaberin der angegriffenen Marke für alle Waren mit Ausnahme von "Rezeptpflichtigen Antirheumatika / Analgetika mit dem Wirkstoff Indometacin" bestritten.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 22. Januar 2003 durch eine Prüferin des höheren Dienstes den Widerspruch zurückgewiesen.
Zwischen den beiden Marken bestehe keine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Auch wenn der Markenbestandteil "INDO" geeignet sei, einen Hinweis auf den Wirkstoff "Indometacin" zu geben, halte sich die Widerspruchsmarke im Rahmen dessen, was auf pharmazeutischem Gebiet als so genannte sprechende Marke üblich sei, und verfüge über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren seien auf der Seite der Widerspruchsmarke "rezeptpflichtige Antirheumatika / Analgetika" zu berücksichtigen. Es könne unentschieden bleiben, ob darüber hinaus auch "rezeptfreie Antirheumatika / Analgetika" zu berücksichtigen seien. Selbst wenn die allgemeinen Verkehrskreise angesprochen wären, wäre auf dem hier maßgeblichen Gebiet der Arzneimittel die Aufmerksamkeit für Marke und Produkte gesteigert, so dass Unterschiede eher wahrgenommen würden. Die Vergleichsmarken stimmten zwar in dem Markenbestandteil "Indo" überein, unterschieden sich jedoch durch die weiteren Silben in klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht hinreichend. Bei 50 eingetragenen Marken in Klasse 5, die das Präfix "Indo" enthalten, wiesen die angesprochenen Verkehrskreise der Markenendung ein weit größeres Gewicht zu.
Hiergegen hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt und beantragt, den Beschluss des DPMA vom 22. Januar 2003 aufzuheben und die angegriffene Marke zu löschen.
Die Markenstelle habe zwar festgestellt, dass für die Frage der Verwechslungsgefahr eine Wechselwirkung zwischen allen entscheidungserheblichen Faktoren bestehe, habe aber keine Schussfolgerungen daraus gezogen. Die Vergleichsmarken bezögen sich auf identische Waren. Eine Rezeptpflicht der unter einer Marke angebotenen Waren habe keine Beschränkung des Schutzumfanges auf rezeptpflichtige Präparate des betreffenden Indikationsgebietes zur Folge. Vielmehr sei bei der Beurteilung der Verkehrskreise auf die Allgemeinheit der Verbraucher abzustellen. Dieser Personenkreis unterliege der Gefahr von Verwechslungen weit häufiger, als dies bei Fachkreisen der Fall sei. Weiterhin sei die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke als durchschnittlich einzustufen. Dementsprechend hätte die Markenstelle in ihrem Beschluss an den Abstand zwischen den beiden Marken strengere Anforderungen stellen müssen. Die Wörter "Indocontin" und "Indocutan" wiesen weitreichende Gemeinsamkeiten auf, so dass sie klanglich und schriftbildlich verwechselbar seien. Auch die Existenz von über 50 eingetragenen Marken im Markenregister mit dem Präfix "Indo" könne eine Verwechslungsgefahr nicht ausschließen, da sie aufgrund der konkreten Wortbildung nicht mit den vorliegenden Fällen vergleichbar seien und die eingetragenen Marken ausweislich der "Roten Liste" nur teilweise benutzt würden.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie bestreitet, dass die Benutzung der Widerspruchsmarke für andere Waren als "rezeptpflichtige Antirheumatika / Analgetikum mit dem Wirkstoff Indometacin" erfolge. Nur diese Waren dürften berücksichtigt werden, da es keinen Unterschied machen könne, ob die Einschränkung des Warenverzeichnisses im Register stehe, oder sich aufgrund der Benutzungslage ergebe. Die Widerspruchsmarke biete als sprechende Marke dem interessierten und informierten Verbraucher von Arzneimitteln einen verständlichen Hinweis auf die Beschaffenheit des gekennzeichneten Arzneimittels, da der Wortteil "INDO" als Abkürzung der Wirkstoffbezeichnung "Indometacin" benutzt werde und daher beschreibend wirke. Der Verkehr wisse auch, dass Generikahersteller beschreibende Hinweise verwendeten. Aus einem beschreibenden Bestandteil einer Marke könne kein Widerspruch begründet werden. Daher sei bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr der Zeichen der Schwerpunkt auf die Betrachtung der Elemente "contin" und "cutan" zu legen. Diese wiesen deutliche klangliche und auch begriffliche Unterschiede auf.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten einschließlich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 31. März 2005 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache keinen Erfolg, da keine Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG besteht.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat mit Ausnahme der Waren "Rezeptpflichtige Antirheumatika / Analgetika mit dem Wirkstoff Indometacin" die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten. Die Einrede ist nach § 43 Abs 1 Satz 1 und Satz 2, 107, 116 Abs 1, 115 Abs 2 MarkenG zulässig, da die Benutzungsschonfrist für die Widerspruchsmarke am 21. April 1989 ablief. Nach § 43 Abs 1 Satz 3 MarkenG können für die Widersprechende nur die Waren berücksichtigt werden, für die eine rechtserhaltende Benutzung glaubhaft gemacht ist. Ein Markeninhaber darf dabei allerdings nicht ungebührlich in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden. So ist er grundsätzlich nicht auf die konkrete Zusammensetzung der mit der Marke gekennzeichneten Ware oder eine dafür bestehende Rezeptpflicht beschränkt, welche im Warenverzeichnis nicht enthalten ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist im Rahmen der Integrationsfrage nach den Grundsätzen der erweiterten Minimallösung regelmäßig von der Hauptgruppe der Roten Liste auszugehen, in die das konkret benutzte Präparat fällt (BPatG GRUR 2004, 954 - CYNARET-TEN/Circanetten New - mwN). Da das mit der Widerspruchsmarke gekennzeichnete Produkt in die Hauptgruppe der Roten Liste "Analgetika/Antirheumatika" fällt und die Präparate dieser Hauptgruppe weder auf eine Rezeptpflicht noch auf den Wirkstoff "Indometacin" festgelegt sind, kommt eine entsprechende Beschränkung auch nicht für die bei der Widerspruchsmarke zu berücksichtigenden Waren in Betracht.
Entgegen der Ansicht der Inhaberin der angegriffenen Marke kann die Widerspruchsmarke nicht wegen der Rezeptpflichtigkeit des mit ihr gekennzeichneten Produkts so beurteilt werden, als wäre eine Rezeptpflicht ausdrücklich in das Warenverzeichnis aufgenommen worden. Bei einer im Register stehenden Rezeptpflicht wird der Schutzgegenstand der Marke dadurch mitbestimmt. Der vorliegende Fall dagegen ist mit dem vergleichbar, bei dem die Kennzeichnung für eine Spezialware benutzt wird, die unter einen eingetragenen Oberbegriff fällt. Wäre die Benutzung der Widerspruchsmarke insgesamt bestritten worden, jedoch die Benutzung der Kennzeichnung nur für die unter den Oberbegriff fallende rezeptpflichtige Spezialware glaubhaft gemacht worden, könnte nach der Integrationsfrage die Widersprechende nicht auf eine Rezeptpflicht ihrer Waren eingeschränkt werden. Gleiches muss auch gelten, wenn die rechtserhaltende Benutzung nicht für den gesamten Oberbegriff bestritten wird, sondern davon die mit dem Kennzeichen versehene Spezialware ausgenommen wird. Die Widersprechende kann nicht dadurch schlechter gestellt werden, dass die rechtserhaltende Benutzung für die Spezialware anerkannt wird und sich deshalb eine Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung der Kennzeichnung für die Spezialware erübrigt.
In ihrer Gesamtheit ist die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nicht so reduziert, dass von einer unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft ausgegangen werden kann, auch wenn die Widerspruchsmarke durch den Bestandteil "INDO" als Hinweis auf "Indometacin" einen beschreibenden Anklang hat. Auf dem Warengebiet der Arzneimittel sind solche beschreibenden Anklänge in Marken üblich.
Die Marken können sich bei identischen Waren begegnen, da die angemeldeten Arzneimittel auch die Waren der Widerspruchsmarke umfassen.
Mangels der Festschreibung einer Rezeptpflicht für die beiderseitigen Waren der Marken können sich diese uneingeschränkt auch bei Laien allein begegnen, die sich zwar mit Kennzeichnungen weniger gut auskennen als der Fachverkehr, jedoch bei Arzneimitteln größere Aufmerksamkeit walten lassen als bei vielen anderen Waren des täglichen Gebrauchs, die nicht den Gesundheitsbereich betreffen. Trotz Berücksichtigung einer Warenidentität und ausgehend von einem noch durchschnittlichen Schutzumfang der Widerspruchsmarke reichen die vorhandenen Unterschiede in jeder Richtung aus, eine Verwechslungsgefahr zu verhindern.
Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es maßgeblich auf den Gesamteindruck der Zeichen an (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 9 Rdn 152). "Indodutan" und "INDOCONTIN" weisen zwar jeweils vier Sprechsilben auf und stimmen in den Lauten "indoctn" überein. Der Gesamtklang eines Wortes stellt jedoch nicht nur die Summe einzelner Lautmerkmale dar, sondern bildet ein mit den Mitteln der Sprache nur schwer ausdrückbares Klanggefüge sich gegenseitig beeinflussender und teilweise miteinander verschmolzener Laute, die in ihrer Verbindung trotz beachtlicher formaler Gemeinsamkeiten oder Ähnlichkeiten oftmals ein insgesamt anders klingendes Ganzes ergeben (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 9 Rdn 178). Die klanglichen Unterschiede in den Vokalen "ua" bzw "oi" in den jeweils letzten beiden Silben der Zeichen sowie der zusätzliche Laut "n" bei der Widerspruchsmarke nach dem Vokal "o" führen dazu, dass im klanglichen Gesamteindruck der Schutzbereich der Widerspruchsmarke nicht mehr berührt ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr bei der Wahrnehmung des Gesamtklangbildes besonders auf die Vokale achtet, und dem gemeinsamen Zeichenanfang "INDO" als einem in zahlreichen Zeichen vorhandenen Hinweis auf den Wirkstoff "Indometacin" im Gesamteindruck in kennzeichenmäßiger Hinsicht weniger Gewicht zukommt, als dies bei Zeichenanfängen ohne beschreibenden Anklang der Fall ist. Der Verkehr wird daher verstärkt auch auf die letzten beiden Silben der Marken achten und diese nicht lediglich als unbedeutende Endungen auffassen. Darüber hinaus werden die letzten Silben der Zeichen regelmäßig betont gesprochen, so dass der klangliche Unterschied in den Vokalen dieser Silben deutlich hervorgehoben ist. Trotz möglicher Identität der sich gegenüber stehenden Waren reichen die klanglichen Unterschiede insgesamt aus, eine Verwechslungsgefahr selbst aus der undeutlichen Erinnerung heraus zu verneinen. Hinzu kommt, dass für einen Teil des Verkehrs die angegriffene Marke auch im letzten Bestandteil "cutan" Begriffsanklänge an "Haut" aufweist, was das Auseinanderhalten der Marken noch zusätzlich erleichtert.
Auch in schriftbildlicher Hinsicht reichen die figürlichen Unterschiede in den Buchstaben "ua" in der angegriffenen Marke gegenüber "oni" in der Widerspruchsmarke insgesamt aus, um rechtserhebliche Verwechslungen zu verhindern. Zudem ist zu beachten, dass auch insoweit verstärkt auf die Bestandteile "-cutan" und "-contin" in den jeweiligen Zeichen geblickt wird, und dem identischen Zeichenanfang, der in Marken anderer Hersteller als Hinweis auf den Wirkstoff ebenfalls verwendet wird, im Gesamteindruck weniger Gewicht beizumessen ist. Außerdem ist bei der hier maßgeblichen visuellen Wahrnehmung zu berücksichtigen, dass das Schriftbild von Marken erfahrungsgemäß eine genauere und in der Regel sogar wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende Wort (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 9 Rdn 207) und daher die Unterschiede leichter bemerkt werden.
Es gibt auch keinen Anlass, dass der Verkehr die Marken gedanklich miteinander in Verbindung bringt. Der gemeinsame Anfangsbestandteil "INDO-" ist als ein Hinweis auf die Sachangabe "Indometacin", der auch in Marken anderer Firmen enthaltenen ist, ungeeignet, als betriebskennzeichnender Stammbestandteil einer Zeichenserie der Widersprechenden zu dienen.
Die Beschwerde der Widersprechenden hat daher keinen Erfolg.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs 1 MarkenG.
Kliems Sredl Bayer Na
BPatG:
Beschluss v. 31.03.2005
Az: 25 W (pat) 105/03
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