Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Februar 2002
Aktenzeichen: 27 W (pat) 218/00
(BPatG: Beschluss v. 19.02.2002, Az.: 27 W (pat) 218/00)
Tenor
Auf die Beschwerde werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 7. Dezember 1999 und vom 13. Januar 1998 aufgehoben.
Die eingetragene Marke 395 23 729 ist wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 115 591 zu löschen.
Gründe
I.
Die Darstellungsiehe Abb. 1 am Endeist als Marke für "Bekleidungsstücke", eingetragen.
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der Marke 1 115 591 "BiBA", die ua ebenfalls für "Bekleidungsstücke ..." Schutz genießt.
Die Markenstelle für Klasse 25 des Patentamts hat den Widerspruch in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Trotz Warengleichheit und möglicher Bekanntheit der Widerspruchsmarke halte die jüngere Marke einen ausreichend großen Abstand ein. Grundsätzlich sei bei einem Zeichenvergleich auf den Gesamteindruck der Marken abzustellen, der klar unterschiedlich sei. Aber auch klangliche Verwechslungen seien nicht zu erwarten. Das jüngere Markenwort "HABIBA" stelle einen hebräischen Begriff ("Liebling") dar, der weiten Teilen des Verkehrs nicht unbekannt sei, zumindest aber als einheitliches Fantasiewort angesehen werde, so daß mit einer Verkürzung auf "BIBA" (oder einer Herauslösung dieser Buchstabenfolge) nicht zu rechnen sei. Auch bei klanglicher Gegenüberstellung der Markenwörter falle deshalb deren unterschiedliche Silbenzahl und Vokalfolge hinreichend deutlich ins Gewicht, zumal sich die Abweichungen am vom Publikum regelmäßig besonders beachteten Wortanfang befänden. Auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr, an deren Vorliegen strenge Anforderungen zu stellen seien, liege nicht vor, da sie nicht allein auf eine bloße Übereinstimmung von Zeichenteilen gestützt werden könne. Im übrigen sei bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr auf das Leitbild eines umsichtigen und kritischen Verbrauchers abzustellen, der an das Auftreten vielfältiger Warenkennzeichnungen gewöhnt sei und gelernt habe, auf Unterschiede zu achten, zumal beim Kauf von Textilien.
Gegen den Erinnerungsbeschluß hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat sie zunächst auf die ihrer Ansicht nach gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke verwiesen, die sich aus intensiver Benutzung ergebe, sowie auf die bestehende verwechslungsfördernde Warengleichheit. Die Anmeldemarke enthalte (als naheliegendes Kennwort) ein für weite Teile des Verkehrs reines Fantasiewort, in dem das gegnerische Markenwort vollständig enthalten sei. Da das jüngere Wort regelmäßig auf der zweiten Silbe betont werde, sei nach einschlägiger Rechtsprechung eine klangliche Verwechslungsgefahr nicht auszuschließen; auch auf dem Textilsektor dürfe nämlich nicht ausschließlich vom Kauf auf Sicht ausgegangen werden.
Die Markeninhaberin hat sich nicht geäußert.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde mußte in der Sache Erfolg haben, da eine noch relevante Verwechslungsgefahr (§ 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG) zwischen den Vergleichsmarken nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann, wenngleich es sich dabei um einen Grenzfall handelt.
Die Markeninhaberin ist der Behauptung gesteigerter Kennzeichnungskraft der gegnerischen Marke durch die Widersprechende nicht entgegengetreten. Auch wenn das diesbezügliche Vorbringen der Widersprechenden letztlich vielleicht nicht als objektiv ausreichend für die Feststellung einer erhöhten Kennzeichnungskraft angesehen werden kann (vgl zB Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl § 9 Rdn 139), ist im konkreten Fall doch von einer jedenfalls gut eingeführten Marke auszugehen.
Zwar ist offensichtlich, daß die Vergleichsmarken in ihrem bildlichen Gesamteindruck nicht als ähnlich angesehen werden können; ebenso fehlen hinreichende Anhaltspunkte für eine assoziative Verwechslungsgefahr, weil der Verkehr keine Veranlassung hat, den Wortteil der Anmeldemarke zu zerlegen, und außerdem auch nichts über eine Serie der Widersprechenden bekannt ist, in die das Wort "HABIBA" - vielleicht - passen könnte.
Jedoch ist eine noch beachtliche Verwechslungsgefahr in klanglicher Hinsicht nicht von der Hand zu weisen. Die Widersprechende hat unter Bezugnahme auf einschlägige Rechtsprechung (vgl Althammer/Ströbele aaO, Rdn 92 mwN) zutreffend darauf hingewiesen, daß auch auf dem Modesektor eine mögliche klangliche Verwechslungsgefahr nicht von vornherein unberücksichtigt bleiben darf. Es ist, wie üblich bei derartigen kombinierten Zeichen, davon auszugehen, daß die jüngere Marke von ihrem Wortteil geprägt wird, an dem sich der Verkehr in erster Linie orientiert und den er zur einfachsten Benennung der Marke benutzt. Das Wort "HABIBA" (- das für den allergrößten Teil des angesprochenen Verkehrs sicherlich ein Fantasiewort darstellt) wird, dem üblichen Sprachempfinden entsprechend, wohl immer auf der zweiten Silbe betont. Damit rückt es aber klanglich sehr in die Nähe des Widerspruchszeichens, da seine erste Silbe mit dem unauffälligen Konsonanten "h" (und dem auch nicht durch eine "Nebenbetonung" hervorgehobenen "a") bei der Aussprache akustisch so untergehen kann, daß sie einem Beteiligten oft gar nicht mehr bewußt wird und er eben glaubt, "BIBA" gehört zu haben. Dies entspricht auch der hier einschlägigen, von der Widersprechenden angeführten Rechtsprechung, die - wenn auch manchmal mit unterschiedlicher Begründung - Wortpaare wie "Sana/Schosana" (BGH GRUR 1993, 972), "INTECTA/tecta", "ADESSO/ESSO" und "Movitana/Vitana" (alle BPatG, veröffentlicht bei PAVIS Proma) jeweils für verwechselbar gehalten hat. Auch im vorliegenden Fall ist es nach Auffassung des Senats nicht auszuschließen, daß es zu solchen klanglichen Verwechslungen kommt, die angesichts der doch nicht so seltenen Gespräche in (kleineren) Verkaufsstätten, angesichts möglicher telefonischer Nachfragen, aber auch angesichts von Gesprächen der Kunden untereinander nicht mehr als zahlenmäßig unbeachtlich eingestuft werden können.
Unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses war deshalb dem Widerspruch stattzugeben.
Wegen der Kosten wird auf § 71 Abs 1 MarkenG verwiesen.
Dr. Schermer Friehe-Wich Albert Fa Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/27W(pat)218-00.1.3.gif
BPatG:
Beschluss v. 19.02.2002
Az: 27 W (pat) 218/00
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