Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Dezember 2004
Aktenzeichen: 9 W (pat) 343/02

(BPatG: Beschluss v. 15.12.2004, Az.: 9 W (pat) 343/02)

Tenor

Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

- Patentansprüche 1 bis 19,

- Beschreibung Spalten 1 bis 8 mit Einschub Anlage A, jeweils eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 15. Dezember 2004,

- Zeichnungen Figuren 1 bis 9c gemäß Patentschrift.

Gründe

I.

Gegen das am 13. August 1998 angemeldete und am 01. August 2002 veröffentlichte Patent mit der Bezeichnung

"Vorrichtung zum Abstützen eines Aufliegers eines Sattelschleppers"

ist von der haacon hebetechnik gmbH Einspruch erhoben worden.

Die Einsprechende ist der Auffassung, Patentanspruch 1 enthalte ein in der Sache unzutreffendes Merkmal. Die anspruchsgemäße Zuordnung von Getriebeeingangswelle und durchmessergroßem Zahnrad liege nämlich nicht vor. Wie das in der Patentschrift beschriebene Ausführungsbeispiel zeige, sei das durchmessergroße Zahnrad ein von der Getriebeeingangswelle unabhängiges Bauteil. Der Patentanspruch 1 sei deshalb unzulässig.

Außerdem macht die Einsprechende eine offenkundige Vorbenutzung geltend und verweist zudem auf die Druckschriften EP 0 675 029 A1 und US 5 238 266 A. Demgegenüber beruhe der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:

- Patentansprüche 1 bis 19,

- Beschreibung Spalten 1 bis 8 mit Anlage A, jeweils eingereicht am 15.Dezember 2004,

- Zeichnungen Figuren 1-9c gemäß Patentschrift.

Sie ist der Auffassung, der Patentanspruch 1 sei zulässig. Sie bestreitet die offenkundige Vorbenutzung und ist zudem der Meinung, auch bei einer - von ihr bestrittenen - Zugehörigkeit derselben zum Stand der Technik sei der Gegenstand dieses Patentanspruchs im Hinblick auf diesen Stand der Technik patentfähig.

Der Patentanspruch 1 lautet:

" Vorrichtung zum Abstützen eines Aufliegers eines Sattelschleppers mit einem in seiner Höhe teleskopartig verfahrbaren, eine äußere Hülse und eine innere Hülse aufweisenden Abstützelement, mit einer in dem Abstützelement gelagerten, von einem mehrstufigen Schaltgetriebe über eine Kegelradanordnung antreibbaren Spindel, und mit einer mit der Spindel zusammenwirkenden, mit einer der Hülsen in Eingriff stehenden Spindelmutter, wobei das Schaltgetriebe ein einteilig mit einer Getriebeeingangswelle (20) gefertigtes Ritzel (21) aufweist, welches in eine eingreifende Stellung mit einem durchmessergroßen Zahnrad (22) der Getriebeeingangswelle (20) bringbar ist, einen drehbar gelagerten, mit den Zahnrädern der Getriebeeingangswelle (20) und der Kegelradanordnung (14) zusammenwirkenden, auf einer Getriebeausgangswelle (23) angeordneten Zahnradsatz (24) sowie schaltbare Kupplungsmittel, welche zum wahlweisen Verbinden der Getriebeeingangswelle (20) über eines der Zahnräder (21,22) mit Zahnrädern (27,28) des Zahnradsatzes (24) ausgebildet sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Getriebeeingangswelle (20) senkrecht auf die Spindel (15) zuläuft, wobei die Spindel (15) und die Getriebeeingangswelle (20) in einem gemeinsamen Lagerbock (16) gelagert sind und die sich abwälzenden Zahnkränze der Zahnräder (22,27,28) des Schaltgetriebes (13) innerhalb der äußeren Hülse (5) angeordnet sind."

Rückbezogene Patentansprüche 2 bis 19 sind diesem Patentanspruch nachgeordnet.

II.

Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts ist durch PatG §147 Abs.3 Satz 1 begründet.

Der Einspruch ist zulässig. Er hat im Rahmen der Beschlussformel Erfolg.

1. Die geltenden Patentansprüche 1 bis 19 sind zulässig.

Als Durchschnittsfachmann nimmt der Senat einen Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau an, der bei einem Kfz-Hersteller/-Zulieferer mit der Konstruktion von Stützvorrichtungen für Auflieger von Sattelschleppern befasst ist und über mehrjährige Berufserfahrung verfügt.

Die Ausgestaltung nach dem Patentanspruch 1 ergibt sich aus den erteilten Patentansprüchen 1 und 8 in Verbindung mit Angaben aus der Beschreibung der Patentschrift (Spalte 2, Zeilen 47-53; Spalte 5, Zeilen 10-13; Spalte 5, Zeilen 54,55 iVm Figuren 3,4).

In den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen finden sich die betreffenden Merkmale des geltenden Patentanspruchs 1 in den Patentansprüchen 1,2 und 9 sowie in der Beschreibung (Seite 4, Zeilen 8-12; Seite 9, Zeilen 1-3; Seite 9, Zeilen 6,7 iVm Figuren 3,4).

Die geltenden Patentansprüche 2 bis 19 stimmen bis auf Anpassungen von Rückbeziehungen sowie einer rein redaktionellen Änderung in Anspruch 17 mit den erteilten Patentansprüchen 2 bis 7 und 9 bis 20 überein.

In den ursprünglichen Unterlagen finden sich die betreffenden Merkmale in den Patentansprüchen 3 bis 8 und 10 bis 21.

Die gegenüber der erteilten Fassung im geltenden Patentanspruch 1 zugefügten Merkmale betreffend die Einstückigkeit von Ritzel und Getriebeeingangswelle, den Eingriff von Ritzel und durchmessergroßem Zahnrad, die Anordnung des Zahnradsatzes auf einer Getriebeausgangswelle sowie die Anordnung der Zahnräder des Schaltgetriebes mit ihren abwälzenden Zahnkränzen innerhalb der äußeren Hülse bilden Präzisierungen von bereits im erteilten Patentanspruch 1 angegebenen Ausgestaltungen. Sie dienen somit der näheren Ausgestaltung der unter Schutz gestellten Erfindung und dürfen somit zur Beschränkung des Patents herangezogen werden (BGH in "Spleißkammer", PMZ 1990,325). Des weiteren ist die als gegenüber der erteilten Fassung zusätzliches Lösungsmerkmal im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 angegebene Anordnung der Zahnräder des Schaltgetriebes mit ihren Zahnkränzen innerhalb der äußeren Hülse in der Patentschrift DE 198 36 635 C2 (Streitpatentschrift) auch als zur Erfindung gehörend dargestellt. Denn gemäß Streitpatentschrift trägt diese Ausgestaltung zur kompakten Bauweise bei (Spalte 2, Zeilen 4-8; Spalte 3, Zeilen 41-50; Spalte 5, Zeilen 54,55) und dient damit zur Lösung der Aufgabe. Auch in dieser Hinsicht ist die vorgenommene Beschränkung des Patents zulässig (BGH in "Bodenwalze", PMZ 1991,188).

Die Einsprechende ist der Meinung, die Zuordnung des durchmessergroßen Zahnrades zur Getriebeeingangswelle gemäß dem Merkmal im geltenden Patentanspruch 1 "mit einem durchmessergroßen Zahnrad der Getriebeeingangswelle" sei durch das Ausführungsbeispiel nicht gestützt. Nach diesem Ausführungsbeispiel sei das durchmessergroße Zahnrad 22 nämlich mit seinem topfförmigen Bereich unabhängig von der Getriebeeingangswelle in einer von einer Abdeckung gehaltenen Lagerschale 34 gelagert. Deshalb könne von einer Zuordnung des Zahnrades zur Getriebeeingangswelle nicht die Rede sein. Die betreffende Angabe im Patentanspruch 1 sei deshalb in der Sache unzutreffend.

Dieser Auffassung folgt der Senat nicht. Das besagte Zahnrad 22 ist nach dem Ausführungsbeispiel die Getriebeeingangswelle konzentrisch umgebend dargestellt (Figuren 3,4). Des weiteren ist es mit dem Ritzel 21 in Eingriff bringbar derart, dass eine drehfeste Verbindung zwischen Getriebeeingangswelle und Zahnrad 22 besteht (Spalte 5, Zeilen 37-42). In dieser Eingriffstellung überträgt das Zahnrad 22 ein von der Getriebeeingangswelle eingeleitetes Drehmoment (Spalte 6, Zeilen 6-12; Figur 4). Da zudem das Ritzel einstückig an der Welle angeformt ist und somit Bestandteil der Welle ist, liegt auch ein unmittelbarer Verbund zwischen Getriebeeingangswelle und Zahnrad vor. Nach Überzeugung des Senats ist damit für den Fachmann hinreichend deutlich eine Zuordnung und funktionale Zusammengehörigkeit von Getriebeeingangswelle und durchmessergroßem Zahnrad erkennbar. Die Formulierung "mit einem durchmessergroßen Zahnrad der Getriebeeingangswelle" kennzeichnet somit eine derartige Zuordnung im Hinblick auf das Zusammenwirken. Insbesondere beinhaltet sie nicht zwingend eine Lagerung des Zahnrades 22 auf der Getriebeeingangswelle.

2. Im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 ist der Stand der Technik nach der EP 0 675 029 A1 berücksichtigt.

In der Beschreibungseinleitung ist ausgeführt, dass sich bei einer Stützeinrichtung dieser Art das Gehäuse für das Schaltgetriebe sehr ausladend und aufwendig gestaltet.

Das dem Patent zugrundeliegende und mit der Aufgabe formulierte technische Problem besteht daher darin, eine Vorrichtung der genannten Art so zu gestalten, dass sie möglichst kompakt aufgebaut ist.

Dieses Problem wird durch die Vorrichtung mit den in Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen gelöst.

3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist patentfähig.

a) Die ohne Zweifel gewerblich anwendbare Vorrichtung zum Abstützen eines Aufliegers eines Sattelschleppers nach dem Patentanspruch 1 ist neu.

Denn weder aus einer der in Betracht gezogenen Druckschriften noch aus der behaupteten Vorbenutzungshandlung ist eine Stützvorrichtung mit allen im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen bekannt.

Die Einsprechende hat die Neuheit auch nicht bestritten.

b) Die Lehre nach dem Patentanspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Eine Vorrichtung zum Abstützen des Aufliegers eines Sattelschleppers der in Rede stehenden Art ist aus der EP 0 675 029 A1 bekannt. Diese Vorrichtung weist ein in seiner Höhe teleskopartig verfahrbares Abstützelement 11,12 mit einer äußeren und einer inneren Hülse 13,14 auf. Es ist eine Spindel 26 vorgesehen, die von einem mehrstufigen Schaltgetriebe 83/84/73,83/72 über eine Kegelradanordnung 34/74 angetrieben ist. Eine Spindelmutter 25 wirkt mit der Spindel zusammen und steht mit der inneren Hülse 13 in Eingriff. Das Schaltgetriebe weist ein einteilig mit einer Getriebeeingangswelle 75 gefertigtes Ritzel 83 auf. Dieses Ritzel ist mit einem der Getriebeeingangswelle zugeordneten durchmessergroßen Zahnrad 85 in Eingriff bringbar (Figur 2A). Ferner ist ein Zahnradsatz 70 vorgesehen, der mit den Zahnrädern der Getriebeeingangswelle und mit der Kegelradanordnung zusammenwirkt und auf einer Getriebeausgangswelle 60 angeordnet ist. Die Getriebeeingangswelle ist durch Längsverschiebung wahlweise mit Zahnrädern des Zahnradsatzes verbindbar (Figuren 2,2A).

Insoweit stimmt die Abstützvorrichtung nach dem geltenden Patentanspruch 1 mit dieser bekannten Stützvorrichtung überein.

Bei dieser Stützvorrichtung ist jedoch die Getriebeeingangswelle relativ zur Spindel seitlich versetzt. Dadurch baut das Getriebe verhältnismäßig ausladend und muss mit Teilen in einem an die äußere Hülse angeflanschten Gehäuse untergebracht werden. Will der Fachmann eine solche Stützvorrichtung mit dem Ziel der größeren Kompaktheit weiterbilden, so findet er im einschlägigen Fachgebiet eine Lösung, die zum Zwecke einer kompakten Bauweise die Unterbringung der Getriebeteile vollständig innerhalb der äußeren Hülse vorschlägt (US 5 238 266 A, Figuren 11,13; Spalte 2, Zeilen 52-59; Spalte 12, Zeilen 1-5 und 33-38; Spalte 19, Zeilen 20-38). Dazu sind die Spindel und die Getriebeeingangswelle so angeordnet, dass sich ihre Achsen schneiden (Figuren 3,6,7,12,14). Allerdings beinhaltet der vorgeschlagene Lösungsweg die Lehre, zur Verlagerung der zuvor im gesonderten Getriebegehäuse untergebrachten Getriebeteile (Figur 2) nunmehr in die äußere Hülse außer der Getriebeeingangswelle 175,265 und der Getriebeausgangswelle 200,242 zusätzlich eine Zwischenwelle 190,290 in der äußeren Hülse anzuordnen. Der für diese Zwischenwelle benötigte zusätzliche Bauraum wird geschaffen durch eine Ausdehnung des Getriebes in der Höhe, d.h. in Achsrichtung der Stütze. Die Verringerung der horizontalen Ausdehnung durch Verzicht auf ein seitlich vorstehendes separates Getriebegehäuse wird daher durch eine Zunahme der vertikalen Erstreckung des Getriebes erkauft.

Würde der Fachmann diese Lehre auf seine Stützvorrichtung nach der EP 0 675 029 A1 übertragen, so ergäbe sich folglich die Verwendung einer zusätzlichen Zwischenwelle und damit größere Bauhöhe. Die direkte DrehmomentÜbertragung von der Getriebeeingangswelle auf die Getriebeausgangswelle in beiden Schaltstellungen des Getriebes und dabei die gemeinsame Lagerung von Getriebeeingangswelle und Spindel in demselben Bauteil, wie sie beim Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 vorliegen, käme damit nicht zustande.

Bei der nach der Behauptung der Einsprechenden vorbenutzten Spindelstütze sind - wie der von der Einsprechenden vorgelegten Zeichnung 2147/1.24.0.00 (Anlage 2 zum Einspruchschriftsatz) entnehmbar ist - die Spindel und die Getriebeeingangswelle in einem gemeinsamen Bauteil gelagert, wobei sich deren Achsen schneiden. Dabei sind aber wieder Zahnräder des Getriebes in einem an die äußere Hülse angeflanschten Gehäuse untergebracht. Eine Lehre, dass die gemeinsame Lagerung von Getriebeeingangswelle und Spindel in demselben Bauteil (Lagerbock) und deren Anordnung in derselben Ebene zu einer kompakten Bauweise führt, vermittelt diese Spindelstütze somit gerade nicht. Denn das separate Getriebegehäuse steht der Kompaktheit entgegen. Der Fachmann würde diese Konstruktion für die Lösung der ihm gestellten Aufgabe daher gar nicht in Betracht ziehen.

Käme es aus irgendeinem Grunde dennoch zu einer Zusammenschau des der Erfindung zugrundeliegenden Standes der Technik nach der EP 0 675 029 A1, der US 5 238 266 A und der Spindelstütze nach der behaupteten Vorbenutzung, so ergäbe sich daraus immer noch nicht die mit geltendem Patentanspruch 1 beanspruchte Ausgestaltung. Es entstünde eine Getriebeanordnung, bei der zwar die Zahnräder des Schaltgetriebes innerhalb der äußeren Hülse und die Getriebeeingangswelle mit der Spindel in einer Ebene rechtwinklig zueinander angeordnet und in einem gemeinsamen Bauteil gelagert wären, jedoch die DrehmomentÜbertragung von der Getriebeeingangswelle auf die Getriebeausgangswelle zumindest in einer Schaltstellung des Getriebes über Zahnräder einer Zwischenwelle erfolgen würde.

Somit kann dahingestellt bleiben, ob die in der Zeichnung 2147/1.24.0.00 dargestellte Spindelstütze tatsächlich offenkundig vorbenutzt wurde. Denn sie vermag dem Gegenstand des Anspruchs 1 weder für sich noch in Zusammenschau mit dem übrigen Stand der Technik die für die Patentfähigkeit notwendige erfinderische Tätigkeit zu nehmen.

Mit der Vorrichtung nach dem Patentanspruch 1 sind auch die Gegenstände der auf ihn rückbezogenen Unteransprüche patentfähig, die vorteilhafte Weiterbildungen der Vorrichtung nach dem Patentanspruch 1 betreffen und zumindest keine Selbstverständlichkeiten darstellen.

Petzold Dr. Fuchs-Wissemann Bülskämper Reinhardt Bb






BPatG:
Beschluss v. 15.12.2004
Az: 9 W (pat) 343/02


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