Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 14. April 2008
Aktenzeichen: NotZ 4/08
(BGH: Beschluss v. 14.04.2008, Az.: NotZ 4/08)
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Köln vom 28. Januar 2008 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und die dem Antragsgegner und dem weiteren Beteiligten entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Geschäftswert: 50.000 €
Gründe
I.
Der Antragsteller bewarb sich ebenso wie der weitere Beteiligte um eine im Justizministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. Mai 2007 (JMBl. NRW S. 111) ausgeschriebene Notarstelle im Amtsgerichtsbezirk O. . Das Auswahlverfahren wurde gemäß § 17 der Allgemeinen Verfügung des Justizministeriums über die Angelegenheiten der Notarinnen und Notare vom 8. März 2002 (JMBl. NRW S. 69) in der geänderten Fassung vom 4. November 2004 (JMBl. NRW S. 256) durchgeführt. Für den Antragsteller wurde eine Gesamtpunktzahl von 185,05 und für den weiteren Beteiligten eine solche von 190,75 ermittelt. Die Punkteverteilung stellte sich im Einzelnen wie folgt dar:
Bewerberweiterer Beteiligter Antragsteller Rang 2. Staatsexamen 41,5 28,85 RA-Tätigkeit 29,25 Fortbildungen 40,5 60 (67)
Beurkundungen 79,5 (90,3)
60 (71)
Sonderpunkte 6,2 Summe 190,75 185,05 Im Bereich Fortbildung und Beurkundungen wurde beiden Bewerbern die maximal erreichbare Gesamtpunktzahl (120) gutgebracht. Ohne die sich insoweit aus § 17 Abs. 2 Nr. 3 bis 5 AVNot ergebende Kappungsgrenze hätte der Antragsteller insgesamt 203,05 Punkte, der weitere Beteiligte hingegen nur 201,55 Punkte erreicht (siehe die in der Tabelle in Klammern gesetzten Werte). Der Antragsgegner teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 4. Oktober 2007 mit, dass er beabsichtige, die Stelle dem weiteren Beteiligten zu übertragen.
Dagegen hat der Antragsteller, der insbesondere die Kappungsgrenze von 120 Punkten für den Bereich Fortbildung und Beurkundungen für verfassungswidrig hält, Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Das Oberlandesgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein Begehren, den Antragsgegner zu verpflichten, über seine Bewerbung neu zu entscheiden, weiterverfolgt.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 111 Abs. 4 BNotO i.V.m. § 42 Abs. 4 BRAO zulässig, aber in der Sache unbegründet. Die Auswahlentscheidung des Antragsgegners erweist sich unter Berücksichtigung der beschränkten Nachprüfbarkeit durch die Gerichte (vgl. Senatsbeschlüsse BGHZ 124, 327, 330 f und vom 14. März 2005 - NotZ 27/04 - NJW-RR 2006, 55, 56) als rechtsfehlerfrei.
1. Nach der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des Senats ist es auch unter Berücksichtigung der Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 20. April (BVerfGE 110, 304) und 8. Oktober 2004 (NJW 2005, 50) nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner seine Auswahlentscheidung auf der Grundlage des in § 17 AVNot näher geregelten Punktesystems getroffen hat (siehe nur Beschlüsse vom 26. März 2007 - NotZ 38/06 - NJW-RR 2007, 1130, 1131 und NotZ 39/06 - ZNotP 2007, 234, 235, jeweils Rn. 9 f). Dabei hat der Senat insbesondere auch keine Bedenken gegen die in § 17 Abs. 2 Nr. 3 bis 5 AVNot festgelegte Kappungsgrenze erhoben. Allerdings brauchte der Senat zu dieser Frage bisher noch nicht abschließend Stellung zu nehmen, da ihr in den bisher entschiedenen Fällen - anders als hier - keine ausschlaggebende Bedeutung zugekommen war.
2. Der Senat ist in Übereinstimmung mit dem Oberlandesgericht der Meinung, dass § 17 Abs. 2 Nr. 3 bis 5 AVNot sowohl mit § 6 Abs. 3 BNotO als auch mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar ist.
a) Nach den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Zugangskriterien zum Zweitberuf des Anwaltsnotars war es erforderlich, eine stärkere Ausrichtung an der Notarfunktion - bei demgegenüber zurücktretender Bedeutung der Examensnote - vorzunehmen. Die beiden notarspezifischen Eignungskriterien, nämlich die bei der Vorbereitung auf das angestrebte Amt gezeigten theoretischen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen müssen mit eigenständigem, höherem Gewicht als bisher im Verhältnis zu der Anwaltspraxis und dem Ergebnis des Staatsexamens einfließen (BVerfGE 110, 304, 326 ff; Senatsbeschluss vom 24. Juli 2006 - NotZ 11/06 - NJW 2006, 3211, 3212 Rn. 8). Diesen Anforderungen hat die Justizverwaltung dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass sie die alte Kappungsgrenze von 45 Punkten ganz erheblich, nämlich auf 120 Punkte, heraufgesetzt hat.
Dadurch hat, wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert, die Examensnote ihren herausragenden Stellenwert verloren. Dies ändert freilich nichts daran, dass sie immer noch ein wesentliches Qualifikationsmerkmal darstellt, dem nach wie vor ein spezifisches Gewicht beizumessen ist. Dabei versteht es sich, dass dieses Merkmal - wie jedes andere auch - beim individuellen Eignungsvergleich im Einzelfall den Ausschlag geben kann.
b) Für eine Kappung der für Fortbildungskurse und Beurkundungen erreichbare Punktzahl lässt sich insbesondere anführen, dass der Lern- und Vorbereitungseffekt bei der Beurkundung mit der Zahl der Urkundsgeschäfte abnimmt; überdies ist mit steigender Zahl der Urkundsgeschäfte mit einer Wiederholung der Art der Beurkundungsvorgänge zu rechnen (vgl. Senatsbeschluss vom 26. März 2007 - NotZ 38/06 - NJW-RR 2007, 1130, 1132 Rn. 14). Auch im Bereich der Fortbildungsveranstaltungen nimmt nach der Vermittlung eines gewissen "Grundlagenwissens" der mit dem Besuch weiterer Veranstaltungen verbundene Nutzeffekt immer mehr ab.
c) Soweit der Antragsteller ins Feld führt, dass in den anderen Ländern, in denen es das Anwaltsnotariat gibt, keine Kappungsgrenze gilt, übersieht er zum einen, dass in Berlin die gleiche Kappungsgrenze angewendet wird (vgl. Stellenausschreibung vom 31. März 2000, ABl. S. 1091; siehe dazu vor allem Senatsbeschlüsse vom 14. April 2008 - NotZ 117/07 und NotZ 119/07), und zum anderen, dass die übrigen Länder, vor allem bei den Urkundsgeschäften, eine stark degressive Bewertung vornehmen. Nur die ersten 100 bzw. 200 berücksichtigungsfähigen Urkundsgeschäfte werden mit einem der nordrheinwestfälischen Regelung vergleichbaren Punktwert bedacht. Ab der 101. bzw. 201. Beurkundung werden nur noch deutlich weniger Punkte vergeben; in der "Endstufe" gar nur noch ein Punkt pro volle 250 Urkunden (vgl. A II Nr. 3 Buchst. d, Doppelbuchst. ee der Hessischen AVNot in der Fassung vom 10. August 2004, JMBl. S. 323), bzw. 200 Urkunden (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Satz 1 Buchst. e AVNot Niedersachsen in der Fassung vom 17. Januar 2005, Nds. Rpfl. S. 52) bzw. 100 Urkunden (§ 6 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. d AVNot Schleswig-Holstein in der Fassung vom 16. Februar 2005, SchlHA S. 75). In Anbetracht der Tatsache, dass sich die Vornahme von Urkundsgeschäften nicht beliebig steigern lässt, kommt diesen Vorschriften ein der nordrheinwestfälischen Regelung durchaus vergleichbarer Kappungseffekt zu.
3. Was die Vergabe von Sonderpunkten betrifft, in deren Genuss allein der Antragsteller gekommen ist, ist dem Oberlandesgericht darin zuzustimmen, dass nicht deutlich wird, warum dem Antragsteller mehr als die zuerkannten 6,2 Punkte zugebilligt werden müssten. Die Auffassung des Antragstellers, dass nach § 17 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. d AVNot sowohl für Notarvertretungen einerseits als auch für Notariatsverwaltungen andererseits 10 Punkte (also insgesamt 20 Punkte) vergeben werden könnten, geht ersichtlich fehl. Nach dem eindeutigen Wortlaut wird zwischen den beiden Betätigungsformen Notariatsverwaltung und Notarvertretung kein Unterschied gemacht; für beide Tätigkeitsbereiche können insgesamt nur 10 Sonderpunkte vergeben werden.
Schlick Kessal-Wulf Herrmann Doye Ebner Vorinstanz:
OLG Köln, Entscheidung vom 28.01.2008 - 2 VA (Not) 21/07 -
BGH:
Beschluss v. 14.04.2008
Az: NotZ 4/08
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