Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. Mai 2004
Aktenzeichen: 5 W (pat) 406/03
(BPatG: Beschluss v. 05.05.2004, Az.: 5 W (pat) 406/03)
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts - Gebrauchsmusterabteilung I - vom 2. Oktober 2002 aufgehoben.
Das Gebrauchsmuster 94 17 832 wird im Umfang seines Schutzanspruchs 1 gelöscht, soweit er über die Fassung des Hilfsantrags II vom 5. Mai 2004 hinausgeht.
Im übrigen werden der Löschungsantrag und die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug trägt die Antragsgegnerin zu und die Antragstellerin zu .
Die Kosten des Verfahrens im zweiten Rechtszug werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe
I Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des am 8. November 1994 beim Deutschen Patentamt mit acht Schutzansprüchen unter der Bezeichnung Leitungskanalangemeldeten Gebrauchsmusters 94 17 832 (Streitgebrauchsmuster), dessen Schutzdauer verlängert worden ist.
In einem früheren Löschungsverfahren (Aktenzeichen Lö I 53/97) war das Streitgebrauchsmuster vom Deutschen Patent- und Markenamt teilweise gelöscht worden. Das Bundespatentgericht hat sodann den damaligen Löschungsantrag unter Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung am 2. August 2000 zurückgewiesen (Aktenzeichen 5 W (pat) 434/99).
Die Antragsstellerinnen haben am 15. Februar 2001 beim Deutschen Patent- und Markenamt die Löschung des Streitgebrauchsmusters im Umfang der Schutzansprüche 1, 4 und 7 beantragt. Zur Begründung haben sie vorgetragen, daß diese Gegenstände des Gebrauchsmusters im Hinblick auf den Stand der Technik nicht neu seien, zumindest aber nicht auf einem erfinderischen Schritt beruhten.
Zum Stand der Technik haben die Antragstellerinnen folgende Druckschriften genannt:
DE 93 15 256 U1, GB 22 33 731 A, DE 91 15 442 U1, GB 21 74 254 A, DE 73 23 586 U, EP 271 891 A2, DE 39 08 310 A1, Prospekt der Firma TEHALIT (1993)
Aufsatz "Installationskanäle .." aus Industrie-Elektrik + Elektronik (1967) Nr B 3, Seite 37.
Die Antragsgegnerin hat dem Löschungsantrag widersprochen.
Die Schutzansprüche 1, 4 und 7 lauten:
1. Leitungskanal für die Verlegung von erwärmte Fließmedien führenden Rohrleitungen in Kombination mit Kabeln für die Elektroversorgung von Verbrauchern, wobei für jede Belegungsart ein gesonderter Kanalbereich vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Kanalbereiche (4, 5) für die verschiedenen Belegungsarten über wenigstens eine Hohlkammer (2, 6, 8) miteinander verbunden sind.
4. Leitungskanal nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß in die Hohlkammer (2) ein deren lichten Querschnitt ausfüllender Schaumstreifen (3) eingebracht ist.
7. Leitungskanal nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Isoliermaterial durch mehrere hintereinandergeschaltete Teilhohlkammern (81, 82, 83) ersetzt ist.
Hilfsweise hat die Antragsgegnerin das Gebrauchsmuster mit einem neuen Schutzanspruch 1 verteidigt.
Die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluß vom 2. Oktober 2002 das Gebrauchsmuster im Umfang des Schutzanspruchs 1 gelöscht. Der weitergehende Teillöschungsantrag wurde zurückgewiesen. Dieser Beschluß ist damit begründet, daß der Gegenstand des eingetragenen Schutzanspruchs 1 nach Hauptantrag gegenüber der GB 22 33 731 A nicht neu sei und die Merkmale der Kombinationskanalanordnung nach Schutzanspruch 1 gemäß Hilfsantrag durch die Kombinationskanalanordnung in der GB 22 33 731 A bekannt bzw unmittelbar angeregt sei.
Gegen diesen Beschluß hat die Antragsgegnerin Beschwerde eingelegt. Sie führt aus, der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 sei gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik, dh gegenüber den DE 93 15 256, GB 22 33 731 und DE 39 08 310 neu oder beruhe doch jedenfalls auf einem erfinderischen Schritt. Ferner verteidigt sie das Schutzrecht mit einem in der mündlichen Verhandlung überreichten Schutzanspruch 1 nach den Hilfsanträgen I bis VI.
Die Schutzansprüche 1 nach Hilfsantrag I und II lauten:
Hilfsantrag I:
1. Kombinationskanalanordnung mit einem Heizungsrohrleitungen aufweisenden ersten Kanalbereich und einem Kabel für die Elektroversorgung von Verbrauchern aufweisenden zweiten Kanalbereich, dadurch gekennzeichnet, daß in dem ersten Kanalbereich nichtisolierte Heizungsrohrleitungen (41, 42) angeordnet sind und daß der erste Kanalbereich (4) über wenigstens eine thermisch isolierende Hohlkammer (2, 6, 8) mit dem die Kabel (51, 52, 53) für den die Elektroversorgung aufweisenden zweiten Kanalbereich (5) verbunden ist.
Hilfsantrag II:
1. Leitungskanal für die Verlegung von erwärmte Fließmedien führende Rohrleitungen in Kombination mit Kabeln für die Elektroversorgung von Verbrauchern, wobei für jede Belegungsart ein gesonderter Kanalbereich vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Kanalbereiche (4, 5) für die verschiedenen Belegungsarten über wenigstens eine Hohlkammer (2, 6, 8) miteinander verbunden sind, und daß in mindestens eine der Hohlkammern ein Isoliermaterial eingebracht ist, welches mit einem Wärmeleitwert von 0,04 W/m*K versehen ist.
Die jeweiligen Schutzansprüche 4 und 7 entsprechen im Wortlaut den eingetragenen Schutzansprüchen 4 und 7.
Die Antragsgegnerin beantragt, den angefochtenen Beschluß dahingehend abzuändern, daß der Löschungsantrag auch im Umfang der Schutzansprüche 1 nach dem Hauptantrag (bezogen auf den eingetragenen Schutzanspruch 1) und den Hilfsanträgen I bis VI, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, zurückgewiesen wird.
Die Antragstellerinnen beantragendie Zurückweisung der Beschwerde.
Sie treten dem Vorbringen der Antragsgegnerin entgegen.
II Die Beschwerde ist zulässig, aber nur teilweise begründet. Denn der Löschungsantrag ist nur teilweise - nämlich soweit Schutzanspruch 1 über die Fassung des Hilfsantrags II vom 5. Mai 2004 hinausgeht - begründet.
Die Gegenstände des Schutzanspruchs 1 in der eingetragenen Fassung sowie nach dem Hilfsantrag I sind nicht schutzfähig (§ 15 Abs 1 Nr 1 GebrMG). Gleiches kann von dem mit dem Hilfsantrag II verteidigten Gegenstand nicht festgestellt werden.
1. Mit dem verteidigten Gegenstand soll die Aufgabe gelöst werden, einen Leitungskanal für die Verlegung von erwärmte Fließmedien führende Rohrleitungen in Kombination mit Kabeln für die Elektroversorgung von Verbrauchern anzugeben, bei dem die Nachteile des Standes der Technik vermieden werden. Es ist weiter Aufgabe der Erfindung, einen solchen Kanal montagefreundlich zu gestalten, so daß insbesondere zeitraubende Montagearbeiten vor Ort entfallen können.
2. Zur Lösung wird nach Schutzanspruch 1 gemäß Hauptantrag ein Leitungskanal mit folgenden Merkmalen vorgeschlagen:
1. Der Leitungskanal ist für die Verlegung von erwärmte Fließmedien führende Rohrleitungen 2. in Kombination mit Kabeln für die Elektroversorgung von Verbrauchern vorgesehen.
3. Für jede Belegungsart ist ein gesonderter Kanalbereich vorgesehen.
4. Die Kanalbereiche für die verschiedenen Belegungsarten sind über wenigstens eine Hohlkammer miteinander verbunden.
3. Der Durchschnittsfachmann, der die gebrauchsmustergemäße Aufgabe lösen soll, ist ein auf dem Gebiet der Haustechnik bewanderter Meister oder Ingenieur. Diesem ist auch der Stand der Technik bekannt, der in der GB 22 33 731 A beschrieben ist. Denn auch dort wird ein Leitungskanal für Heißwasserrohre und für Elektrokabel beschrieben, wobei für jede Belegungsart ein gesonderter Kanalbereich vorgesehen ist, die über eine Hohlkammer verbunden sind (Merkmale 1 bis 4; vgl GB 22 33 731 A Fig 6/7 iVm der Figurenbeschreibung sowie S 4 Abs 2 und 3). Die Antragsgegnerin ist zwar der Auffassung, daß insbesondere in Figur 7 die Rohre nicht für Heißwasser gedacht seien. Jedoch ergibt sich für den Fachmann aus der Gesamtsicht dieser Entgegenhaltung, daß die in Figur 7 gezeigten Rohre 12 auch Heißwasserrohre einer Zentralheizung sein können. Dies ergibt sich aus der Beschreibung Seite 11, Zeilen 3 bis 7 von unten, wo bereits die Gesamtschau der Figuren 6 und 78 angesprochen ist, oder aus der Einleitung dieser britischen Patentanmeldung, wo generell die Installierung von Rohren für Zentralheizungen erwähnt ist (vgl S 1 Abs 1). Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 gemäß Hauptantrag ist daher mangels Neuheit nicht schutzfähig.
4. Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag I unterscheidet sich von dem nach Hauptantrag dadurch, daß nicht mehr ein Leitungskanal beansprucht wird, sondern eine Kombinationskanalanordnung, wobei die Rohrleitungen Heizungsrohrleitungen sind und diese nicht isoliert sind und die Hohlkammern thermisch isolierend sind. Auch dieser Gegenstand ist nicht neu, sondern aus der GB 22 33 731 A bekannt. Denn auch dort kann der Leitungskanal als Kombinationskanalanordnung gesehen werden, auch dort können die Rohrleitungen Heizungsrohrleitungen sein, und auch dort sind die Heizungsrohrleitungen nicht isoliert (vgl GB 22 33 731 A aaO). Das Merkmal, daß die Hohlkammern thermisch isolierend sein sollen, liest der Fachmann in der britischen Patentanmeldung mit, da Hohlkammern naturgemäß immer isolierende Eigenschaften haben, was als Allgemeinwissen nicht näher nachgewiesen zu werden braucht.
Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 nach Hilfsantrag I ist daher auch mangels Neuheit nicht schutzfähig.
5. Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag II unterscheidet sich von dem nach Hauptantrag durch das zusätzliche Merkmal, daß in mindestens eine der Hohlkammern ein Isoliermaterial eingebracht ist, welches mit einem Wärmeleitwert von 0,04 W/m*K versehen ist.
Dieses Merkmal wurde dem eingetragenen Schutzanspruch 2 entnommen, der von den Antragstellerinnen allerdings nicht angegriffen worden war. Gleichwohl ist die Aufnahme dieses Merkmals in den angegriffenen Hauptanspruch hier als zulässig anzusehen. Zwar läßt die das Löschungsverfahren beherrschende Dispositionsmaxime die Verteidigung eines - wie hier - nur im Umfang einzelner (und nicht aller) Schutzansprüche angegriffenen Gebrauchsmusters nicht zu, soweit sie sich auf einen Gegenstand beschränkt, der der Gegenstand eines (oder mehrerer) der nicht angegriffenen Schutzansprüche ist. Denn der Antragsteller verfügt mit dem Inhalt seines Löschungsantrags über den Rahmen, den das Löschungsverfahren nicht überschreiten darf, und die Erstreckung der Prüfung auf den Gegenstand eines nicht mit dem Löschungsantrag angegriffenen Schutzanspruches würde den zulässigen Prüfungsumfang überschreiten.
Im vorliegenden Fall ist aber die beschränkte Verteidigung im Wege der Aufnahme des genannten Wärmeleitwerts aus dem nicht angegriffenen Unteranspruch 2 unbedenklich. Denn dieser Unteranspruch, der den folgenden Wortlaut hat:
2. Leitungskanal nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß in mindestens eine der Hohlkammern (2, 6, 8) ein Isoliermaterial eingebracht ist, welches mit einem Wärmeleitwert von = 0,04 W/m*K ausgestattet und so bemessen ist, daß die Temperatur im Kanalbereich (5) für die Elektroversorgung über dessen lichten Querschnitt den Wert von 25¡C nicht übersteigt.
enthält neben dem Wärmeleitwert des Isoliermaterials eine Bemessungsangabe für dieses Material. Die Bemessungsangabe, wonach das Isoliermaterial eine bestimmte Temperatur im näher angegebenen Bereich nicht übersteigen soll, steht aber nicht in untrennbarem Zusammenhang mit dem Wärmeleitwert des Materials, sondern läßt auch Leitungskanäle mit einem Isoliermaterial desselben Wärmeleitwerts als sinnvoll vorstellen, das für andere Temperaturobergrenzen bemessen ist. Daher ist Schutzanspruch 1, der sich auf einen Leitungskanal beschränkt, dessen Isoliermaterial vom Fachmann beliebig - d.h. je nach den Erfordernissen im beabsichtigten Einsatz - bemessen wird, der Prüfung auf das Vorliegen des geltend gemachten Löschungsgrundes zugänglich.
Im entgegengehaltenen Stand der Technik ist kein Hinweis darauf zu finden, in die Hohlkammern ein Isoliermaterial mit dem angegebenen Wärmeleitwert einzubringen. Da dies auch keine selbstverständliche Maßnahme ist, beruht die Entwicklung des mit Schutzanspruch 1 gemäß Hilfsantrag II beanspruchten Leitungskanals auf einem erfinderischen Schritt.
6. Soweit sich der Löschungsantrag gegen die Schutzansprüche 4 und 7 richtet, hat es mit der Zurückweisungsentscheidung der Gebrauchsmusterabteilung sein Bewenden, die insoweit mit der Beschwerde nicht angegriffen worden ist und deshalb vom Beschwerdeverfahren insoweit unberührt bleibt.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs 2 GebrMG in Verbindung mit § 84 Abs 2 PatG, § 92 ZPO.
Das die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert, ist nicht ersichtlich.
Goebel Dr. Jordan Dr. Egererbr/Be/Fa
BPatG:
Beschluss v. 05.05.2004
Az: 5 W (pat) 406/03
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