Landgericht Köln:
Urteil vom 6. Juni 2013
Aktenzeichen: 81 O 118/12
(LG Köln: Urteil v. 06.06.2013, Az.: 81 O 118/12)
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen,
1.1 gegenüber Endverbrauchern mit einem Bonus in Höhe der halben gesetzlichen Zuzahlung auf verschreibungspflichtige Arzneimittel auf Kassenrezept zu werben und/oder werben zu lassen und/oder einen solchen Bonus anzukündigen und/oder ankündigen zu lassen und/oder zu gewähren;
1.2 gegenüber Endverbrauchern mit einem Bonus in Höhe von 2,50 EUR für jedes verschreibungspflichtige Arzneimittel auf Kassenrezept, für das keine gesetzliche Zuzahlung zu leisten ist, zu werben und/oder werben zu lassen und/oder einen solchen Bonus anzukündigen und/oder ankündigen zu lassen und/oder zu gewähren;
1.3 gegenüber Endverbrauchern mit einem Bonus in Höhe von 2,50 EUR für jedes verschreibungspflichtige Arzneimittel auf Privatrezept zu werben und/oder werben zu lassen und/oder einen solchen Bonus anzukündigen und/oder ankündigen zu lassen und/oder zu gewähren.
2. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen eine der Unterlassungsverpflichtungen gemäß Ziffer 1 die Festsetzung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu maximal zwei Jahren, (Ordnungshaft jeweils zu vollstrecken am Vorstand der Beklagten) angedroht.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.780,20 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 29.11.2012 (Rechtshängigkeit) zu zahlen.
4. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
5. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 1/5 und die Beklagte zu 4/5.
6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, zu Ziffer 1 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 10.000,00 € zu 1.1, 1.2 und 1.3, sowie im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz in Anspruch.
Die Klägerin ist die Berufsvertretung der Apotheker im Bezirk Nordrhein und ist ein rechtsfähiger Verband zur Förderung der selbständigen beruflichen Interessen der Apotheker.
Die Beklagte ist eine in den Niederlanden ansässige Versandapotheke, die zur in Stuttgart ansässigen D AG gehört. Sie tätigt ihren Umsatz mit der Lieferung verschreibungspflichtiger Arzneimittel nach Deutschland. Sie bewirbt ihre Leistungen intensiv mit einem Bonusmodell, wonach der Kunde für jedes rezeptpflichtige Medikament einen Rezeptbonus von 2,50 € erhält. Die Boni werden mit Folgeeinkäufen verrechnet oder ab einem Betrag von 30,00 € ausgezahlt. Für zuzahlungspflichtige Arzneimittel erhält der Kunde einen Rezeptbonus in Höhe der halben gesetzlichen Zuzahlung.
Die Gewährung von Boni bei der Einlösung rezeptpflichtiger Arzneimittel verstößt gegen deutsches Arzneimittelrecht (§§ 78 Abs. 2 AMG, 1, 3 AMPreisV, 7 Abs. 1 Nr. 2 HWG). Zur Frage, ob ausländische Versandapotheken dem deutschen Arzneimittelrecht unterliegen, ist eine Entscheidung des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmS-OGB) vom 22.8.2012 ergangen (Anlage K 10). § 78 AMG in der seit dem 26.10.2012 geltenden Fassung regelt, dass sich auch ausländische Versandapotheken an das Arzneimittelrecht halten müssen.
Die Beklagte gewährte bis zur Neufassung des § 78 AMG weiterhin Boni.
Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 27.9.2012 erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Hierfür beansprucht die Klägerin Aufwendungsersatz.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte verstoße mit dem von ihr, nach ihrer Behauptung auch nach dem 26.10.2012 praktizierten Bonussystem gegen deutsches Arzneimittelrecht. Die Neufassung des § 78 AMG enthalte lediglich eine Klarstellung der geltenden Rechtslage, wie auch der Begründung des Referentenentwurfs zu entnehmen sei. Art. 34 AEUV sei nicht berührt, wenn Beschränkungen von Verkaufsmodalitäten wie hier unterschiedslos für in- und ausländische Waren gelten. Der EuGH habe sich bereits mit den einschlägigen Fragen befasst. Auch eine ungerechtfertigte Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 12 GG sei nicht anzunehmen. Es liege ein Verstoß gegen § 7 HWG vor.
Der Klägerin stehe Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 826 BGB zu und hierfür könne sie Auskunft beanspruchen. Der Schaden der Klägerin liege darin, dass die umsatzabhängigen Mitgliedsbeiträge niedriger ausfielen. Hilfsweise beruft sich die Klägerin auf eine Ermächtigung ihrer Mitglieder zur Geltendmachung von Auskunft und Schadensersatz.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen,
1.1 gegenüber Endverbrauchern mit einem Bonus in Höhe der halben gesetzlichen Zuzahlung auf verschreibungspflichtige Arzneimittel auf Kassenrezept zu werben und/oder werben zu lassen und/oder einen solchen Bonus anzukündigen und/oder ankündigen zu lassen und/oder zu gewähren;
1.2 gegenüber Endverbrauchern mit einem Bonus in Höhe von 2,50 EUR für jedes verschreibungspflichtige Arzneimittel auf Kassenrezept, für das keine gesetzliche Zuzahlung zu leisten ist, zu werben und/oder werben zu lassen und/oder einen solchen Bonus anzukündigen und/oder ankündigen zu lassen und/oder zu gewähren;
1.3 gegenüber Endverbrauchern mit einem Bonus in Höhe von 2,50 EUR für jedes verschreibungspflichtige Arzneimittel auf Privatrezept zu werben und/oder werben zu lassen und/oder einen solchen Bonus anzukündigen und/oder ankündigen zu lassen und/oder zu gewähren;
2. der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen eine der Unterlassungsverpflichtungen gemäß Ziffer 1 die Festsetzung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu maximal zwei Jahren, (Ordnungshaft jeweils zu vollstrecken am Vorstand der Beklagten) angedroht;
3. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie die vorstehend in Ziffer 1.1 bis 1.3 bezeichneten Handlungen im Bezirk der Apothekerkammer Nordrhein begangen hat, und zwar unter Angabe der Art, des Zeitpunkts und der Anzahl der Werbemaßnahmen sowie die Zahl der Kunden, die einen Bonus erhalten haben, aufgeteilt nach Kalendermonaten und Höhe des gewährten Bonus;
hilfsweise
die Beklagte zu verurteilen, den Mitgliedern der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie die vorstehend in Ziffer 1.1 bis 1.3 bezeichneten Handlungen im Kammerbezirk Nordrhein begangen hat, und zwar unter Angabe der Art, des Zeitpunkts und der Anzahl der Werbemaßnahmen sowie die Zahl der Kunden, die einen Bonus erhalten haben, aufgeteilt nach Kalendermonaten und Höhe des gewährten Bonus;
4. festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin den gesamten Schaden zu ersetzen hat, der dieser durch die Handlungen gemäß Ziffer 1.1 bis 1.3 entstanden ist oder noch entstehen wird;
hilfsweise
festzustellen, dass die Beklagte den Mitgliedern der KIägerin den gesamten Schaden zu ersetzen hat, der ihnen durch die Handlungen gemäß Ziffer 1.1 bis 1.3 entstanden ist und noch entstehen wird;
5. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.780,20 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
das Verfahren auszusetzen und eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs einzuholen,
äußerst hilfsweise,
das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage einzuholen, ob § 78 Abs. 1 Satz 4 Arzneimittelgesetz verfassungswidrig ist.
Die Beklagte ist der Auffassung, das von ihr praktizierte Bonussystem sei rechtmäßig. Nach niederländischem Arzneimittelrecht seien nur Höchstpreise zu beachten. Deutsches Arzneimittelrecht finde auf sie keine Anwendung. Eine gegenteilige Auslegung verstoße gegen Art. 34 AEUV in der Ausprägung der Rechtsprechung des EuGH. Es handele sich um eine Maßnahme gleicher Wirkung. Eine Rechtfertigung gemäß Art. 36 AEUV sei im Falle des § 78 Abs. 1 AMG nicht anzunehmen. Insbesondere begründe das Bonussystem keine Gesundheitsgefährdung. Die Anwendung der deutschen Arzneimittelvorschriften verletze die Beklagte in ihren Grundrechten, insbesondere in ihrer Berufsfreiheit.
Der vermeintliche Rechtsverstoß sei nach der vor dem 26.10.2012 geltenden Rechtslage nicht begründet. § 7 HWG sei nicht anwendbar, da die Werbung der Beklagten nicht für konkrete Heilmittel erfolgt sei, sondern unternehmensbezogene Imagewerbung darstelle.
Ansprüche der Klägerin seien verwirkt, da das Bonussystem seit ca. 12 Jahren bekannt sei, ohne dass die Klägerin tätig geworden sei.
Die Beklagte ist der Auffassung, falls ihrer Rechtsmeinung nicht gefolgt werde, sei die Sache gemäß Art. 267 AEUV dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen, hilfsweise gemäß Art. 100 GG dem BVerfG. Hierzu führt die Beklagte näher aus.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist begründet.
1.
Der Unterlassungsanspruch folgt aus §§ 3, 4 Nr. 11, 8 UWG, 78 Abs. 1 AMG, 1, 3 AMPreisV a.F. bzw. aus §§ 3, 4 Nr. 11, 8 UWG, 78 Abs. 1 Satz 4 AMG, 1, 3 AMPreisV n.F.
a.
Die Klägerin ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimiert.
b.
Für die Entscheidung kann dahin stehen, ob wie die Klägerin behauptet, die Bonusbewerbung nach dem 26.10.2012 fortgesetzt worden ist und deshalb eine Beurteilung des Verstoßes unter Berücksichtigung von § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG n.F. vorzunehmen ist. Die Rechtsänderung führt nämlich nicht zur Ausräumung einer Wiederholungsgefahr - den Vortrag der Beklagten als richtig unterstellt -, weil hierdurch keine neue Rechtslage geschaffen worden ist. Mit Recht beruft sich die Klägerin nämlich darauf, dass § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG nur eine Klarstellung der schon zuvor geltenden Rechtslage wiedergebe. Dies folgt aus der Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 22.8.2012 - GmS-OGB 1/10 -. Diese zu §§ 78 AMG, 1, 3 AMPreisV a.F. ergangene Entscheidung bestätigt die Anwendung deutscher Vorschriften für den Apothekenabgabepreis für den Versandhandel verschreibungspflichtiger Arzneimittel durch Apotheken mit Sitz in der Europäischen Union. Damit unterscheidet sich die Rechtslage gegenüber § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG n.F. nicht. Hierzu führt der GmS-OGB aus:
Der Umstand, dass der Gesetzgeber die Anwendung des § 78 AMG und der Arzneimittelpreisverordnung auf den Versandhandel aus dem Ausland im Gesetz nicht durch eine Vorschrift ausdrücklich bestimmt hat und die Gesetzesmaterialien sich hierzu nicht verhalten, lässt nicht den Schluss zu, die inländischen Bestimmungen über die Preisbindung seien nicht anwendbar. Zahlreiche Vorschriften des Arzneimittelgesetzes - etwa über die Zulassungspflicht von Arzneimitteln oder über die Verschreibungspflicht - werden für ausländische Versandapotheken nicht ausdrücklich in Bezug genommen, ohne dass ihre Anwendung in Zweifel gezogen wird. Im Übrigen verfolgte der Gesetzgeber mit den Vorschriften über den Arzneimittelversandhandel auch das Ziel, die Voraussetzungen für einen fairen Wettbewerb zu schaffen (vgl. Begründung des Gesetzesentwurfs, BTDrucks. 15/1525 S. 160 und S. 165). Ein fairer Wettbewerb aber setzt im Inland gleiche Preisgestaltungsmöglichkeiten bei inländischen wie ausländischen (Versand-)Apotheken voraus.
32
c.
Soweit die Beklagte sich weiter bei der Beurteilung des wettbewerblichen Unterlassungsanspruchs gegen die Anwendung deutschen Arzneimittelrechts - insbesondere bei der Rechtslage vor Neufassung des § 78 AMG - wendet, ist diese Frage durch den GmS-OGB geklärt. Auf die Ausführungen der Entscheidung vom 22.8.2012 wird Bezug genommen:
Der Gemeinsame Senat beantwortet die ihm vorgelegte Rechtsfrage dahin, dass die deutschen Vorschriften für den Apothekenabgabepreis auch für verschreibungspflichtige Arzneimittel gelten, die Apotheken mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union im Wege des Versandhandels nach Deutschland an Endverbraucher abgeben.
13
1. Die Beurteilung der Vorlagefrage richtet sich nach deutschem Recht.
14
Das gilt sowohl für den vor dem Bundesgerichtshof verfolgten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 78 Abs. 2 Satz 2 AMG, § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AMPreisV - dieser setzt die Anwendung deutschen Wettbewerbs- und Arzneimittelpreisrechts voraus - als auch für den vor dem Bundessozialgericht verfolgten sozialversicherungsrechtlichen Anspruch auf Zahlung des Herstellerrabatts, soweit er von der Anwendung deutschen Arzneimittelpreisrechts abhängt.
15
a) Die Anwendung deutschen Wettbewerbsrechts für den im Verfahren vor dem Bundesgerichtshof geltend gemachten Unterlassungsanspruch folgt - wie sich aus dem Vorlagebeschluss des I. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs ergibt - aus dem Marktortprinzip, das nunmehr in Art. 6 Abs. 1 RomIIVO verankert ist. Die Verordnung ist auf schadensbegründende Ereignisse anwendbar, die nach ihrem Inkrafttreten am 11. Januar 2009 eingetreten sind (vgl. Art. 31 und 32 RomIIVO). Nach Art. 6 Abs. 1 RomIIVO ist auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsverhalten das Recht des Staates anzuwenden, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind oder wahrscheinlich beeinträchtigt werden. Das entspricht der schon vor dem Inkrafttreten dieser Vorschrift aufgrund Art. 40 Abs. 1 EGBGB maßgeblichen Rechtslage (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2006 - I ZR 24/03, BGHZ 167, 91 Rn. 25 - Arzneimittelwerbung im Internet). Bei der Werbung und beim Versand von Arzneimitteln an Endverbraucher in Deutschland liegt der Marktort im Inland, weil dort die von diesem Handel ausgehenden Wirkungen auftreten. In dem Verfahren vor dem I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs richtet sich das Angebot der Beklagten an Verbraucher in Deutschland. Der Internetauftritt der Beklagten ist in deutscher Sprache gehalten und das Angebot betrifft in Deutschland zugelassene und in deutscher Sprache gekennzeichnete Arzneimittel, die die Beklagte nach Deutschland liefert.
16
b) Auch die Frage, ob die Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln an Endverbraucher im Inland durch Versandapotheken, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässig sind, dem deutschen Arzneimittelpreisrecht unterliegt, richtet sich kollisionsrechtlich nach deutschem Recht.
17
aa) Kollisionsrechtlich ist deutsches Arzneimittelpreisrecht - soweit seine Sachrechtsnormen reichen - als öffentliches Eingriffsrecht (vgl. BSGE 101, 161 Rn. 23) anwendbar auf den Erwerb von Arzneimitteln, die Apotheken mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union im Wege des Versandhandels nach Deutschland an Endverbraucher abgeben. Ob deutsches Arzneimittelpreisrecht eingreift, beurteilt sich demnach anhand der für die Arzneimittelpreisfestsetzung maßgeblichen Vorschriften des Arzneimittelgesetzes und der Arzneimittelpreisverordnung.
18
bb) Aufgrund des Territorialitätsprinzips ist es dem deutschen Staat erlaubt, den Endverbraucherpreis von Arzneimitteln festzusetzen, die aus dem Ausland im Wege des Versandhandels im Inland abgeben werden. Denn durch den Absatz in Deutschland ist ein hinreichender territorialer Bezug zum Inland gegeben (vgl. v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, 2003, Bd. I, § 4 Rn. 63; Mankowski, MMR 2001, 251, 252).
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c) Deutsches Arzneimittelpreisrecht ist für die Beantwortung der Vorlagefrage ebenfalls maßgeblich, soweit nicht ein außervertragliches Schuldverhältnis aus unlauterem Wettbewerbsverhalten, sondern die Rechte einer ausländischen Versandapotheke bei der Arzneimittelversorgung von Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung von der Vorfrage der Anwendbarkeit inländischen Arzneimittelpreisrechts abhängen.
20
Nach der Rechtsprechung des 1. und des 3. Senats des Bundessozialgerichts besteht ein gesetzlicher, durch Vertrag lediglich näher ausgestalteter Vergütungsanspruch des Apothekers gegen die Krankenkasse, wenn die Abgabe des Arzneimittels aufgrund vertragsärztlicher Verordnung als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 2 Abs. 2 SGB V) auf Kosten der Krankenversicherung an den Versicherten erfolgt (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 13/08 R, BSGE 105, 157 Rn. 12 ff.; Urteil vom 28. September 2010 - B 1 KR 3/10 R, BSGE 106, 303 Rn. 13). Dieser Anspruch ist sozialversicherungsrechtlicher Natur (BSGE 105, 157 Rn. 10) und dem deutschen öffentlichen Recht zuzuordnen. Nichts anderes gilt, soweit es im Rahmen dieses öffentlichrechtlich ausgestalteten Rechtsverhältnisses als Vorfrage auf die Anwendung deutschen Arzneimittelpreisrechts auf die Abgabe von Arzneimitteln an Endverbraucher im Inland von einer in einem ausländischen EU-Mitgliedstaat ansässigen Versandapotheke ankommt.
21
2. Das deutsche Preisrecht unterwirft die im Wege des Versandhandels durch eine Versandapotheke aus dem EU-Ausland an Endverbraucher in Deutschland erfolgende Abgabe der von § 78 Abs. 2 Satz 2 AMG erfassten apothekenpflichtigen Arzneimittel der im deutschen Recht vorgesehenen Preisbindung. Dies folgt aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 3 Abs. 1 AMPreisV in Verbindung mit § 78 AMG.
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a) Die Arzneimittelpreisverordnung legt für alle Fertigarzneimittel, deren Abgabe nach § 43 Abs. 1 AMG den Apotheken vorbehalten ist, unter anderem die Preisspannen des Großhandels bei der Abgabe an Apotheken und die Preisspannen der Apotheken bei der Abgabe im Wiederverkauf fest (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 3 Abs. 1 AMPreisV).
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Die Vorschriften, die den einheitlichen Apothekenabgabepreis bestimmen, unterscheiden nicht nach der Abgabe durch eine öffentliche Apotheke im üblichen Apothekenbetrieb oder im Versand oder nach dem Sitz der Apotheke im Inland oder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union. Sie sehen vielmehr nach näherer Maßgabe der Arzneimittelpreisverordnung für alle apothekenpflichtigen Arzneimittel, die nicht nach § 78 Abs. 2 Satz 3 AMG ausdrücklich ausgeschlossen sind, einen einheitlichen Apothekenabgabepreis vor, sofern die Abgabe - gleichgültig ob in einer inländischen öffentlichen Apotheke oder im Versand durch eine im Inland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässige Apotheke - im Inland erfolgt (vgl. Cyran/Rotta, Apothekenbetriebsordnung, 4. Aufl. (Stand April 2010), § 17 Rn. 432 bis 436; Spickhoff/Heßhaus, Medizinrecht, 2011, § 78 AMG Rn. 1; Mand, EuR-Beiheft 22007, 59, 81; Dettling, A&R 2008, 204, 205; aA Diekmann/Idel, APR 2009, 93, 94).
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Für dieses Ergebnis sprechen auch der Zweck und die Systematik der gesetzlichen Vorschriften über den einheitlichen Apothekenabgabepreis. Ihre Entstehungsgeschichte steht dem nicht entgegen.
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aa) Neben dem Ziel, das Niveau der Arzneimittelpreise zu senken, dient die Regelung in § 78 AMG der gesetzlichen Absicherung eines einheitlichen Apothekenabgabepreises (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes über Regelungen auf dem Arzneimittelmarkt, BTDrucks. 7/4557, S. 1 und 5 zu der Vorgängernorm des § 37 AMG 1961, zum Rechtszustand vor der späteren, zum 1. Januar 2004 in Kraft getretenen gesetzlichen Zulassung von Arzneimittelimporten im Wege des Versandhandels). Durch den einheitlichen Apothekenabgabepreis soll im Hinblick auf die Beratungs und Schlüsselfunktion der Apotheken ein Preiswettbewerb auf der Handelsstufe der Apotheken ausgeschlossen oder jedenfalls vermindert werden (vgl. Deutsch/Lippert/Koyuncu, Arzneimittelgesetz, 3. Aufl., § 78 Rn. 5; Rehmann, Arzneimittelgesetz, 3. Aufl., § 78 Rn. 1; Spickhoff/Heßhaus aaO § 78 AMG Rn. 2; Cyran/Rotta aaO § 17 Rn. 74; vgl. auch BVerfG, NJW 2002, 3693, 3694 f.). Dadurch soll im öffentlichen Interesse die gebotene flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sichergestellt werden. Zudem soll die Regelung dazu dienen, das finanzielle Gleichgewicht des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung abzusichern.
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(1) Bemessungsgrundlage für den einheitlichen Apothekenabgabepreis ist zunächst der Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers. In der Festlegung seines Abgabepreises ist der pharmazeutische Unternehmer - vorbehaltlich der Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs V - grundsätzlich frei. Er muss lediglich einen einheitlichen Abgabepreis sicherstellen (§ 78 Abs. 3 AMG). Der Apothekenabgabepreis wird nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 AMPreisV gebildet aus dem Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers, dem Großhandelshöchstzuschlag nach § 2 AMPreisV und dem Festzuschlag der Apotheke nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV sowie der Umsatzsteuer. Da dem Apothekenabgabepreis der Großhandelshöchstzuschlag zugrunde zu legen ist, wirken sich Rabatte, die der Großhändler den Apotheken gewährt, auf den einheitlichen Apothekenabgabepreis nicht aus.
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(2) Die Bestimmungen über den einheitlichen Apothekenabgabepreis schließen einen an sich erwünschten Preiswettbewerb im Arzneimittelbereich nicht generell aus, weil der pharmazeutische Unternehmer in der Festsetzung seines Abgabepreises frei ist. Nach § 4 Abs. 18 AMG ist pharmazeutischer Unternehmer bei zulassungs- oder registrierungspflichtigen Arzneimitteln (§ 21 Abs. 1, § 38 Abs. 1 AMG) der Inhaber der Zulassung oder Registrierung und derjenige, der außer in den Fällen des § 9 Abs. 1 Satz 2 AMG Arzneimittel unter seinem Namen in den Verkehr bringt. Der pharmazeutische Unternehmer braucht danach nicht Hersteller des Arzneimittels zu sein. Zu den pharmazeutischen Unternehmern rechnen deshalb auch Re und Parallelimporteure, die die von ihnen aus dem Inland ausgeführten Arzneimittel wiedereinführen (Reimporteure) oder in einem anderen Mitgliedstaat des EWR in den Verkehr gebrachte Arzneimittel einführen und unter ihrem Namen vertreiben (Parallelimporteure) oder die über eine eigene Zulassung oder Registrierung des Arzneimittels verfügen. Als pharmazeutischer Unternehmer kann der Re oder Parallelimporteur den Abgabepreis nach § 78 Abs. 3 AMG frei festsetzen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 21. Februar 1995 - KVR 10/94, BGHZ 129, 53, 54 - Importarzneimittel). Er muss sich hierbei aber an die Vorgaben des Sozialgesetzbuchs V halten.
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Folglich ist ein Preiswettbewerb auf der Stufe der pharmazeutischen Unternehmer nicht ausgeschlossen, weil der das Originalprodukt herstellende und vertreibende pharmazeutische Unternehmer und die Re und Parallelimporteure für das gleiche Arzneimittel unterschiedliche Abgabepreise nach § 78 Abs. 3 AMG festsetzen können. Diese unterschiedlichen Abgabepreise der pharmazeutischen Unternehmer fließen nach dem System der Ermittlung des einheitlichen Apothekenabgabepreises über den Großhandelshöchstzuschlag und den Festzuschlag der Apotheke jeweils in den einheitlichen Apothekenabgabepreis ein. Dieser Preiswettbewerb findet allerdings allein auf der Ebene der pharmazeutischen Unternehmer statt und nicht auf der Einzelhandelsstufe der Apotheken, die auf der Grundlage des § 78 AMG und der Arzneimittelpreisverordnung für das vom jeweiligen pharmazeutischen Unternehmer im Inland in den Verkehr gebrachte Arzneimittel, das der Bestimmung des § 78 Abs. 2 Satz 2 AMG unterfällt, einen einheitlichen - und deshalb jeweils identischen - Apothekenabgabepreis verlangen müssen.
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Der danach auf der Einzelhandelsstufe der Apotheken ausgeschlossene Preiswettbewerb wäre dagegen eröffnet, wenn eine im Ausland ansässige Versandapotheke bei einer Abgabe dieser Arzneimittel an Endverbraucher im Inland nicht an den einheitlichen Apothekenabgabepreis gebunden wäre. Das sehen die Bestimmungen des deutschen Arzneimittelpreisrechts für verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht vor. Im Übrigen könnte eine Wettbewerbsverzerrung dadurch eintreten, dass die im Inland ansässigen Apotheken, also auch die inländischen Versandapotheken, nach dem für sie geltenden Recht auf einen solchen Preiswettbewerb nicht durch Preissenkungen reagieren können.
Hieraus folgt, dass das von der Beklagten praktizierte Bonusmodell gegen die preisrechtlichen Vorschriften sowohl nach alter als - im Hinblick auf die ausdrückliche Klarstellung in § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG - auch nach neuer Rechtslage verstieß.
Dabei steht nicht im Streit, dass es sich bei den Arzneimittelpreisvorschriften um Marktverhaltensregeln gemäß § 4 Nr. 11 UWG handelt.
d.
Eine Vorlage der Sache an den EuGH kommt nicht in Betracht. Die Kammer folgt den Ausführungen des GmS-OGB, der sich mit der von der Beklagten angenommenen Unvereinbarkeit mit Art. 34 AEUV befasst hat und sowohl einen Verstoß gegen Art. 34 AEUV verneint als auch eine Rechtfertigung gemäß Art. 36 AEUV angenommen hat. Den nachfolgend wiedergegebenen Ausführungen des GmS-OGB folgt die Kammer:
b) Die hier in Rede stehende Anwendung deutschen Arzneimittelpreisrechts steht auch nicht in Widerspruch zum primären Unionsrecht.
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aa) Da die Vorschriften über die Festsetzung der Arzneimittelpreise nicht (vollständig) harmonisiert sind (dazu vorstehend Rn. 35), kann das deutsche Arzneimittelpreisrecht anhand der Vertragsbestimmungen über die Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 und 36 AEUV (Art. 28 und 30 EG) überprüft werden (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2004 - C-309/02, Slg. 2004, I-11763 = NVwZ 2005, 190 Rn. 56 f. - Radlberger Getränkegesellschaft und S. Spitz).
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bb) Ein Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit im Sinne des Art. 34 AEUV liegt jedoch nicht vor. Die Arzneimittelpreisvorschriften des deutschen Rechts sind, auch wenn sie auf den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach Deutschland anwendbar sind, keine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne dieser Bestimmung.
40
(1) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den Handel innerhalb der Union unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, als eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen im Sinne des Art. 34 AEUV anzusehen (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Juli 1974 - 8/74, Slg. 1974, 837 Rn. 5 - Dassonville; Urteil vom 26. April 2012 - C-456/10, JZ 2012, 740 Rn. 32 - ANETT). Dagegen begründet es keine solche Behinderung, wenn Vorschriften der Mitgliedstaaten, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, auf Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten angewandt werden, solange diese Vorschriften für alle im Inland tätigen Wirtschaftsteilnehmer gelten und den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren. In einem solchen Fall sind die fraglichen Bestimmungen nicht geeignet, den Marktzugang für diese Erzeugnisse zu versperren oder stärker zu behindern, als dies für inländische Erzeugnisse geschieht (vgl. EuGH, Urteil vom 24. November 1993 - C-267 und 268/91, Slg. 1993, I-6097 = NJW 1994, 121 Rn. 16 f. - Keck und Mithouard).
41
(2) Nach diesen Maßstäben sind die deutschen Vorschriften über den einheitlichen Apothekenabgabepreis lediglich Verkaufsmodalitäten im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Sie regeln nicht auf Waren bezogene Merkmale, sondern Umstände des Vertriebs (vgl. EuGH, Urteil vom 30. April 2009 - C-531/07, Slg. 2009, I-3717 = GRUR 2009, 792 Rn. 20 - Fachverband der Buch- und Medienwirtschaft/LIBRO). Sie gelten für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gleichermaßen, die Arzneimittel im Sinne des § 78 Abs. 2 Satz 2 AMG im Inland abgeben.
42
Die Bestimmungen über den einheitlichen Apothekenabgabepreis berühren auch den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union rechtlich wie tatsächlich gleichermaßen. Das liegt in rechtlicher Hinsicht auf der Hand, weil die Bestimmungen über den einheitlichen Apothekenabgabepreis für alle Arzneimittel im Sinne des § 78 Abs. 2 Satz 2 AMG ohne jedwede Differenzierung anwendbar sind.
43
Dies gilt gleichermaßen aber auch in tatsächlicher Hinsicht. Allerdings kann die beschränkende Wirkung einer mitgliedstaatlichen Bestimmung für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten ungünstiger sein als für inländische Erzeugnisse, wenn die Einschränkungen sich auf in anderen Mitgliedstaaten ansässige Wirtschaftsteilnehmer stärker auswirken als auf inländische Unternehmen (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2003 - C-322/01, Slg. 2003, I-14887 = NJW 2004, 131 Rn. 71 bis 75 - Deutscher Apothekerverband/N.V. u.a.). Ausländische Versandapotheken werden durch den einheitlichen Apothekenabgabepreis aber nicht stärker beschränkt als inländische Versandapotheken, die sich - ebenso wie eine inländische stationäre Apotheke - auch an den einheitlichen Apothekenabgabepreis halten müssen. Die maßgeblichen Preisvorschriften schränken die Absatzmöglichkeiten ausländischer Versandapotheken im Verhältnis zu inländischen Versandapotheken nicht deshalb weitergehend ein, weil die Bestimmungen einen möglichen, etwa durch einen niedrigeren Beschaffungspreis begründeten Wettbewerbsvorteil ausländischer Versandapotheken neutralisieren (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 13. November 1986 - C-80/85, Slg. 1986, 3359 Rn. 11 - Edah; Urteil vom 7. Mai 1991 - C-287/89, Slg. 1991, I-2233 Rn. 17 - Kommission/Belgien). Dafür, dass ausländische Versandapotheken für Arzneimittel im Sinne des § 78 Abs. 2 Satz 2 AMG, die in Deutschland zugelassen sind, niedrigere Beschaffungskosten als inländische Versandapotheken haben, bestehen keine Anhaltspunkte. Insbesondere ist nichts dafür ersichtlich, dass inländische Versandapotheken nicht dieselben Bezugsquellen wie Versandapotheken in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union erschließen können.
44
cc) Die Regelung, wonach deutsches Arzneimittelpreisrecht auch für im Wege des Versandhandels nach Deutschland eingeführte Arzneimittel gilt, wäre im Übrigen auch nach Art. 36 AEUV (Art. 30 EG) zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gerechtfertigt.
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(1) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist bei der Prüfung, ob die Mitgliedstaaten die Bestimmungen des Unionsrechts über die Warenverkehrsfreiheit im Rahmen der Zuständigkeit nach Art. 168 Abs. 7 AEUV (Art. 152 Abs. 5 EG) über die Festlegung der Gesundheitspolitik und die Organisation ihres Gesundheitswesens - wie des Apotheken und Arzneimittelwesens - beachtet haben, zu berücksichtigen, dass die Gesundheit und das Leben von Menschen den höchsten Rang einnehmen und die Mitgliedstaaten zu bestimmen haben, auf welchem Niveau sie den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten wollen und wie dies erreicht werden soll. Da sich das Niveau von einem Mitgliedstaat zum anderen unterscheiden kann, steht den Mitgliedstaaten ein Wertungsspielraum zu (vgl. EuGH, Urteile vom 19. Mai 2009 - C171 und 172/07, Slg. 2009, I4171 = NJW 2009, 2112 Rn. 19 - Apothekerkammer u.a./Saarland). Wenn eine Ungewissheit wegen des Vorliegens oder der Bedeutung der Gefahren für die menschliche Gesundheit verbleibt, brauchen die Mitgliedstaaten nicht zu warten, bis der Beweis für das Bestehen dieser Gefahren vollständig erbracht ist; vielmehr können sie Schutzmaßnahmen treffen. Außerdem können die Mitgliedstaaten diejenigen Maßnahmen ergreifen, die eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung einschließlich einer Gefahr für die sichere und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung weitestgehend verringern (EuGH, Slg. 2009, I4171 = NJW 2009, 2112 Rn. 30 - Apothekerkammer u.a./Saarland).
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(2) Der dem deutschen Gesetzgeber zuerkannte Wertungsspielraum ist nicht dadurch überschritten, dass er verschreibungspflichtige Arzneimittel im Interesse der sicheren und qualitativ hochwertigen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung einer umfassenden - und damit auch den grenzüberschreitenden Versandhandel einbeziehenden - Preisbildung unterstellt hat, um so der Gefahr eines ruinösen Preiswettbewerbs unter Apotheken entgegenzuwirken, eine flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung zu sichern und die Gefahr eines Fehl oder Mehrgebrauchs von Medikamenten zu mindern (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften, BTDrucks. 17/9341, S. 66 f.; hierzu auch oben Rn. 25). Es ist nicht ersichtlich, welches konkrete System bei geringeren Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit dieser Gefahr ebenso wirksam entgegenwirken könnte. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Gerichtshofs vom 11. Dezember 2003 (C-322/01, Slg. 2003, I14887 = NJW 2004, 131 - Deutscher Apothekerverband e.V./0800 DocMorris N.V. u.a.). Der Gerichtshof konnte in jenem Verfahren keine Ausführungen dazu machen, dass das Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Deutschland (auch) durch Gründe der Intaktheit des nationalen Gesundheitswesens gerechtfertigt sein kann, weil dort nichts zur Erforderlichkeit der Arzneimittelpreisbindung vorgetragen worden war (vgl. EuGH, Slg. 2003, I14887 = NJW 2004, 131 Rn. 123 - Deutscher Apothekerverband e.V./0800 DocMorris N.V. u.a.).
47
4. Im vorliegenden Verfahren stellen sich keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen zur Auslegung des Unionsrechts, die ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV erfordern. Eine Vorlage ist nicht geboten, wenn der Lösung der Rechtsfrage eine gesicherte Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zugrunde liegt (vgl. EuGH, Urteil vom 30. September 2003 - C224/01, Slg. 2003, I10239 = NJW 2003, 3539 Rn. 118 - Köbler). Die sich im Rahmen des primären Unionsrechts stellenden Fragen dazu, unter welchen Voraussetzungen eine Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit vorliegt, sind durch die angeführte Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt. Die Umsetzung dieser Entscheidungspraxis im konkreten Fall ist Aufgabe der Gerichte der Mitgliedstaaten (vgl. EuGH, Urteil vom 23. März 2010 - C-236/08 bis 238/08, GRUR 2010, 445 Rn. 88 und 119 - Google France/Louis Vuitton; vgl. auch EuGH, Urteil vom 23. Februar 2006 - C-441/04, Slg. 2006, I-2093 Rn. 30, A-Punkt Schmuckhandels GmbH/Schmidt; Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 6. April 2006 in der Rechtssache C-348/04, Slg. 2007, I3391 Rn. 3 - Boehringer Ingelheim u.a./Swingward u.a.). Hinsichtlich der Auslegung des sekundären Unionsrechts bestehen im Streitfall keine vernünftigen Zweifel, so dass auch insoweit eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht erforderlich ist (st. Rspr.; vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 16 - C.I.L.F.I.T.; Urteil vom 15. September 2005 - C495/03, Slg. 2005, I8151 Rn. 33 - Intermodal Transport).
e.
Auch die beantragte Vorlage an das Bundesverfassungsgericht zur Beurteilung der Verfassungsgemäßheit von § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG gemäß Art. 100 GG kommt nicht in Betracht. Die Bedenken der Beklagten wegen Beeinträchtigung von ihr in Anspruch genommener Rechte aus Art. 12 GG werden nicht geteilt. Ungeachtet der Frage, ob die Beklagte Grundrechtsträgerin ist, sind die vorstehenden Ausführungen des GmS-OGB zur Rechtfertigung gemäß Art. 36 AEUV sinngemäß auf die Rechtfertigung einer Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit zu übertragen. Die gesetzlich vorgesehenen Einschränkungen führen nicht zu einer mit Art. 12 GG unvereinbaren Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit.
f.
Ob der Anspruch zudem auf §§ 3, 4 Nr. 11, 8 UWG, 7 HWG gestützt werden kann, was von den Parteien unterschiedlich beurteilt wird, bedarf keiner Beurteilung mehr.
g.
Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte auf Verwirkung der Ansprüche der Klägerin.
Mit Recht beruft sich die Klägerin darauf, dass durch die Entscheidung des GmS-OGB eine Zäsur eingetreten sei. Bis dahin war das Bonussystem der Beklagten im Hinblick auf die Unterwerfung der Beklagten unter deutsches Recht unterschiedlich beurteilt worden, so dass eine Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Bundesgerichte erforderlich war. Dass die Klägerin diese Klärung der Rechtsfrage abwartete, nimmt ihr nicht die Befugnis, nach der Klärung im Interesse ihrer Mitglieder die Einhaltung der geklärten Rechtslage einzufordern.
2.
Auskunft und Schadensersatz stehen der Klägerin dagegen nicht zu.
a.
(1) Wie die Klägerin nicht verkennt, steht ihr als Verband kein wettbewerblicher Schadensersatzanspruch gemäß § 9 UWG gegen die Beklagte zu (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, § 9, Rdnr. 1.11).
Auch der geltend gemachte Anspruch gemäß § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung steht der Klägerin nicht zu. Die Klägerin ist nicht unmittelbar Geschädigte, sondern nur mittelbar Geschädigte über die Verringerung der Mitgliedsbeiträge der geschädigten Mitbewerber der Beklagten. Es ist nicht dargetan, dass sich ein unterstellter Schädigungsvorsatz durch unlauteres Verhalten im Wettbewerb auch auf die indirekt betroffenen Verbände bezog.
Dementsprechend kommt auch kein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb - sofern man die Verbandstätigkeit als Gewerbebetrieb unterstellt - in Betracht, da danach ein betriebsbezogener Eingriff festgestellt werden muss, der bei einer nur indirekten Betroffenheit gerade nicht vorliegt.
(2) Scheiden eigene Schadensersatzansprüche aus, vermag sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf eine Ermächtigung durch ihre Mitglieder aus abgetretenem Recht zu berufen. Der Vortrag zu Abtretung und Ermächtigung ist pauschal und unsubstanziiert, daher unbeachtlich. Da es sich um Individualansprüche der Mitglieder der Klägerin handelt, müsste die Klägerin für jedes Mitglied - oder zumindest für einen Teil der Mitglieder - entsprechende Rechtshandlungen darlegen, was indes unterblieben ist.
b.
Hat die Klägerin keinen Schadensersatzanspruch, scheidet auch ein vorbereitender Auskunftsanspruch aus.
3.
Hingegen ist der Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG wegen der Abmahnung begründet. Die Abmahnkosten sind der Höhe nach unbedenklich, nämlich nach einem Gegenstandswert von 100.000,00 € und einer Rechtsanwalts-Gebühr von 1,3 berechnet.
4.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 709 ZPO.
Streitwert: 100.000,00 € (Anträge zu 1. und 2. 80.000,00 €, zu 3. und 4. je 10.000,00 €)
LG Köln:
Urteil v. 06.06.2013
Az: 81 O 118/12
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/72234ecdd283/LG-Koeln_Urteil_vom_6-Juni-2013_Az_81-O-118-12