Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. Januar 2002
Aktenzeichen: 27 W (pat) 296/00
(BPatG: Beschluss v. 29.01.2002, Az.: 27 W (pat) 296/00)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 7. Juli 2000 aufgehoben.
Gründe
I Die Darstellungsiehe Abb. 1 am Endesoll für
"Audiovisuelle Datenträger; Kompaktdisks, Schallplatten, Kompaktkassetten, Minidisks, CD-ROM, CD-I, Shape-CD, digitale Kompaktkassetten; Druckereierzeugnisse, Bücher, Zeitschriften"
als Bildmarke in das Register eingetragen werden.
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat durch Beschluß einer Beamtin des höheren Dienstes die Anmeldung wegen mangelnder Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Die Anmeldemarke stelle ein piktogrammartiges Zeichen dar, da es sich in stilistisch vereinfachter Form in der zeichnerisch und grafisch nur leicht veränderten Darstellung eines Kopfhörers mit einem Kabelteil ohne phantasievolle Verfremdung erschöpfe. Der Kopfhörer als Produkt aus dem Audiobereich werde vom Verkehr allgemein als Symbol für akustische Wahrnehmbarkeit angesehen; auch die angemeldeten Waren seien Produkte aus diesem Bereich, mit dem man per Abspielen oder Abfragen Ton- (und Bild-) Signale hör- (und sicht-) bar, also wahrnehmbar mache. In bezug auf die beanspruchten Waren der Klasse 9 würden die Verbraucher daher lediglich davon ausgehen, daß es sich um Zubehör aus dem Audiobereich handele; hinsichtlich der Waren der Klasse 16 enthalte das Zeichen nur einen Hinweis darauf, daß sich die Druckerzeugnisse inhaltlich mit Audio-Equipment beschäftigen würden und deren Gegenstand und Thema seien.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Ihrer Auffassung nach berücksichtigt der angefochtene Beschluß nicht, daß es sich bei den beanspruchten Waren nicht um Kopfhörer handele, so daß die Abbildung eines stilisierten und grafisch stark vereinfachten Kopfhörers diese Waren nicht unmittelbar beschreibe. Auch bestehe kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen diesen Waren und der stilisierten Darstellung, da die Waren auch ohne Einsatz eines Kopfhörers konsumiert und benutzt werden könnten. Für die Waren der Klasse 9 sei die Darstellung eines Kopfhörers daher kein geeignetes Piktogramm; diese würden vielmehr im geschäftlichen Verkehr mit eigenen, ganz anderen Piktogrammen gekennzeichnet. Die angesprochenen Verkehrskreise würden daher bei Betrachtung des Anmeldezeichens nicht annehmen, daß es sich bei entsprechend gekennzeichneten Produkten um Daten-, Ton- oder Bildträger oder gar Druckerzeugnisse handele. Die Benutzung des dargestellten Kopfhörers sei daher als beschreibende Angabe für diese Waren nicht nur ungeeignet, sondern ungewöhnlich und phantasievoll. Schließlich sei die Darstellung auch so weit verfremdet, daß sie einen Wiedererkennungswert innehabe.
Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II Die zulässige (§ 66 Abs 1 MarkenG) Beschwerde hat in der Sache Erfolg, da der Eintragung des Anmeldezeichens für die beanspruchten Waren das absolute Schutzhindernis mangelnder Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG nicht entgegensteht.
Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden, wobei von einem großzügigen Maßstab auszugehen ist, so daß jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft ausreicht, um das Schutzhindernis zu überwinden (st. Rspr., vgl BGH, GRUR 1995, 408 [409] - PROTECH; BGH, GRUR 2001, 162 [163] mwN - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Bildmarken kann diese Unterscheidungseignung in der Regel nur abgesprochen werden, wenn sie sich darin erschöpfen, die betroffene Ware oder deren typische Merkmale ganz oder teilweise naturgetreu, wenn auch nicht zwingend photografisch genau oder maßstabsgerecht, wiederzugeben (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 8 Rn 36). Dies gilt auch für sog "Piktogramme", wenn es sich bei ihnen um einfache, in ihrer beschreibenden Aussage unzweideutig erkennbare, versinnbildlichte zeichnerische Darstellungen handelt (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 8 Rn 48 [zur Unterscheidungskraft] und 154 [zum Freihaltebedürfnis]; sa 12 W (pat) 72/96 - 2 HÄNDE - und 26 W (pat) 13/00 - 3 PIKTOGRAMME, beide wiedergegeben auf der PAVIS-CD-ROM). Nach diesen Grundsätzen kann der hier zu beurteilenden Anmeldemarke die erforderliche Unterscheidungskraft im Ergebnis nicht abgesprochen werden.
Die beanspruchten Waren selbst, bei denen es sich - vereinfacht - um audiovisuelle Datenträger und Druckereierzeugnisse handelt, werden von dem angemeldeten Zeichen nicht dargestellt. Es läßt sich aber auch nicht feststellen, daß es typische Merkmale dieser Waren wiedergibt.
Zwar mag es durchaus - wie die Markenstelle ausgeführt hat - sein, daß die stilisierte Darstellung eines Kopfhörers allgemein als Hinweis auf Hörbares aufgefaßt wird. Es ist aber bereits zweifelhaft, ob es sich bei der hier in Rede stehenden Abbildung tatsächlich um eine in üblicher Weise stilisierte Wiedergabe eines Kopfhörers handelt. So findet sich bei Stiebner/Urban, Zeichen + Signets, 1982, kein vergleichbares Zeichen; auch ist bekanntlich zur Kennzeichnung des Kopfhörer-Ausgangs bei Elektronikgeräten (einschl. Computern) eine sehr viel einfachere, stärker stilisierte Darstellung eines Kopfhörers üblich, die sich auf die angedeutete Wiedergabe der Hörmuscheln und des sie verbindenden Bügels in zweidimensionaler direkter Draufsicht beschränkt, während das Anmeldezeichen erkennbar einen räumlichen Eindruck hervorruft und neben der Wiedergabe kleiner Details (Gestaltung der beiden Hörmuscheln; verschiebbare Befestigung der Muscheln am Bügel) auch das Verbindungskabel zur Kopfhörerbuchse am Verstärker oder Abspielgerät abbildet, was bei Kopfhörer darstellenden Piktogrammen unüblich ist. Insofern geht die Darstellung des Kopfhörers in der Anmeldemarke über übliche Piktogramme eindeutig hinaus.
Selbst wenn man aber davon ausgeht, daß das Anmeldezeichen vom Verkehr in dieser Weise symbolisch verstanden werden kann, bedeutet dies nicht, daß er es nur als sachlichen Hinweis auf Merkmale der damit gekennzeichneten Waren und nicht als Herkunftshinweis auffassen wird. Denn daß audiovisuelle Datenträger (auch) - digitale oder (wie die Schallplatte und Kompaktkassetten) analoge - Audiodateien enthalten, ist selbstverständlich, ohne daß der Verkehr hierauf nochmals gesondert hingewiesen werden müßte. Im übrigen befindet sich an den Audiodateien selbst kein Anschluß für Kopfhörer, auf den der Verkehr bildlich mit der Darstellung eines Kopfhörers aufmerksam gemacht werden müßte. Er hat daher kaum Anlaß, in der angemeldeten Marke nur ein bloßes Symbol für Hörbares zu sehen, dem keine auch noch so geringe betriebskennzeichnende Eigenart zukommt.
Dies gilt auch für die ebenfalls beanspruchten Waren der Klasse 16. Insoweit könnte ein Verständnis der Anmeldemarke als bloßes Symbol für Hörbares den Verkehr schon deshalb nicht auf mögliche Eigenschaften der Waren aufmerksam machen, da diese von Haus aus nicht hörbar, sondern nur lesbar sind. Die Annahme der Markenstelle, der Verkehr werde das Anmeldezeichen bei diesen Waren als bloßen Hinweis darauf auffassen, sie hätten Audio-Equipment zum Gegenstand, erscheint nicht nur fernliegend, sondern würde auch eine bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit eines Zeichen außer Betracht zu lassende analysierende Betrachtung voraussetzen. Gerade der Umstand, daß diese Waren von sich aus nichts Hörbares enthalten können und auch nicht hörbar sind, macht das Zeichen für sie phantasievoll und damit schutzfähig. Zwar wäre es bei Büchern, in geringerem Maße vielleicht auch bei Zeitschriften denkbar, daß der Verkehr das Anmeldezeichen als Hinweis darauf auffaßt, daß es sie auch als Hörbücher bzw -zeitschriften gibt. Abgesehen davon, daß auch dies eine nicht zu berücksichtigende analysierende Betrachtung erfordert, wäre damit aber auch keine unmittelbare Aussage über Eigenschaften dieser Waren selbst - die ja gerade nicht hörbar sind - verbunden, sondern lediglich ein Hinweis auf das Vorhandensein anderer Waren (insbesondere CD«s, Schallplatten und Kompaktkassetten), welche den Inhalt der Bücher und Zeitschriften in hörbarer Form enthalten. Weil sich damit aber für den Verkehr ein unmittelbarer Bezug des Zeichens, wenn man es als Symbol für Hörbares auffaßt, auf mögliche Eigenschaften der damit gekennzeichneten Waren nicht ergibt, hat er keine Veranlassung, es als bloße Sachangabe über Merkmale dieser Waren anzusehen. Im Ergebnis ist dem Anmeldezeichen daher ein gewisser phantasievoller Überschuß, der ausreicht, um das Schutzhindernis mangelnder Unterscheidungskraft zu überwinden, nicht abzusprechen.
Da auch absolute Eintragungshindernisse nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG nicht erkennbar sind, war der die Anmeldung zurückweisende Beschluß der Markenstelle daher auf die Beschwerde der Anmelderin aufzuheben.
Dr. Schermer Albert Schwarz Pü
Abb. 1 http://agora/bpatg2/docs/27W(pat)296-00.3.gif
BPatG:
Beschluss v. 29.01.2002
Az: 27 W (pat) 296/00
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/7276d436f6c0/BPatG_Beschluss_vom_29-Januar-2002_Az_27-W-pat-296-00