Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Juli 2003
Aktenzeichen: 3 Ni 27/98

(BPatG: Beschluss v. 28.07.2003, Az.: 3 Ni 27/98)

Tenor

Auf die Erinnerung der Klägerin wird der Beschluss des Rechtspflegers des Bundespatentgerichts vom 17. April 2003 dahingehend teilweise abgeändert, dass die der Beklagten von der Klägerin zu erstattenden Kosten des ersten und zweiten Rechtszuges auf 34.662,44 €

- in Worten: vierunddreißigtausendsechshundertzweiundsechzig 44/100EURO -

festgesetzt werden.

Im übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.

Die Kosten des Erinnerungsverfahrens werden der Klägerin zu zwei Dritteln und der Beklagten zu einem Drittel auferlegt.

Der Wert des Gegenstandes des Erinnerungsverfahrens beträgt 11. 362,39 €.

Gründe

I.

Der Bundesgerichtshof hat unter Bestätigung des inzwischen rechtskräftigen Urteils des 3. Senats des Bundespatentgerichts vom 20. April 1999 mit Urteil vom 1. Oktober 2002 die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren vor dem Bundespatentgericht wurde auf 1.000.000,00 DM, der Wert des Streitgegenstandes für die Berufungsinstanz auf 500.000 € festgesetzt.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 19. Februar 2003 beim Bundespatentgericht Kostenfestsetzung beantragt. Dabei hat sie ua für den im Verfahren mitwirkenden Rechtsanwalt für das Verfahren vor dem Bundespatentgericht neben einer 10/10 Prozessgebühr eine 10/10 Verhandlungsgebühr in Höhe von je 3.182,79 € sowie für die Berufungsinstanz vor dem Bundesgerichtshof neben einer 13/10 Prozessgebühr eine 13/10 Verhandlungsgebühr und eine 13/10 Beweisgebühr in Höhe von je 4.137, 63 € beansprucht.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17. April 2003 hat der Rechtspfleger des Bundespatentgerichts ua die beanspruchte 10/10 Verhandlungsgebühr für das Verfahren vor dem Bundespatentgericht in Höhe von 6.225,00 DM sowie die 13/10 Verhandlungsgebühr und 13/10 Beweisgebühr für die Berufungsinstanz in Höhe von je 4.089,80 € zuerkannt und den erstattungsfähigen Betrag auf insgesamt 37.845,24 € festgesetzt.

In der Begründung ist ausgeführt, dass für die Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Gebühren und Auslagen das vor dem 1. Januar 2002 (Inkrafttreten des neuen Gebührenrechts nach dem Gesetz zur Kostenbereinigung auf dem Gebiet des geistigen Eigentums vom 13. Dezember 2001 - PatKostG) geltende Gebührenrecht anzuwenden sei. Mangels einer Übergangsvorschrift komme es entsprechend § 134 BRAGO auf den Zeitpunkt der Auftragserteilung an. Nachdem die Klageschrift am 12. Mai 1998 beim Bundespatentgericht sowie die Berufungsschrift am 24. Juni 1999 beim Bundesgerichtshof eingegangen seien, sei die Auftragserteilung an den Bevollmächtigten vor dem 1. Januar 2002, dem Tag des Inkrafttretens des neuen Gebührenrechts, erfolgt, so dass das bis zum 31. Dezember 2001 geltende Gebührenrecht (§ 143 Abs 5 PatG a.F.) Anwendung finde.

Gegen den am 7. Mai 2003 zugestellten Beschluss richtet sich die am 20. Mai 2003 eingelegte Erinnerung der Klägerin mit dem Antrag, 1. die Erstattung der 10/10 Verhandlungsgebühr für den Rechtsanwalt in der ersten Instanz sowie 2. die Erstattung der 13/10 Verhandlungsgebühr sowie der 13/10 Beweisgebühr des Rechtsanwalts in der zweiten Instanzzurückzuweisen.

Der angegriffene Beschluss gehe zu Recht davon aus, dass für die Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Gebühren und Auslagen das bis zum 31. Dezember 2001 geltende Recht Anwendung finde. Der Beschluss habe daher entgegen § 143 Abs 5 PatG zu Unrecht darauf erkannt, dass für den mitwirkenden Rechtsanwalt für die erste Instanz eine volle Verhandlungsgebühr sowie für die zweite Instanz eine 13/10 Verhandlungsgebühr und eine 13/10 Beweisgebühr erstattungsfähig seien.

Die Beklagte beantragt, die Erinnerung zurückzuweisen.

Die Mitwirkung eines Rechtsanwalts in der erst- und zweitinstanzlichen mündlichen Verhandlung sei zur sachgerechten Interessenwahrnehmung zwingend erforderlich gewesen.

II.

Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers ist statthaft, frist- und formgerecht eingelegt (§ 99 Abs 1, § 84 Abs 2, § 121 Abs 2 PatG, § 104 Abs 3 ZPO , § 23 Abs 2 Satz 1 und 2 RpflG) sowie in zulässiger Weise auf einen Teil der geltend gemachten Kosten beschränkt (BPatGE 30, 69).

1. Die Erinnerung ist auch insoweit begründet, als die 10/10 Verhandlungsgebühr in Höhe von 6.225,00 DM für die Mitwirkung des Rechtsanwalts im Verfahren vor dem Bundespatentgericht - entgegen der im angefochtenen Beschluss unter "III. Als nicht erstattungsfähig waren zurückzuweisen" enthaltenen Begründung - als erstattungsfähig angesehen (vgl "II. Erstattungsfähig sind folgende Kosten") und bei den festgesetzten Kosten des ersten und zweiten Rechtszuges in Höhe von 37.845,24 € berücksichtigt worden ist (§§ 84 Abs 2, 143 Abs 5 aF PatG). Insoweit ist die Festsetzung der Kosten zu Unrecht erfolgt, und eine entsprechende Erstattungspflicht der Klägerin zu verneinen.

Die Erstattungsfähigkeit der 10/10 Verhandlungsgebühr in Höhe von 6.225,00 DM für die Mitwirkung des Rechtsanwalts im Verfahren vor dem Bundespatentgericht richtet sich nach § 143 Abs 5 PatG in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung, da die zur Entstehung der Verhandlungsgebühr führende "Mitwirkung" in der mündlichen Verhandlung am 20. April 1999, also vor dem Inkrafttreten der Änderung dieser Vorschrift am 1. Januar 2002 durch Art 7 Nr 36 PatKostG (BlPMZ 2002, 14) stattfand. § 143 Abs 5 PatG wird im Falle der Doppelvertretung als Ausnahmeregelung zu § 91 Abs 2 Satz 3 ZPO auch im Nichtigkeitsverfahren entsprechend angewendet, und zwar - abweichend vom Wortlaut des § 143 Abs 5 PatG - auch dann, wenn ein Rechtsanwalt neben einem Patentanwalt in dem Rechtsstreit mitwirkt (ständige Rechtsprechung: vgl BPatGE 31, 51; 31, 75; 33, 160). Der Senat sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung nach der genannten Neufassung des § 143 Abs 5 PatG abzugehen.

In der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung des § 143 Abs 5 PatG waren die durch die Mitwirkung eines Patentanwalts (bzw wie hier entsprechend die Mitwirkung eines Rechtsanwalts) in dem Rechtsstreit entstandenen Kosten "bis zur Höhe einer vollen Gebühr" nach § 11 BRAGO zu erstatten. Danach hat die kostentragungspflichtige Klägerin der Beklagten für die Mitwirkung des Rechtsanwalts im Nichtigkeitsverfahren vor dem Bundespatentgericht eine volle Gebühr, nämlich die nach §§ 11, 31 Abs 1 Nr 1 BRAGO entstandene 10/10 Prozessgebühr, zu erstatten. Eine darüber hinausgehende Erstattungspflicht für die in dem angefochtenen Beschluss ebenfalls angesetzte 10/10 Verhandlungsgebühr besteht dagegen entsprechend § 143 Abs 5 PatG aF nicht. Soweit in dem angefochtenen Beschluss für die - im Ergebnis zutreffend bejahte - Frage der Anwendbarkeit von § 143 Abs 5 PatG in der bis zum 1. Januar 2001 geltenden Fassung nicht auf die "Mitwirkung" in der mündlichen Verhandlung abgestellt, sondern gemäß § 134 Abs1 BRAGO der Zeitpunkt der Auftragserteilung als maßgeblich erachtet worden ist, kommt es hierauf in Bezug auf die in Rede stehende Verhandlungsgebühr für das Verfahren vor dem Bundespatentgericht nicht entscheidend an, da sowohl die Auftragserteilung (hier: Einreichung der Klage beim Bundespatentgericht am 12. Mai 1998) als auch die mündliche Verhandlung in die Zeit vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung fielen.

2. Die Erinnerung ist dagegen als unbegründet zurückzuweisen, soweit sie sich gegen die Pflicht zur Erstattung der durch den angefochtenen Beschluss festgesetzten 13/10 Verhandlungsgebühr sowie der 13/10 Beweisgebühr des Rechtsanwalts in der zweiten Instanz richtet. Diese Gebühren sind (erst) durch die "Mitwirkung" des Rechtsanwalts in der mündlichen Verhandlung bzw Beweisaufnahme vor dem Bundesgerichtshof am 1. Oktober 2002 und damit nach dem Inkrafttreten der Änderung von § 143 Abs 5 PatG zum 1. Januar 2002 entstanden. Durch die genannte Änderung des § 143 Abs 5 PatG (nunmehr Abs 3 - Änderung durch Art 3 OLG-VertretungsÄnderungs-Gesetz, BlPMZ 2002, 353) ist durch Streichung der Wörter "bis zur Höhe einer vollen Gebühr" die Beschränkung der Erstattungsfähigkeit von Kosten des mitwirkenden Anwalts auf lediglich eine volle Gebühr entfallen. Damit kann der hier mitwirkende Rechtsanwalt die gleichen Gebühren wie der Patentanwalt verlangen, vorliegend also neben der 13/10 Prozessgebühr auch eine 13/10 Verhandlungsgebühr und eine 13/10 Beweisgebühr.

Mangels Übergangsvorschriften im PatKostG ist für die Erstattungsfähigkeit der Gebühren nach § 143 Abs 3 PatG in der geltenden Fassung auf den Zeitpunkt der "Mitwirkung", hier die Mitwirkung in der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme vor dem BGH am 1. Oktober 2002 abzustellen. Für eine - auch analoge - Anwendung der Übergangsvorschrift des § 134 BRAGO, wonach es für die Vergütung auf den Zeitpunkt der Auftragserteilung (hier: Eingang des Berufungsschrift beim BGH am 24. Juni 1999) ankommt, ist nach überwiegender Auffassung in der Rechtsprechung (vgl OLG Nürnberg Mitt 2002, 563; BPatG, Beschluss vom 6. Dezember 2002 - 4 ZA (pat) 15/02 zu 4 Ni 30/97 sowie Beschluss vom 15. März 2003 - 2 Ni 24/00 - zur Veröffentlichung vorgesehen; jeweils mit weiteren Nachweisen), der sich der Senat nunmehr anschließt, kein Raum.

Zunächst enthält § 143 Abs 3 PatG keine generelle Verweisung auf die BRAGO, sondern nur speziell auf § 11 BRAGO und somit nur hinsichtlich der Höhe der Gebühren, die für den mitwirkenden Anwalt verlangt werden können. Weiterhin gilt § 134 BRAGO entsprechend seiner Stellung in der BRAGO nur für die Gebühren dieses Gesetzes, also für die Gebührenschuld zwischen Anwalt und Mandant, nicht aber für die Erstattungspflicht des Prozessgegners (vgl BPatG, Beschluss vom 6. Dezember 2002 - 4 ZA (pat) 15/02 zu 4 Ni 30/97).

Soweit die Beklagte in ihrer Erinnerungserwiderung darauf abstellt, dass die Vertretung und Mitwirkung eines Rechtsanwalts zu ihrer sachgerechten Interessenwahrnehmung geboten war, kommt es hierauf für die Anwendung des § 143 Abs 3 PatG (früher Abs 5) nicht an (vgl BPatGE 33, 160,163 mwN).

Nach alledem war der unter "IV. Kostenzusammenstellung" des angefochtenen Beschlusses ausgewiesene Betrag zu "A. Kosten der I. Instanz - Kosten des Rechtsanwalts" um den Betrag von 6.225,00 DM (Verhandlungsgebühr) zu reduzieren. Dies ergibt in der "Zwischensumme" einen Betrag von 43.757,87 DM = 22.373,04 €. Unter Hinzurechnung der - verbliebenen - Kosten für die II. Instanz ergibt sich ein neu festzusetzender Betrag von insgesamt 34.662,44 €.

Die Kostenentscheidung berücksichtigt den jeweiligen Anteil des Obsiegens bzw Unterliegens und beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 97 Abs 1 und § 92 Abs 1 Satz 1 ZPO analog.

Der Wert des Erinnerungsverfahrens ergibt sich aus der Summe der Gebühren, gegen deren Festsetzung sich die Erinnerung richtet (eine 10/10 Verhandlungsgebühr in der I. Instanz iHv 3.182,79 € sowie in der II. Instanz jeweils eine 13/10 Verhandlungs- bzw Beweisgebühr iHv je 4.089,80 €).

Hellebrand Sperling Brandt Pr






BPatG:
Beschluss v. 28.07.2003
Az: 3 Ni 27/98


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