Oberlandesgericht Bamberg:
Beschluss vom 12. April 2011
Aktenzeichen: 4 W 9/11
(OLG Bamberg: Beschluss v. 12.04.2011, Az.: 4 W 9/11)
Tenor
1. Die Beschwerde der anmeldenden Gesellschafter gegen denBeschluss des Amtsgerichts (Registergerichts) Würzburg vom22.12.2010 wird zurückgewiesen.
2. Die anmeldenden Gesellschafter tragen die Kosten desBeschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
3. Der Beschwerdewert wird auf 6.000,00 Euro festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführer haben unter dem 7. Mai 2010 beantragt, als Partner in das Partnerschaftsregister eingetragen zu werden. Sie sind von Beruf Rechtsanwalt (Dr. jur. W. A.) und Ärztin/Apothekerin (Dr. Dr. M. A.).
Das Amtsgericht hat die Anmeldung auf Eintragung einer Partnerschaftsgesellschaft nach Einholung von Stellungnahmen (u.a. einer negativen Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer X.) zurückgewiesen, weil der Beruf des Arztes und des Apothekers in der abschließenden Regelung des § 59 a BRAO nicht aufgelistet sei. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 59 a BRAO bestünden nicht.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der anmeldenden Gesellschafter, der das Amtsgericht (Registergericht) mit Beschluss vom 13.01.2011 nicht abgeholfen hat.
Die Beschwerdeführer begründen ihre Beschwerde damit, dass § 59 a BRAO verfassungsgemäß auszulegen sei. Sie stützten sich auf die allgemeine Dienstleistungsrichtlinie der Europäischen Union und Stellungnahmen in der Literatur. Artikel 25 der allgemeinen Dienstleistungsrichtlinie der EU enthalte als Grundprinzip das Verbot der Beschränkung von Multidisziplinarität. Beschränkungen seien nur zulässig, soweit dies gerechtfertigt sei, um die Einhaltung der verschiedenen Standesregeln im Hinblick auf die Besonderheiten der jeweiligen Berufe sicherzustellen und soweit dies nötig sei, um die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zu gewährleisten. Die Richtlinie sei insbesondere im Hinblick auf eine "Kohärenzkontrolle" nicht umgesetzt worden (zu den Einzelheiten: Schriftsatz vom 18.02.2011, Bl. 90-99 d. A.).
5Die Rechtsanwaltskammer X. hat eine Stellungnahme abgegeben (Schreiben vom 10.03.2011, Bl. 107-113 d. A.). Sie verweist auf die abschließende Regelung in § 59 a BRAO und sieht keinen Auslegungsspielraum im Zusammenhang mit der Dienstleistungsrichtlinie der EU, deren Anwendbarkeit zweifelhaft sei, und nach der dem § 59 a BRAO ein absoluter Anwendungsvorrang eingeräumt sei. Die besonderen Rechte und Pflichten eines Rechtsanwalt in seiner Funktion als unabhängiges Organ der Rechtspflege und als unabhängiger Berater in allen Rechtsangelegenheiten sowie als Vertreter vor Behörden und Gerichten sei mit den Aufgaben und Pflichten eines Arztes oder eines Apothekers nicht vergleichbar; deshalb sei eine Einschränkung der Sozietätsfähigkeit gerechtfertigt (Verweis auf EUGH NJW 2002, 877ff.). Die Berufsausübungsregelung sei verfassungskonform und verstoße nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Die Beschwerdeführer könnten ihr wirtschaftliches Ziel über eine Kooperation (§§ 8, 9 BORA) erreichen. Die von ihnen angeführten Literaturstellen stünden nicht entgegen.
Die Beschwerdeführer haben ergänzend auf die Entscheidung BGH IX ZR 44/10 (= MDR 2011, 265 u.a.) verwiesen und unter dem 31.03.2011 (Bl. 120 ff.) eine weitere Stellungnahme eingereicht, in der sie ihre Positionen aufrecht erhalten und vertiefen und insbesondere zu verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Fragen ausführen.
II.
Die Beschwerde ist statthaft (§ 58 Abs. 1 FamFG), sie ist rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist (§ 63 Abs. 1 FamFG) eingelegt und auch sonst zulässig.
Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
Zu Recht verweist die Rechtsanwaltskammer X. darauf, dass es sich bei der Vorschrift des § 59 a BRAO nach herrschender Meinung, der gefolgt wird, um eine abschließende Regelung handelt.
Eine Lockerung des § 59 a BRAO ist dem Gesetzgeber vorbehalten (vgl. zur Problematik die Kommentierung bei Henssler / Prütting, BRAO, 3. Auflage, § 59 a, Rdnr. 130-132 sowie bei Gaier / Wolf / Göcken-Bormann, Anwaltliches Berufsrecht, 2010, § 59 a, Rdnr. 106). Wegen der abschließenden Regelung des § 59 a BRAO kommt eine Auslegung nicht in Betracht.
11Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift bestehen nicht. Die vorliegende Berufsausübungsregelung verstößt nicht gegen Art. 3, 9 oder 12 Abs. 1 des Grundgesetzes, weil die Einschränkung der Sozietätsfähigkeit durch vernünftige Gründe des allgemeinen Wohls gerechtfertigt und in Ausmaß und Auswirkungen zumutbar ist (BVerfGE 7, 377 ff.); sie ist auch nicht unverhältnismäßig. Wegen der besonderen Pflichten eines Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege, insbesondere im Hinblick auf das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, seiner besonderen Verschwiegenheitsverpflichtung und den besonderen Regelungen zum Abhörschutz ist die Beschränkung der Sozietätsfähigkeit gerechtfertigt. Insoweit folgt der Senat der Argumentation der Rechtsanwaltskammer X.. Auch sonstige Grundrechtsverstöße sieht der Senat nicht. Zu Recht verweist die Rechtsanwaltskammer auf die Möglichkeit einer Kooperation nach der BORA.
Gegenteilige Stimmen in der Literatur, zu denen die Rechtsanwaltskammer nach Ansicht des Senats ebenfalls zutreffend Stellung genommen hat (Ziffern 6-8 der Stellungnahme vom 10.03.2011) begründen ein anderes Ergebnis nicht überzeugend.
Die Dienstleistungsrichtlinie der EU findet - wie die Rechtsanwaltskammer zutreffend argumentiert - ihre Grenzen in der Auslegungsfähigkeit und Ergänzungsfähigkeit des nationalen Rechts und kann nicht zu einer Auslegung contra legem führen, unabhängig davon, dass ihre Anwendung auf den vorliegenden Sachverhalt fraglich erscheint (vgl. hierzu die Ausführungen unter Ziffer 3 b der Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer, dort S. 3-4).
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1 ZPO, analog (Kosten) und 63 ff. GKG (Beschwerdewert).
Die Rechtsbeschwerde war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache und zur Fortbildung des Rechts im Hinblick auf die von den Beschwerdeführern zitierten abweichenden Literaturmeinungen zuzulassen (§ 70 Abs. 2 S. 1 Nrn. 1 und 2 FamFG).
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OLG Bamberg:
Beschluss v. 12.04.2011
Az: 4 W 9/11
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