Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. Dezember 2000
Aktenzeichen: 29 W (pat) 206/99

(BPatG: Beschluss v. 06.12.2000, Az.: 29 W (pat) 206/99)

Tenor

Auf die Beschwerde werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 38 vom 5. August 1997 und vom 11. Mai 1999 aufgehoben.

Gründe

I Die Anmelderin begehrt die Eintragung der Wortmarke Telekollegfür die Waren und Dienstleistungen

"Klasse 9: Bespielte magnetische, magnetooptische und optische Träger für Ton und/oder Bild und/oder Daten einschließlich CD's, CD-ROM, Computer-Disketten, Video- und Audiocassetten sowie -platten; codierte Telfonkarten; Spielprogramme für Computer; Bildschirmschoner; Mouse-Pads;

Brillen und Sonnenbrillen sowie Brillenetuis;

Geräte der Unterhaltungselektronik, nämlich Fernsehempfänger, Radios, Videorecorder, Videoplattenspieler, HiFi-Anlagen, CD-Spieler, Schallplattenspieler, Cassettenrecorder, Multimedia-Computer;

Datenbanken;

Computer-Software; Netware; Firmware;

Klasse 16: Waren aus Papier und Pappe (Karton), nämlich Papierhandtücher, Papierservietten, Filterpapier, Papiertaschentücher, Papierschmuck, Briefpapier, Toilettenpapier, Papierwindeln, Verpackungsbehälter, Verpackungstüten, Einwickelpapier; Druckereierzeugnisse, nämlich Zeitungen, Zeitschriften, Magazine, Broschüren, Faltblätter, Prospekte, Programmhefte, Pressemappen, Fotomappen, Bücher, Kalender, Plakate (Poster), auch in Buchform, Plakate (Poster), Transparente, Telefonkarten soweit in Klasse 16 enthalten, Eintrittskarten, Teilnahmekarten, Einladungskarten, Postkarten, auch in Form von Adhäsionspostkarten, Ausweise;

Schreibwaren einschließlich Schreib- und Zeichengeräte; Büroartikel, nämlich Stempel, Stempelkissen, Stempelfarbe, Brieföffner, Papiermesser, Briefkörbe, Aktenordner, Schreibunterlagen auch aus Leder, Schreibgeräteköcher und -schalen auch aus Leder, Zettelhalter und -behälter auch aus Leder, Locher, Hefter, Büro- und Heftklammern, Aufkleber, auch selbstklebend, Abziehbilder, Buttons, Anhänger, Sticker;

Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate) in Form von Druckereierzeugnissen, Spielen, Globen, Wandtafeln und Wandtafelzeichengeräten;

Verpackungsmaterial aus Kunststoff, nämlich Hüllen, Beutel, Taschen, Folien, letztere auch selbstklebend und für Dekorationszecke;

Spielkarten und Kartenspiele;

Klasse 38: Veranstaltung von Hörfunk- und Fernsehsendungen/-programmen über drahtlose und/oder drahtgebundene digitale und analoge Netze;

Verbreitung, Verteilung und Weiterleitung von Bild-, Ton-, Schrift-, Grafik- und sonstigen Informationssignalen über kabelfreie und/oder kabelgebundene digitale und analoge Netze, auch mittels Computer und im On-Line- und Off-Line-Betrieb; Veranstaltung und Betrieb von interaktiven, elektronischen Mediendiensten einschließlich Teleshopping und Telebanking; Sammeln und Liefern von Nachrichten, Betrieb von Datenbanken und Datendiensten;

Klasse 41: Film, Ton-, Video- und Fernsehproduktion;

Entwickeln und Gestalten von digitalen Ton- und Bildträgern; Musikdarbietungen; Veröffentlichung und Herausgabe von elektronisch wiedergebbaren Text-, Grafik-, Bild- und Toninformationen einschließlich solcher, die auf Trägern oder in Dateien gespeichert sind und/oder über Datennetze abrufbar sind;

Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen;

Durchführung von Sport,-, Konzert-, Theater- und Unterhaltungsveranstaltungen, von Konferenzen, Tagungen, Seminaren, Symposien;

Besucherbetreuung für andere."

Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung durch zwei Beschlüsse, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen, weil der angemeldeten Marke jegliche Unterscheidungskraft fehle und ein Freihaltedürfnis zugunsten anderer bestehe, ihr Fernstudium in Kolleg-Form mit der sich hierfür anbietenden Bezeichnung (Fernuniversität, Fernstudium, Telekolleg) zu benennen, ohne dabei von etwaigen Markenrechten Dritter behindert werden zu können. Die Anmelderin übersehe, daß ihre Marke 1 023 465 "Telekolleg" nur als durchgesetztes Zeichen für die "Produktion von Fernsehsendungen" eingetragen worden sei, während die Marke mit der vorliegenden Anmeldung für einen umfangreichen Katalog von Waren und Dienstleistungen eingetragen werden soll. Für die Waren und Dienstleistungen der angemeldeten Marke fehle die Verkehrsdurchsetzung, zumal die ursprüngliche "Produktion von Fernsehsendungen" im Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen nicht mehr enthalten sei. Die angemeldete Marke bleibe unter dem Gesichtspunkt des Merchandising rein waren- und dienstleistungsbeschreibend.

Der Erinnerungsprüfer hat den Erstbeschluß mit der Begründung bestätigt, daß es sich bei "Telekolleg" nicht um eine Wortneuschöpfung handele, die für die Anmelderin individualisierend sei. Vielmehr sei "Telekolleg" unter Hinweis auf Duden Deutsches Universalwörterbuch (3. Aufl., 1996, S 1523) mittlerweile ein allgemein gebräuchlicher Begriff. Ein konkretes Freihaltebedürfnis bestehe für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen, da sie sämtlich Gegenstand des "Telekolleg" sein könnten. Eine Verkehrsdurchsetzung von "Telekolleg" für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen sei weder amtsbekannt noch von der Anmelderin insoweit geltend gemacht.

Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde macht die Anmelderin geltend, die angemeldete Marke sei mit der Eintragung des Wortes "Premiere" auf der Grundlage des Beschlusses des Bundesgerichtshofs vom 25. März 1999 vergleichbar. Außerdem beruft sich die Anmelderin darauf, daß der Begriff "Telekolleg" 1967 von ihr geprägt und entwickelt und aufgrund seiner überragenden Bekanntheit sogar in die einschlägigen Lexika aufgenommen worden sei. Hierzu verweist sie auf die Ausführungen in BROCKHAUS DIE ENZYKLOPÄDIE, 20. Auflage 1996, 21. Band. Der große bekanntheitsgrad der Bezeichnung strahle auch auf unterrichtsbegleitende Materialien der verschiedenen austauschbaren Medien aus. Im übrigen sei nicht ersichtlich, welche Eigenschaften der sogenannten Merchandising-Waren mit der angemeldeten Bezeichnung "Telekolleg" beschrieben werden sollten. Schließlich verweist sie noch auf die Eintragung der Marke 397 27 986 "TELE-Akademie".

Die Anmelderin beantragt sinngemäß, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Der angemeldeten Marke stehen die Eintragungshindernisse des § 8 Abs 2 Nr 1, 2 und 3 MarkenG nicht entgegen.

Hinsichtlich der beanspruchten Dienstleistung der Klasse 41 "Fernsehproduktion" beruht die Zurückweisung der Anmeldung auf einer unzutreffenden Annahme der Markenstelle. Entgegen den Ausführungen in den angefochtenen Beschlüssen begehrt die Anmelderin die Eintragung der angemeldeten Marke unter anderem für die Dienstleistung der Klasse 41 "Fernsehproduktion", die sich mit der Dienstleistung "Produktion von Fernsehsendungen" deckt, für die die Anmelderin die Eintragung der angemeldeten Marke als durchgesetztes Zeichen mit Wirkung vom 2. April 1979 nachgewiesen hat. Insoweit finden die Eintragungshindernisse des § 8 Abs 2 Nr 1, 2 und 3 MarkenG keine Anwendung (§ 8 Abs 3 MarkenG), ungeachtet der Frage, ob der Bezeichnung "Telekolleg" in bezug auf die "Produktion von Fernsehsendungen" ursprünglich jegliche Unterscheidungskraft fehlte oder ob sie eine freihaltebedürftige beschreibende Angabe für diese Dienstleistung darstellte.

Die Geltendmachung der Verkehrsdurchsetzung der Marke 10 23 465 "Telekolleg" der Anmelderin durfte nicht unberücksichtigt bleiben. Daß sich an dem Hinweischarakter der durchgesetzten Marke "Telekolleg" für die Anmelderin seit der Eintragung ihrer Marke im Jahr 1981 etwas geändert hat, das den Wegfall der Verkehrsdurchsetzung oder die Entwicklung zu einem allgemein geläufigen Gattungsbegriff bzw zu einem freien Dienstleistungsnamen zur Folge gehabt hätte, ist weder ersichtlich noch bestehen hierzu ausreichende Anhaltspunkte (vgl zu den hohen Anforderungen Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl. 2000, § 8 Rdn 164 und zuletzt BPatG GRUR 1998, 722, 723 - GILSONITE). Ein derartiger Schluß kann insbesondere nicht aus der Aufnahme in den Duden und aus den angegebenen Erläuterungen gezogen werden. Über das Bestehen von Markenschutz läßt sich allgemeinen Lexika in der Regel Entscheidendes nicht entnehmen, da die Tatsache, daß ein Begriff als Marke eingetragen ist, meist nicht kenntlich gemacht oder keine Gewähr für Vollständigkeit übernommen wird (vgl zB Hinweise für die Wörterbuchbenutzung auf das Sonderzeichen wz in den Bänden des Dudenverlags). Im übrigen ist erst mit § 16 MarkenG eine Regelung in das Markenrecht neu eingeführt worden, daß der Markeninhaber vom Verleger eines Nachschlagwerkes einen entsprechenden Hinweis auf die eingetragene Marke verlangen kann. Hinzu kommt, daß in dem weiteren Allgemeinlexikon Brockhaus ein Hinweis auf die Anmelderin enthalten ist.

Die Verkehrsdurchsetzung für die Dienstleistung "Fernsehproduktion" erstreckt sich vorliegend allerdings nicht ohne weiteres auf Waren und/oder Dienstleistungen im näheren Ähnlichkeitsbereich. Auch betrifft der von der Anmelderin geltend gemachte Gesichtspunkt der Ausstrahlung in erster Linie den Umfang der Kennzeichnungskraft bei zeichenrechtlichen Kollisionen. Die Markenstelle durfte jedoch ihrerseits den Nachweis im Umfang der Durchsetzung für die "Produktion von Fernsehsendungen" nicht unberücksichtigt lassen und sich bei ihrer Prüfung nicht darauf beschränken, daß die Anmelderin eine Verkehrsdurchsetzung für die übrigen Waren und Dienstleistungen der angemeldeten Marke nicht behauptet hat. Die Tatsache der Verkehrsdurchsetzung der Marke 1 023 465 "Telekolleg" der Anmelderin hat für die Beurteilung der Schutzfähigkeit der identischen angemeldeten Markenbezeichnung "Telekolleg" nämlich insofern Bedeutung, als sie die Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise in bezug auf die übrigen beanspruchten Waren und Dienstleistungen maßgeblich zu beeinflussen geeignet ist (vgl BGH BlPMZ 1999, 257, 259 3. Absatz - PREMIERE II; Althammer/Ströbele aaO § 8 Rdn 185 mwN).

Angesichts der dem Verkehr bekannten Verwendung des Wortes "Telekolleg" als Marke einer Vorlesungsreihe der Anmelderin im Fernsehen erscheint die angemeldete Bezeichnung nicht mehr zur sachgerechten Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen geeignet, die in enger Beziehung zur Durchführung, zum Empfang oder zur Begleitung der Sendereihe der Anmelderin stehen wie zB die Waren "bespielte Ton- und Bildträger (Klasse 9), Lehr- und Unterrichtsmittel (Klasse 16), On-Line und Off-Line Computerdienste (Klasse 38) und die Dienstleistungen der Veröffentlichung und Herausgabe von elektronisch wiedergebbaren Text-, Grafik-, Bild- und Toninformationen und von Druckerzeugnissen. Denn nach der Lebenserfahrung kann nicht ausgeschlossen werden, daß der Verkehr die Bezeichnung "Telekolleg" nicht als reinen Sachhinweis der so gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen im Sinne einer spezifischen Eignung und Bestimmung für Fernstudien im Fernsehen im allgemeinen, sondern als Hinweis auf die Vorlesungsreihe der Anmelderin im Fernsehen zur Unterstützung und Verbreitung durch diese neuen Medien auffaßt. Der angemeldeten Marke fehlt damit nicht jegliche konkrete Unterscheidungskraft und es besteht auch kein Bedürfnis, eine für die Sachbeschreibung ungeeignete Angabe zur ungehinderten Verwendung für Mitbewerber freizuhalten (§ 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG).

Hinsichtlich der Waren und Dienstleistungen der Anmeldung, bei denen der Begriffsinhalt von "Telekolleg" im Sinne des Duden-Zitats einer "Vorlesungsreihe im Fernsehen als Fernstudium mit einem Schlußkolloquium als staatlich anerkannter Prüfung am Ende jedes Semesters" auch dann keine beschreibende Bedeutung aufweist, wenn sich die Bezeichnung nicht für die Anmelderin durchgesetzt hätte, fehlt es bereits an der Voraussetzung eines beschreibenden Sachbezugs für das Vorliegen der Eintragungshindernisse des § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG. Hierzu zählen jedenfalls die beanspruchten Waren "Mouse-Pads; Brillen und Sonnenbrillen sowie Brillenetuis; Waren aus Papier und Pappe (Karton), nämlich Papierhandtücher, Papierservietten, Filterpapier, Papiertaschentücher, Papierschmuck, Briefpapier, Toilettenpapier, Papierwindeln, Verpackungsbehälter, Verpackungstüten, Einwickelpapier; Brieföffner, Papiermesser, Briefkörbe, Aktenordner, Schreibunterlagen auch aus Leder, Schreibgeräteköcher und -schalen auch aus Leder, Zettelhalter und -behälter auch aus Leder, Locher, Hefter, Büro- und Heftklammern, Aufkleber, auch selbstklebend, Abziehbilder, Buttons, Anhänger, Sticker; Teleshopping und Telebanking; Besucherbetreuung für andere".

Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage erübrigte sich ein Eingehen auf die Eintragung der Marke 397 27 986 "Tele Akademie", bei der es sich im übrigen um eine farbig eingetragene Wort/Bildmarke handelt.

Meinhardt Baumgärtner Pagenberg Cl






BPatG:
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Az: 29 W (pat) 206/99


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