Landgericht Dortmund:
Urteil vom 18. August 2011
Aktenzeichen: 16 O 206/10
(LG Dortmund: Urteil v. 18.08.2011, Az.: 16 O 206/10)
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt,
es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr, wie aus Anla-
ge K 2a ersichtlich, wie folgt zu werben:
"Schutzbrief = Wir übernehmen den Rechtsstreit bis zur ersten Instanz durch unsere Rechtsanwälte.
Für Sie entstehen keine Kosten für den eigenen Rechtsanwalt!"
2. Der Beklagte wird des Weiteren verurteilt,
es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr, wie aus Anla-
ge K 2b ersichtlich, wie folgt zu werben oder tätig zu werden:
"Für einen monatlichen Beitrag von 10,00 € zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer vertreten wir Sie außergerichtlich und im Falle eines gerichtlichen Verfahrens in I. Instanz, ohne weitere Gebühren Ihnen gegenüber zu erheben."
3. Darüber hinaus wird der Beklagte verurteilt,
es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr, wie aus Anla-
ge K 2c ersichtlich, wie folgt zu werben oder tätig zu werden:
"Der beauftragte Rechtsanwalt wird für die außergerichtliche Vertretung und für die Vertretung im Klageverfahren bzw. im einstweiligen Verfügungsverfahren gegenüber dem Auftraggeber keine Vergütungsansprüche geltend machen. Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder für die Teilnahme an einem auswärtigen Besprechungstermin oder Gerichtstermin (zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer) bleiben hiervon unberührt."
4. Des Weiteren wird der Beklagte verurteilt,
es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr, wie aus Anlage K
2d ersichtlich, wie folgt zu werben:
"Abmahner, die in Ihrem Angebot die Verlinkung 123-AGB erkennen, wissen, dass wir Sie bis zur ersten Instanz vertreten und Sie keinen Kostenaufwand für Ihre Rechtsvertretung erbringen müssen. Dieses ist nicht im Sinne der Massenabmahner, da hierdurch nur unnötige Kosten für diese entstehen."
5. Ferner wird der Beklagte verurteilt,
es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr, wie aus Anlage K
2a ersichtlich, wie folgt zu werben:
"Unsere Leistungen
- Rechtsschutz
- [...]
Ab 9,90 €*/Monat".
6. Der Beklagte wird darüber hinaus verurteilt,
es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr, wie aus Anlage K
2c ersichtlich, wie folgt zu werben:
"(4) Das Angebot unter Absatz 3 gilt ab Beginn und nur für die Dauer der Vereinbarung. Ist die Vereinbarung von einer Partei durch Kündigung beendet worden, können von dem Auftraggeber im Falle einer Abmahnung keinerlei Ansprüche gegen den beauftragten Rechtsanwalt auf Vertretung, Gebührenverzicht oder -reduzierung geltend gemacht werden. Im Falle einer Abmahnung durch Dritte und Eingreifens der Regelung in Absatz 3 verzichtet der beauftragte Rechtsanwalt auf sein ordentliches Kündigungsrecht. Kündigt in diesem Fall der Auftraggeber, fallen im Rahmen der anwaltlichen Vertretung durch den beauftragten Rechtsanwalt die gesetzlichen Gebühren unter Anrechnung der bisherigen monatlichen Beiträge an."
7. Dem Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen
die Verpflichtungen im Antrag zu Ziffer 1. bis 6. ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, insgesamt jedoch Ordnungshaft in Höhe von höchstens 2 Jahren, angedroht.
8. Der Beklagte wird schließlich verurteilt, der Klägerin Auskunft da-
rüber zu erteilen, wann, wie viele und an wen Werbeschreiben wie aus den Anlagen K 10 bis K 12 ersichtlich, versendet worden sind.
9. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
10. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 17 % und
der Beklagte 83 % zu tragen.
11. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Für den Beklagten ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern der Beklagte nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Parteien sind Rechtsanwälte und befassen sich beide im größeren Umfang mit der Beratung vom im Internethandel tätigen Unternehmen.
Im September 2010 warb der Beklagte auf seiner Internetseite damit, im Internetvertrieb tätige Unternehmen vor Abmahnungen zu schützen und ihren Werbeauftritt abmahnsicher zu gestalten.
Hierbei warb er unter anderem mit der Aussage: "Schutzbrief = Wir übernehmen den Rechtsstreit bis zur ersten Instanz durch unsere Rechtsanwälte. Für Sie entstehen keine Kosten für den eigenen Rechtsanwalt!". Wegen der Einzelheiten wird auf den als Anlage K 2a zur Gerichtsakte gereichten Internetausdruck verwiesen.
Ferner bot der Beklagte auf seiner Internetseite an, für einen monatlichen Beitrag von 10,00 € zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer seine Kunden außergerichtlich und im Falle eines gerichtlichen Verfahrens in erster Instanz ohne weitere Gebühren zu vertreten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den als Anlage K 2b zur Gerichtsakte gereichten Ausdruck des Internetangebots des Beklagten verwiesen.
Ferner konkretisierte der Beklagte sein Angebot wie folgt:
"Der beauftragte Rechtsanwalt wird für die außergerichtliche Vertretung und für die Vertretung im Klageverfahren bzw. im einstweiligen Verfügungsverfahren gegenüber dem Auftraggeber keine Vergütungsansprüche geltend machen. Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder für die Teilnahme an einem auswärtigen Besprechungstermin oder Gerichtstermin (zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer) bleiben hiervon unberührt."
Wegen der Einzelheiten wird auf den als Anlage K 2c zur Gerichtsakte gereichten Ausdruck des Internetangebots des Beklagten verwiesen.
Ferner enthielt des Internetangebot des Beklagten (wegen der Einzelheiten wird auf Anlage K 2d verwiesen) folgende Aussage: "Abmahner, die in Ihrem Angebot die Verlinkung 123-AGB erkennen, wissen, dass wir Sie bis zur ersten Instanz vertreten und Sie keinen Kostenaufwand für Ihre Rechtsvertretung erbringen müssen. Dieses ist nicht im Sinne der Massenabmahner, da hierdurch nur unnötige Kosten für diese entstehen."
Im Abschnitt "Vertragliche Vereinbarung der Vertretung bei Abmahnungen" hieß es unter "2. Haftung und Leistung des beauftragten Rechtsanwaltes" unter anderem:
"(4) Das Angebot unter Absatz 3 gilt ab Beginn und nur für die Dauer der Vereinbarung. Ist die Vereinbarung von einer Partei durch Kündigung beendet worden, können von dem Auftraggeber im Falle einer Abmahnung keinerlei Ansprüche gegen den beauftragten Rechtsanwalt auf Vertretung, Gebührenverzicht oder -reduzierung geltend gemacht werden. Im Falle einer Abmahnung durch Dritte und Eingreifens der Regelung in Absatz 3 verzichtet der beauftragte Rechtsanwalt auf sein ordentliches Kündigungsrecht. Kündigt in diesem Fall der Auftraggeber, fallen im Rahmen der anwaltlichen Vertretung durch den beauftragten Rechtsanwalt die gesetzlichen Gebühren unter Anrechnung der bisherigen monatlichen Beiträge an." Wegen der Einzelheiten wird ebenfalls auf Anlage K 2c zur Klageschrift verwiesen.
Schließlich hieß es im Internetangebot des Beklagten unter "FAQ" (wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 2d verwiesen) unter anderem:
"Haben Sie schon Massenabmahner erfolgreich entlarvt€ Und was ist passiert€ Ja, wir sind bereits erfolgreich gegen Massenabmahner vorgegangen und haben bewirkt, dass Anwaltskanzleien (Massenabmahner) den Geschädigten (Abmahnopfer) sämtliche Kosten und Gebühren zurück erstatten mussten!"
Mit Schreiben vom 17.09.2010 mahnte die Klägerin den Beklagten wegen seines Internetauftritts ab und verlangte die Abgabe einer schriftlichen strafbewehrten Unterlassungserklärung. Wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlage K 3 zur Gerichtsakte gereichte Kopie des Schreibens verwiesen.
Mit Schreiben vom 27.09.2010 - wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 4 verwiesen - wies der Beklagte die Abmahnung zurück.
Dem vorliegenden Verfahren waren wegen anderer Wettbewerbsverstöße des Beklagten bereits drei Abmahnungen der Klägerin vorausgegangen:
Mit Schreiben vom 28.04.2010 (wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 7 verwiesen) mahnte die Klägerin den Beklagten wegen eines Werbeschreibens vom 19.04.2010 ab. Wegen dessen Einzelheiten wird auf die Anlage K 10 verwiesen. Wegen der darin enthaltenen und von der Klägerin gerügten Wettbewerbsverstöße erließ die Kammer mit Urteil vom 27.05.2010 gegen den Beklagten eine Unterlassungsverfügung. Wegen der Einzelheiten der Verfügung wird auf die Anlage K 1a zur Klageschrift verwiesen. Wegen eines weiteren Werbeschreibens des Beklagten (wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 11 verwiesen) mahnte die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 25.05.2010 ab. Wegen der von der Klägerin gerügten Wettbewerbsverstöße erließ die Kammer mit Urteil vom 24.06.2010 gegen den Beklagten eine weitere Unterlassungsverfügung. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 1c verwiesen. Schließlich mahnte die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 23.08.2010 wegen eines Werbeschreibens des Beklagten vom 16.08.2010 (wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 12 verwiesen) ab. Wegen der von der Klägerin gerügten Wettbewerbsverstöße erließ die Kammer (16 O 191/10) gegen den Beklagten mit Beschluss vom 02.09.2010 eine Unterlassungsverfügung. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 1b verwiesen. In allen Verfahren forderte die Klägerin den Beklagten zur Abgabe einer sogenannten Abschlusserklärung auf. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlagen K 6a, K 6b und K 6c verwiesen.
Die Klägerin vertritt die Rechtsauffassung, mit seiner Internetwerbung verstoße der Beklagte gegen § 49 b BRAO indem er einen Schutzbrief und Rechtsschutz zu pauschal 9,90 € bzw. 10,00 € monatlich anbiete. Ferner täusche der Beklagte mit seiner Internetwerbung vor, die Kunden würden für einen Betrag von 9,90 € monatlich jedwede Rechtsvertretung erhalten. Tatsächlich biete der Beklagte aber keine umfassende Rechtsschutzversicherung an. Dies dürfe der Beklagte als Rechtsanwalt auch gar nicht. Nach der Formulierung würden auch erstattungspflichtige Leistungen als kostenlos vereinbart, was unzulässig sei. Ferner erwecke der Beklagte den Eindruck, dass sämtliche Rechtsstreitigkeiten bis zur ersten Instanz für die Grundpauschale übernommen würden. In Wahrheit beziehe sich das Angebot des Beklagten jedoch nur auf Abmahnungen.
Mit der in der "Vertraglichen Vereinbarung der Vertretung bei Abmahnungen" unter Ziffer 2. enthaltenen Regelung zur Kündigung erwecke der Beklagte für Kunden zumindest den unzutreffenden Eindruck, als würde er für Falschberatungen, also in einem Regressfall, nicht haften.
Darüber hinaus vertritt die Klägerin die Ansicht, die in der Internetwerbung enthaltene Behauptung, der Beklagte sei bereits erfolgreich gegen Massenabmahner vorgegangen und habe bewirkt, dass Anwaltskanzleien den Geschädigten sämtliche Kosten und Gebühren zurückerstatten müssten, stelle eine irreführende Werbung dar. Der Beklagte suggeriere, mehreren Vielfachabmahnern einen Missbrauch tatsächlich aktiv als ermittelnde Kanzlei nachgewiesen und die Vielfachabmahner in Regress genommen zu haben. Die Klägerin behauptet, dem Beklagten sei dies in Wahrheit bisher nicht gelungen. Die Klägerin macht mit der Klage ferner gegen den Beklagten Auskunftsansprüche geltend und verlangt die Bezahlung außergerichtlicher Kosten für die Abmahnungen und für die Aufforderungsschreiben zur Abgabe der Abschlusserklärung.
Nachdem die Klägerin den Klageantrag zu 7. teilweise zurückgenommen hat, beantragt sie nunmehr, den Beklagten zu verurteilen,
1. es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr, wie aus Anla-
ge K 2a ersichtlich, wie folgt zu werben
Schutzbrief = Wir übernehmen den Rechtsstreit bis zur ersten Instanz durch unsere Rechtsanwälte. Für Sie entstehen keine Kosten für den eigenen Rechtsanwalt!
2. es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr, wie aus Anla-
ge K 2b ersichtlich, wie folgt zu werben oder tätig zu werden
Für einen monatlichen Beitrag von 10,00 € zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer vertreten wir Sie außergerichtlich und im Falle eines gerichtlichen Verfahrens in I. Instanz, ohne weitere Gebühren Ihnen gegenüber zu erheben.
3. es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr, wie aus Anla-
ge K 2c ersichtlich, wie folgt zu werben oder tätig zu werden
Der beauftragte Rechtsanwalt wird für die außergerichtliche Vertretung und für die Vertretung im Klageverfahren bzw. im einstweiligen Verfügungsverfahren gegenüber dem Auftraggeber keine Vergütungsansprüche geltend machen. Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder für die Teilnahme an einem auswärtigen Besprechungstermin oder Gerichtstermin (zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer) bleiben hiervon unberührt.
4. es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr, wie aus Anlage K
2d ersichtlich, wie folgt zu werben
Abmahner, die in Ihrem Angebot die Verlinkung 123-AGB erkennen, wissen, dass wir Sie bis zur ersten Instanz vertreten und Sie keinen Kostenaufwand für Ihre Rechtsvertretung erbringen müssen. Dieses ist nicht im Sinne der Massenabmahner, da hierdurch nur unnötige Kosten für diese entstehen.
5. es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr, wie aus Anlage K
2a ersichtlich, wie folgt zu werben
Unsere Leistungen
- Rechtsschutz
- [...]
Ab 9,90 €*/Monat
6. es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr, wie aus Anlage K
2c ersichtlich, wie folgt zu werben
(4) Das Angebot unter Absatz 3 gilt ab Beginn und nur für die Dauer der Vereinbarung. Ist die Vereinbarung von einer Partei durch Kündigung beendet worden, können von dem Auftraggeber im Falle einer Abmahnung keinerlei Ansprüche gegen den beauftragten Rechtsanwalt auf Vertretung, Gebührenverzicht oder -reduzierung geltend gemacht werden. Im Falle einer Abmahnung durch Dritte und Eingreifens der Regelung in Absatz 3 verzichtet der beauftragte Rechtsanwalt auf sein ordentliches Kündigungsrecht. Kündigt in diesem Fall der Auftraggeber, fallen im Rahmen der anwaltlichen Vertretung durch den beauftragten Rechtsanwalt die gesetzlichen Gebühren unter Anrechnung der bisherigen monatlichen Beiträge an.
7. es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr, wie aus Anlage K
2d ersichtlich, auf die Frage hin: Haben Sie schon Massenabmahner erfolgreich entlarvt€ Und was ist passiert€, wie folgt zu werben
Ja, wir ...haben bewirkt, dass Anwaltskanzleien (Massenabmahner) den Geschädigten (Abmahnopfer) sämtliche Kosten und Gebühren zurück erstatten mussten!
8. Die Klägerin beantragt ferner, dem Beklagten für jeden Fall der
Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen im Antrag zu Ziffer 1. bis 7. ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 € und für jeden Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten anzudrohen.
9. Die Klägerin beantragt ferner, den Beklagten zu verurteilen, an
sie Aufwendungsersatz in Höhe von 3.587,60 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.11.2010 zu zahlen.
10. Schließlich beantragt die Klägerin, den Beklagten zu verurteilen,
ihr Auskunft darüber zu erteilen, wann, wie viele und an wen Werbeschreiben wie aus den Anlagen K 8 bis K 10 ersichtlich, versendet worden sind.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte behauptet, das Vorgehen der Klägerin sei rechtsmissbräuchlich. Der Klägerin ginge es in erster Linie darum, durch das Verfahren hohe Gebühren zu erzielen. Dies werde - wie der Beklagte weiter ausführt - unter anderem durch die Vorgehensweise der Klägerin und die von ihr jeweils zugrunde gelegten hohen Streitwerte ersichtlich. Das missbräuchliche Verhalten der Klägerin sei bereits in zwei Urteilen des Landgerichts Paderborn festgestellt worden. Die Rechtsmissbräuchlichkeit ergebe sich auch aus der sukzessiven Vorgehensweise der Klägerin. Sein Internetauftritt habe der Klägerin bereits aus den vorangegangenen Verfahren bekannt gewesen sein müssen, so dass die Klägerin bereits seinerzeit die angebliche Wettbewerbswidrigkeit habe rügen können. Für den Rechtsmissbrauch spreche auch, dass die Klägerin ähnliche Angebote anderer Anbieter bisher nicht angegriffen habe.
In der Sache seien die Vorwürfe der Klägerin unberechtigt. Die konkreten Rechtsschutzangebote seien an zwei Bedingungen geknüpft, nämlich an den Bezug von allgemeinen Geschäftsbedingungen und Widerrufsbelehrungen durch ihn, den Beklagten, und Abmahnungen an seine Kunden, die in diesem Zusammenhang erfolgt seien. Der von ihm angebotene Rechtsschutz schließe die Lücke, die dadurch entstehe, dass der abgemahnte auch bei unberechtigter Mahnung keine Kostenerstattung erhalte.
Auch die in den Geschäftsbedingungen vorgesehene Beschränkung im Fall der Kündigung des Vertrages sei zulässig. Durch die entsprechende Regelung solle seine Haftung nicht eingeschränkt werden. Ferner treffe es zu, dass er sehr wohl seiner Mandantschaft entstandene Kosten von Vielfachabmahnern eingetrieben habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
I.
Begründet ist die Klage insoweit, als der Beklagte in seinem Internetauftritt einen Schutzbrief bzw. Rechtsschutz zu einem Preis von pauschal 10,00 € bzw. 9,90 € anbietet und die Vorzüge dieses Angebotes in seinem Internetauftritt anpreist (Klageanträge 1. bis 5.). Der Verzicht des Beklagten auf die Geltendmachung weiterer Rechtsanwaltsgebühren und Auslagen im Falle der pauschalen Zahlung von 9,90 € bzw. 10,00 € verstößt gegen § 49 b Abs. 1 BRAO, welcher es einem Rechtsanwalt verbietet, geringere Gebühren und Auslagen zu vereinbaren, als das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz es vorsieht. Rechtsanwaltsgebühren sind vom Rechtsanwalt für den jeweiligen Einzelfall streitwertbezogen zu berechnen. Die Veranschlagung einer Pauschale von etwa 10,00 € dürfte im Einzelfall angesichts der im Wettbewerbsrecht regelmäßig zugrunde zu legenden Streitwerte selbst dann in den weitaus meisten Fällen zu einer erheblichen Gebührenunterschreitung führen, wenn die Pauschale von dem Mandanten des Beklagten über einen längeren Zeitraum monatlich entrichtet worden ist. Der Beklagte wirbt somit mit einer Gebührenunterschreitung. Eine solche Werbung ist verboten (vgl. BGH NJW 2009, 534 ff.). Dass der Beklagte glaubt, hiermit eine Deckungslücke, die möglicherweise durch eine fehlende Kostenerstattung bei unberechtigter Abmahnung hervorgerufen wird, zu schließen, ändert an der Verbotswidrigkeit seines Angebotes nichts.
§ 49 b BRAO ist auch im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG dazu bestimmt, dass Marktverhalten der Beteiligten zu regeln und Mindeststandards im Rechtsverkehr abzusichern.
Der Einwand des Beklagten, sein Angebot sei an die Bedingungen geknüpft, dass seine Kunden von ihm allgemeine Geschäftsbedingungen und Widerrufsbelehrungen bezogen hätten und gegen diese eine Abmahnung ergangen sei, ändert an der Wettbewerbswidrigkeit seiner Werbung nichts. Der Tatbestand der Gebührenunterschreitung bleibt von diesem Einwand unberührt. Darüber hinaus suggeriert das Angebot eines Schutzbriefes bzw. Rechtsschutzes einen umfassenden Schutz, so dass sich der Beklagte mit der von ihm eingewandten Beschränkung seines Angebotes zusätzlich dem Vorwurf irreführender Werbung aussetzt.
II.
Die Klage ist auch hinsichtlich des Klageantrages zu 6. begründet. Die angegriffene Passage der "Vertraglichen Vereinbarung der Vertretung bei Abmahnungen" stellt eine irreführende geschäftliche Handlung im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 Nrn. 3 und 7 UWG dar. Der Beklagte erweckt mit der Regelung in Ziffer 2. Absatz 4 der "Vertraglichen Vereinbarung der Vertretung bei Abmahnungen" tatsächlich den Eindruck, im Falle einer Kündigung könne sein Vertragspartner auch bei einer Schlechtleistung hinsichtlich der zur Verfügung gestellten allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Widerrufsbelehrungen keine Ansprüche gegen ihn geltend machen. Dieser Eindruck ist unzutreffend, weil der Beklagte im Falle einer Schlechtleistung gegenüber seinem Vertragspartner zum Schadensersatz verpflichtet ist und aus diesem Gesichtspunkt zum Ersatz anfallender Verfahrenskosten und Rechtsanwaltsgebühren verpflichtet wäre.
III.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten auch einen Anspruch auf Auskunft darüber, wann, wie viele und an wen Werbeschreiben wie aus den Anlagen K 10 bis K 12 ersichtlich, versendet worden sind.
Ein solcher Anspruch ergibt sich aus § 9 UWG. Zwischen den Parteien besteht aufgrund der von der Kammer erlassenen Verfügungen eine Rechtsbeziehung. Die Klägerin ist unverschuldet nicht in der Lage, die begehrten Auskünfte selbst zu ermitteln. Sie hat auch ein berechtigtes Interesse an der Erteilung der Auskünfte, da sie nur so in der Lage ist festzustellen, ob der Beklagte in unzulässiger Weise in ihre bestehenden Mandatsverhältnisse eingegriffen hat. Die Erteilung der Auskunft ist für den Beklagten auch nicht unzumutbar, da mit ihr kein großer Aufwand verbunden ist. Es sind auch keine berechtigten Interessen des Beklagten ersichtlich, die einer Auskunftserteilung entgegenstünden.
Da die Klägerin die Werbeschreiben als Anlagen K 10, K 11 und K 12 zur Gerichtsakte gereicht hat, war ihr Klageantrag zu 10. berichtigend dahin auszulegen, dass anstelle der Anlagen K 8 bis K 10 die Anlagen K 10 bis K 12 gemeint waren.
IV.
Den Ansprüchen der Klägerin steht § 8 Abs. 4 UWG nicht entgegen. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung sind an den Nachweis eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens hohe Anforderungen zu stellen. Diese Anforderungen sind vorliegend nicht erfüllt. Die von der Klägerin erhobenen Gebührenvorstellungen und zugrunde gelegten Streitwerte sind nicht in einem Maße übersetzt, als dass davon ausgegangen werden könnte, dass das Verfolgungsinteresse der Klägerin vorwiegend durch eine Gewinnerzielungsabsicht motiviert wäre. Auch das sukzessive Vorgehen der Klägerin rechtfertigt die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nicht. Insoweit ist schon zu berücksichtigen, dass der Klägerin nicht nachgewiesen werden kann, dass die wettbewerbswidrige Internetwerbung des Beklagten ihr bereits bei der Einleitung der früheren Verfahren bekannt war. Auch die vom Beklagten vorgebrachten Urteile des Landgerichts Paderborn führen nicht zur Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens. Zum einen sind die Entscheidungen des Landgerichts Paderborn, wie von der Klägerin unwidersprochen vorgetragen wird, nicht in Rechtskraft erwachsen. Zum anderen binden die Entscheidungen des Landgerichts Paderborn das erkennende Gericht nicht. Darüber hinaus würde selbst dann, wenn die Klägerin in einer anderen Angelegenheit rechtsmissbräuchlich vorgegangen wäre, dies vorliegend nicht den Schluss rechtfertigen, sie handele im vorliegenden Fall ebenfalls rechtsmissbräuchlich. Auch eine Gesamtbetrachtung der vom Beklagten vorgetragenen Indizien führt nicht zu der Annahme, die Klägerin handele rechtsmissbräuchlich.
V.
Der Klageantrag zu 7. ist unbegründet. Das Gericht vermag schon nicht zu erkennen, dass der Beklagte mit der angegriffenen Passage in seinem Internetauftritt suggeriert, er habe als erstermittelnde Kanzlei außerhalb einer Serie von Gerichtsverfahren Massenabmahner entlarvt. Nach Auffassung des Gerichts ist die angegriffene Aussage des Beklagten auch dann zutreffend, wenn er innerhalb eines Gerichtsverfahrens obsiegt hat, weil dem Prozessgegner ein missbräuchliches Verhalten nachgewiesen wurde und dieser deshalb die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hatte. Auf welche Weise der Nachweis eines Rechtsmissbrauchs durch den Massenabmahner erfolgte, ist ohne Bedeutung. Der Beklagte stellt lediglich die Behauptung auf, einen Mandanten im Rahmen eines UWG-Verfahrens unter Einschluss der Kostenfolgen erfolgreich vertreten zu haben. Dass dies dem Beklagten gelungen ist, ist zwischen den Parteien unstreitig. Der Beklagte stellte hingegen nicht die Behauptung auf, wie ein Ermittler oder Detektiv vorgegangen zu sein. Er spricht weder von einer Erstermittlung, noch von der Entlarvung von Massenabmahnern.
VI.
Der Klageantrag zu 9. ist ebenfalls unbegründet.
Nach der Rechtsprechung des BGH zum Wettbewerbsrecht ist die Selbstbeauftragung eines Anwalts weder unter dem Gesichtspunkt einer Geschäftsführung ohne Auftrag noch unter schadensersatzrechtlichen Aspekten erforderlich, wenn der Abmahnende in typischen, unschwer zu verfolgenden Wettbewerbsverstößen selbst über eine hinreichende eigene Sachkunde zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung verfügt. Daher fordert die Rechtsprechung insbesondere Rechtsanwälten im Fall der eigenen Betroffenheit regelmäßig zu, Abmahnungen selbst auszusprechen (BGH GRUR 2007, 621, 622 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Vorliegend ist nicht nur eine Selbstbetroffenheit der Klägerin zu bejahen, zu berücksichtigen ist vielmehr auch, dass die Klägerin, wie diese selbst in ihren Schriftsätzen zu erkennen gibt und wie auch gerichtsbekannt ist, im großen Umfang auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts erfolgreich tätig ist. Wegen der überdurchschnittlich guten Rechtskenntnisse auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts waren die Wettbewerbsverstöße des Beklagten im vorliegenden und in den drei vorangegangenen Verfahren vor der Kammer für die Klägerin unschwer und mit verhältnismäßig geringem Aufwand zu verfolgen. Die Beauftragung eines externen Rechtsanwaltes zur Wahrnehmung ihrer Rechte wäre zur Verfolgung der Wettbewerbsverstöße daher weder erforderlich noch überhaupt zweckmäßig gewesen. Die Wettbewerbsverstöße des Beklagten waren für die Klägerin, die eine Spezialkanzlei für Wettbewerbsrecht betreibt, leicht zu erkennen. Die juristische Beurteilung und die Erstellung der Abmahnschreiben erforderten für die Klägerin keinen besonderen Aufwand, so dass ihr hinsichtlich des eigenen außergerichtlichen Tätigwerdens nach den Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung kein Schadensersatzanspruch zuerkannt werden kann. Der Klägerin war es vielmehr zuzumuten, ihre eigenen Interessen, deren Verfolgung - wie sie selbst glaubhaft vorträgt - das alleinige Motiv ihres Tätigwerdens war, zunächst gebührenfrei wahrzunehmen. Die Rechtsordnung mutet es sämtlichen Teilnehmern am Rechtsverkehr zu, grundsätzlich, sofern die Einschaltung eines Rechtsanwaltes weder erforderlich noch zweckmäßig ist, die eigene Zeit und Arbeitskraft kostenlos aufzuwenden, um im Rechtsverkehr eigene Interessen wahrzunehmen. Es ist nicht ersichtlich, dass hiervon bei Rechtsanwälten, die ihre eigenen berechtigten Interessen verfolgen, eine Ausnahme zu machen wäre. Auch der im Wettbewerbsrecht gelegentlich vorherrschende Abschreckungsgedanke gebietet hiervon keine Ausnahme, da ihm durch den Umstand, dass im Falle eines Gerichtsverfahrens der wettbewerbswidrig Handelnde sämtliche verfahrensbedingten Kosten zu tragen hat, hinreichend Rechnung getragen wird.
Da der Aufwand für die Erstellung eines sogenannten Abschlussschreibens noch geringer ist als für die Erstellung einer Abmahnung (BGH, a.a.O.) steht der Klägerin auch insoweit kein Kostenerstattungsanspruch zu.
VII.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2, 709, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
LG Dortmund:
Urteil v. 18.08.2011
Az: 16 O 206/10
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