Bundespatentgericht:
Urteil vom 21. Juni 2000
Aktenzeichen: 4 Ni 6/99
(BPatG: Urteil v. 21.06.2000, Az.: 4 Ni 6/99)
Tenor
1. Das europäische Patent 0 406 982 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang des Anspruches 1 für nichtig erklärt.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 11.000,00 vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 9. Oktober 1984 unter Inanspruchnahme der Priorität der Voranmeldungen JP 102 841 und JP 102 843 vom 22. Mai 1984 angemeldeten, ua mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 406 982 (Streitpatent), einer Teilanmeldung aus der europäischen Patentanmeldung 90 201 873.8. Die Bekanntmachung des Hinweises auf die Patenterteilung und die Veröffentlichung der Patentschrift sind am 10. August 1994 erfolgt. Das Streitpatent wird vom Deutschen Patentamt unter der Nummer 34 86 334 geführt. Es trägt die Bezeichnung "Method of impregnating ink absorbing means" und umfaßt 2 Patentansprüche, die in ihrer deutschen Übersetzung folgenden Wortlaut haben:
"1. Verfahren zum Imprägnieren von Tintenabsorbierungsmitteln (60", 61, 62), die in einem Tintenversorgungstank (2, 2") für einen Matrix-Nadeldruckerkopf enthalten sind, dem an distalen Nadelenden Tinte zugeführt wird, dadurch gekennzeichnet, daß die Tintenabsorbierungsmittel (60", 61, 62) mit Tinte imprägniert werden, bei einem Druck, der geringer als der Atmosphärendruck ist.
2. Verfahren gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der Druck, mit welchem die Tinte imprägniert wird, im Bereich von 5 - 10 mm Hg liegt."
Die Klägerin betreibt die Nichtigerklärung des Streitpatents mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang des Patentanspruchs 1. Sie trägt dazu vor, die Lehre des Streitpatents sei insoweit nicht neu bzw beruhe auf keiner erfinderischen Tätigkeit. Hierzu beruft sie sich auf folgende Druckschriften:
(1) US 3 863 686 (D1)
(2) US 3 491 685 (D2)
(3) US 4 194 846 (D3)
(4) US 4 095 237 (D4)
(5) JP 58-142861 A Die Klägerin beantragt, das europäische Patent 0 406 982 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang des Patentanspruchs 1 für nichtig zu erklären.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 12. Juli 1999 erklärt, daß sie das Streitpatent nur noch in eingeschränktem Umfange verteidige. Der verteidigte Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"1. Verfahren zum Imprägnieren von Tintenabsorbierungsmitteln (60", 61, 62), die in einem Tintenversorgungstank (2, 2") für einen Matrix-Nadeldruckerkopf enthalten sind, dem an distalen Nadelenden Tinte zugeführt wird, dadurch gekennzeichnet, daß die Tintenabsorbierungsmittel (60", 61, 62) in den Tintenversorgungstank (2, 2") eingebracht werden, daß der Tintenversorgungstank (2, 2") ein Luftloch aufweist und zwischen den Tintenabsorbierungsmitteln (60", 61, 62) und einer inneren Wandoberfläche des Tintenversorgungstanks sich ein Raum (50 b) befindet, der mit dem Luftloch (42) kommuniziert, unddaß die Tintenabsorbierungsmittel (60", 61, 62) nach Einbringen in den Tintenversorgungstank (2, 2") mit Tinte imprägniert werden bei einem Druck, der geringer als der Atmosphärendruck ist."
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen das Streitpatent im verteidigten Umfang richtet.
Sie ist dem Vorbringen der Klägerin entgegengetreten und hält das Streitpatent im verteidigten Umfang für bestandsfähig.
Die Klägerin bestreitet der Beklagten das Recht, einen so beschränkten Patentanspruch 1 zu verteidigen. Jedenfalls beruhe sein Gegenstand im Hinblick auf den geltend gemachten Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Gründe
Die zulässige Klage, mit der der in Art II § 6 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜG, Artikel 138 Absatz 1 lit a EPÜ iVm Artikel 54 Absatz 1, 2 und Artikel 56 EPÜ vorgesehene Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird, ist in vollem Umfang begründet.
A.
Die beschränkte Verteidigung erweist sich als unzulässig.
1. Dies folgt zwar - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht allein daraus, daß die Patentinhaberin in den verteidigten Anspruch 1 ein Merkmal aus der ursprünglichen (vom Europäischen Patentamt in der Teilanmeldung nicht angepaßten) Beschreibung der Stammanmeldung aufgenommen hat.
Der Patentinhaber kann bei der Beschränkung seiner Verteidigung auf alle Merkmale zurückgreifen, die als zur Erfindung gehörend ursprünglich offenbart und in dem Patent unter Schutz gestellt worden sind. Dies gilt selbst dann, wenn ein Merkmal in keinem Patentanspruch enthalten war, solange es nur ursprünglich offenbart und hinreichend deutlich als erfindungswesentlich in die den Schutzbereich des Patents bestimmenden Ansprüche einbezogen worden ist (vgl Busse, PatG, 5. Aufl, § 83 Rdn 39 mwNachw). Der von der Klägerin anscheinend vertretenen auch in der oben zitierten Kommentarstelle erwähnten abweichenden Rechtsmeinung, der Patentinhaber könne sich nicht mit Merkmalen aus nicht angegriffenen Unteransprüchen beschränkt verteidigen (vgl dazu auch BGH Liedl, 1959/60, 396 - Schwingungswalze; Bruchhausen, FS R. Nirk, 1992, 103, 111; Busse, aaO, Rdn 37 aE), könnte allenfalls für den Fall gefolgt werden, daß der Patentinhaber seine Verteidigung ausschließlich auf einen nicht angegriffenen Unteranspruch beschränkt. Gründe, weshalb es ihm generell untersagt sein sollte, Merkmale aus nicht angegriffenen Unteransprüchen zur Beschränkung seines Patents heranzuziehen, sind hingegen nicht erkennbar und in den genannten Fundstellen auch nicht angedeutet.
Auf die bereits in sich wenig überzeugende Schlußfolgerung der Klägerin, aus der Unzulässigkeit einer solchen Beschränkung mit einem Merkmal aus einem nicht angegriffenen Unteranspruch folge im Wege eines "erst recht"-Schlusses die Unzulässigkeit der Beschränkung durch die Aufnahme eines nur in der Beschreibung enthaltenen Merkmals, ist daher nicht weiter einzugehen.
2. Die Beschränkung erweist sich jedoch als unzulässig, weil ein in die verteidigte Anspruchsfassung aufgenommenes Merkmal nicht hinreichend deutlich als zur Erfindung gehörig in die den Schutzbereich bestimmenden Ansprüche einbezogen war.
Der Schutzbereich eines Patents bestimmt sich aus dem Inhalt der Ansprüche, zu deren Auslegung die Beschreibung und die Zeichnung heranzuziehen sind (Schulte, PatG, 5. Auflage, § 22 Rdn 7). Zum Schutzbereich eines erteilten Patents gehören nicht Merkmale, die zwar in der Beschreibung oder in den Zeichnungen der Patentschrift enthalten sind, auf die sich aber die erteilten Patentansprüche nicht beziehen.
Die erteilten Patentansprüche betreffen ein Verfahren zum Imprägnieren von Tintenabsorbierungsmitteln. Das Streitpatent ist somit ein Verfahrenspatent. Sein Anspruch 1 wird mit folgenden, zu den bisherigen Verfahrensmerkmalen hinzutretenden Sachmerkmalen beschränkt verteidigt:
a) Die Tintenabsorbierungsmittel werden in den Tintenversorgungstank eingebracht.
b) Der Tintenversorgungstank weist ein Luftloch auf und zwischen den Tintenabsorbierungsmitteln und einer inneren Wandfläche des Tintenversorgungstanks befindet sich ein Raum, der mit dem Luftloch kommuniziert.
c) Die Tintenabsorbierungsmittel werden nach dem Einbringen in den Tintenversorgungstank imprägniert.
Die zusätzlichen Merkmale a) und c) sind Überbestimmungen zu den Merkmalen des Oberbegriffs des erteilten Patentanspruchs 1, wonach die Tintenabsorbierungsmittel in einem Tintenversorgungstank enthalten sind. Diese Merkmale sind daher für die Beurteilung der Sache weiter nicht beachtlich.
Das Merkmal b) des verteidigten Anspruches 1 ist der Patentschrift auf S 6, Z 47 - 51 entnehmbar und auch auf S 18, Z 1 bis 8 der Stammanmeldung EP 0 139 508 A2 ursprünglich offenbart.
Dieses Merkmal b) ist ein reines Sachmerkmal, dessen Aufnahme in einen Verfahrensanspruch ohnehin nur unter bestimmten engen Voraussetzungen zulässig ist. Es ist nicht als erfindungswesentlicher Bestandteil der erteilten Verfahrensansprüche erkennbar. Für den Fachmann ist in keiner Weise ersichtlich, daß sich die erteilten Verfahrensansprüche in irgendeiner Weise auf Gestaltungsmerkmale des Tintenversorgungstanks beziehen, und daß die Ausgestaltung dieses Tanks für das patentierte Verfahren erfindungswesentlich sein soll. Insbesondere fehlt hierfür im erteilten Anspruch 1 jede Stütze. Daß der Tank als solcher dort als Gegenstand des Verfahrens erwähnt wird, reicht hierfür - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht aus.
Das Merkmal b) ist auch der Beschreibung der Patentschrift nicht als erfindungswesentlich zu entnehmen. Die von der Beklagten hierzu zitierte Textstelle in der Patentschrift auf S 2, Z 54 - 56 bezieht sich nicht auf den Gegenstand eines Anspruchs des Streitpatents. Wie der Fachmann unschwer erkennt, bezieht sich der zitierte und nachfolgende Beschreibungstext (S 2, Z 54 bis S 3, Z 15) als ganzer vielmehr auf im Streitpatent nicht mehr enthaltene ursprüngliche Unteransprüche.
Mit der Aufnahme des Merkmals b) in den verteidigten Anspruch würde der Schutzbereich des Patents also erweitert.
B.
Der Prüfung im vorliegenden Verfahren ist mithin der Patentanspruch 1 in seiner erteilten Fassung zugrundezulegen. Er erweist sich als nicht bestandsfähig.
1. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zum Imprägnieren von Tintenabsorbierungsmitteln, die sich in einem Tintenversorgungstank für einen Matrix-Nadeldruckerkopf befinden, dem an distalen Nadelenden Tinte zugeführt wird. Dabei ist der Tintentank mit einer Tintenversorgungsöffnung versehen und enthält Tintenabsorbierungsmittel, von welchen Tinte zur Tintenversorgungsöffnung gelangen kann.
Nach der Beschreibung ist aus dem Stand der Technik (S 2, Z 5 - 14) ein Tintenversorgungssystem bekannt, bei dem Tinte von einem Tintentank den distalen Nadelenden zugeführt wird und von den Nadeln direkt auf ein zu bedruckendes Blatt Papier übertragen wird. Die dabei in der Nähe der distalen Nadelenden zurückgehaltenen Tintenmengen seien dabei - so wird ausgeführt - sehr unterschiedlich und es sei nicht zu verhindern, daß - wegen unterschiedlicher Abmessungen des Porenelements oder seiner Verformung auf Grund des Zusammenwirkens mit den Seiten der Nadeln - die entstehenden Punkte unregelmäßige Farbdichten aufwiesen.
Bei einem weiteren bekannten Tintenversorgungsmechanismus (S 2, Z 15 - 21) werde den distalen Nadelenden Tinte aus einem Tintentank mittels einer Pumpe zugeführt. Dieser Mechanismus habe jedoch den Nachteil, daß die Verbindung zwischen der Pumpe und einem Druckkopf kompliziert sei und zu erhöhten Kosten führe.
Bekannt sei weiter (S 2, Z 22 - 33) ein Matrix-Nadeldruckerkopf, der einen Tintentank, ein Nadelführungsmittel mit einem Tinten-Aufnahmebereich und eine Drucknadel aufweise, deren distaler Endbereich sich in einer Öffnung in dem Nadelführungsmittel befinde, wobei eine kapillare Tintenbahn des Nadelführungsmittels sowohl mit dem genannten Bereich des Nadelführungsmittels als auch mit einem distalen Endbereich der Drucknadel kommuniziere, um dieser Tinte zuzuführen. Diese Konstruktion führe jedoch sehr leicht zu Variationen oder Unterbrechungen des Tintenflusses. Auch könne sich Luft, die durch Kapillarkraft in die Tinte gelange und vor dem Erreichen der distalen Endoberfläche des Nadelführungsmittels nicht entweichen könne, unter dem vorhandenen niedrigen Druck ausdehnen und Probleme bezüglich des Flusses verursachen.
Schließlich beschreibt die Streitpatentschrift einen weiteren bekannten Matrix-Nadeldrucker (S 2, Z 34 - 45), durch dessen Bauweise jedoch nicht gewährleistet sei, daß sich die Kapillaranziehungskraft in Richtung von dem Tintenversorgungsmittel hin zur distalen Endoberfläche vergrößere, was dazu führe, daß in dem Tintenversorgungsmittel eventuell Tinte verschwendet werde, besonders wenn darin Luft eingeschlossen sei.
2. Vor diesem Hintergrund formuliert die Streitpatentschrift die auf die ursprüngliche Offenbarung zurückgehende Aufgabe, dafür zu sorgen, daß die aus dem Tintentank dem distalen Ende einer Nadel bzw dem distalen Ende von Nadeln zugeführte Tinte im Vergleich zu bisherigen Bauweisen in geringerem Maße dem Einfluß von Veränderungen in der Umgebung, wie z.B. Temperaturschwankungen, ausgesetzt ist.
3. Patentanspruch 1 beschreibt demgemäß ein
(1) Verfahren zum Imprägnieren von Tintenabsorbierungsmitteln.
(2) Die Tintenabsorbierungsmittel sind in einem Tintenversorgungstank enthalten.
(3) Der Tintenversorgungstank ist für einen Matrix-Nadeldruckerkopf bestimmt, dem an distalen Nadelenden Tinte zugeführt wird.
(4) Tintenabsorbierungsmittel werden mit Tinte imprägniert bei einem Druck, der geringer als der Atmosphärendruck ist.
4. Das mit der Patentschrift veröffentlichte Verfahren zum Imprägnieren von Tintenabsorbierungsmitteln mag neu und gewerblich anwendbar sein. Es beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Es ergab sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik, insbesondere aus der US 3 491 685 iVm der US 4 194 486.
Als Durchschnittsfachmann ist ein Ingenieur oder Techniker einer Fachhochschule für Feinwerktechnik mit beruflicher Erfahrung auf dem Gebiet der Matrixdrucker, hier speziell der Tintenversorgung dieser Drucker anzusehen, der auch benachbarte Gebiete, wie die mit flüssiger Tinte arbeitenden Meßschreiber und deren Tintenversorgungstanks nicht außer Acht läßt.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 02. Mai 2000 eine "Technische Stellungnahme" zum Verfahren nach dem Streitpatent von Prof. Dr.-Ing. W..., Fach hochschule in H..., in das Nichtigkeitsverfahren eingeführt. In dieser Stellung nahme wird unter Punkt 4 ausgeführt, daß dem Verfahren nach dem Streitpatent eine zweistufige Füllmethode zum Imprägnieren der Tintenabsorbierungsmittel zugrunde liege. Unter Hinweis auf die Beschreibung der DE 34 86 334 S 17, Z 33 ff wird ausgeführt, daß die Tinte erst in die Tintenabsorbierungsmittel eingebracht wird, nachdem der Druck in diesen auf den vorgesehenen Wert verringert wurde. Die Füllmethode soll demnach aus einer ersten Stufe bestehen, bei der Luft aus dem Tintenabsorbierungsmittel durch Anlegen eines Unterdrucks an den Tintenversorgungstank evakuiert wird. Bei dieser ersten Stufe kann noch keine Tinte in die Tintenabsorbierungsmittel eintreten. In der zweiten Stufe wird dann bei weiter anliegendem Unterdruck die Tinte in die Tintenabsorbierungsmittel eingebracht. Angaben, wie die zwei Stufen technisch realisiert werden sollen, werden in der technischen Stellungnahme nicht gemacht. Beschrieben wird jedoch der Vorteil, der sich mit dieser Füllmethode ergeben soll. Demnach führt das Evakuieren auf einen sehr hohen Unterdruck (1% des Atmosphärendrucks) zu einer verbesserten Füllung, da sich vor dem Füllen mit Tinte so gut wie keine Luft im Tintenversorgungstank befindet und beim Füllen keine Luft verdrängt werden muß. Es soll dadurch möglich sein, die Tintenabsorbierungsmittel nahezu vollständig und frei von Luftblasen mit Tinte zu füllen.
Diese "zweistufige Füllmethode" ist so weder den ursprünglichen Unterlagen der Stammanmeldung bzw den Unterlagen des daraus abgetrennten Teils, den das Streitpatent bildet, noch der Streitpatentschrift zu entnehmen. Die technische Stellungnahme stützt sich zur Offenbarung dieser zweistufigen Füllmethode allein auf die zuvor genannte Textstelle der Beschreibung im Zusammenhang mit Figur 2 des Streitpatents. Für die Offenbarung wie auch für die Auslegung des Anspruchs 1 gemäß Streitpatent ist die entsprechende englische Fassung in den Ursprungsunterlagen bzw in der Streitpatentschrift maßgebend, die in beiden Beschreibungen gleichlautend ist. Auch unter Hinzuziehung dieser Textstelle (impregnated under a low pressure) versteht der Durchschnittsfachmann das Merkmal 4 des Anspruchs 1 des Streitpatents (impregnated with ink at a pressure lower than ...) nicht in der Weise, daß damit nur eine zweistufige Füllmethode ausgebildet wird. In Fig 2 der Streitpatentschrift ist ein Ausführungsbeispiel des Tintenversorgungstanks dargestellt. Einzelheiten, die auf einen Zusammenhang mit einer zweistufigen Füllmethode hinweisen, kann der Senat in Fig 2 nicht erkennen. Auch die Textstelle (impregnated under a low pressure) ist keine Auslegehilfe für das Merkmal 4 im Sinne des Gutachtens. Da der Anspruch 1 des Streitpatents nur eine Unterdruckbedingung vorschreibt, kann die Imprägnierung sowohl in der im Gutachten dargestellten Weise (zweistufige Füllmethode) als auch unmittelbar im Zuge des Evakuierens (einstufige Füllmethode) erfolgen.
Die zuletzt genannte Möglichkeit der Imprägnierung ist jedoch aus der US 3 491 685 bekannt.
Diese Druckschrift zeigt einen Tintenversorgungstank 10 für einen Trommeldrukker, der Tintenabsorbierungsmittel 50, 52 für Tinte enthält. Das kapillar wirkende Tintenabsorbierungsmittel füllt dabei das Gehäuse des Tintenversorgungstank vollständig aus. Der Tintenversorgungstank weist in üblicher Weise mindestens ein Luftloch 12 und eine Tintenauslaßöffnung 32 auf, wobei das Luftloch zum Druckausgleich mit der Atmosphäre und die Tintenauslaßöffnung zum Transport der Tinte zum eigentlichen Druckkopf dient. Letzteres geschieht mittels einer kapillar wirkenden Rolle 34, die Tinte aus der Tintenauslaßöffnung übernimmt und diese auf die erhabene Oberfläche eines zu druckenden Zeichens auf der Drucktrommel überträgt (Sp 3, Z 50 - 65). In Sp 7, Z 22 - 35 dieser Druckschrift wird ein Verfahren zum Füllen dieses Tintenversorgungstanks beschrieben. Dazu wird der Deckel des Tanks, der sich an der den Luftlöchern entgegengesetzten Seite befindet, entfernt und der mit den Tintenabsorbierungsmitteln gefüllte Tank soweit in einen mit Tinte gefüllten Behälter eingesenkt, daß die Luftlöcher sich unterhalb der Tintenoberfläche befinden. Danach wird ein Unterdruck (der kleiner ist als der Atmosphärendruck) an das offene Ende des Tanks angelegt. Mit Hilfe des Unterdrucks (der stärker ist als der Kapillardruck des Tintenabsorbierungsmittels) wird Tinte in den Tank gezogen, bis die Tintenabsorbierungsmittel gefüllt sind. Bei dieser Art der Imprägnierung der Tintenabsorbierungsmittel soll ein Füllgrad von 90 % erzielt werden. Der Unterdruck breitet sich bei der Füllung des Tanks äußerst schnell auch in den Kapillaren des Tintenversorgungstanks aus, bevor diese mit Tinte gefüllt werden, so daß auch bei diesem Füllvorgang die offenen Kapillaren mit Unterdruck beaufschlagt sind und eine sehr gute Füllung des Tintenabsorbierungsmittels erfolgt.
Obwohl über die Beendigung des Füllvorganges in der Druckschrift nichts gesagt ist, ist der Fachmann aufgrund fachmännischen Handelns selbstverständlich in der Lage, den Füllvorgang zu kontrollieren und nach Füllung des Tintenabsorbierungsmittels zu beenden.
Wenn der Fachmann ein Verfahren sucht, um Tintenabsorbierungsmittel in einem Tintenversorgungstank mit Tinte zu imprägnieren, wobei ein möglichst hoher Füllgrad des Tintenabsorbierungsmittels angestrebt wird, so wird er die in Rede stehende US-Druckschrift nicht außer Acht lassen. Er entnimmt dieser Druckschrift die allgemeine Lehre, die Imprägnierung des Tintenabsorbierungsmittels bei Unterdruck (Druck unter Atmosphärendruck) durchzuführen. Demgegenüber ist der Aufbau des Tintenversorgungstanks und die Übertragung der Tinte auf den Druckkopf zweitrangig, weil diese offenkundig von der Füllmethode unabhängig sind.
Der Fachmann konnte aber auch die allgemeine Lehre der US-Druckschrift betreffend das Imprägnieren der Tintenabsorbierungsmittel in einem Tintenversorgungstank bei Unterdruck auf jeden beliebigen Tintenversorgungstank eines anderen Druckers übertragen, da wie ausgeführt, Gestalt und Tintenabgabe des Tanks zum Druckkopf keine Rolle spielen. Ein solcher Tintenversorgungstank kann demnach auch ein Tintenversorgungstank für einen Matrix-Nadeldruckerkopf sein, dessen Nadeln am distalen Ende Tinte zugeführt wird, wie er aus der US 4 194 846 bekannt ist. Dieser Tintenversorgungstank enthält zwar keine Tintenabsorbierungsmittel, der Fachmann erkennt aber, daß diese aus der US 3 491 685 bekannten Teile auch bei einem Tank nach der US 4 194 846 verwendbar sind. Ein Vorurteil, das ihn daran hindern sollte, einen solchen Tank mit der in der US 4 194 846 gezeigten Methode zu füllen, ist nicht erkennbar. Diese Übertragung der allgemeinen Lehre auf einen Matrix-Nadeldruckerkopf ist dem Können des Fachmannes zuzurechnen. Auf diese Weise ist es möglich, einen guten Füllgrad der Tintenabsorbierungsmittel zu erzielen, was wohl auch die eigentliche Aufgabe des Streitpatents ist.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 Abs 1 Satz 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 ZPO.
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BPatG:
Urteil v. 21.06.2000
Az: 4 Ni 6/99
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