Landgericht Freiburg:
Urteil vom 30. Dezember 2015
Aktenzeichen: 12 O 86/15 KfH
(LG Freiburg: Urteil v. 30.12.2015, Az.: 12 O 86/15 KfH)
Ein Versicherungsvertreter, dem eine Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO als Versicherungsvertreter erteilt worden ist und der in zumindest 9 Fällen - noch bei nicht von ihm vertretenen Versicherern vertraglich gebundene - Versicherungsnehmer aufsucht und ihnen vorausgefüllte Vollmachten zugunsten eines Versicherungsmaklers vorlegt und nach Unterzeichnung an den Makler weiterleitet, handelt der ihm erteilten Erlaubnis zuwider.
Tenor
1. Der Beschluss der Kammer vom 11.8.2015 wird hinsichtlich Ziff. 1 bestätigt.
2. Die Kostenentscheidung wird neugefasst: Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Verfügungsbeklagte 90%, die Verfügungsklägerinnen 10% zu tragen.
Tatbestand
Der (Verfügungs-) Beklagte war bis Ende Mai 2015 für die (Verfügungs-) Klägerinnen tätig. Er betätigt sich nunmehr als selbständiger Versicherungsvertreter und verfügt über eine Erlaubnis nach § 34 d Abs. 1 GewO.
Auf Antrag der Klägerinnen - die Klägerin zu 1 ist Versicherungsmaklerin, die Klägerin zu 2 Versicherungsvertreterin jeweils mit der entsprechenden Erlaubnis - hat die Kammer bei gleichzeitiger Abweisung eines weitergehenden Antrags folgende einstweilige Verfügung im Beschlusswege erlassen:
1. Im Wege der einstweiligen Verfügung und wegen Eilbedürftigkeit ohne mündliche Verhandlung wird dem Antragsgegner nach §§ 935,940,944 ZPO bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs ohne Erlaubnis nach § 34d GewO als Versicherungsmakler Maklervollmachten bei Kunden aufzunehmen:
Hiergegen richtet sich der Widerspruch des Beklagten. Er macht geltend, die Klägerinnen hätten durch Zuwarten die Vermutung der Eilbedürftigkeit widerlegt.
Ein Verstoß gegen § 34 d GewO sei nicht gegeben. Sein Verhalten stehe vielmehr im Einklang mit der ihm erteilten Erlaubnis. Richtig sei alleine, dass er mit Kunden, die er bereits vorher betreut habe, auch nach seiner Tätigkeitsaufnahme für die M. Versicherung AG in Kontakt getreten sind sei. Bezüglich der Betreuung der bestehenden Versicherungsverträge habe er den Kunden erklärt, dass er diese im Moment nicht selbst übernehmen könne, aber darauf hingewiesen, dass es die v. GmbH gebe, die eine Tochter der M. Versicherung sei und die als Makler eine Betreuung auch für die bestehenden Verträge, die noch eine längere Laufzeit hätten, also nicht sofort zur M. umgedeckt werden könnten, per Maklermandat bei den jeweiligen Versicherern anzeigen könne. Seine Person habe nur dahingehend eine Rolle gespielt, dass er Anliegen der Kunden an die v. weitergeleitet habe und dort dann die Bearbeitung erfolgt sei. Als Generalagent der M. käme er erst dann wieder ins Spiel, wenn ein Ablauf der jeweiligen Versicherung anstehe und er zur M. umdecken könne. Die Kunden hätten dieses Angebot gerne angenommen, da sie vor seiner eigenen Tätigkeit für die Klägerin zu 2 [sic] mit deren Betreuung sehr unzufrieden gewesen seien.
Die v. GmbH gehöre zur M. Versicherungsgruppe. Über sie werde das so genannte Ventilgeschäft der für die M. Versicherung AG tätigen Versicherungsvertreter abgewickelt. Sie betreue bundesweit ausschließlich Kunden von Agenturpartnern der M. Versicherungsgruppe. Die selbständigen und insoweit ungebundenen Versicherungsvertreter der M. Versicherung AG könnten der v. GmbH jederzeit Kunden zu führen, die sie aktuell nicht zur M. Versicherung AG vermitteln könnten. Um für den jeweiligen Kunden tätig werden zu können, benötige die v. GmbH allerdings einen konkreten Maklerauftrag. Einen solchen Maklerauftrag habe auch der Beklagte vermittelt, als er seinen Kunden die v. GmbH empfohlen habe. Grundlage der Vermittlung seien die von den Klägerinnen als Anlage 4 vorgelegten Maklervollmachten vor ihrer späteren Mitunterzeichnung durch die v. GmbH. Die Vollmachtsmuster der v. GmbH würden aktuell von ihr als Makler über den jeweiligen Versicherungsvertreter der M. Versicherung AG den potentiellen Maklerkunden zur Verfügung gestellt. Der Beklagte habe seinen Kunden lediglich geholfen, der v. GmbH diese Vollmachten zu erteilen und habe sie zur Beschleunigung für den Kunden an die v. GmbH versandt, damit der Makler zügig für den Kunden tätig werden könne. Er selbst sei den Gesprächspartnern gegenüber weder in der Anbahnung noch bei der Durchführung dieser Gespräche als Makler gegenübergetreten. Er habe vielmehr ausschließlich einen Kontakt zur v. GmbH hergestellt und damit lediglich Maklermandate vermittelt.
Der Beklagte ist der Auffassung, die gewerberechtlich zulässige Zusammenarbeit von Vertretern mit Maklern in Form einer Zuführung von Kunden, die der abgebende Vermittler nicht selbst bedienen könne, sei auch im Rahmen der Berufsausübungsfreiheit grundrechtlich geschützt.
Der Beklagte stellt folgende Anträge:
Die Beschlussverfügung des Landgerichts Freiburg vom 11. August 2015 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag vom 7. August 2015 zurückzuweisen.
Die Klägerinnen beantragen,
den Beschluss des Landgerichts Freiburg vom 11. August 2015 aufrecht zu erhalten.
Der Beklagte habe gegen § 34 d GewO verstoßen und betreibe somit unlauteren Wettbewerb, weil er Maklervollmachten ohne entsprechende Erlaubnis bei Kunden aufgenommen habe. Die Klägerinnen beziehen sich unter anderem auf ein Gespräch des Beklagten mit dem Inhaber des Schuh und Sporthauses H. in St.. Am 28.7.2015 hätten sie auf telefonische Nachfrage erfahren, dass der Beklagte ihm einen Maklerauftrag zur Unterschrift vorgelegt und mitgeteilt habe, er könne die über die Klägerin zu 1 laufenden Verträge weiterhin betreuen. Außerdem machen sie einen Vorgang streitgegenständlich, der sich nach dem Erlass der angegriffenen Entscheidung ereignet habe. Gegenüber einer Privatkundin, Frau J., habe der Beklagte berichtet, die Betreuung durch die Klägerin zu 1 habe geendet, da er das Unternehmen verlassen habe. Er könne sie aber weiter betreuen. Um das sicherzustellen und damit es keine Auswirkungen auf den Versicherungsschutz habe, habe er bereits alle Unterlagen vorbereitet, unter anderem eine Kündigung des Maklermandates mit der Klägerin zu 1.
Beide Parteien haben eidesstattliche Versicherungen vorgelegt. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlungen vom 23. November 2015 2 weitere eidesstattliche Versicherungen abgegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Auf den Widerspruch des Beklagten war der Beschluss der Kammer zu bestätigen, da dem Beklagten ein Wettbewerbsverstoß nach den §§ 4 Nr. 11 aF bzw. 3a UWG i.V.m. § 34d Abs. 1 GewO anzulasten ist. Die Vermutung der Eilbedürftigkeit ist nicht widerlegt.
1. Wer gewerbsmäßig als Versicherungsmakler oder als Versicherungsvertreter den Abschluss von Versicherungsverträgen vermitteln will, bedarf der Erlaubnis der zuständigen Industrie- und Handelskammer. In der Erlaubnis ist anzugeben, ob sie einem Versicherungsmakler oder einem Versicherungsvertreter erteilt wird (§ 34 d Abs. 1 GewO). Anerkanntermaßen kann eine Doppelerlaubnis nicht erteilt werden.
a. Ziel des Gesetzgebers ist es, die Einordnung als Makler oder Vertreter für den Kunden transparent zu machen (vgl. Adjemian, GewArch 2009,137). Der Versicherungsvertreter steht nämlich, anders als der Versicherungsmakler, der seine Vermittlungstätigkeit im allgemeinen im Auftrag des Kunden erbringt, im Lager des Versicherers und hat dessen Interessen bei seiner Vermittlungstätigkeit im Auge zu behalten (vergleiche BGH, Urteil vom 06. November 2013 € I ZR 104/12 €, juris - Vermittlung von Netto € Policen).
b. Aus den vorgenannten Gründen der Transparenz hat der Gewerbetreibende nach § 11 der Verordnung über die Versicherungsvermittlung und -beratung dem Versicherungsnehmer beim ersten Geschäftskontakt unter anderem klar und verständlich in Textform mitzuteilen, ob er als Versicherungsmakler mit einer Erlaubnis nach § 34 d Abs. 1 GewO oder als Versicherungsvertreter bei der zuständigen Behörde gemeldet ist.
c. Nach § 59 Abs. 3 VVG ist Versicherungsmakler, wer gewerbsmäßig für den Auftraggeber die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernimmt, ohne von einem Versicherer oder von einem Versicherungsvertreter damit betraut zu sein. Als Versicherungsmakler gilt auch, wer gegenüber dem Versicherungsnehmer den Anschein erweckt, er erbringe seine Leistungen als Versicherungsmakler. Versicherungsvertreter im Sinne des § 59 Abs. 2 VVG ist demgegenüber derjenige, der von einem Versicherer oder von einem anderen Versicherungsvertreter damit betraut ist, gewerbsmäßig Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen.
d. Für die Abgrenzung des Versicherungsmaklers vom Versicherungsvertreter ist entscheidend, dass er nicht von einem Versicherer, sondern von einem Kunden mit einem Vermittlungsgeschäft betraut wird. Während der Versicherungsvertreter das Interesse des Versicherers wahrzunehmen hat, steht der Versicherungsmakler im Verhältnis zum Versicherer auf der Seite des Kunden als dessen Interessenwahrer und Sachwalter. Auch der Handelsvertreter eines Versicherungsmaklers ist damit Versicherungsmakler im Verhältnis zum Kunden (Gesetzentwurf der Bundesregierung € Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts BT- Drucksache 16/1935 S.23).
2. Unstreitig hat der Beklagte von ihm persönlich betreute Kunden, die zu der Klägerin zu 1 noch laufende Maklermandate hatten, in zumindest 9 Fällen aufgesucht, ihnen vorausgefüllte, von dem in Aussicht genommenen Versicherungsmakler allerdings noch nicht unterschriebene Maklervollmachten vorgelegt, diese von ihnen unterzeichnen lassen und diese an die v. GmbH weitergeleitet damit, so die eigenen Worte des Beklagten, der Makler zügig für den Kunden tätig werden könne.
a. Damit ist der Beklagte als Handelsvertreter für die Maklergesellschaft tätig geworden. Es liegt nicht nur eine einmalige fremdnützige Tätigkeit voraus, vielmehr rechtfertigt die Vielzahl der eingeworbenen Maklermandate wie auch die vom Beklagten eingeräumte zielgerichtete Vorgehensweise in dem von ihm als Ventilgeschäft beschriebenen Geschäftsbereich die Qualifikation als handelsvertretermäßige Tätigkeit. Unabhängig davon, ob er, wozu er sich nicht erklärt hat, insoweit unmittelbar finanziell profitiert, begründet die jeweils in Aussicht genommene Absicht, nach Ablauf der fremden Versicherungen die Risiken umzudecken und damit entsprechende Provisionen auszulösen, die Bewertung seiner Handlungsweise als gewerblich. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob der Handelsvertreter eines Versicherungsmaklers im Sinne von § 59 Abs. 3 S. 1 VVG in jeder Hinsicht die Merkmale eines Handelsvertreters im handelsrechtlichen Sinne haben muss oder aber ob es nicht ausreicht, wenn der entsprechende Anschein erweckt wird (zur Bedeutung des Rechtsscheins s. § 59 Abs. 3 S. 2 VVG).
b. Im Verhältnis zu den Kunden gilt er deshalb als Versicherungsmakler. Als solcher hat er die Maklervollmachten, die nach seinem eigenen Vortrag gleichzeitig das Kausalverhältnis mitumfassen sollen, unterzeichnen lassen und an die Maklergesellschaft weitergeleitet. Eine solche Doppeltätigkeit verstößt gegen die ihm erteilte Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO.
c. Hierbei handelt es sich um einen wettbewerbsrechtlich verbotenen Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG aF (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2013 € I ZR 183/12 €, juris - Krankenzusatzversicherung) bzw. - ohne dass sich etwas in der Sache geändert hätte € nach § 3a UWG.
3. Die Vermutung der Eilbedürftigkeit ist nicht widerlegt. Die Klägerinnen haben vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass der Geschäftsführer der Klägerin zu 1, Herr D., am 28. Juli 2015 in einem Telefongespräch mit dem Inhaber des Schuh- und Sporthauses H. von der Tätigkeit des Beklagten erfahren habe. Der sicherlich zuvor erfolgte Eingang verschiedener Maklervollmachten von bestimmten Kunden musste für die Klägerinnen nicht Hinweis auf eine unerlaubte Tätigkeit des Beklagten sein, dessen Name in diesen Maklervollmachten überhaupt nicht auftaucht. Die Klägerinnen waren nicht etwa gehalten, den Markt daraufhin zu beobachten, ob der Beklagte sich - wie auch immer - wettbewerbswidrig verhalten würde. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerinnen sich der Erkenntnis der wettbewerbswidrigen Tätigkeit des Beklagten bis dahin verschlossen hätten, also eine grob-fahrlässige Unkenntnis zu bejahen wäre, sind auch vom Beklagten nicht vorgetragen. Dass Maklermandate gekündigt werden, rechtfertigt nicht den Schluss darauf, dass ein Wettbewerber der Klägerinnen wettbewerbswidrig vorgegangen wäre, vielmehr bestätigt er als solcher nur, dass die Klägerinnen sich den Verhältnissen eines funktionierenden Marktes stellen müssen.
4. Aus den vorgenannten Gründen war die einstweilige Verfügung aufrechtzuerhalten.
5. Die Entscheidung beruht im Übrigen auf den § 92 ZPO, wobei zu berücksichtigen war, dass die Klägerinnen die teilabweisende Entscheidung nicht angegriffen haben, weshalb der Beklagte nunmehr höhere Kosten verursacht und zu tragen hat. § 708 Nr. 6 ZPO sowie die hieraus resultierende Abwendungsbefugnis sind nicht anwendbar, da der teilweise ablehnende Beschluss nicht Gegenstand der vorliegenden Entscheidung ist.
LG Freiburg:
Urteil v. 30.12.2015
Az: 12 O 86/15 KfH
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