Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. April 2011
Aktenzeichen: 23 W (pat) 86/05
(BPatG: Beschluss v. 19.04.2011, Az.: 23 W (pat) 86/05)
Tenor
1.
Der Beschluss der Patentabteilung 1.32 des Deutschen Patentund Markenamts vom 17. Mai 2005 wird aufgehoben.
2.
Das Patent 198 17 063 wird in unverändertem Umfang aufrechterhalten.
Gründe
I.
Auf die am 17. April 1998 eingegangene Patentanmeldung hat die Prüfungsstelle für Klasse H01T des Deutschen Patentund Markenamts das nachgesuchte Patent 198 17 063 (Streitpatent) mit der Bezeichnung "Überspannungsschutzelement mit Lichtbogenwanderung" unter Berücksichtigung der im Prüfungsverfahren ermittelten Druckschriften D1 EP0251010A1 D2 DE4141682C2 sowie der von der Patentinhaberin zum Stand der Technik genannten D3 DE3910435C2 erteilt.
Der Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 23. August 2001.
Gegen das Patent hat die nicht mehr am Verfahren beteiligte Einsprechende mit Schriftsatz vom 16. November 2001, beim Deutschen Patentund Markenamt über Fax am selben Tag eingegangen, Einspruch erhoben.
Sie stützt ihren Einspruch auf die Druckschriften E1 DT 19 44 564 B2 E2 DT 17 88 150 B2 E3 US 3 141 108 E4 DT 1 016 354 E5 US 3 849 704 E6 DE 39 10 435 A1 (Offenlegungsschrift der Patentschrift D3 aus dem Prüfungsverfahren)
und macht geltend, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 insbesondere durch Druckschrift E6 nahegelegt werde und dass zudem dessen Gegenstand nicht so ausreichend offenbart sei, dass ein Fachmann ihn ausführen könne, da nach Anspruch 1 die äußere Elektrode den Raum nach außen hin geschlossen kapsele, wohingegen gemäß der Beschreibung ein Durchlass in der äußeren Elektrode vorgesehen sei.
Die Patentinhaberin hat im Einspruchsverfahren das Streitpatent im Rahmen der erteilten Ansprüche verteidigt.
Nach Prüfung des für zulässig angesehenen Einspruchs hat die Patentabteilung 32 des Deutschen Patentund Markenamts das Streitpatent mit Beschluss vom 17. Mai 2005, der Patentinhaberin zugestellt am 7. Juni 2005, mit der Begründung widerrufen, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik nach den Druckschriften E5 und D3 in Verbindung mit fachmännischem Wissen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin vom 1. Juli 2005, am 2. Juli 2005 beim Deutschen Patentund Markenamt eingegangen, die sie mit Schreiben vom 22. Juni 2006 mit Gründen versehen hat.
Die Einsprechende hat in ihrer Eingabe vom 26. Oktober 2010 den Einspruch zurückgezogen, was zur Beendigung der Verfahrensbeteiligung der Einsprechenden, nicht aber des Einspruchsverfahrens führt (§ 61 Abs. 1 Satz 2 PatG).
In der mündlichen Verhandlung vom 19. April 2011 stellt die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin den Antrag, 1.
den Beschluss der Patentabteilung 1.32 des Deutschen Patentund Markenamts vom 17. Mai 2005 aufzuheben;
2.
das Patent 198 17 063 in unverändertem Umfang aufrechtzuerhalten.
Der geltende, erteilte Anspruch 1 lautet entsprechend der Merkmalsgliederung der Einsprechenden mit Gliederungspunkten versehen, ansonsten aber wörtlich wiedergegeben, folgendermaßen:
a) "Überspannungsschutzelement mit Lichtbogenwanderung, bei dem eine innere blockartige Elektrode in einer äußeren, mantelförmigen, entlang einem Umfang rundum in sich geschlossenen Elektrode angeordnet ist, b) die innere Elektrode mit einem außenliegenden Ende bezüglich der äußeren mantelförmigen Elektrode randseitig angeordnet ist und mit dem anderen Ende frei in die äußere Elektrode ragt, c) der Querschnitt der inneren Elektrode zum freien Ende hin abnimmt und ein Lichtbogenabstand zwischen der inneren Elektrode und der äußeren Elektrode von dem außenliegenden Ende zum freien Ende hin zunimmt, d) wobei die mantelartige Elektrode in Fortsetzung der inneren Elektrode über das freie Ende hinaus einen Freiraum begrenzt, e) die innere Elektrode und die äußere Elektrode mit gemeinsamer Mittelachse angeordnet sind und das freie Ende der inneren Elektrode auf der gemeinsamen Mittelachse angeordnet ist, f) und die Querschnittsverjüngung der inneren Elektrode von deren randseitigem, außenliegendem Bereich ausgeht und bezüglich der Mittelachse derart symmetrisch ist, dass bei jedem Querschnitt der Lichtbogenabstand rundum gleich ist, dadurch gekennzeichnet, g) dass die mantelförmige äußere Elektrode (2) den Raum, in dem sich ein Lichtbogen aufhalten kann, nach außen hin geschlossen kapselt, wobei sie auf der dem freien Ende (4) der inneren Elektrode (1) gegenüberliegenden Seite des Freiraums (5) einen zur Mittelachse (3) quer angeordneten Boden (6) trägt, h) dass bei dem randseitigen, außenliegenden Bereich (7) der inneren Elektrode (1) zwischen den Elektroden (1, 2) ein Ring (12) von bei Lichtbogeneinwirkung gasendem Kunststoff angeordnet ist, i) und dass das freie Ende (4) der sich im Querschnitt verjüngenden, inneren Elektrode (1) abgerundet ist."
Hinsichtlich der geltenden, abhängigen Ansprüche 2 bis 4 sowie der weiteren Einzelheiten wird auf das Streitpatent bzw. den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die formund fristgerecht erhobene Beschwerde der Patentinhaberin ist zulässig und erweist sich nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 19. April 2011 auch als begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 PatG zur Aufrechterhaltung des Patents in unverändertem Umfang.
1.
Die Zulässigkeit des Einspruchs ist auch im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu überprüfen (vgl. BGH GRUR 1972, 592, Leitsatz 2 -"Sortiergerät"). Im vorliegenden Fall bestehen gegen die Zulässigkeit des formund fristgerecht erhobenen Einspruchs insofern keine Bedenken, als der Widerrufsgrund des § 21 PatG, insbesondere der fehlenden erfinderischen Tätigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG), angegeben ist (§ 59 Abs. 1 Satz 3 PatG) und die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, im einzelnen aufgeführt sind (§ 59 Abs. 1 Satz 4 PatG), da in der zugehörigen Begründung ein konkreter Bezug der einzelnen Merkmale des erteilten Anspruchs 1 zum Stand der Technik nach den Druckschriften D3 sowie E1 bis E5 hergestellt wird, um eine fehlende erfinderische Tätigkeit zu belegen (vgl. hierzu BGH BlPMZ 1988, 250, Leitsatz 2, 251, liSp, Abs. 1 -"Epoxidation"; Schulte, PatG, 8. Auflage, § 59 Rdn. 93 bis 97).
2.
Das Bundespatentgericht ist im Einspruchsbeschwerdeverfahren nicht befugt, von Amts wegen den neuen Einspruchsgrund der unzulässigen Erweiterung aufzugreifen, da dieser nicht Gegenstand des Einspruchsverfahrens vor dem Deutschen Patentund Markeamt war, so dass sich dem Gericht die Zulässigkeitsfrage der unverändert verteidigten Ansprüche einer Überprüfung entzieht (vgl. BGH GRUR 1995, S. 333, 3. Leitsatz -"Aluminium -Trihydroxid").
3.
Das Streitpatent betrifft ein Überspannungsschutzelement mit Lichtbogenwanderung.
Ein solches Überspannungsschutzelement, von dem das Streitpatent als Stand der Technik ausgeht, ist aus der Druckschrift D3 bzw. der E6 bekannt. Diese zeigt in Fig. 4 ein Überspannungsschutzelement mit Lichtbogenwanderung, bei dem eine innere blockartige Elektrode (6) in einer äußeren, mantelförmigen und entlang ihres Umfangs rundum in sich geschlossenen Elektrode (5) angeordnet ist. Die innere Elektrode (6) ist mit ihrem einen außen liegenden Ende bezüglich der äußeren mantelförmigen Elektrode randseitig angeordnet, und ihr anderes Ende ragt frei in die äußere Elektrode (5). Dabei nimmt der Querschnitt der inneren Elektrode zum freien Ende hin ab und der Lichtbogenabstand zwischen der inneren Elektrode und der äußeren Elektrode von dem außen liegenden Ende zum freien Ende hin zu. Die äußere Elektrode ragt über die innere Elektrode hinaus und begrenzt dadurch den Raum über dem Ende der frei ragenden inneren Elektrode, vgl. Fig. 5. Beide Elektroden haben eine gemeinsame Mittelachse, und die Querschnittsverjüngung der inneren Elektrode geht von deren randseitigem, außen liegenden Bereich aus und ist bezüglich der Mittelachse derart symmetrisch, dass bei jedem Querschnitt der Lichtbogenabstand rundum gleich ist.
Wenn die zwischen beiden Elektroden (5, 6) anliegende Spannung die Zündspannung des Überspannungsschutzelements übersteigt, zündet ein Lichtbogen zwischen innerer und äußerer Elektrode, der, da er am Ort der höchsten lokalen Feldstärke gebildet wird, im unteren Teil der konisch ausgebildeten inneren Elektrode 6 von Figur 4 der Druckschrift D3 entsteht. Die den gekrümmten Lichtbogen speisenden Elektronen erzeugen ein inhomogenes Magnetfeld, das über die Lorentzkraft die Elektronen von der Zündstelle weg hin zu größeren Abständen zwischen innerer und äußerer Elektrode treibt. Der Lichtbogen verlängert sich dadurch, kühlt ab und verbleibt solange am Ende der inneren Elektrode, bis er erlischt. Unterstützt wird dieser Mechanismus noch durch den thermischen Auftrieb des Lichtbogens.
Gemäß der Beschreibungseinleitung des Streitpatents ist bei diesem Schutzelement jedoch nachteilig, dass sich der Lichtbogen an der oberen Kante des Kegelstumpfes festsetze und die innere Elektrode rasch abnutze. Zudem bilde dieses bekannte Schutzelement einen Entladungsraum, der mit einer Ausblasöffnung versehen und damit offen sei und dessen Löschmechanismus einen erhöhten Raumbedarf aufweise (vgl. Streitpatent Sp. 1, Z. 3 bis 59).
Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatent als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, ein Überspannungsschutzelement zu schaffen, bei dem derjenige Flächenbereich der inneren Elektrode, über den hin verteilt Lichtbögen entstehen, bei kompaktem Bauvolumen und geschlossener Bauweise ein schnelleres Wegwandern der entstandenen Lichtbögen veranlasst (vgl. Streitpatent Sp. 1, Z. 65 bis Sp. 2, Z. 2).
Die Aufgabe wird durch das Überspannungsschutzelement des erteilten Anspruchs 1 gelöst.
Hierfür ist ein Schutzelement mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1 vorgesehen, bei dem zusätzlich die mantelförmige äußere Elektrode den Raum, in dem sich ein Lichtbogen aufhalten kann, nach außen hin geschlossen kapselt, wobei die äußere Elektrode auf der dem freien Ende der inneren Elektrode gegenüberliegenden Seite des Freiraums einen zur Mittelachse quer angeordneten Boden trägt, wobei darüber hinaus bei dem randseitigen, außenliegenden Bereich der inneren Elektrode zwischen den Elektroden ein Ring von bei Lichtbogeneinwirkung gasendem Kunststoff angeordnet ist, und wobei das freie Ende der sich im Querschnitt verjüngenden, inneren Elektrode abgerundet ist.
Aufgrund der geschlossenen Bauweise ist das Überspannungsschutzelement nicht ausblasend. Um trotzdem einen Lichtbogenlöschmechanismus zu gewährleisten und den Lichtbogen beschleunigt vom Fuß der inneren Elektrode zu deren freiem Ende wandern zu lassen, wo er rasch erlöschen kann, ist gemäß Anspruch 1 vorgesehen, dass bei dem randseitigen, außen liegenden Bereich der inneren Elektrode zwischen den Elektroden ringförmig ein gasender Kunststoff angeordnet ist. Daher bilden sich im Zündfall die Lichtbögen verteilt rund um den Fuß der kegelartigen inneren Elektrode dort aus, wo die Elektrode den größten Flächenbereich für das über den Umfang verteilte Entstehen der Lichtbögen aufweist. Die hinsichtlich des Umfangs symmetrische innere Elektrode vergrößert die Zahl der möglichen Zündungsstellen und die bezüglich des Querschnitts sich verjüngende Form der inneren Elektrode erhöht die Abwanderungsgeschwindigkeit, wodurch auch bei hoher Anzahl von Lichtbögen insgesamt der Abbrand verringert wird. Zusätzlich verhindert auch die Abrundung der Elektrodenspitze zu raschen starken Abbrand. Da bei dem randseitigen, außen liegenden Bereich der inneren Elektrode der Ring von bei Lichtbogeneinwirkung gasendem Kunststoff angeordnet ist, beschleunigt zu dem das bei Lichtbogeneinwirkung entstehende Gas das Wegwandern des entstandenen Lichtbogens vom Kegelfuß hin zum freien Ende der inneren Elektrode (vgl. Streitpatent Sp. 2, Z. 3 bis Z. 58).
4. Das zweifellos gewerblich anwendbare Überspannungsschutzelement des erteilten Anspruchs 1 ist hinsichtlich des vorliegenden Stands der Technik neu und beruht gegenüber diesem auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns, der hier als ein über Kenntnisse der Lichtbogenbildung und -löschung verfügender und mit der Entwicklung kompakter Überspannungsschutzelemente betrauter Fachhochschulingenieur der Elektrotechnik mit mehrjähriger Erfahrung auf diesem Gebiet zu definieren ist.
4a. Die Bedeutung des Merkmals g) des erteilten Anspruchs 1 bzgl. der geschlossenen Kapselung des Lichtbogenraums nach außen hin ist unter Heranziehung der Beschreibung des Streitpatents auszulegen. Diesbezüglich beschreibt das Streitpatent das Überspannungsschutzelement in Sp. 3, Zn. 3 bis 14 als in verstärktem Maß geschlossen, nicht ausblasend und so gestaltet, dass kein Lichtbogen austreten kann, wobei der Boden des Lichtbogenraums den Freiraum über der inneren Elektrode ganz oder im wesentlichen abschließt und gemäß Sp. 4, Zn. 35 bis 41 mit einem kleinen Durchlass versehen ist, um das entstandene Gas aus dem Freiraum entweichen zu lassen und gleichzeitig den Lichtbogenraum gegen einen Austritt von Lichtbögen zu kapseln. Somit bezieht sich die geschlossenen Kapselung des Lichtbogenraums nach außen hin darauf, dass dieser Raum vollständig gegen das Austreten von Lichtbögen gekapselt ist, indem er entweder komplett verschlossen oder mit einer lediglich kleinen Öffnung versehen ist.
Dies ist ursprünglich offenbart und gibt auch eine ausführbare technische Lehre.
4b. Die Druckschrift E6, welche die Offenlegungsschrift zu der Patentschrift D3 ist, von der das Streitpatent als Stand der Technik ausgeht, offenbart in Übereinstimmung mit der Lehre des erteilten Anspruchs 1 eina) Überspannungsschutzelement mit Lichtbogenwanderung, bei dem eine innere blockartige Elektrode (innere Elektrode 6, Fig. 2, 4) in einer äußeren, mantelförmigen, entlang einem Umfang rundum in sich geschlossenen Elektrode (äußere Elektrode 5, Fig. 2, 4) angeordnet ist, (Dargestellt und beschrieben ist ein Überspannungsschutzgerät zur Ableitung von transienten Spannungen mit einem als blitzstromtragfähige LuftÜberschlag-Funkenstrecke (8) ausgeführten Überspannungsableiter (1) vorzugsweise mit einem zu dem Überspannungsableiter (1) parallel geschalteten Varistor und vorzugsweise mit einem Gehäuse (7), wobei der Überspannungsableiter (1) zwei Elektroden (5, 6) aufweist und die Elektroden (5, 6) zur Bildung der LuftÜberschlag-Funkenstrecke (8) mit Abstand voneinander angeordnet sind / vgl. Zusammenfassung mit Figur), wobeib) die innere Elektrode (6) mit einem außen liegenden Ende bezüglich der äußeren mantelförmigen Elektrode (5) randseitig angeordnet ist und mit dem anderen Ende frei in die äußere Elektrode ragt, (vgl. Fig. 4), c) der Querschnitt der inneren Elektrode zum freien Ende hin abnimmt und ein Lichtbogenabstand zwischen der inneren Elektrode und der äußeren Elektrode von dem außenliegenden Ende zum freien Ende hin zunimmt (Fig. 4 zeigt weiter, dass die innere Elektrode 6 in ihrem oberen Bereich konisch ausgebildet ist, so dass der Abstand zwischen beiden Elektroden 5, 6 nach oben hin zunimmt. Auf diese Weise wird erreicht, dass der Lichtbogen regelmäßig im unteren Teil der konischen Elektrode 6 entsteht und bereits bei seiner Aufwärtswanderung verlängert und damit abgekühlt wird / vgl. Sp. 4, Zn. 48 bis 54 i. V. m. Fig. 4), d) die mantelartige Elektrode in Fortsetzung der inneren Elektrode über das freie Ende hinaus einen Freiraum begrenzt (Der gleiche Effekt lässt sich auch dann erzielen, wenn, wie weiter oben beschrieben, die Elektroden 5, 6 nach oben hin unterschiedlich lang ausgeführt sind / vgl. Sp. 4, Zn. 56 bis 59 i. V. m. Fig. 4), e) die innere Elektrode und die äußere Elektrode mit gemeinsamer Mittelachse angeordnet sind und das freie Ende der inneren Elektrode auf der gemeinsamen Mittelachse angeordnet ist (Es ist möglich, auf herstellungstechnisch besonders günstige Weise eine definierte und sichere Lichtbogenentwicklung und -löschung in der LuftÜberschlag-Funkenstrecke (8) zu gewährleisten, wenn die Elektroden (5, 6) koaxial um eine vertikale Achse angeordnet sind und die äußere Elektrode (5) die innere Elektrode (6) ringförmig umschließt / vgl. Zusammenfassung mit Figur), f) und wobei die Querschnittsverjüngung der inneren Elektrode von deren randseitigem, außen liegendem Bereich ausgeht und bezüglich der Mittelachse derart symmetrisch ist, dass bei jedem Querschnitt der Lichtbogenabstand rundum gleich ist (vgl. Fig. 4).
Druckschrift E6 beschreibt als Vorteil des Überspannungsschutzelements, dass der thermische Auftrieb des Lichtbogens durch eine zweite, ebenfalls nach oben gerichtete elektrodynamische Kraft unterstützt werde, wenn der Stromverlauf im wesentlichen in einen nach unten geöffneten Winkel von etwa 180¡ gezwungen werde und dass deshalb, abweichend von Merkmal h) des erteilten Anspruchs 1, auf die Verwendung eines Dielektrikums aus Löschgas abgebendem Material zwischen den Elektroden vollkommen verzichtet und so eine wesentliche Reduzierung der Herstellungskosten des Überspannungsschutzelements erreicht werden könne (vgl. Sp. 2, Zn. 3 bis 51). Diese Kostenersparnis wird ermöglicht, indem das Schutzelement im Gegensatz zum Merkmal g) des erteilten Anspruchs 1, einen ausblasenden und nach oben offenen Entladungsraum, aufweist, der durch ein mit einer Ausblasöffnung versehenes Gehäuse aus isolierendem Material abgedeckt wird (vgl. Fig. 2 u. Sp. 5, Zn. 39 bis 45). Wie zudem die Figuren 3 bis 5 zeigen, wandert der eine Fußpunkt des Lichtbogens vom unteren Ende der inneren Elektrode zu deren oberer Kante und verharrt dort, während das andere Ende des Lichtbogens sich zur oberen Kante der äußeren Elektrode bewegt und dort durch thermische und elektrodynamische Kräfte der Lichtbogen so weit verlängert wird, dass er erlischt (vgl. Sp. 4, Zn. 4 bis 10). Die innere Elektrode ist daher im Unterschied zum Merkmal i) des erteilten Anspruchs 1 auch nicht abgerundet, sondern mit einer Kante versehen.
Somit offenbart die Druckschrift E6 bzw. D3 zwar ein Überspannungsschutzelement gemäß den Merkmalen a) bis f) des Oberbegriffs des erteilten Anspruchs 1. Sie gibt dem Fachmann jedoch keinen Hinweis bzgl. der kennzeichnenden Merkmale g) bis i).
Druckschrift E5, vgl. deren Fig. 7 mit Erläuterung in Sp. 3, Z. 30 bis Sp. 4, Z. 15, beschreibt ein Überspannungsschutzelement für einen Tauchpumpenmotor, das neben den Merkmalen a), b), d) und e) des Oberbegriffs zusätzlich das kennzeichnende Merkmal g) des erteilten Anspruchs 1 bzgl. der den Lichtbogenraum geschlossen kapselnden äußeren Elektrode sowie die Verwendung von bei Lichtbogeneinwirkung gasendem Kunststoff entsprechend einem Teilaspekt des kennzeichnenden Merkmals h) aufweist. Im Gegensatz zur Lehre des erteilten Anspruchs 1 offenbart Druckschrift E5 jedoch keine konisch ausgebildete und mit einem abgerundeten Ende versehene innere Elektrode (Merkmale c), f) und i)), sondern eine scheibenförmige Elektrode mit Kanten. Zudem ist abweichend von den Merkmalen f) und h) des erteilten Anspruchs 1 der gasende Kunststoff gemäß Druckschrift E5 mit einer Nut
(112) entlang der Kante der inneren Elektrode versehen (vgl. Fig. 7 u. Sp. 4, Zn. 2 bis 9), wohingegen nach den Merkmalen f) und h) des erteilten Anspruchs 1 der gasende Kunststoff dort vorhanden ist, wo die Querschnittsverjüngung der inneren Elektrode ausgeht.
Der Lichtbogen des in Druckschrift E5 offenbarten geschlossenen Überspannungsschutzelements wird somit durch das Löschgas aus dem Kunststoff zum Abreißen gebracht, während dies bei dem offenen und ausblasenden Überspannungsschutzelement der Druckschrift E6 bzw. D3 durch thermische und elektrodynamische Effekte erfolgt, was durch die spezielle Ausgestaltung und Anordnung der Elektroden unterstützt wird. Beide Überspannungsschutzelemente basieren demnach auf unterschiedlichen Wirkmechanismen der Lichtbögenlöschung, so dass der Fachmann schon aus diesem Grund keine Veranlassung hat, die auf diese unterschiedlichen Wirkmechanismen abgestimmten konstruktiven Ausbildungen der beiden Überspannungsschutzelemente nach den Druckschriften E5 und E6 bzw. D3 miteinander zu verbinden und die in Druckschrift E6 bzw. D3 beschriebene konische Ausgestaltung der Innenelektrode auf die scheibenartige Innenelektrode des Überspannungsschutzelements aus Druckschrift E5 zu übertragen. In gleicher Weise wird dem Fachmann ausgehend von Druckschrift E6 bzw. D3 auch nicht nahegelegt, das dort beschriebene ausblasende Überspannungsschutzelement in Kenntnis der Druckschrift E5 mit einem Deckel zu versehen und so zu einem geschlossenen Überspannungsschutzelement zu machen, denn dies würde dem Löschmechanismus, wonach der Lichtbogen nach oben zu den Elektrodenkanten wandert und dort schließlich aufgrund der Thermik abreißt, widersprechen.
Darüber hinaus offenbaren diese Druckschriften weder das Abrunden des freien Endes der sich im Querschnitt verjüngenden, inneren Elektrode gemäß Merkmal i) noch, dass entsprechend Merkmal h) bei dem randseitigen, außenliegenden Bereich, wo die Querschnittsverjüngung der inneren Elektrode ausgeht, der gasende Kunststoff angeordnet ist (vgl. die Nut (112) in den Figuren 7 bis 9 der E5, sowie in den Figuren 3 bis 5 der E6 bzw. D3 den Abstand zwischen dem Kunststoff (9) und der äußeren Elektrode (5)).
Druckschrift D1, vgl. deren Fig. 2, offenbart zwar ein Überspannungsschutzelement mit Lichtbogenwanderung mit zwei sich gegenüberliegenden Elektroden, die nur teilweise ineinander ragen. Angesichts dieser abweichenden Ausgestaltung, kann der Fachmann der Druckschrift D1 keinen Hinweis auf die Merkmale a), d), g), h) und i) entnehmen.
Die übrigen Druckschriften D2 und E1 bis E4 liegen weiter ab und geben dem Fachmann keine Anregung zur Ausbildung des Überspannungsschutzelements nach Anspruch 1. So beruhen die Überspannungsschutzelemente der Druckschriften E1, E2 und E4 abweichend von Merkmal a) des erteilten Anspruchs 1 nicht auf dem Prinzip der Lichtbogenwanderung und offenbaren im Unterschied zu den Merkmalen c), f), h) und i) weder eine abgerundete innere Elektrode mit Querschnittsverjüngung noch bei Lichtbogeneinwirkung gasenden Kunststoff. Die Druckschriften D2 und E3 beschreiben zwar die Verwendung von bei Lichtbogeneinwirkung gasendem Kunststoff in Überspannungsschutzelementen, jedoch weder die Querschnittsverjüngung der inneren Elektrode noch deren Abrundung nach den Merkmalen c), f) und i).
Das Überspannungsschutzelement gemäß Anspruch 1 ist damit neu und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns.
Das Patent ist mit dem geltenden erteilten Anspruch 1 rechtsbeständig.
5.
Die Unteransprüche 2 bis 4 betreffen vorteilhafte Ausgestaltungen des Überspannungsschutzelements nach Anspruch 1 und haben damit ebenfalls Bestand.
6.
Die Beschreibung erfüllt die an sie zu stellenden Anforderungen, weil darin der Stand der Technik angegeben ist, von dem die Erfindung ausgeht, und diese anhand der Ausführungsbeispiele erläutert ist.
7.
Das Patent war somit in unverändertem Umfang aufrecht zu erhalten.
Dr. Strößner Brandt Metternich Dr. Friedrich Hu
BPatG:
Beschluss v. 19.04.2011
Az: 23 W (pat) 86/05
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