Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 17. April 2015
Aktenzeichen: 6 W 14/15
(OLG Köln: Beschluss v. 17.04.2015, Az.: 6 W 14/15)
Tenor
Es wird festgestellt, dass der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 204 O 24/14 - vom 11. 2. 2014 den Beteiligten zu 2) in seinen Rechten verletzt hat, soweit darin der Beteiligten zu 3) gestattet worden ist, der Beteiligten zu 1) unter Verwendung von Verkehrsdaten Auskunft über den Namen und die Anschrift desjenigen Inhabers eines Internetanschlusses zu erteilen, dem am 9. 2. 2014 um 10:12:30 Uhr (CET) die IP-Adresse 217.253.147.18 zugewiesen war.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beteiligte zu 1) zu tragen.
Gründe
I.
Der Beteiligte zu 2) wendet sich mit seiner Beschwerde gegen einen Beschluss des Landgerichts Köln, durch den der Beteiligten zu 3) gemäß § 101 Abs. 9 UrhG gestattet worden ist, unter Verwendung von Verkehrsdaten Auskunft zu erteilen über diejenigen Nutzer, denen zu bestimmten Zeitpunkten bestimmte IP-Adressen zugewiesen worden waren. Aufgrund dieses Beschlusses ist der Beteiligte zu 2) namens der Beteiligten zu 1), einer in Vancouver/Kanada ansässigen Filmproduktionsgesellschaft, wegen des unberechtigten öffentlichen Zugänglichmachens des Films "Reasonable Doubt" außergerichtlich in Anspruch genommen worden. Der Beteiligte zu 2) bestreitet die Aktivlegitimation der Beteiligten zu 1) sowie die Richtigkeit der der Gestattungsanordnung zugrundeliegenden Ermittlungen. Ferner ist er der Ansicht, es liege keine Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß vor, wie sie eine Gestattungsanordnung nach § 101 Abs. 9 UrhG voraussetze.
II.
1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere - jedenfalls nach Maßgabe der vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze (GRUR 2013, 536 Tz. 21 ff. - Die Heiligtümer des Todes) - fristgerecht eingelegt worden. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
2. Die Gestattungsanordnung hat den Beteiligten zu 2) in seinen Rechten verletzt, da es an der Aktivlegitimation der Beteiligten zu 1) fehlt.
a) Der Auskunftsanspruch gegen Dritte gemäß § 101 Abs. 2 UrhG ist ein Hilfsanspruch zur Vorbereitung von Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen gegen den Verletzer. Er ist daher an die Bedingung geknüpft, dass die Voraussetzungen eines Unterlassungs- oder Schadensersatzanspruchs aus § 97 UrhG erfüllt sind (BGH, GRUR 2012, 1026 Tz. 20 - Alles kann besser werden). Das der dinglichen Rechtsposition des ausschließlich Nutzungsberechtigten zugeordnete Verbietungsrecht gemäß § 97 Abs. 1 UrhG wird grundsätzlich durch den Inhalt der eingeräumten Nutzungsart (§ 31 Abs. 1 UrhG) bestimmt (Senat, GRUR 2000, 414, 416 - "GRUR/GRUR Int") und findet seine Grenze regelmäßig in der jeweils eingeräumten Nutzungsart und den hierzu getroffenen vertraglichen Vereinbarungen (BGH, GRUR 1992, 310, 311 - Taschenbuch-Lizenz; Senat, ZUM-RD 2014, 162 = juris Tz. 5; Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Auflage 2010, vor § 28 Rn. 82; Fromm/Nordemann, UrhG, 10. Auflage 2008, § 97 Rn. 133). Das Verbietungsrecht kann zwar über das Benutzungsrecht hinausgehen, wenn dies erforderlich erscheint, um die Nutzungsbefugnis zu dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch wirksam zu schützen (BGH, NJW 1953, 1258, 1259 - Lied der Wildbahn; BGHZ 141, 267 = GRUR 1999, 984, 985 - Laras Tochter; Wild in: Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Auflage 2010, § 97 Rn. 50).
Ein Verbietungsrecht besteht jedoch nicht mehr, wenn der Inhaber eines ausschließlichen Nutzungsrechts seine Rechte an Dritte übertragen hat. Mit der Übertragung des ausschließlichen Nutzungsrechts erlischt die Aktivlegitimation des bisherigen Inhabers und die Aktivlegitimation des neuen Inhabers wird begründet (Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl. 2013, § 97 Rn. 19). Der Inhaber eines ausschließlichen Nutzungsrechts bleibt ferner auch nach der Einräumung eines solchen Nutzungsrechts weiterer Stufe klageberechtigt, wenn er an den Verkaufserlösen des Unterlizenznehmers beteiligt ist. Der Feststellung, dass seine Lizenzeinnahmen durch die Verletzungshandlung tatsächlich beeinträchtigt sind, bedarf es dazu nicht (BGHZ 141, 267 = GRUR 1999, 984, 985 - Laras Tochter; GRUR 2010, 920 Tz. 16 - Klingeltöne für Mobiltelefone II).
b) Im vorliegenden Fall hat die Beteiligte zu 1), eine in Kanada ansässige Gesellschaft, vorgetragen, sie sei Produzentin des Films. Zum Nachweis ihrer Aktivlegitimation hat sie sich auf einen Eintrag im US Copyright Register sowie eine eidesstattliche Erklärung ihres CEO E. W. bezogen, nach der sie für Produktion und Finanzierung des Filmes verantwortlich gewesen sei. Zutreffend weist der Beteiligte zu 2) darauf hin, dass davon auszugehen sei, dass die Beteiligte zu 1) Nutzungsrechte für die Verwertung des Films an Dritte vergeben hat, was die Beteiligte zu 1) auch nicht in Abrede gestellt hat. Dafür spricht sowohl das von ihr selber vorgelegte "Sales Agency Agreement" als auch die von dem Beteiligten zu 2) vorgelegten Ausdrucke aus dem Internet, nach denen die Rechte für Deutschland zumindest teilweise bei der J. GmbH liegen.
Auf den Hinweis des Senats, dass in dieser Situation weiterer Vortrag zu Art und Umfang der an Dritte eingeräumten Nutzungsrechte sowie einer etwaigen Beteiligung der Beteiligten zu 1) an den Erlösen aus der Verwertung des Films erforderlich sei, hat die Beteiligte zu 1) vorgetragen, ihre Aktivlegitimation sei unabhängig von der Frage, ob sie an den Erlösen der Filmverwertung partizipiere. Ihre Berechtigung folge aus dem Urheberpersönlichkeitsrecht, das die ideellen Interessen des Rechteinhabers schütze, so dass sie auch nach der Einräumung ausschließliche Nutzungsrechte weiterhin befugt sei, Unterlassungsansprüche geltend zu machen.
Zutreffend ist, dass dem Urheber selber trotz der Übertragung der ausschließlichen Nutzungsrechte ein eigenes negatives Verwertungsrecht, mithin ein selbständige Verbotsrecht gegenüber rechtswidrigen Verwertungshandlungen Dritter zustehen kann (OLG München, GRUR 2005, 1038, 1039 - Hundertwasserhaus II; Nordemann, in: Fromm/Nordemann, UrhG, 10. Aufl. 2008, § 97 Rn. 128; Wild, in: Schricker/Loewenheim, UrhG, 4. Aufl. 2010, § 97 Rn. 48). Die Beteiligte zu 1) übersieht jedoch, dass sie nach dem infolge des Schutzlandprinzips hier anwendbaren deutschen Recht nicht Urheberin des Films ist. Zutreffend ist, dass nach dem Recht der USA dem Filmhersteller ein originäres Urheberrecht zukommen kann. Ob dies auch nach dem kanadischen Recht der Fall ist - die Beteiligte zu 1) hat ihren Sitz in Kanada -, kann offen bleiben. Selbst wenn US-Recht anwendbar sein sollte oder das kanadische Recht ein entsprechendes Rechtsinstitut vorsehen sollte, so würde dies nicht dazu führen, dass die Beteiligte zu 1) nach deutschem Recht als Urheberin anzusehen wäre, da ein originäres Urheberrecht des Filmherstellers mit dem Schöpferprinzip des § 7 UrhG nicht vereinbar ist. Ein nach US-Recht bestehendes originäres Urheberrecht ist daher in ein von den einzelnen Filmurhebern eingeräumtes ausschließliches und unbeschränktes Verwertungsrecht umzudeuten (vgl. Senat, Beschluss vom 11. 11. 2010 - 6 W 182/10; Nordemann, in: Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Aufl. 2008, vor §§ 88 ff. Rn. 25). An einem eigenen Urheberrecht der Beteiligten zu 1) fehlt es daher.
Urheberpersönlichkeitsrechte können daher nur den an der Herstellung des Films beteiligten Schöpfern zukommen, nicht jedoch der Beteiligten zu 1). Ideelle Interessen der Beteiligten zu 1), die über diejenigen der Filmurheber hinausgehen würden, sind nicht erkennbar. Auf ein - zumindest im Recht der USA unbekanntes - Leistungsschutzrecht des Filmherstellers beruft sie sich nicht. Sie kann daher für den Fall, dass sie Dritten ausschließliche Nutzungsrechte übertragen hat, nach den oben dargelegten Grundsätzen nur dann selber gegen Rechtsverletzungen vorgehen, wenn sie ein eigenes materielles Interesse an der Rechtsverfolgung hat. Ein solches hat sie jedoch nicht dargelegt. Soweit sie gegenüber dem Landgericht darauf verwiesen hat, das "Sales Agency Agreement" sehe ihre Beteiligung an den Lizenzeinnahmen vor, hatte sie zuvor im gleichen Schriftsatz (vom 26. 9. 2014) ausgeführt, nach diesem Vertrag sei eine Auswertung in Deutschland nicht vorgesehen. Ihm kann daher für die - maßgebliche - Nutzungsrechtslage in Deutschland nichts entnommen werden.
3. Der Senat hat die Kosten des Verfahrens entsprechend §§ 101 Abs. 9 S. 4 UrhG, 81 FamFG insgesamt der Beteiligten zu 1) als Antragstellerin auferlegt. Dies entspricht bei einem Antragsverfahren, bei dem der Antrag zurückgewiesen wird, regelmäßig der Billigkeit (Keidel/Zimmermann, FamFG, 18. Aufl. 2014, § 81 Rn. 49).
Wert für das Beschwerdeverfahren: 815,00 EUR.
OLG Köln:
Beschluss v. 17.04.2015
Az: 6 W 14/15
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/71d9e49bde9d/OLG-Koeln_Beschluss_vom_17-April-2015_Az_6-W-14-15