Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. April 2004
Aktenzeichen: 30 W (pat) 244/02
(BPatG: Beschluss v. 26.04.2004, Az.: 30 W (pat) 244/02)
Tenor
Auf die Beschwerde werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. April 1999 und 20. September 2002 aufgehoben und wegen der Gefahr von Verwechslungen mit der Marke 926 581 wird die Löschung der Marke 395 01 553 angeordnet.
Gründe
I.
Die Marke AR ist unter der Nummer 395 01 553 für "Pharmazeutische Produkte" in das Markenregister eingetragen worden; die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 20. Januar 1996.
Widerspruch erhoben hat am 7. Februar 1996 die Inhaberin der Marke 926 581 aar, eingetragen seit 1975 ua für "pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie chemische Erzeugnisse für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für Kinder und Kranke", und zwar gestützt auf diese Waren.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die Benutzung der Widerspruchsmarke bereits im Verfahren vor dem Patentamt bestritten. Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung sind von der Widersprechenden vorgelegt worden.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch wegen nicht ausreichender Glaubhaftmachung der Benutzung zurückgewiesen. Die Erinnerung der Widersprechenden ist erfolglos geblieben.
Die Widersprechende hat unter Vorlage weiterer Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung Beschwerde eingelegt; sie hält jedenfalls mit den weiter vorgelegten Unterlagen die Benutzung für ausreichend glaubhaft gemacht und insbesondere klangliche Verwechslungsgefahr für gegeben.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß, die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben und die Löschung der Marke 395 01 553 anzuordnen.
Eine Äußerung zur Sache seitens der Inhaberin der angegriffenen Marke ist im Beschwerdeverfahren nicht zu den Akten gelangt.
Ihre früheren Vertreter haben mitgeteilt, daß sie die "Beschwerde der Gegnerin" (gemeint wohl Beschwerdegegnerin) nicht mehr vertreten und angeregt, die Korrespondenz künftig mit dem Insolvenzverwalter zu führen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
1. Die Mitteilung der früheren Vertreter der Beschwerdegegnerin läßt nicht erkennen, daß über das Vermögen der Beschwerdegegnerin das Insolvenzverfahren eröffnet ist und führt somit zu keiner Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 240 ZPO. Ein Insolvenzverwalter wird nämlich auch bei noch offener Insolvenzeröffnung bestellt (vgl. zB Thomas/Putzo, 23. Aufl. ZPO § 240 Rdn 2).
2. Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist auch in der Sache begründet. Es besteht nach Auffassung des Senats Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die nach § 43 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG nebeneinander bestehenden Einreden mangelnder Benutzung der Widerspruchsmarke (vgl § 43 Abs 1 Satz 1 und 2 MarkenG) bereits im Verfahren vor dem Patentamt zulässig erhoben; bei der Entscheidung über den Widerspruch können damit nur die Waren berücksichtigt werden, für die von der Widersprechenden eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft gemacht worden ist (§ 43 Abs 1 Satz 3 MarkenG). Die Widersprechende hatte demnach die Benutzung der Marke nach § 43 Abs 1 Satz 1 MarkenG für den Fünfjahreszeitraum vor der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke (1996 bis Januar 1991) wie auch gemäß § 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG für die Zeit innerhalb der letzten fünf Jahre vor dieser Beschwerde-Entscheidung (April 1999 bis April 2004) glaubhaft zu machen (vgl hierzu BGH GRUR 1998, 938, 939 - DRAGON; Ströbele/Hacker MarkenG 7. Aufl § 43 Rdn 6, 32).
Den von der Widersprechenden vorgelegten Glaubhaftmachungsunterlagen ist zu entnehmen, dass Verpackungen von pharmazeutischen Erzeugnissen in den maßgeblichen Zeiträumen mit der Widerspruchsmarke als Zweitmarke kennzeichenmäßig versehen waren. Dies ergibt sich aus der eidesstattlichen Versicherung des Herrn R... vom 3. März 2003 in Verbindung mit den vorgelegten Warenverpackungen, die die Art der Verwendung der Marke belegen.
Zwar ist diesen Unterlagen eine von der Eintragung abweichende Markenform zu entnehmen: der Marke ist das Wort "pharma" hinzugefügt. Diese Abweichung verändert aber den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht (§ 26 Abs 3 MarkenG). Denn hierbei handelt es sich - als gängige Abkürzung von "Pharmazie" - um eine erkennbar beschreibende Angabe (vgl Ströbele/Hacker aaO § 26 Rdn 144). Soweit die Schrift gegenüber der Eintragung etwas mehr Fettdruck aufweist, ist die Änderung als geringfügig anzusehen und die Benutzungsform rechtserhaltend; Elemente, die die Eigenart der eingetragenen Marke prägen, sind nicht verändert (vgl Ströbele/Hacker aaO § 26 Rdn 161).
Die in der eidesstattlichen Versicherung des Herrn R... vom 3. März 2003 genannten Umsätze für pharmazeutische Erzeugnisse haben auch einen Umfang erreicht, der die Ernstlichkeit der Benutzung belegt. Bei der Entscheidung sind diese Waren damit zu berücksichtigen (vgl § 43 Abs 1 Satz 3 MarkenG).
Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalles durch Gewichtung von in Wechselbeziehung zueinanderstehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken sowie der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren. Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und - davon abhängig - der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (ständige Rechtsprechung zB BGH MarkenR 2002, 332, 333 - DKV/OKV; GRUR 2001, 507, 508 - EVIAN/REVIAN; GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND; BGH GRUR 2004, 235, 237 - Davidoff II jew mwN).
Der Senat geht bei seiner Entscheidung mangels anderweitiger Anhaltspunkte von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit von einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus.
Zwischen den zu berücksichtigenden Waren "pharmazeutische Erzeugnisse" der Widerspruchsmarke und den von der angegriffenen Marke erfassten Waren "Pharmazeutische Produkte" besteht ohne Weiteres Identität im Sinn von § 9 Abs 2 Nr 2 MarkenG.
Unter diesen Umständen hat die angegriffene Marke von der Widerspruchsmarke einen erheblichen Abstand einzuhalten. Diesen strengen Anforderungen wird sie jedenfalls in klanglicher Hinsicht nicht gerecht. Die Marken stimmen im Klang nahezu überein, denn der Unterschied in dem Vokal "A" gegenüber "aa" wirkt sich im Klang nur wenig aus und wirkt im Gesamteindruck zu unauffällig, um den gebotenen Abstand zu gewährleisten.
Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage besteht kein Anlaß, aus Gründen der Billigkeit gemäß § 71 Abs 1 MarkenG einer der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
Dr. Buchetmann Winter Hartlieb Ko
BPatG:
Beschluss v. 26.04.2004
Az: 30 W (pat) 244/02
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