Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. September 2007
Aktenzeichen: 30 W (pat) 74/05
(BPatG: Beschluss v. 17.09.2007, Az.: 30 W (pat) 74/05)
Tenor
Auf die Beschwerde des Markeninhabers werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. März 2004 und 22. März 2005 aufgehoben.
Der Widerspruch aus der Marke IR 743 135 wird zurückgewiesen.
Die Kosten werden der Widersprechenden auferlegt.
Gründe
I.
Gegen die für die Waren der Klasse 5 "Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich Herz-Kreislauf-Mittel, Thrombolytika, Dermatologika" eingetragene und am 22. November 2002 veröffentlichte Wortmarke 302 14 247
"CYREX"
ist am 21. Januar 2003 Widerspruch erhoben worden aus der am 22. September 2000 unter der Nummer IR 743 135 u. a. für "pharmazeutische Erzeugnisse" international registrierten Wortmarke
"IREX", die ihrerseits bis zum Jahr 2002 von einem Widerspruch angegriffen worden war. Die Schlussmitteilung ist dem Internationalen Büro am 10. Juni 2002 zugegangen.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat auf den Widerspruch durch Beschlüsse vom 15. März 2004 und 22. März 2005 die Verwechslungsgefahr bejaht mit der Begründung, angesichts identischer Waren sei der erforderliche Abstand zur Widerspruchsmarke nicht mehr gewahrt, da nur eine Abweichung durch den zusätzlichen Anfangskonsonanten bestehe, der insbesondere in klanglicher Hinsicht nicht hinreichend auffalle.
Gegen diese Beschlüsse richtet sich die Beschwerde des Markeninhabers, wobei er mit Schriftsatz vom 31. August 2007 die Einrede der Nichtbenutzung erhoben hat und sinngemäß beantragt, die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben und den Widerspruch aus der IR-Marke IR 743 135 zurückzuweisen.
Die Widersprechende hatte bereits mit Schriftsatz vom 30. Juli 2007 mitgeteilt, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde, und keinen Antrag gestellt.
Zum Verhandlungstermin sind beide Beteiligten nicht erschienen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Markeninhabers ist zulässig und in der Sache begründet. Die von der Markenstelle aufgrund des Widerspruchs aus der IR-Marke 743 135 angeordnete Löschung der angegriffenen Marke war aufzuheben, da der Widerspruch ohne Glaubhaftmachung der zulässig bestrittenen Benutzung der Widerspruchsmarke erfolglos bleiben musste.
Nach § 82 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 138 Abs. 3 ZPO ist die vom Markeninhaber behauptete Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke als zugestanden anzusehen mit der Folge, dass auf Seiten der Widerspruchsmarke bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr keine der für sie eingetragenen Waren und Dienstleistungen berücksichtigt werden kann. Der Markeninhaber hat die Einrede der Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke mit Schriftsatz vom 31. August 2007 gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG wirksam erhoben. Die Benutzungsschonfrist der Widerspruchsmarke begann aufgrund der besonderen Regeln für IR-Marken in §§ 116 Abs. 1, 115 Abs. 2 MarkenG mit Zugang der Schlussmitteilung des DPMA beim Internationalen Büro am 10. Juni 2002 über den Abschluss des sie betreffenden Widerspruchsverfahrens. Die Frist endete am 10. Juni 2007 und damit nach der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke. Die Widersprechende hätte daher nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG glaubhaft machen müssen, dass sie ihre Marke seitdem benutzt hat. In Bezug auf den Benutzungszwang wird der ansonsten maßgebliche Untersuchungsgrundsatz durchbrochen und auf den Beibringungs- und Verhandlungsgrundsatz abgestellt. Dies bedeutet u. a., dass die Glaubhaftmachung der bestrittenen Benutzung ausschließlich nach dem Vorbringen der Verfahrensbeteiligten zu beurteilen ist, ohne dass für gerichtliche Ermittlungen Raum wäre (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. 2006, § 43 Rdn. 2). Die Widersprechende hat sich spätestens durch ihre Entscheidung, an der mündlichen Verhandlung nicht teilzunehmen, der Möglichkeit begeben, eine Erklärung im Sinne des § 138 Abs. 2 MarkenG in Bezug auf die von der Markeninhaberin behauptete Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke abzugeben (Ströbele/Hacker, a. a. O., Rdn. 28).
Der Umstand, dass der Markeninhaber die Einrede der Nichtbenutzung erst zwei Wochen vor dem Verhandlungstermin erhoben hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Insbesondere scheidet hier ein Ausschluss der Nichtbenutzungseinrede nach den Grundsätzen über die Zurückweisung verspäteten Vorbringens aus (§ 82 Abs. 1 MarkenG i. V. m. §§ 282 Abs. 2, 296 Abs. 2 ZPO). Denn eine derartige Zurückweisung setzt nicht nur eine auf grober Nachlässigkeit des Inhabers der angegriffenen Marke beruhende Verspätung des Vorbringens voraus, sondern auch eine hierdurch bedingte tatsächliche Verzögerung des Verfahrens. Eine Verfahrensverzögerung ist im Fall einer erstmals in oder auch kurz vor der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht erhobenen Nichtbenutzungseinrede zu bejahen, wenn die Benutzungslage der Widerspruchsmarke streitig ist und für den Widersprechenden bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung eine Glaubhaftmachung der von ihm geltend gemachten Benutzung nach objektiven Kriterien nicht möglich ist (Ströbele/Hacker, a. a. O., Rdn. 25). Eine solche Fallgestaltung wäre beispielsweise gegeben, wenn die Widersprechende die bestrittene Benutzung in der mündlichen Verhandlung in Form einer Erklärung gemäß § 138 Abs. 2 ZPO geltend gemacht hätte, eine sofortige Glaubhaftmachung der Benutzung im Termin aber - etwa wegen momentan nicht zur Verfügung stehender Unterlagen - nicht möglich gewesen wäre. Die vorliegende Konstellation ist jedoch anders zu beurteilen. Da die Widersprechende nach ordnungsgemäßer Ladung von sich aus darauf verzichtet hat, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, und auch keine Erklärung zur Benutzungslage abgegeben hat, gilt die vom Markeninhaber behauptete Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke nach § 82 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Über die Beschwerde konnte daher trotz der erst kurz vor der mündlichen Verhandlung erhobenen Nichtbenutzungseinrede ohne Verzögerung bereits am Tag der mündlichen Verhandlung entschieden werden (vgl. BPatG GRUR 1997, 534, 535 f. - ETOP/Itrop; BPatG, Beschl. v. 17. Juni 2004, PAVIS PROMA 25 W (pat) 170/03 - Silvamed/ SILCA med).
Es bestand auch keine Veranlassung, der Widersprechenden durch Vertagung (§ 227 ZPO) nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und weiteres rechtliches Gehör zu gewähren. Die Möglichkeit der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung stellt eine besonders intensive Form und regelmäßig das Verfahren abschließende Form der Gewährung rechtlichen Gehörs dar. Auch unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflicht (§ 139 ZPO) war es nicht geboten, die Widersprechende auf mögliche Rechtsnachteile aufmerksam zu machen, wenn sie der mündlichen Verhandlung fernbleibt. In der Ladung wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass beim Ausbleiben eines Verfahrensbeteiligten ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (§ 75 Abs. 2 MarkenG). Zudem findet die Hinweis und Aufklärungspflicht des Gerichts ihre Grenze im Gebot der Unparteilichkeit (Ströbele/Hacker, a. a. O. Rdn. 39). Aufgrund des im Zusammenhang mit Fragen der rechtserhaltenden Benutzung geltenden Beibringungs- und Verhandlungsgrundsatzes ist es dem Gericht verwehrt, auf Angriffs- und Verteidigungsmittel, hier insbesondere die Möglichkeit einer Nichtbenutzungseinrede, hinzuweisen. Dementsprechend gilt auch umgekehrt, dass das Gericht einen Widersprechenden nicht auf den Ablauf der Benutzungsschonfrist seiner Marke und damit auf die mögliche Erhebung der Nichtbenutzungseinrede durch den Inhaber der angegriffenen Marke hinweisen darf (Ströbele/Hacker, a. a. O., Rdn. 2).
Bei der Kostenentscheidung, die von Amts wegen zu treffen ist (vgl. Ströbele/ Hacker, a. a. O. § 71 Rdn. 2), war zu berücksichtigen, dass die Widersprechende auf die zulässig erhobene Einrede weder einen ernsthaften Versuch zur Glaubhaftmachung der Benutzung unternommen noch irgendeine weitere Reaktion gezeigt hat. So hätte sie durch einen Schriftsatz, wofür sie immerhin zwei Wochen Zeit hatte, oder selbst in der mündlichen Verhandlung (ggf. erste) Erklärungen zur Benutzungslage abgeben können; schließlich hätte sie auch den Widerspruch unverzüglich zurücknehmen können, falls die Widerspruchsmarke tatsächlich nicht in Deutschland benutzt war. Nachdem sie aber offensichtlich den Widerspruch ohne Reaktion auf die Nichtbenutzungseinrede weiterverfolgt hat, waren ihr die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach § 71 Abs. 1 MarkenG aufzuerlegen (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O., Rdn. 5 m. w. N.).
Dr. Vogel von Falckenstein Hartlieb Paetzold Ko
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Beschluss v. 17.09.2007
Az: 30 W (pat) 74/05
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