Landgericht Köln:
Urteil vom 18. November 2005
Aktenzeichen: 81 O (Kart) 93/05
(LG Köln: Urteil v. 18.11.2005, Az.: 81 O (Kart) 93/05)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Die Parteien sind Wettbewerber beim Angebot von Sprachtelefonie gegenüber dem Endverbraucher. Während die Beklagte auf diesem Gebiet - insbesondere als Teilnehmernetzbetreiberin und damit unmittelbare Anbieterin von Telefonanschlüssen - eine marktbeherrschende Stellung innehat, ist die Klägerin jedenfalls im hier interessierenden Zusammenhang als sog. Verbindungsnetzbetreiberin - als Anbieterin von Verbindungen zwischen verschiedenen Teilnehmernetzen - tätig.
Anlass für den vorliegenden Rechtsstreit ist ein Vorfall von Anfang des Jahres 2004.
Ein Herr u - Telefonkunde der Beklagten - hatte mit der Klägerin im August 1999 einen sogenannten Preselection-Vertrag abgeschlossen. Dieser Vertrag hatte zum Gegenstand und zur Wirkung, dass der Telefonkunde seine Telefongespräche in der Folgezeit über seinen Preselection-Vertragspartner - die Klägerin - führte, ohne dass er außer der Telefonnummer seines gewünschten Gesprächspartners nebst Vorwahl von dessen Ortsnetz weitere Nummern wählen musste. Um dies technisch zu verwirklichen, musste der Telefonanschluss des wechselnden Kunden dauerhaft auf die Netzkennzahl des Verbindungsnetzbetreibers (der Klägerin) umgestellt werden, was allein dem jeweiligen Teilnehmernetzbetreiber (hier: der Beklagten) möglich ist; rechtlich läuft dieser Vorgang ab auf der Grundlage eines Auftrages des Telefonkunden an den Verbindungsnetzbetreiber, der dann in Vollmacht des Endkunden den Antrag an den Teilnehmernetzbetreiber weiterleitet.
Dies wurde in der allseits gewünschten Form so praktiziert bis kurz vor Weihnachten 2003, als Herr U - die folgende Schilderung beruht auf der Darstellung der Klägerin - gegenüber einem Haustürvertreter der Fa.T einen (neuen) Freischaltungsauftrag erteilte. Diesen Freischaltungsauftrag widerrief Herr U gegenüber der Fa.T mit E-Mail vom 25.12.2003, wurde aber gleichwohl von dieser am 2.1.2004 als neuer Kunde begrüßt; daraufhin schickte Herr U am 3.1.2004 eine weiteres Widerrufsschreiben (per Fax) an die T. Am 5.1.2004 erhielt Herr U von der Beklagten ein Schreiben mit dem Inhalt, dass er wunschgemäß von der Klägerin auf den Verbindungsnetzbetreiber der Fa.T, die D Telecom, umgestellt worden sei.
Noch am selben Tag rief er bei der in dem Schreiben genannten Hotline der Beklagten an und teilte dem Sachbearbeiter mit, dass er den Preselection-Vertrag mit der T widerrufen habe; er forderte, dass die neue Voreinstellung beseitigt und "alles wie vorher"eingestellt werden sollte. Dies wurde ihm versprochen.
In der Folgezeit erhielt er dann von der Beklagten ein Schreiben mit der Einleitung "... wir freuen uns über Ihre Entscheidung, die Ortsnetzverbindungen und die ortsnetzbereichsüberschreitenden Verbindungen von Ihrem Anschluss wieder von T-Com herstellen zu lassen .." und war auf dieser Grundlage der Meinung, die alte Voreinstellung zugunsten der Klägerin sei wieder hergestellt. In Wahrheit hatte die Beklagte ihn - wie in der Zeit vor August 1999 - wieder auf sich voreingestellt: erst Monate später fiel ihm sein Irrtum auf.
Die Klägerin macht mit ihrer am 10.12.2004 eingereichten Klage geltend, die fehlerhafte Bearbeitung der Widerrufsanzeige beruhe nicht auf einem Einzelfallversehen; vielmehr sei die Beklagte ganz bewusst so organisiert, dass derartige "Missverständnisse" provoziert würden. Der Mitarbeiter des sog. Front-Offices, welches Anrufe der genannten Art entgegen nehme, könne gar nicht erkennen, ob und gegebenenfalls welche Voreinstellung zuvor bestanden habe; der Mitarbeiter müsse mangels anderweitiger Informationen davon ausgehen, dass der Kunde (lediglich) eine Beseitigung der Voreinstellung wünsche, was automatisch zu einer Voreinstellung auf die Beklagte führe.
Das Verhalten der Beklagten stelle eine gezielte Behinderung gemäß § 4 Nr.10 UWG dar, welches die Beklagte zu unterlassen habe. Sie - die Klägerin - habe einen Anspruch darauf, dass die Beklagte bei Widerruf des zweiten Voreinstellungswunsches dem ersten Voreinstellungswunsch entspreche, wenn es - wie vorliegend - keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass der Kunde nunmehr auf die Beklagte eingestellt zu werden wünscht. Mit diesem Verhalten nutze die Beklagte auch ihre marktbeherrschende Stellung aus, denn nur sie sei in der Lage, die für die dauerhafte Voreinstellung notwendigen technischen Eingriffe vorzunehmen; es sei reiner Zufall, dass die Klägerin in diesem Fall, der nur die Spitze des Eisberges darstelle, zu Anfang September 2004 Kenntnis von dem Vorgehen der Beklagten erfahren habe.
Der Kunde habe sich keineswegs unklar ausgedrückt; der Sachbearbeiter habe die eindeutige Aussage, es solle alles so eingestellt werden wie es vorher war, nur deshalb nicht richtig verstehen, weil die Beklagte ihn bewusst so "dumm" mache, dass er den Kunden nicht richtig verstehen könne.
Sie beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu € 250.000,- zu unterlassen,
für einen Preselection-Kunden der Klägerin, der mit einem anderen Anbieter einen zweiten Preselection-Vertrag geschlossen bzw. den Abschluss eines derartigen Vertrags angeboten und seine Willenserklärung rechtswirksam widerrufen hat, den Telefonanschluss des Kunden so einzustellen, dass alle Telefongespräche, bei denen keine Verbindungsnetzbetreiberkennzahl eingegeben wurde, über die Beklagte geführt werden,
wenn der Kunde gegenüber der Beklagten lediglich den Widerruf des zweiten Preselection-Vertrages angezeigt hat, ohne ihr gegenüber den Wunsch zu einem Rückwechsel zur Beklagten geäußert zu haben,
hilfsweise,
wenn der Kunde gegenüber der Beklagten bei Anzeige des Widerrufs des zweiten Freischaltungsauftrags erklärt hat, dass alles wie vorher eingestellt werden solle.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie weist darauf hin, dass die Abwicklung von Preselection-Aufträgen ein Massengeschäft darstelle und sich deshalb Fehler im Einzelnen nie ganz vermeiden ließen. Der Kunde U habe am 13.1.2005 bei einer Mitarbeiterin der Beklagten angerufen und ihr außer seinem Wunsch nach sofortiger Stornierung der Voreinstellung auf die T mitgeteilt, dass seine bisherige Voreinstellung auf die "G City Line" gelautet habe und wieder hergestellt werden solle.
Der Vorgang sei nach dem Telefonat von einer anderen Angestellten bearbeitet worden, die Namen "G City Line" nicht habe unterbringen können, weil die ursprüngliche Voreinstellung im Computer nicht mehr erkannt werden könne; sie habe dann mehrfach vergeblich versucht, den Kunden U telefonisch zu erreichen und ihn nach seinen Wünschen zu befragen. Am 14.1.2005 sei dann die Voreinstellung auf D gelöscht worden und der Kunde mangels anderer konkreter Angaben auf die Beklagte voreingestellt worden; warum die Sachbearbeiterin beim Kunden nicht weiter nachgehakt habe, sei nach der langen Zeit nicht mehr feststellbar. Nachdem sich der Vorfall schon Anfang Januar 2005 zugetragen habe, erhebt sie die Einrede der Verjährung.
In der Sache leugnet sie eine zielgerichtete Behinderung der Klägerin bzw. einen Missbrauch ihrer Marktstellung, zumal es sich tatsächlich allenfalls um einen einzigen Fall gehandelt hat.
Sie beanstandet den Antrag aus verschiedenen Gründen als zu weit gefasst, weil damit etliche Sachverhaltsgestaltungen erfasst würden, um die es vorliegend gar nicht gehe z.B. den Fall einer Umstellung auf die Beklagte, bei dem es zu der zweiten Umstellung gar nicht erst gekommen sei.
Beide Parteien haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin kann von der Beklagten nicht wie begehrt Unterlassung verlangen, weil sie in keinem der beiden von der Klägerin zur Entscheidung gestellten Fällen
Anzeige des Widerrufs eines zweiten Preselection-Vertrages (Hauptantrag) Anzeige des Widerrufs eines zweiten Preselection-Vertrages mit dem Zusatz, es solle alles wie vorher eingestellt werden (Hilfsantrag)
einen Anspruch darauf hat, dass die Beklagte es unterlässt, Anschlüsse der Kunden auf sich selbst voreinzustellen.
Es bestehen schon - unabhängig von denjenigen Überlegungen, die die Beklagte geltend gemacht hat - Bedenken gegen die Antragsfassung; dies ist auch im Verhandlungstermin erörtert worden.
Es ist zwar das Motiv der Klägerin für diesen Prozess, eine dauerhafte Einstellung auf sich zu erreichen und eine solche auf die Beklagte zu verhindern; das Rechtsschutzziel aber - allein dies kann Gegenstand einer Antragsformulierung sein - besteht darin, dass sich die Beklagte so organisiert, dass der Mitarbeiter, der ein Telefonat der von der Klägerin behaupteten Art entgegen nimmt, auch ohne individualisierende Hinweise des Anrufers weiß, auf welchen Verbindungsnetzbetreiber der Anschluss voreingestellt war.
Die Klägerin hat aber keinen Anspruch gegen die Beklagte, sich in einer bestimmten Weise zu organisieren; ein Leistungsantrag wäre deshalb entweder zu unbestimmt (und damit unzulässig) oder aber - bei ausreichender Bestimmtheit - mangels eines auf Vornahme einer solchen, bestimmten Handlung gerichteten Anspruchs unbegründet: an dieser Unmöglichkeit, einen "richtigen" Antrag zu formulieren, zeigt sich bereits die Unbegründetheit des Rechtsschutzbegehrens der Klägerin.
Der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt zeichnet sich nämlich dadurch aus, dass es zu der falschen Voreinstellung des Herrn U gar nicht erst gekommen wäre, wenn
er selbst sich klar ausgedrückt hätte und statt "wie früher" den richtigen Namen genannt hätte (den Vortrag der Klägerin zugrunde gelegt; den Vortrag der Beklagten, wonach es sich tatsächlich und allenfalls um ein Fehlverhalten im Einzelfall gehandelt hat, hat sich die Klägerin nicht zu eigen gemacht, weil sie für den Fall offenbar - zu Recht - selbst nicht davon ausgeht, gegen die Beklagte einen Anspruch auf Umorganisation zu haben) der Mitarbeiter der Beklagten zurückgefragt hätte, was denn "früher" gewesen ist
oder
der Kunde U wenigstens das Bestätigungsschreiben der Beklagten richtig gelesen hätte.
Unter allen von ihr selbst genannten rechtlichen Aspekten - weitere sind auch nicht erkennbar - hat die Klägerin gegen die Beklagte immer nur Anspruch darauf, dass diese die Wünsche potenzieller oder tatsächlicher Kunden der Klägerin sorgfältig bearbeitet, sodass sie diesen Wünschen grundsätzlich nachkommt. Ein Irrtum und/oder ein Fehler im Einzelfall ist nie zu vermeiden, wie er vorliegend - auf der Grundlage des Vortrages der Klägerin - möglicherweise darin liegt, dass der Gesprächspartner nicht nachgefragt hat; nachdem die Klägerin keine interne Anweisung der Beklagten behauptet, in unklaren Fällen wie dem vorliegenden nie nachzufragen, braucht dieser Überlegung nicht nachgegangen zu werden. Keinesfalls aber braucht die Beklagte Vorkehrungen für einen Fall zu treffen, in dem sich der Kunde nicht klar ausdrückt: dieser hat es selbst in der Hand, seinen Wunschanbieter gegenüber der Beklagten zu benennen oder aber seinen Wunschanbieter unmittelbar anzusprechen, damit dieser gegenüber der Beklagten alles Notwendige veranlasst. Wie wenig aufmerksam sich der Kunde U verhalten hat, zeigt dessen mehrmonatiges Unwissen über seinen Verbindungsnetzbetreiber trotz des Bestätigungsschreibens der Beklagten und der ihm monatlich zugegangenen Rechnungen; keine zumutbare, vorsorgliche Organisation kann derartiges Verhalten auffangen.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.
Streitwert: € 50.000,-.
LG Köln:
Urteil v. 18.11.2005
Az: 81 O (Kart) 93/05
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