Brandenburgisches Oberlandesgericht:
Urteil vom 22. April 2008
Aktenzeichen: 6 U 118/07

(Brandenburgisches OLG: Urteil v. 22.04.2008, Az.: 6 U 118/07)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 26.07.2007 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Potsdam € 51 O 176/06 € abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

Die Klägerin wendet sich als Aktionärin gegen die Wirksamkeit von auf der Hauptversammlung der beklagten Aktiengesellschaft am 12.5.2006 gefasste Beschlüsse.

Die Satzung der Beklagten enthält in § 16 und § 17 folgende Regelungen:

§ 16 (4) Die Einberufung der Hauptversammlung erfolgt ... derart, daß zwischen dem Tag der Veröffentlichung und dem letzten Hinterlegungstag gemäß § 17 Abs. 2 der Satzung, beide Tage nicht mitgerechnet, eine Frist von einem Monat liegen muß. § 17 (1) Zur Teilnahme an der Hauptversammlung sind diejenigen Aktionäre berechtigt, die bei der Gesellschaft oder den sonst in der Einberufung zu bezeichnenden Stellen oder bei einer Wertpapiersammelbank oder bei einem Notar ihre Aktien während der üblichen Geschäftsstunden hinterlegen und bis zur Beendigung der Hauptversammlung dort belassen. (2) Die Hinterlegung hat spätestens 7 Tage vor dem Tag der Hauptversammlung zu erfolgen.In der Hauptversammlung vom 10. Januar 2005 wurde eine Kapitalerhöhung um 480.000 € auf 600.000 € beschlossen. Die Frist für die Annahme des Bezugsangebotes wurde mit zwei Wochen nach dessen Bekanntmachung festgelegt. Die Bekanntmachung erfolgte im elektronischen Bundesanzeiger am 10. Juni 2005, wobei als Frist die Zeit vom 15. Juni bis 30. Juni 2005 bestimmt wurde.

Die Beklagte lud durch Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger vom 3. April 2006 (Bl. 62 d. A.) zu einer Hauptversammlung auf den 12. Mai 2006 im C. in B. ein. Darin heißt es:

Zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts sind nach § 17 der Satzung diejenigen Aktionäre berechtigt, die ihre Aktien spätestens am Freitag, dem 5. Mai 2006, bis zur Beendigung der Hauptversammlung bei unserer Gesellschaftskasse oder bei der Landesbank Ba. während der üblichen Geschäftszeiten hinterlegen.

Zum Aufsichtsrat der Beklagten gehört S. O. als Arbeitnehmervertreterin; bei der letzten Aufsichtsratswahl waren noch Arbeitnehmer bei der Beklagten beschäftigt.

Bei der Hauptversammlung am 12.5.2006 waren 526.823 bzw. 526.824 Stimmen anwesend. Die Klägerin nahm mit 6.120 Stückaktien teil. In der Hauptversammlung wurden gegen die Stimmen der Klägerin insbesondere mit den Stimmen einer über 440.000 Stück haltenden Aktionärin die von der Klägerin angefochtenen Beschlüsse gefasst. Die Klägerin legte bei dem die Hauptversammlung beurkundenden Notar Widerspruch zur Niederschrift ein.

Die Klägerin hat behauptet, sie sei langjährige Aktionärin der Beklagten. Sie habe die Aktien schon vor der Bekanntmachung der Tagesordnung für die Hauptversammlung vom 12.5.2006 erworben.

Die Klägerin hat gemeint, es liege ein Anfechtungsgrund wenn nicht sogar ein Nichtigkeitsgrund vor, da die Beklagte zu der Hauptversammlung nicht fristgerecht eingeladen habe. Unter Verstoß gegen § 17 Abs. 2 der Satzung habe die Beklagte den spätesten Zeitpunkt für die Hinterlegung der Aktien auf den 5. Mai 2006 bestimmt, obwohl dies der 4. Mai 2006 hätte sein müssen. Da gemäß § 16 Abs. 4 der Satzung dieser Tag wie auch der Hinterlegungstag (3. April 2006) bei der Berechnung der Einberufungsfrist nicht mitgerechnet werde, werde die von der Satzung festgelegte Monatsfrist zwischen dem Tag der Veröffentlichung und dem letzten Hinterlegungstag nicht gewahrt.

Ein Anfechtungsgrund liege auch darin, dass der Aufsichtsrat wegen Nichtberücksichtigung des Drittelbeteiligungsgesetzes nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen sei.

Schließlich sei der Beschluss betreffend die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat deshalb anfechtbar, weil sie die aus der Kapitalerhöhung resultierenden Bezugsrechte nicht korrekt abgewickelt hätten. Die Mindestbezugsfrist für die durch die Kapitalerhöhung gemäß Beschluss vom 10. Januar 2005 vorgesehenen Aktien sei nicht eingehalten worden. Zum einen habe am 30. Juni 2005 nur zu den üblichen Schalterzeiten der Bank die Ausübung des Bezugsrechtes vorgenommen werden können, zudem habe der Vorstand den Bezug abgelehnt. Die ihr, der Klägerin zustehenden Aktien seien vom Großaktionär übernommen worden. Es sei aber auch eine Bedingung des Kapitalerhöhungsbeschlusses nicht erfüllt.

Die Klageschrift ist am 12. Juni 2006 bei Gericht eingegangen. Sie ist der Beklagten, vertreten durch ihren Vorstand, am 23.8.2006 zugestellt worden.

In der Klageschrift hat die Klägerin die drei Mitglieder des Aufsichtsrates der Beklagten namentlich benannt, jedoch nur für die Aufsichtsratsmitglieder W. O. und U. B. ladungsfähige Anschriften angegeben. Den Vornamen des Aufsichtsratsmitglieds W. O. hat sie mit "Wi." angegeben. Diesen beiden Aufsichtsratsmitgliedern konnte die Klageschrift unter den angegebenen Anschriften nicht zugestellt werden. Letztlich erfolgte die Zustellung der Klageschrift an das Aufsichtsratsmitglied U. B. durch Zustellung an die Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 16.10.2006. Eine Zustellung an das Aufsichtsratsmitglied W. O. erfolgte am 22.3.2007 unter der Geschäftsanschrift der Beklagten, wo er nach dem Vortrag der Klägerin eigene Geschäftsräume unterhält.

Die Klägerin hat beantragt,

1. Der in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten am 12.05.2006 unter Tagungsordnungspunkt 2 gefasste Beschluss über die Entlastung des Vorstandes für das Geschäftsjahr 2004/2005 mit dem nachfolgenden Wortlaut wird für nichtig erklärt:

Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor, dem Vorstand für das Geschäftsjahr 2004/2005 Entlastung zu erteilen.

Hilfsweise: Es wird festgestellt, dass vorstehender Beschluss nichtig (äußerst hilfsweise: unwirksam) ist.

2. Der in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten am 12.05.2006 unter Tagungsordnungspunkt 2 gefasst Beschluss über die Entlastung des Aufsichtsrates für das Geschäftsjahr 2004/2005 mit dem nachfolgenden Wortlaut wird für nichtig erklärt:

Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor, dem Aufsichtsrat für das Geschäftsjahr 2004/2005 Entlastung zu erteilen.

Hilfsweise: Es wird festgestellt, dass vorstehender Beschluss nichtig (äußerst hilfsweise: unwirksam) ist.

3. Der in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten am 12.05.2006 unter Tagungsordnungspunkt 4 gefasste Beschluss über die Satzungsänderung mit dem nachfolgenden Wortlaut wird für nichtig erklärt:

Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor, folgende Satzungsänderung zu beschließen:

4.1 § 21 Abs. 1 wird wie folgt neu gefasst:

(1) Der Vorstand hat den Jahresabschluss nach den gesetzlichen Vorschriften für das vergangene Geschäftsjahr in den ersten drei Monaten eines jeden Geschäftsjahres aufzustellen. Diese Unterlagen sind unverzüglich mit dem Vorschlag für den Beschluß der Hauptversammlung über die Verwendung des Bilanzgewinns dem Aufsichtsrat vorzulegen.

4.2. § 21 Abs. 3 wird wie folgt neu gefasst:

(3) Die Hauptversammlung beschließt alljährlich, nach Entgegennahme des gemäß § 171 Abs. 2 des AktG vom Aufsichtsrat zu erstattenden Berichts, in den ersten acht Monaten des Geschäftsjahres über die Entlastung des Vorstandes und Aufsichtrates, über die Verwendung des Bilanzgewinns, erforderlichenfalls über die Wahl des Abschlussprüfers und in den im Gesetz vorgesehenen Fällen über die Feststellung des Jahresabschlusses.

Hilfsweise: Es wird festgestellt, dass vorstehender Beschluss nichtig (äußerst hilfsweise: unwirksam) ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat gemeint, die Klage sei mangels Aktionärsstellung der Klägerin schon unzulässig. Selbst wenn sie in früheren Jahren Aktionärin gewesen wäre, könne sie ihre Aktien in der Zwischenzeit veräußert haben.

Die Beklagte hat gemeint, die Einberufungsfrist zu der Hauptversammlung am 12.5.2006 sei eingehalten worden. Der 5. Mai 2006 sei gemäß § 17 Abs. 2 der Satzung zutreffend als letzter Hinterlegungstag bestimmt worden, mithin sei die Monatsfrist vom 4. April bis 4. Mai 2006 eingehalten worden, da der Veröffentlichungstag (3. April 2006) und der Hinterlegungstag (5. Mai 2006) nicht mitgerechnet würden. Aber selbst wenn der richtige Hinterlegungstag der 4. Mai 2006 gewesen wäre, sei die Monatsfrist eingehalten. Verkürzt worden sei allenfalls die Hinterlegungsfrist. Dies geschehe jedoch nicht zum Nachteil, sondern nur zum Vorteil der Aktionäre. Eine Anfechtung aus diesem Grunde sei treuwidrig.

Da die streitgegenständlichen Beschlüsse in dieser Form aufgrund der konkreten Mehrheitsverhältnisse mit den Stimmen der Mehrheitsaktionärin in jedem Falle gefasst worden wären, sei ein etwaiger Einberufungsfehler nicht kausal für die angefochtene Beschlussfassung.

Ihr Aufsichtsrat sei vorschriftsmäßig besetzt. Der Geschäftsbericht 2004/2005 mit Jahresabschluss, Lagebericht des Vorstands und Bericht des Aufsichtsrates habe von der Einberufung der Hauptversammlung an in ihren Geschäftsräumen und in der Hauptversammlung ausgelegen.

Die Kapitalerhöhung sei ordnungsgemäß durchgeführt, im Handelsregister eingetragen und damit worden.

Das Landgericht hat der Klage in ihren Hauptanträgen stattgegeben und die angefochtenen Beschlüsse für nichtig erklärt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei zulässig und begründet. Das Bestreiten der Aktionärseigenschaft der Klägerin sei ins Blaue erfolgt. Die Anfechtungsfrist sei gewahrt. Die Klage sei auch begründet. Denn die Beklagte habe die nach der Satzung vorgesehene Einberufungsfrist von einem Monat nicht eingehalten, sie habe sie um einen Tag unterschritten. Der letzte Tag für die Hinterlegung der Aktien sei der 4.5.2006 gewesen. Zwischen dem 4.4.2006 und dem 3.5.2006 liege kein Monat. Dies begründe nicht die Nichtigkeit, sondern die Anfechtbarkeit der Hauptversammlungsbeschlüsse. Dass die Beschlüsse mit den Stimmen des Mehrheitsaktionärs ohnehin gefasst worden wären, könne dem nicht entgegengehalten werden.

Gegen dieses Urteil, ihr zugestellt am 1.8.2007, hat die Beklagte durch bei Gericht am 31.8.2007 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese durch am 28.9.2007 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte bestreitet erneut, dass die Klägerin weiterhin ihre Aktionärin sei. Sie meint, der letzte Tag für die Hinterlegung der Aktien sei der 5.5.2006 gewesen. Dies ergebe sich aus der Satzung i. V. m. § 123 Abs. 3 AktG a. F. Sowohl Einladungs- als auch Hinterlegungsfrist seien eingehalten worden. Es fehle auch an der für eine Anfechtung erforderliche Kausalität zwischen der Nichteinhaltung der Hinterlegungsfrist und der Fassung der angefochtenen Beschlüsse. Die Beschlüsse wären aufgrund der Aktionärsstruktur auch ohne die von der Klägerin gehaltenen Aktien beschlossen worden.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 26.7.2007 verkündeten Urteils des Landgerichts Potsdam - 51 O 176/06 - die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin, die das landgerichtliche Urteil für richtig hält, hat eine Bescheinigung ihrer Bank vom 19.10.2007 (Bl. 261 d. A.) vorgelegt, aus der sich ergibt, dass Aktien an der Beklagten in dem Depot der Klägerin ununterbrochen vom 2.4.2006 bis zum 19.10.2007 verwahrt werden.

Die Klägerin behauptet, das Aufsichtsratsmitglied W. O. habe ihrem Geschäftsführer in der Hauptversammlung vom 12.5.2006 seine Visitenkarte überreicht, aus der seine in der Klageschrift angegebene Privatanschrift ersichtlich sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und ihre Anlagen Bezug genommen.

Die gemäß den §§ 517, 520 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg. Das Landgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Deshalb war das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

I. Die von der Klägerin im Hauptantrag erhobene Anfechtungsklage gemäß den §§ 245 ff. AktG ist unbegründet.

1.) Die Klägerin ist gemäß § 245 Nr. 1 AktG aktivlegitimiert. Sie war im Zeitpunkt der Hauptversammlung Aktionärin und hat gegen den Beschluss Widerspruch zur Niederschrift erklärt.

Dafür, dass sie nicht nur im Zeitpunkt der Hauptversammlung, sondern auch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung anfechtungsbefugt ist, ist die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig. Erstinstanzlich hat sie keinen Beweis für ihre von der Beklagte bestrittene Behauptung angeboten, dass sie weiterhin deren Aktionärin sei.

Die Klägerin hat jedoch zweitinstanzlich mit Schriftsatz vom 22.10.2007 eine Bescheinigung ihrer Bank vorgelegt, aus der sich ergibt, dass diese in der Zeit vom 2.4.2006 bis zum 19.10.2007 ununterbrochen Aktien der Beklagten für die Klägerin verwahrt hat. Die Klägerin hat weiterhin vorgetragen, sie könne entsprechende Nachweise auch über diesen Zeitpunkt hinaus vorlegen, hat aber auch darauf hingewiesen, dass diese Bankbestätigungen immer nur stichtagsbezogen und bei erneutem Bestreiten neue Bestätigungen erforderlich seien. Die Beklagte hat daraufhin erklärt, ein erneutes Bestreiten liege nicht vor.

Angesichts dieser Umstände ist bewiesen, dass die Klägerin bei Einberufung der Hauptversammlung vom 12.5.2006 bis zum 19.10.2007 Aktionärin der Beklagten war. Dass sie es bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch geblieben ist, hat die Beklagte nicht mehr bestritten.

2.) Die Klägerin hat die Klage ordnungsgemäß erhoben, indem sie sie gegen die Gesellschaft gerichtet hat, vertreten durch Vorstand und Aufsichtsrat, § 246 Abs. 2 Satz 2 AktG, sog. Doppelvertretung.

3.) Die Klägerin hat die Klage jedoch nicht innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung gemäß § 246 Abs. 1 AktG erhoben.

Die Monatsfrist wird durch Zustellung der Klageschrift binnen Monatsfrist oder die rechtzeitige Einreichung gewahrt, wenn die Zustellung demnächst erfolgt, § 167 ZPO.

a.) Die Klage ist hier binnen Monatsfrist bei Gericht eingereicht worden. Die angefochtenen Beschlüsse wurden am 12.5.2006 gefasst, die Klage ist am 12.6.2006 bei Gericht eingegangen. Der Klage war kein Gerichtskostenvorschuss beigefügt. Das Landgericht hat mit Kostenrechnung vom 28.6.2006 den Gerichtskostenvorschuss angefordert, diese Kostenrechnung ist am 3.7.2006 abgeschickt worden sein. Die Zahlung des Gerichtskostenvorschusses erfolgte am 18.7.2006.

Dieser durch die Anforderung und die Zahlung des Gerichtskostenvorschusses verursachte Zeitablauf hindert die Annahme einer demnächstigen Zustellung nicht. Der Kläger braucht den Gerichtskostenvorschuss nicht von sich aus einzuzahlen, er darf vielmehr die Anforderung durch das Gericht abwarten. Nach Anforderung muss er unverzüglich, i. d. R. binnen zwei Wochen einzahlen. Diesen Zeitrahmen hat die Klägerin eingehalten.

b.) Die Zustellung ist jedoch aus anderen Gründen nicht demnächst erfolgt.

Bei der Zustellung muss die Doppelvertretung beachtet werden. Zustellungsadressaten sind beide Vertretungsorgane, der Vorstand und der Aufsichtsrat, wobei die Zustellung an jeweils ein Mitglied des Vorstandes und des Aufsichtsrates genügt.

Die Zustellung ist nur demnächst erfolgt, soweit es den Vorstand als Vertretungsorgan angeht. Der Aufsichtsrat hat zwar die Klageschrift erhalten, wie sich aus der Anwesenheit des Aufsichtsratsmitgliedes O. in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht ergibt. Ihm ist die Klage jedoch nicht demnächst nach ihrer Einreichung zugestellt worden.

a.) Die Klageschrift ist der Beklagten, vertreten durch ihre beiden Vorstandsmitglieder, ausweislich der Zustellungsurkunde (Bl. 14 d. A.) unter ihrer Geschäftsanschrift am 23.8.2006 zugestellt worden. Damit ist eine wirksame Zustellung an den Vorstand erfolgt. Es genügt, wenn die Zustellungsurkunde als Zustellungsempfänger die Gesellschaft angibt, auszuhändigen ist dann an ein Vorstandsmitglied (BGHZ 107, 296, zitiert nach Juris Rn 5-7).

b.) Die Zustellung der Klageschrift an die Aufsichtsratsmitglieder ist, soweit sie überhaupt durchgeführt wurde, nicht demnächst erfolgt.

Die Klägerin hat in der Klageschrift die drei Aufsichtsratsmitglieder der Beklagten namentlich benannt.

Allerdings ist ihr bei der Benennung des Aufsichtsratsmitgliedes O. ein Fehler unterlaufen. Sie hat seinen Vornamen in der Klageschrift mit "Wi." angegeben. Das Aufsichtsratsmitglied O. heißt jedoch mit Vornamen "W.". Dies ergibt sich aus dem von der Beklagten vorgelegten Handelsregisterauszug. Dort ist das Aufsichtsratsmitglied W. O. als früheres Vorstandsmitglied erwähnt. Außerdem ist der Vorname "W." des Aufsichtsratsmitglieds O. auch aus der Visitenkarte ersichtlich, die die Klägerin auf den Hinweis des Senates vorgelegt hat, die Klage sei dem Aufsichtsrat nicht rechtzeitig zugestellt worden. Diese Visitenkarte hat die Klägerin nach eigenem Vortrag von dem Aufsichtsratsmitglied O. in der Hauptversammlung vom 12.5.2006 erhalten.

Die Klägerin hat nicht für alle drei Aufsichtsratsmitglieder ladungsfähige Anschriften benannt.

Eine ladungsfähige Anschrift für das Aufsichtsratsmitglied S. O. fehlte von Anfang. Insoweit hatte die Klägerin lediglich den Wohnort, jedoch keine Straße und Hausnummer angegeben. Aus diesem Grunde konnte keine Zustellung an dieses Aufsichtsratsmitglied erfolgen. Nach der ausdrücklichen Anweisung der Klägerin sollte an sie auch keine Zustellung erfolgen, denn die Klägerin hat in der Klageschrift im Anschluss an die Nennung der Aufsichtsratmitglieder erklärt, die Klage sei "den mit Anschrift bezeichneten Mitgliedern des Aufsichtsrates unter deren vorbezeichneten Anschriften zuzustellen".

Für die beiden Aufsichtsratsmitglieder O. und B. hatte die Klägerin in der Klage zwar ladungsfähige Anschriften angegeben. Unter diesen Anschriften konnte die Klageschrift jedoch keinem der beiden Aufsichtsratsmitglieder zugestellt werden.

Dem Aufsichtsratsmitglied B. konnte die Klageschrift unter der in der Klageschrift angegebenen Adresse in F. nicht zugestellt werden, weil er ausweislich des Vermerks des Zustellers vom 31.8.2006 unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln war. Auf eine entsprechende Nachricht hat die Klägerin zwar sofort eine neue Anschrift benannt, unter der die Zustellung versucht wurde. Die Deutsche Post dokumentierte auch zunächst in der Zustellungsurkunde vom 9.9.2006 (Bl. 67 d. A.) eine Zustellung, allerdings schickte sie die Klageschrift und die Ladung mit der Mitteilung (Bl. 71 d. A.) zurück, der Kunde B. sei unbekannt, dies sei dem Zusteller nicht bekannt gewesen. Es bestehe kein Nachsendeauftrag. Das Landgericht hat die Ladung des Aufsichtsratsmitgliedes B. schließlich am 16.10.2006 den Beklagtenvertretern zugestellt (Bl. 74 d. A.), die sich zwischenzeitlich - offensichtlich auf Veranlassung des Vorstandes - für die Beklagte bestellt hatten.

Auch dem Aufsichtsratsmitglied O. konnte die Klage unter der in der Klageschrift angegebenen Anschrift nicht zugestellt werden. Die Zustellungsurkunde kam mit dem Vermerk zurück, dass der Adressat unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln war. Dabei trug die Zustellungsurkunde den von der Klägerin angegebenen, unrichtigen Vornamen "Wi." statt "W.". Das Landgericht hat die Klägerin mit Verfügung vom 5.12.2006 darauf hingewiesen, dass die Klageschrift einem Aufsichtsratmitglied bisher nicht zugestellt worden ist und eine Frist zur Angabe der ladungsfähigen Anschrift und zur Einreichung weiterer Abschriften der Klageschrift zum Zwecke der Zustellung gebeten. Nachdem die Klägerin hierauf nicht reagierte, hat sie das Landgericht am 22.1.2007 an die Erledigung dieser Verfügung erinnert. Sie hat daraufhin am 27.1.2007 mitgeteilt, die Klage solle dem Aufsichtsrat "Wi." O. am Sitz der Gesellschaft zugestellt werden. Auf den Hinweis des Landgerichts, dass dort eine wirksame Zustellung nicht erfolgen könne, hat die Klägerin angegeben, das Aufsichtsratsmitglied "Wi." O. unterhalte eigene Büro- und Geschäftsräume am Geschäftssitz der beklagten Aktiengesellschaft. Dort ist letztlich eine Zustellung am 22.3.2007 (Bl. 114 d. A.) erfolgt.

Eine Zusammenschau der Vorgänge im Zusammenhang mit der Zustellung der Klageschrift an den Aufsichtsrat ergibt, dass sie nicht mehr demnächst nach dem Eingang der Klageschrift am 12.6.2006 erfolgt ist. Eine Zustellung "demnächst" kann nur dann angenommen werden, wenn die Partei oder ihre Bevollmächtigten unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan haben. Die Zustellung erfolgt dagegen nicht mehr "demnächst", wenn die Partei, der die Fristwahrung obliegt, durch nachlässiges - auch leicht fahrlässiges - Verhalten zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen hat (BGHZ 116, 293-297, zitiert nach Juris Rn 12). Die Beweislast für das Vorliegen einer Zustellung demnächst nach Eingang der Klageschrift trägt der Zustellungsbetreiber, hier die Klägerin.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 11.3.2008 auf den der Klägerin infolge der entsprechenden Benachrichtigungen durch das Landgericht ohnehin schon bekannten Umstand hingewiesen, dass keinem der beiden Aufsichtsräte, deren Adressen die Klägerin in der Klageschrift benannt hatte, die Klageschrift beim ersten Versuch zugestellt werden konnte. Die Klägerin hat Akteneinsicht genommen und lediglich vorgetragen, warum ihr keine andere Anschrift des Aufsichtsrates O. bekannt sein konnte. Sie hat jedoch weder erklärt, weshalb sie für das Aufsichtsratsmitglied S. O. überhaupt keine Anschrift benannt hat, warum sie für das Aufsichtsratsmitglied B. eine unzutreffende Anschrift angegeben hat und aus welchem Grund sie auf eine entsprechende Mitteilung des Landgerichts von der fehlenden Zustellbarkeit an das Aufsichtsratsmitglied O. über einen Monat gebraucht hat, um eine andere Anschrift zu benennen. Überhaupt keine Erklärung durch die Klägerin hat der Umstand gefunden, dass sie für das Aufsichtsratsmitglied O. einen falschen Vornamen angegeben hat, ein Verhalten, das für sich allein schon den Vorwurf fahrlässigen Verhaltens begründen kann, der die Annahme einer demnächstigen Zustellung ausschließt (so BGHZ 116,, 293-297, zitiert nach Juris).

Da die Klägerin nicht ausreichend vorgetragen hat, dass die Zustellungen an den Aufsichtsrat am 16.10.2006 und 22.3.2007 demnächst nach Eingang der Klageschrift erfolgt sind, musste der Anfechtungsklage der Erfolg wegen Verstreichens der Monatsfrist versagt bleiben.

4.) Angesichts des Umstands, dass die Anfechtungsklage verfristet ist, kommt es nicht mehr auf die Frage an, ob die Klägerin mit der Erhebung der Klage rechtsmissbräuchlich handelt, weil sie gerichtsbekannt einer der aktivsten "Berufsaktionäre" ist, die seit dem Inkrafttreten des UMAG zum 1.11.2005 durch eine Vielzahl von Anfechtungsklagen aufgefallen sind.

5.) Im Übrigen wäre die Klage, auch wenn sie fristgerecht erhoben worden wäre, auch in der Sache unbegründet.

a.) Insbesondere sind nicht alle Beschlüsse wegen Verstoßes gegen die Satzungsregelungen, die die Einberufung betreffen, unwirksam.

Ein Verstoß gegen die §§ 16 Abs. 4, 17 Abs. 2 der Satzung liegt nicht vor. Zwischen dem Tag der Einberufung der Hauptversammlung und dem letzten Hinterlegungstag muss eine "Frist von einem Monat" liegen, wobei beide Tage nicht mitgerechnet werden. Die Veröffentlichung der Einberufung erfolgte am 3.4.2006, der letzte Hinterlegungstag war nach dem Inhalt der Veröffentlichung der 5.5.2006. Damit ist die satzungsmäßige Frist gewahrt. Auch ohne diese beiden Tage mitzuzählen, liegt zwischen diesen beiden Ereignissen ein Monat, nämlich die Zeit vom 4.4.2006 bis zum 4.5.2006.

b.) Die Beklagte hat mit der Anordnung einer Hinterlegung der Aktien bis zum 5.5.2006 nicht gegen § 17 Abs. 2 der Satzung verstoßen. Selbst wenn dies jedoch der Fall wäre, könnte die Klägerin dies nicht als Begründung für ein Anfechtungsklage heranziehen.

Nach § 17 Abs. 2 der Satzung hat die Hinterlegung spätestens sieben Tage vor dem Tag der Hauptversammlung zu erfolgen. Nach § 123 Abs. 4 AktG gilt für Fristen, die von der Hauptversammlung zurückrechnen, dass sie jeweils von dem nicht mitzählenden Tag der Hauptversammlung zurückzurechnen sind. Deshalb ist der 12.5.2006 nicht mitzuzählen. Der siebte Tag vor diesem Tag ist der 5.5.2006 (Freitag). Man kann die Satzung bereits so verstehen, dass dieser Tag der letzte Hinterlegungstag ist. Dann wäre die Einladung der Beklagten nicht zu beanstanden. Für eine solche Auslegung spricht, dass die Satzung der Beklagten in diesem Punkt bereits vor dem Inkrafttreten des UMAG zum 1.11.2005 gegolten hat. Nach § 123 Abs. 3 AktG in der bis zum 31.10.2005 geltenden Fassung genügte es, wenn die Hinterlegung nicht später als am siebten Tag vor der Versammlung erfolgte.

Selbst wenn man der Meinung wäre, nach der Satzung hätten die Aktien am 5.5.2006 bereits hinterlegt sein müssen, kann die Klägerin einen darin liegenden Satzungsverstoß nicht beanstanden. Die Hinterlegung der Aktien erschwert dem Aktionär die Teilnahme an der Hauptversammlung. Die Neufassung des Aktiengesetzes sieht denn auch vor, die Hinterlegung zurückzudrängen und den Aktionären die Möglichkeit einzuräumen, die Aktionärseigenschaft im Zeitpunkt der Hauptversammlung in erleichterter Form nachweisen zu können, insbesondere durch eine Bescheinigung der depotführenden Bank. Die Klägerin wird, wenn die Hinterlegungsfrist entgegen den Satzungsregelungen verkürzt wird, nicht benachteiligt. Sie hat dadurch einen Tag länger Zeit, sich das Recht zur Teilnahme an der Hauptversammlung zu sichern.

c.) Soweit die Klägerin rügt, der Aufsichtsrat sei nicht vorschriftsmäßig besetzt, auch habe der Jahresabschluss der Tochtergesellschaft nicht vorgelegen, ist nicht ersichtlich, inwiefern dies für die Wirksamkeit der angefochtenen Beschlüsse von Relevanz sein soll.

Das Beschlussanfechtungsverfahren gemäß den §§ 245 ff. AktG ist für die Klärung der Frage der Zusammensetzung des Aufsichtsrates nicht geeignet. Hierfür steht das Verfahren gemäß § 96 AktG zur Verfügung.

Ob die fehlende Übergabe eines Jahresabschlusses der Tochtergesellschaft die Anfechtung der streitgegenständlichen Beschlüsse rechtfertigt, kann mangels konkreten Vortrages nicht nachvollzogen werden. Immerhin scheint denkbar, dass die Wirksamkeit der Entlastungsbeschlüsse davon betroffen sein könnten. Hierzu hat die Klägerin jedoch trotz eines entsprechenden Hinweises des Senates im Termin zur mündlichen Verhandlung nichts vorgetragen.

d.) Soweit die Klägerin die Beschlüsse zur Vorstands- und Aufsichtsratsentlastung anficht, kann die Klage ebenfalls keinen Erfolg haben. Entlastungsbeschlüsse sind nur ausnahmsweise anfechtbar, nämlich dann, wenn Gegenstand der Entlastung ein Verhalten ist, das eindeutig einen schwerwiegenden Gesetzes- oder Satzungsverstoß darstellt (BGH, Urteil vom 25.11.2002, II ZR 133/01, zitiert). Ein derart schwerwiegender Verstoß ist nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin geltend macht, Vorstand und Aufsichtsrat hätten für neue Aktien die Mindestbezugsfrist von mindestens zwei Wochen gemäß § 186 Abs. 1 AktG nicht eingehalten, indem sie sie vom 15. (Mittwoch) bis zum 30. Juni 2005 (Donnerstag) bemessen hätten, erscheint dies an den Haaren herbeigezogen. Die festgelegte Frist ist länger als zwei Wochen. Warum die Klägerin den ersten und letzten Tag unter Hinweis auf die Schalterstunden der Bank nicht mitzählen will, erscheint nicht nachvollziehbar.

e.) Dass die beschlossenen Satzungsänderungen gesetzwidrig sein sollen, ist nicht erkennbar. Hierzu hat die Klägerin - auch auf Nachfrage des Senates im Termin zur mündlichen Verhandlung - nichts vorgetragen.

II. Auch die hilfsweise erhobene Nichtigkeitsklage ist unbegründet. Nichtigkeitsgründe sind nicht ersichtlich. Die geltend gemachten Einberufungsmängel können nicht unter § 241 Nr. 1 i. V. m. § 121 Abs. 2-4 AktG subsumiert werden. Eine Verkürzung der Einberufungsfrist - wenn sie denn vorliegen würde - führt allenfalls zur Anfechtbarkeit (BGH, NJW 1987, 2580, zitiert nach Juris), nicht zur Nichtigkeit. Nichts anderes kann für die hier vorliegende Verkürzung der Hinterlegungsfrist gelten.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, § 543 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.






Brandenburgisches OLG:
Urteil v. 22.04.2008
Az: 6 U 118/07


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/70b932a60df4/Brandenburgisches-OLG_Urteil_vom_22-April-2008_Az_6-U-118-07




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share