Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. April 2007
Aktenzeichen: 23 W (pat) 336/06

(BPatG: Beschluss v. 17.04.2007, Az.: 23 W (pat) 336/06)

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass der Einspruch vom 12. Mai 2006 unzulässig ist.

2. Nach Rücknahme des unzulässigen Einspruchs ist das Einspruchsverfahren beendet.

Gründe

I.

Die Prüfungsstelle für Klasse A 47 K des Deutschen Patent- und Markenamts hat auf die am 26. April 2002 eingegangene Patentanmeldung das am 13. April 2006 veröffentlichte Patent mit der Bezeichnung "Vorrichtung zur Erhöhung der Sitzhöhe auf einem Klosett" (Streitpatent) erteilt.

Die A... GmbH in B... hat mit Schriftsatz vom 12. Mai 2006, beim Patentamt vorweg per Telefax eingegangenen am selben Tag, Einspruch erhoben und beantragt, das Streitpatent in vollem Umfang zu widerrufen.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents gegenüber dem Stand der Technik nach den Entgegenhaltungen - DE 73 45 824 U und - DE 201 12 996 U1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Die zusätzlichen Merkmale der Unteransprüche 2 bis 4 des Streitpatents seien ebenfalls aus dem Stand der Technik bekannt oder drängten sich dem Fachmann geradezu auf.

Auf einen Hinweis des Berichterstatters, dass der Einspruch unzulässig erscheine, hat die Einsprechende den Einspruch mit Schriftsatz vom 15. März 2007, per Telefax vorweg eingegangenen am selben Tag, zurückgenommen.

Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:

"Vorrichtung zur Erhöhung der Sitzhöhe auf einem Klosett a) mit einem auf ein Klosett auflegbaren und an diesem befestigbaren Sitzteil (2) zur Erhöhung der Sitzhöhe, b) mit mindestens einer mit dem Sitzteil (2) einstückig verbundenen Rastaufnahme (26), c) mit einem an dem Sitzteil (2) angelenkten Deckel (3) zum Abdecken der Klosettöffnung, undd) mit mindestens einem mit dem Deckel (3) einstückig verbundenen Rastkörper (34) zur Verrastung mit der Rastaufnahme (26), e) wobei der mindestens eine Rastkörper (34) auf einer Verbindungslasche (32) vorgesehen ist, die einstückig mit dem Deckel (3) ausgebildet ist, f) wobei die Verbindungslasche (32) ein Filmscharnier (42) zur Anlenkung des Deckels (3) an dem Sitzteil (2) aufweist."

Wegen der erteilten Patentansprüche 2 bis 4 wird auf die Streitpatentschrift und wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Einspruch ergibt sich aus § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG in der bis einschließlich 30. Juni 2006 gültigen Fassung. Danach ist nicht das Patentamt, sondern das Patentgericht zuständig, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Einspruchsfrist nach dem 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat und der Einspruch vor dem 1. Juli 2006 eingelegt worden ist. Diese befristete Regelung ist nach Ablauf von insgesamt 4 Jahren und 6 Monaten zum 1. Juli 2006 ohne weitere Verlängerung ausgelaufen, so dass ab 1. Juli 2006 die Zuständigkeit für die Entscheidung in den Einspruchsverfahren wieder auf das Patentamt zurückverlagert wurde. Das Bundespatentgericht bleibt gleichwohl für die in dem bezeichneten befristeten Zeitraum durch § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG zugewiesenen Einspruchsverfahren weiterhin zuständig, weil der Gesetzgeber eine anderweitige Zuständigkeit für diese Verfahren nicht ausdrücklich festgelegt hat und deshalb der allgemeine Rechtsgrundsatz der "perpetuatio fori" (analog § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO und analog § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG) zum Tragen kommt, wonach eine einmal begründete Zuständigkeit grundsätzlich bestehen bleibt (siehe die zur Veröffentlichung vorgesehene Senatsentscheidung 23 W (pat) 327/04 vom 19. Oktober 2006, "Rundsteckverbinder" zur Frage der fortdauernden Zuständigkeit des Bundespatengerichts für die durch § 147 Abs. 3 PatG zugewiesenen Einspruchsverfahren).

III.

Der form- und fristgerecht erhobene Einspruch ist nach dem Ergebnis der Sitzung unzulässig.

1. Patentgegenstand Nach den Angaben in der Streitpatentschrift (vgl. die Abschnitte [0001] bis [0003]) geht die Erfindung von üblichen Vorrichtungen zur Erhöhung der Sitzhöhe auf einem Klosett aus, durch die der Schwerpunkt beim Sitzen auf dem Klosett erhöht und somit vor allem Senioren und Behinderten das Aufstehen vom Klosett erleichtert wird. Bekannte Toilettensitzerhöhungen erforderten jedoch eine kostenaufwendige Fertigung, da sie eine Vielzahl von Einzelteilen umfassten. Die Einzelteile erschwerten zudem die Montage und Demontage einer derartigen Toilettensitzerhöhung. Eine einfache Demontage und Montage sei aber erwünscht, da die Toilettensitzerhöhung im demontierten Zustand unter anderem besonders gründlich gereinigt werde könne.

Aus der DE 81 08 177 U1 sei eine Toilettensitzerhöhung bekannt, die einen Sitzteil und einen damit verbundenen Deckel aufweise.

Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatentgegenstand als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, eine Toilettensitzerhöhung der gattungsgemäßen Art derart auszugestalten, dass diese besonders kostengünstig fertigbar ist und problemlos montierbar bzw. demontierbar ist (vgl. Streitpatentschrift, Abschnitt [0005]).

Diese Aufgabe wird bei der Vorrichtung zur Erhöhung der Sitzhöhe auf einem Klosett nach dem einteilig formulierten Patentanspruch 1 des Streitpatents letztlich dadurch gelöst, dass - mit dem Sitzteil (2) einstückig mindestens eine Rastaufnahme (26) verbunden ist und - mit dem Deckel (3) einstückig mindestens ein Rastkörper (34) zur Verrastung mit der Rastaufnahme (26) verbunden ist,

- wobei der mindestens eine Rastkörper (34) auf einer Verbindungslasche (32) vorgesehen ist, die einstückig mit dem Deckel (3) ausgebildet ist,

- wobei die Verbindungslasche (32) ein Filmscharnier (42) zur Anlenkung des Deckels (3) an dem Sitzteil (2) aufweist

(vgl. Streitpatentschrift, Abschnitt [0007] i. V. m. dem Ausführungsbeispiel nach Fig. 1). Erfindungswesentlich ist demnach eine mit dem Deckel (3) einstückig ausgebildete Verbindungslasche (32), die mit einem Filmscharnier (42) für eine Scharnierfunktion zwischen dem Sitzteil (2) und dem Deckel (3) versehen ist und einen Rastkörper (34) zur Verrastung mit einer Rastaufnahme (26) des Sitzteils (2) - und somit zur Montage- und Demontage des Deckel (3) am Sitzteil (2) - aufweist (vgl. hierzu auch den Schriftsatz der Patentinhaberin vom 6. Oktober 2006, Abschnitt 3. "Erfindungsgegenstand" auf den Seiten 3 und 4).

2. Zulässigkeit des Einspruchs Die Zulässigkeit des Einspruchs ist von der Patentinhaberin zwar nicht in Frage gestellt worden. Jedoch haben Patentamt und Gericht auch ohne Antrag des Patentinhabers die Zulässigkeit des Einspruchs in jedem Verfahrensstadium von Amts wegen zu überprüfen (vgl. Schulte, PatG, 7. Auflage, § 59, Rdn. 145). Die Rücknahme des einzigen unzulässigen Einspruch führt zur Beendigung des Einspruchsverfahrens ohne weitere Sachprüfung über die Rechtsbeständigkeit des Streitpatents (vgl. hierzu Schulte, PatG, 7. Auflage, § 61, Rdn. 24; BGH GRUR 1987, 513, II.1. - "Streichgarn").

Der Einspruch erweist sich als unzulässig, weil die Einsprechende innerhalb der Einspruchsfrist gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 zwar den Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht hat, die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen sollen, jedoch nicht im Einzelnen angegeben hat (vgl. § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG), da sie nicht den erforderlichen Zusammenhang zwischen sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1 des Streitpatents und dem Stand der Technik hergestellt hat (vgl. hierzu BGH BlPMZ 1988, 250, Leitsatz 2, 251, li. Sp., Abs. 1 - "Epoxidation"; Schulte, PatG, 7. Auflage, § 59 Rdn. 77 bis 82). Sie hat nämlich die Merkmale des Patentanspruchs 1 des Streitpatents:

- Vorrichtung zur Erhöhung der Sitzhöhe auf einem Klosett und - Sitzteil (2) zur Erhöhung der Sitzhöhenicht dem Stand der Technik gegenübergestellt, obwohl die Zweckangabe "zur Erhöhung der Sitzhöhe" eine entsprechend dickere Ausbildung des Sitzteils impliziert (vgl. auch das Ausführungsbeispiel nach Fig. 1), d. h. die räumlichkörperliche Ausgestaltung des Sitzteils umschreibt und die Erfindung insoweit definiert (vgl. BGH GRUR 1981, 259, II2a - "Heuwerbungsmaschine II"; Schulte, PatG, 7. Aufl., § 1 Rdn. 52 und 212).

Der Einspruch ist daher unzulässig.

3. Patentfähigkeit Wegen der Unzulässigkeit des Einspruchs bleibt für eine Überprüfung der Patentfähigkeit des Streitpatentgegenstandes gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik kein Raum.

Das Verfahren ist nach Rücknahme des unzulässigen Einspruchs beendet. Der bereits zurückgenommene Einspruch kann nach Auffassung des Senats nicht mehr verworfen werden. Da keine Sachprüfung stattfindet, ist nach Auffassung des Senats auch nicht auszusprechen, dass das Patent aufrechterhalten bleibt. Die Feststellung, dass der Einspruch unzulässig ist und folglich das Verfahrenbeendet ist, beseitigt die im Hinblick auf die gesetzliche Regelung des§ 61 Abs. 1 Satz 2 PatG bestehende Rechtsunsicherheit in Bezug auf die Frage der Verfahrensbeendigung.






BPatG:
Beschluss v. 17.04.2007
Az: 23 W (pat) 336/06


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