Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. Juli 2004
Aktenzeichen: 24 W (pat) 200/02

(BPatG: Beschluss v. 13.07.2004, Az.: 24 W (pat) 200/02)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Marke Bialindist unter der Nummer 399 55 107 für die Waren

"Cremes für die Körper- und Schönheitspflege; Cremes für medizinische Zwecke"

in das Register eingetragen worden.

Hiergegen ist Widerspruch erhoben von der Inhaberin der international mit Schutzwirkung für die Bundesrepublik Deutschland unter der Nummer 582 537 registrierten Markesiehe Abb. 1 am Endederen Warenverzeichnis u.a. die Waren

"cosmetiques; produits pharmaceutiques, hygieniques"

umfaßt.

Die mit einem Regierungsangestellten des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch zurückgewiesen, da trotz möglicher Warenidentität Verwechslungen nicht zu besorgen seien. Der beiden Marken gemeinsame Wortanfang "Bia-" finde sich in einer Reihe von Marken der Klassen 3 und 5 und sei daher verbraucht. Darüber hinaus lehne sich die Anfangssilbe "Bia-" erkennbar an die beschreibende Angabe "Bio-" an. Beide Marken wiesen daher am Wortanfang eine gewisse Kennzeichnungsschwäche auf. Die Aufmerksamkeit des Verkehrs werde dadurch auf die Wortenden "-lind" bzw. "-fine" gelenkt, die sich sowohl in klanglicher wie auch in schriftbildlicher Hinsicht hinreichend unterschieden.

Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie rügt die Verletzung rechtlichen Gehörs, weil ihr der Schriftsatz der Markeninhaberin vom 9. Februar 2001, mit dem die auch von der Markenstelle angenommene Kennzeichnungsschwäche des Wortanfangs "Bia-" geltend gemacht worden sei, erst zusammen mit dem angefochtenen Beschluß zugestellt worden sei. Im übrigen sei nicht dargetan, daß die Anfangssilbe "Bia-" auf dem vorliegenden Warengebiet tatsächlich verbraucht sei.

Die Vergleichsmarken seien vor allem schriftbildlich verwechselbar. Der Unterschied am Wortende ("d" gegenüber "e") könne dem nicht hinreichend entgegenwirken, zumal auch diese Buchstaben eine nicht unerhebliche Ähnlichkeit aufwiesen. Aber auch in klanglicher Hinsicht bestehe eine Verwechslungsgefahr insbesondere dann, wenn die Widerspruchsmarke nach französischen Ausspracheregeln, d.h. mit stummem Schluße ausgesprochen werde.

Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluß der Markenstelle aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke 399 55 107 anzuordnen, hilfsweise, die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts zurückzuverweisen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Sache hat sie sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist gemäß § 165 Abs. 4 MarkenG statthaft und auch im übrigen zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Die Markenstelle hat eine Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken im Ergebnis zu Recht verneint (§§ 107, 42 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG).

1. Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist nach der Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofs als auch des Bundesgerichtshofs unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von diesen erfaßten Waren (oder Dienstleistungen). Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und - davon abhängig - der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (vgl. EuGH GRUR Int. 1999, 734, 736 "Lloyd"; GRUR 1998, 387, 389 "Sabèl/Puma"; BGH GRUR 2004, 598 "Kleiner Feigling"; GRUR 2002, 1067, 1068 "DKV/OKV", jeweils m.w.N.). Nach diesen Grundsätzen kann eine Verwechslungsgefahr im vorliegenden Fall nicht bejaht werden.

Die Vergleichsmarken können sich auf identischen Waren begegnen. Darüber hinaus ist davon auszugehen, daß der Widerspruchsmarke jedenfalls in ihrer Gesamtheit eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zukommt, nachdem Anhaltspunkte für eine erhöhte oder (insgesamt) schwache Kennzeichnungskraft weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sind. Bei dieser Ausgangslage hat die angegriffene Marke einen deutlichen Abstand von der Widerspruchsmarke einzuhalten, der jedoch gewahrt ist.

Für die Beurteilung der klanglichen Verwechslungsgefahr ist zunächst davon auszugehen, daß die Widerspruchsmarke im allgemeinen nach deutschen Ausspracheregeln wiedergegeben wird. Die Marke läßt aus sich heraus keine Umstände erkennen, die den Verkehr dazu veranlassen könnten, die Widerspruchsmarke nach den Regeln der französischen Sprache auszusprechen. Anhaltspunkte hierfür sind auch von der Widersprechenden nicht aufgezeigt worden. Damit stehen sich die Lautfolgen "bialind" und "biafine" gegenüber, die ohne Schwierigkeit auseinander gehalten werden können.

Die beiden Markenwörter stimmen zwar in dem gewöhnlich stärker beachteten Wortanfang überein. Entgegen der Auffassung der Markenstelle kann insoweit auch nicht davon ausgegangen werden, daß die gemeinsame Anfangssilbe "bia-" kennzeichnungsschwach ist und für den Verkehr in den Hintergrund tritt. Der von der Markeninhaberin und von der Markenstelle aufgezeigte Registerstand läßt eine solche Schlußfolgerung nicht zu. Denn danach weist nur eine geringe Anzahl von Marken in den Klassen 3 und 5 die Anfangssilbe "bia-" auf (vgl. hierzu BGH GRUR 1999, 241, 243 "Lions"; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 9 Rn. 318). Fernliegend erscheint es des weiteren, in der Lautfolge "bia-" einen Hinweis auf die beschreibende Angabe "bio-" zu sehen.

Trotzdem hebt sich die angegriffene Marke im maßgeblichen klanglichen Gesamteindruck hinreichend von der Widerspruchsmarke ab. Der zweisilbigen Lautfolge "bialind" steht die Widerspruchsmarke mit den drei Silben "biafine" gegenüber. Dabei weisen die Lautfolgen "-lind" und "-fine" nur eine geringe Ähnlichkeit auf. Vor allem die Konsonanten "l" und "f" werden völlig unterschiedlich artikuliert. Auch der in beiden Wörtern enthaltene Vokal "i" wird nicht identisch ausgesprochen. In der angegriffenen Marke ist das "i" wegen der nachfolgenden Konsonanten "-nd" kurz und klingt dunkel, während das "i" vor "-ne" breit und hell gesprochen wird. Schließlich unterscheidet sich auch der konsonantische Auslaut "-nd" der jüngeren Marke unüberhörbar von dem vokalischen Wortende "-ne" der Widerspruchsmarke. Klangliche Verwechslungen können bei dieser Sachlage mit Sicherheit ausgeschlossen werden.

Auch in schriftbildlicher Hinsicht sind Verwechslungen nicht zu besorgen. Die Wörter "Bialind" und "Biafine" unterscheiden sich zunächst sowohl bei einer Wiedergabe in Versalien als auch in üblicher Schreibform im vierten und im letzten Buchstaben deutlich ("L/F" und "D/E" bzw. "l/f" und "d/e"). Der schriftbildliche Vergleich kann jedoch nicht hierauf beschränkt werden. Denn wenn zumindest eine der Vergleichsmarken in einer besonderen, bildlich ausgestalteten Form eingetragen ist, so ist dem schriftbildlichen Vergleich diese Form zugrundezulegen (vgl. BGH GRUR 1999, 241, 244 "Lions"; GRUR 2002, 1067, 1069 "DKV/OKV"). Im vorliegenden Fall wird der bildliche Gesamteindruck der Widerspruchsmarke mitbestimmt durch die auffällige, nahezu durchgehende, Unterlängen abschneidende und mit den Buchstaben verschmelzende Linie, auf welcher der Schriftzug "Biafine" gewissermaßen aufsteht. Diese Besonderheit findet in der angegriffenen Marke keine Entsprechung.

Die Beschwerde konnte nach alledem keinen Erfolg haben.

2. Eine Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt ist nicht geboten. Soweit die verspätete Zustellung des Schriftsatzes der Markeninhaberin vom 9. Februar 2001 als Verletzung des rechtlichen Gehörs und damit als Verfahrensmangel im Sinne von § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG eingestuft werden kann, ist dieser Mangel jedenfalls im Beschwerdeverfahren geheilt worden. Einer Sachentscheidung des Senats steht daher nichts entgegen.

3. Es bestand kein Anlaß, einer der Beteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 71 Abs. 1 MarkenG).

Dr. Ströbele Kirschneck Dr. Hacker Bb Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/D14179.3.gif






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Az: 24 W (pat) 200/02


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