Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 15. Dezember 2005
Aktenzeichen: 5 U 82/04

(OLG Hamm: Urteil v. 15.12.2005, Az.: 5 U 82/04)

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 13.02.2004 abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 716,50 € nebst jeweils 4 % Zinsen auf den Teilbetrag von 231,50 € seit dem 03.11.1997 und auf den weiteren Teilbetrag von 485,00 € seit dem 19.12.1997 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 94 % und die Beklagte zu 6 %.

Die Kosten der Berufungsinstanz und die Kosten der Revision tragen der Kläger zu 93 % und die Beklagte zu 7 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beklagte, die gemäß Vertrag vom 18.11.2003 und Handelsregistereintragung vom 21.01. sowie 03.03.2004 im Wege der Umwandlung durch Ausgliederung den zu ihrem Unternehmensbereich "Übertragungsnetz Strom" gehörenden Teil ihres Vermögens als Gesamtheit auf die T GmbH mit Sitz in E übertragen hat, unterhielt aufgrund früherer Enteignungsverfahren auf Grundstücken des Klägers die 110 KV-Hochspannungsfreileitungen V1 und V2.

Nachträglich verlegte die Beklagte auf den vorgenannten Strecken zusätzliche Lichtwellenleiterkabel zum Zwecke der Telekommunikation, und zwar auf der Strecke V1 das Kabel LK 6521 in einer Länge von 485 m sowie auf der Strecke V2 das Kabel LK 6524 in einer Länge von 231,50 m.

1997 wurden diese Leitungen, wie die Beklagte dem Kläger auf dessen entsprechende Anfrage vom 06.12.2001 (Bl. 17) mit Schreiben vom 21.12.2001 (Bl. 18 f.) bestätigte, Dritten zur Nutzung für Telekommunikationszwecke überlassen.

Der Kläger verlangt von der Beklagten - gestützt auf § 57 Abs. 2 Satz 2 TKG a. F. - Ausgleich für diese Nachverlegung von Telekommunikationskabel.

Derzeit stehen die von den Leitungen betroffenen Grundstücke nur teilweise im Eigentum des Klägers. Während ihm die in der Gemarkung E gelegenen Grundstücke, über die die Leitung LK 6524 verläuft, ganz oder teilweise gehören, sind die in der Gemarkung W gelegenen Grundstücke, über die ein Großteil der Leitungen LK 6521 verläuft, am 30.12.2003 auf die Tochter des Klägers, Frau C, umgeschrieben worden.

Diese hat mit Abtretungserklärung vom 14.09.2005 ihr zustehende Zahlungsansprüche gegen die Beklagte wegen einer erweiterten Nutzung durch kommerzielle Telekommunikation an den Kläger abgetreten.

Das Landgericht Dortmund hat die ursprünglich auf Feststellung einer Ausgleichspflicht der Beklagten gerichtete Klage, mit der nur hilfsweise Zahlung eines einmaligen Ausgleichsbetrages. begehrt wurde, mit Urteil vom 13.02.2004 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, eventuelle Ausgleichsansprüche des Klägers nach § 57 TKG a. F. seien verjährt.

Die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers hat der Senat mit Urteil vom 26.08.2004 zurückgewiesen. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, sowohl der Feststellungsantrag als auch der Hilfsantrag auf Zahlung eines angemessenen, vom Gericht zu bestimmenden Geldausgleichs seien angesichts des Vorrangs der Leistungsklage und der Unanwendbarkeit des § 315 Abs. 3 BGB unzulässig. Der weitere, auf Zahlung von (zuletzt) 11.441,17 € gerichtete Hilfsantrag sei demgegenüber zwar zulässig, aber unbegründet:

Ungeachtet der Frage, ob der Kläger Eigentümer sämtlicher von den Leitungstrassen betroffener Grundstücke sei, und ob die Beklagte als Betreiberin der Telekommunikationslinie angesehen werden könne, seien bezüglich der Leitungen LK 6521 und 6524 Ausgleichsansprüche nach § 57 Abs. 2 Satz 2 TKG a.F. jedenfalls verjährt. Insoweit habe die zweijährige Verjährungsfrist des § 58 TKG a. F. - ungeachtet einer Kenntnis des Klägers hiervon - bereits mit Aufnahme der erweiterten Nutzung zu Telekommunikationszwecken begonnen und sei bei Klageerhebung abgelaufen gewesen.

Auf die Revision des Klägers hat der Bundesgerichtshof das vorgenannte Urteil insoweit aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, als der bezifferte Zahlungsantrag bezüglich der Leitungen LK 6521 und LK 6524 abgewiesen wurde:

Zwar unterstehe der Ausgleichsanspruch nach § 57 TKG a. F. der kurzen Verjährungsfrist des § 58 TKG a. F.. Für den Verjährungsbeginn sei jedoch nicht allein der objektive Umstand der Anspruchsentstehung maßgeblich, sondern die Regelung des § 58 TKG a. F. bedürfe einer Ergänzung durch ein subjektives Element auf Seiten des Anspruchsinhabers. Andernfalls sei in einer Vielzahl von Fällen der verfassungsrechtlich gebotene Anspruch verjährt, bevor der Gläubiger ihn geltend machen könne. Im Rahmen einer verfassungskonformen ergänzenden Auslegung müsse daher verlangt werden, dass der Gläubiger entweder positive Kenntnis von den anspruchsbegründenden Voraussetzungen habe oder, ähnlich § 77 TKG, § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, eine grob fahrlässige Unkenntnis vorliege.

Nach Zurückverweisung streiten die Parteien vornehmlich über die Höhe des von der Beklagten für die erweiterte Nutzung zu Telekommunikationszwecken und der Inanspruchnahme der Grundstücke durch Lichtwellenleiterkabel zu zahlenden Geldausgleichs.

Der Kläger ist insoweit der Ansicht, ein Marktpreis für die in Rede stehende Einräumung eines Nutzungsrechtes zu Telekommunikationszwecken, auf den nach der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 145, 16 ff.) als Bemessungsgrundlage abzustellen sei, habe sich im Rahmen der Duldungspflichten nach § 57 TKG a. F. denknotwendig nicht bilden können.

Die vorliegend in Rede stehende Entschädigung für eine Nachverlegung habe sich daher an den Sätzen zu orientieren, die für "Solostrecken" auf ganz neuen Trassen außerhalb des TKG gezahlt würden.

Die Abgeltung einer derartigen Grundstücksnutzung richte sich üblicherweise nach der Nutzungsperiode und erfolge durch indexierte Miet- oder Pachtzahlung.

Da das TKG keine laufende Zahlung vorsehe, müsse insoweit eine Umrechnung in eine Einmalzahlung vorgenommen werden.

Der Kläger gelangt vor diesem Hintergrund zu einem Ausgleichsanspruch in Höhe von 12,07 € netto pro laufenden Meter Kabeltrasse. Dabei geht der Kläger bei seiner Berechnung, bezüglich deren näherer Einzelheiten auf die Ausführungen auf Bl. 446 i.V.m. Bl. 460 d. A. Bezug genommen wird, davon aus, dass regelmäßig bis zu 35,00 DM pro laufenden Meter für auf Solostrecken verlegte Leitungen von Energieversorgungsunternehmen gezahlt würden.

So seien für Neuverlegungen Zahlungen von 17,00 € pro laufenden Meter und Jahr bekannt. Im Bereich T erfolgten Zahlungen von 30,00 bis 32,00 DM pro laufenden Meter, in I sowie in O solche von 3,50 DM pro Jahr und laufenden Meter bei einer Laufzeit von zehn Jahren. Bestätigt würden diese Zahlen ebenfalls durch einen Gestattungsvertrag mit der i- 21 H GmbH, in der ein jährliches Nutzungsentgelt von 1,79 € pro laufenden Meter veranschlagt sei.

Wegen der näheren Einzelheiten des diesbezüglichen Klägervortrags wird auf die Ausführung auf Bl. 12 ff. sowie die vorgelegten Unterlagen Bl. 184 ff Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

unter Neufassung seines Klageantrags nunmehr abändernd, die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die erweiterte Nutzung durch kommerzielle Telekommunikation auf den- streitbefangenen Grundstücken 8.648,16 € zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer nebst jeweils 4 % Zinsen auf den Teilbetrag von 2.794,21 € seit dem 03.11.1997 und auf den weiteren Teilbetrag von 5.853,95 € seit dem 19.12.1997 (hilfsweise auf den Gesamtbetrag 8 % Zinsen über den jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, entsprechend der Rechtsprechung des BGH sei bei der Ermittlung des zu zahlenden Entgelts primär das Entgelt, das sich auf der Grundlage der jeweiligen Marktverhältnisse für die Einräumung eines Nutzungsrechts zu Telekommunikationszwecken herausgebildet habe, zu berücksichtigen. Dies sei, wie sich aus den von ihr überreichten Unterlagen ergebe, ein Betrag von weniger als 1 €/lfd. m. Zudem sei zu berücksichtigen, dass dem Eigentümer für das bestehende Leitungsrecht bereits ein finanzieller Ausgleich zugeflossen sei und die erweiterte Nutzung zu Zwecken der Telekommunikation für ihn keine zusätzliche Ertrags- oder Substanzschmälerung bedeute.

Der Kläger hält diese Auffassung für unzutreffend. Die Anlage B 23 zeige vielmehr, dass entsprechend dem eigenen Vortrag für die Möglichkeit gewerblicher Telekommunikationsnutzung üblicherweise ein Ausgleichsbetrag von mindestens 10,00 € bezahlt werde. Ein derartiges Entgelt entspreche auch, wie Vertreter der F GmbH und i-21 H GmbH, die der Kläger erstmals mit nachgelassenen Schriftsatz vom 04.11.2005 als Zeugen benennt, bestätigen könnten, den in T Ende der 90er Jahre gezahlten Marktpreisen für Solostrecken. Zahlungen in einer derartigen Höhe würden schließlich ebenfalls durch den mit nachgelassenem Schriftsatz vom 04.11.2005 zur Akte gereichten Grundsatzerlass des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft und Forsten vom 11.08.1999 zur Inanspruchnahme von domänen- und forstfiskalischen Waldgrundstücken für die Verlegung von Telekommunikationsleitungen aller Art belegt.

Bezüglich der weitergehenden Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die überreichten Schriftsätze und die zu den Akten gelangten Unterlagen.

II.

Die Berufung des Klägers hat nur im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Der Kläger, dem mit Abtretungserklärung vom 14.09.2005 etwaige Zahlungsansprüche wegen einer erweiterten Nutzung zur kommerziellen Telekommunikation bezüglich der in der Gemarkung W gelegenen Grundstücke von der Grundstückseigentümerin abgetreten wurden, kann die Beklagte aus eigenem sowie fremden Recht auf Zahlung eines Ausgleichsbetrages gemäß § 57 Abs. 2 Satz 2 TKG a. F. in Höhe von 716,50 € in Anspruch nehmen.

1.

Der Zahlungsverpflichtung der Beklagten steht nicht entgegen, dass sie die Leitungsinfrastruktur und den Unternehmensbereich "Übertragungsnetz Strom" im Wege der Umwandlung durch Ausgliederung entsprechend § 123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG mit Wirkung vom 03.03.2004 auf die T GmbH als aufnehmenden und übernehmenden Rechtsträger übertragen hat.

Denn eine Ausgliederung zum Zwecke der Aufnahme hindert den Kläger nicht, seinen Anspruch nach wie vor (auch) gegen den übertragenden Rechtsträger und damit die Beklagte geltend zu machen. Grund hierfür ist, dass bei der Ausgliederung nach § 123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG der übertragende Rechtsträger fortbesteht und er für seine vor dem Wirksamwerden der Ausgliederung entstandenen Verbindlichkeiten entsprechend § 133 Abs. 1 Satz 1 UmwG gemeinsam mit dem übernehmenden Rechtsträger als Gesamtschuldner haftet (vgl. BGH, NJW 2001, 1217 f.).

2.

Der Inanspruchnahme der Beklagten steht nicht der von dieser erhobene Verjährungseinwand entgegen.

Der Senat ist an die rechtliche Beurteilung des BGH gem. § 563 Abs. 3 ZPO gebunden. Entsprechend den vom Senat bereits mit Urteil vom 26.08.2004 getroffenen Feststellungen ist davon auszugehen, dass der Kläger in dem für den Verjährungseintritt bedeutsamen Zeitraum keine Kenntnis von den anspruchsbegründenden Voraussetzungen hatte.

Auch eine, einen Ausgleichsanspruch hindernde "grob fahrlässige" Unkenntnis des Klägers ist nicht gegeben.

Die Beklagte hat dazu weder vorgetragen noch unter Beweis gestellt, dass für den Kläger die im Jahr 1997 erfolgte Aufnahme der zusätzlichen Nutzung erkennbar geworden ist.

Allein die Möglichkeit des Klägers, bei der Beklagte nachzufragen, ob eine zusätzliche Nutzung der vorhandenen Leitungen zu Telekommunikationszwecken erfolgte, reicht nicht aus, um eine grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers von den Voraussetzungen des ihm zustehenden Ausgleichsanspruchs nach § 57 Abs. 2 Satz 2 TKG a. F. bejahen zu können.

3.

War damit ein Ausgleichsanspruch des Klägers dem Grunde nach gemäß § 57 Abs. 2 S. 2 TKG a.F. zu bejahen, so war die Höhe des von der Beklagten zu zahlenden Ausgleichsbetrages gemäß § 287 ZPO zu schätzen.

Der Senat hält insoweit einen Ausgleichsbetrag von 1,- €/lfd m und damit bei einer Gesamtlänge der beiden Leitungstrassen von 716,50 m eine Gesamtentschädigung von 716,50 € für angemessen.

a) Entgegen der Ansicht des Klägers hatte für diese Schätzung der kommerzielle Gewinn und wirtschaftliche Nutzen der Telekommunikationsleitung außer Betracht zu bleiben.

Die in Artikel 87 f. GG verbürgte und in § 1 TKG a.F. zum gesetzgeberischen Regelungsziel erhobene Verwirklichung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit Telekommunikationsleistung unter gleichzeitiger Förderung des Wettbewerbs setzt notwendigerweise voraus, dass die privaten Anbieter zur Verminderung des Wettbewerbsvorsprungs der U AG ohne unzumutbaren Kostenaufwand auf das Leitungsnetz der Energieindustrie zurückgreifen können. Die von den Leitungsrechtsinhabern an die Grundstückseigentümer zu zahlende Vergütung führt aber zwangsläufig zu einer Verteuerung der von den Telekommunikationsanbietern zu entrichtenden Entgelte und schließlich der Endabnehmerpreise. Nicht sachgerecht erscheint es daher, die Höhe der Ausgleichszahlung an dem wirtschaftlichen Nutzen auszurichten, der aus dem Betrieb der Telekommunikationslinie gezogen wird. Ein solcher Ansatz erweist sich auch - zumal für eine Einmalzahlung - als wenig praktikabel (BGH NJW 2000, 3206, 32011).

b) Ebenso wenig konnte bei der Ermittlung des von der Beklagten zu zahlenden Entgelts auf einen Marktpreis abgestellt werden.

Zwar hat sich die Höhe des Entschädigungsanspruchs nach § 57 Abs. 2 S. 2 TKG a.F. grundsätzlich an der marktüblichen Entschädigung auszurichten, so dass als Bemessungsgrundlage in erster Linie die nach den jeweiligen Marktverhältnissen für die Einräumung eines Nutzungsrechtes zu Telekommunikationszwecken geleisteten Zahlungen heranzuziehen sind (BGH a.a.O.).

Vorliegend lässt sich ein derartiger Marktwert aber weder dem Vorbringen des Klägers noch dem Vortrag der Beklagten entnehmen:

So fehlt es bereits für das Jahr 1997, dem Jahr, in dem die Beklagte die nach § 57 TKG a.F. ausgleichspflichtige, erweiterte Nutzung aufgenommen hat und der in Rede stehende, auf eine Einmalzahlung gerichtete Ausgleichsanspruch entstanden ist, an aussagekräftigem Zahlenmaterial, aus dem sich ein marktübliches Entgelt für die Verlegung von Telekommunikationslinien ableiten ließe.

aa) Der Kläger, der ursprünglich (Bl. 13 d.A.) selbst zugestanden hat, dass Energieversorgungsunternehmen in der Vergangenheit regelmäßig einmalige Nutzungsentgelte von 3,- bis 4,- DM bzw. 2,- €/pro/lfd m. angeboten hätten, behauptet letztlich zwar - unter Berufung auf diverse Gerichtsentscheidungen sowie in- und ausländische Vertragswerke - Entgeltzahlungen bis zu 35,- DM pro lfd. m. Die insoweit vorgelegten Unterlagen beinhalten aber weder eine für die Ermittlung eines Marktpreises ausreichende Vergleichsgrundlage noch rechtfertigen sie die Durchführung einer, nicht auf eine bloße Ausforschung gerichteten Beweisaufnahme.

So betrifft der vom Kläger angeführte Gestattungsvertrag mit der Fa. H GmbH (Bl. 184 ff d.A.), der im übrigen aus dem Jahr 2000 stammt und damit nach dem vorliegend relevanten Zeitpunkt geschlossen wurde, eine unterirdische Kabelverlegung, die bereits aufgrund der unterschiedlichen Haftungsrisiken der Verlegeart nicht der hier in Rede stehenden zusätzlichen Nutzung von Hochspannungsfreileitungen vergleichbar ist.

Ähnlich verhält es sich mit den Entschädigungsrichtlinien bei Beeinträchtigung landwirtschaftlicher Grundstücke durch Datenleitung der österreichischen Fa. N (Bl. 858 ff d.A.), auf die der Kläger Bezug nimmt. Ungeachtet dessen, dass mittlerweile von der österreichischen Regulierungsbehörde eine Richtsatzverordnung erlassen wurde, die ein Entgelt von 1,89 € bzw. 2,07 € pro lfd. m. festschreibt, verbietet sich ein Rückgriff auf die vom Kläger vorgelegte Entschädigungsrichtlinie der Firma N auch deshalb, weil mangels Geltung des TKG im Ausland den dort gezahlten Beträgen allenfalls Indizwirkung beizumessen sein dürfte. Hinzu kommt, dass die Entschädigungsrichtlinien der Fa. N ebenfalls eine erdnahe Verlegung betreffen.

Schließlich lässt auch die Vorlage von Gerichtsentscheidungen des AG Rheinberg und des AG Dortmund (Bl. 375 ff, 582 ff d.A.) einen Marktpreis nicht erkennen. Die ausgeurteilten Entschädigungszahlungen reichen von 2,56 € / lfdm. sowohl für eine Nachrüstung oberirdischer Leitungen als auch eine Neuerrichtung über Beträge von 5,- bis 15,- € für die Neuerrichtung von Telekommunikationslinien, die nicht der Duldungspflicht unterworfen sind, bis zu Zahlungen von 1,50 bis 2,- € für die Nachverlegung unterirdischer Leitungen und erlauben - ungeachtet des Zeitpunkts der Nutzungsaufnahme - keine Rückschlüsse auf eine einheitliche Handhabung bei der Ermittlung einer Entschädigungszahlung

Gleiches gilt hinsichtlich der vom Kläger mit nachgelassenem Schriftsatz vom 04.11.2005 in das Verfahren eingeführten Zahlen. Die insoweit angeführten Zahlungen aus dem Bereich T und I bilden ersichtlich nur Einzelfallsregelungen und sind daher wenig geeignet, Rückschlüsse auf einen Marktpreis zu ermöglichen.

bb) Auch die von der Beklagten vorgelegten Vertragswerke und sonstigen Unterlagen, die der Kläger sich bzgl. der Anlage B 23 hilfsweise zu eigen macht, sind für die Feststellung eines im Jahr 1997 üblichen Marktwertes unergiebig.

Der Beklagten war nach Ansicht des Senats zwar, da der Kläger als betroffener Grundstückseigentümer naturgemäß mangels eigener Erkenntnismöglichkeit kaum in der Lage sein dürfte, die tatsächlich in Nordrhein-Westfalen oder der Bundesrepublik Deutschland für die Errichtung von Telekommunikationslinien von Energieversorgungsunternehmer gezahlten Entschädigungsleistung genauer zu beziffern, eine nähere Substantiierung der Ausgleichszahlung gemäß § 57 TKG a.F. abzuverlangen. Durch Vorlage diverser Aufstellungen zur Preisbildung auf dem Erstmarkt ist sie dieser sekundären Behauptungslast auch nachgekommen.

Diese Aufstellungen, die sowohl Ausgleichszahlungen für Erstverlegungen in den neuen als auch in den alten Bundesländern angeben, als auch unterschiedliche Energieversorger erfassen, betreffen aber erst den Zeitraum ab Ende 1999 / Anfang 2000, so dass sie ungeachtet dessen, dass der Kläger teilweise ihre inhaltliche Richtigkeit angreift, nicht als Bemessungsgrundlage für einen im Jahr 1997 existierenden Marktpreis herangezogen werden können.

c) Darüber hinaus verbot sich ein Rückgriff auf die von der Beklagten vorgelegten Vereinbarungen über Entgeltzahlungen für die Nachverlegung von Kabeln zur Bestimmung der nach § 57 Abs. 2 S. 2 TKG a.F. zu leistenden Ausgleichszahlung.

Vereinbarungen über Entgeltzahlungen für Nachverlegungen setzen nämlich bei der Entgeltbemessung voraus, dass dem Grundstückseigentümer die Wahlfreiheit des § 903 S. 1 BGB bereits beschnitten ist, weil er gesetzlich zur Duldung der Nachverlegung von Telekommunikationslinien verpflichtet ist. Durch ein derartiges Entgelt aus dem sektoralen Markt des ohnehin gesetzlich Duldungsverpflichteten kann die grundrechtlich relevante Einbuße nicht vollständig kompensiert werden. Dementsprechend kann es auch nicht Grundlage eines marktüblichen Entgelts sein, das sich am freien (Grundstücks)markt orientiert und auf Angebot und Nachfrage und einer freien Entschließung aufbaut (BVerfG, WM 2005, 855 ff.).

d) Mangels eines Marktpreises für die Verlegung von Telekommunikationsleitungen hat der Senat den von der Beklagten zu entrichtenden Ausgleichsbetrag nach § 287 ZPO geschätzt.

Ausgangspunkt der Schätzung bildete dabei - in Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung des Senats (vgl. NJW-RR 2002, 769 ff) - nicht ein konkret von der Beklagten an den Kläger anlässlich der Erstverlegung gezahltes Entgelt, sondern der Senat hat als Ausgangspunkt für den nach § 287 ZPO zu schätzenden Ausgleichsbetrag auf die im fraglichen Zeitraum üblicherweise in ähnlich gelagerten Fällen gezahlte Vergütung für die Entschädigung von Telekommunikationsleitungen zurückgegriffen.

Diese Zahlungen, die durch die von den Parteien vorgelegten Unterlagen ausreichend dargetan wurden, boten anders als eine bloße Einzelfallregelung eine höhere Gewähr für eine den Marktverhältnissen Rechnung tragende Entgeltbemessung.

So ergibt sich aus der Anlage B 23, dass z.B. die Fa. H2 GmbH in den Jahren 1999 - 2002 im Schnitt 4,- DM / lfm. für eine Erstverlegung gezahlt hat.

Soweit der Kläger meint, aus der Anlage B 23 ergebe sich eine höhere Ausgleichszahlung übersieht er, dass nach Ansicht des Senats bei der Ermittlung des für eine Erstverlegung zu zahlenden Entgelts, das als Grundlage für die Bemessung der Ausgleichszahlung für eine spätere erweiterte Nutzung zu Telekommunikationszwecken heranzuziehen ist, weder die für eine Erstverlegung typische pauschale Aufwandentschädigung noch eine gesondert gewährte Abgeltung von Flurschäden in Ansatz zu bringen sein dürfte.

Bestätigt wird ein zu erzielendes Entgelt von 4,- DM bzw. 2,- € / lfdm. für die Erstverlegung durch den aus 1997 datierenden Vertrag zwischen der W und dem X (Bl. 288 ff d.A.), der sogar "nur" eine Entschädigung von 2,- DM / lfdm. vorsieht sowie den diversen Gerichtsentscheidungen, denen vielfach eine Entschädigung von zwischen 2,- und 3,- € zu entnehmen ist.

Berücksichtigt man ausgehend von diesen Zahlen sodann, dass mit der erweiterten Nutzung zum Zwecke der Telekommunikation zumindest im Bereich der hier in Rede stehenden Hochspannungsfreileitungen de facto keine spürbare, zusätzliche über die Erstverlegung hinausgehende Einbuße des Grundstückseigentümers verbunden ist, so ist nach Auffassung des Senats unter Vornahme eines pauschalen Abschlags von 50 % ein Betrag von 2,- DM bzw. 1,- € pro Meter Kabeltrasse für eine Nachverlegung als Entschädigung in Ansatz zu bringen.

Wie die von der Beklagten vorgelegten Vereinbarungen aus 1997 über Nachverlegungen mit dem I und dem O (Bl. 225 ff; 231 ff d.A.) sowie die mit den Ländern C2 und T2 getroffenen Rahmenvereinbarungen (Bl. 238 ff.; 241 ff d.A.), nach denen für eine Nachverlegung von Lichtwellenleiterkabeln auf rechtlich gesicherten Leitungstrassen jeweils Beträge zwischen 2,- und 3,- DM zu entrichten waren, belegen, entspricht ein derartiger Betrag auch den tatsächlich bislang von Energieversorgungsunternehmen für eine Nachverlegung gezahlten Entschädigungen.

4.

Der geltend gemachte Zinsanspruch in Höhe von 4 % ist gemäß Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 3 EGBGB in Verbindung mit den §§ 286, 288 BGB a. F., jeweils gerechnet ab dem von der Beklagten angegebenen Zeitpunkt der Aufnahme der erweiterten Nutzung gerechtfertigt; eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Umsatzsteuer war dagegen nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Da es letztlich nur um die Höhe des gemäß § 57 TKG a.F. zu zahlenden Entschädigungsbetrages in einem konkreten Einzelfall geht, hat der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung.






OLG Hamm:
Urteil v. 15.12.2005
Az: 5 U 82/04


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