Verwaltungsgericht Düsseldorf:
Urteil vom 19. September 2006
Aktenzeichen: 2 K 3129/06
(VG Düsseldorf: Urteil v. 19.09.2006, Az.: 2 K 3129/06)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der am 00. 00.1952 geborene Kläger wendet sich gegen das Verbot, Dienstkraftfahrzeuge zu führen. Dieses Verbot wurde ausgesprochen, weil seine Fahrtauglichkeit wegen seiner Weigerung, sich einer Blutuntersuchung zu unterziehen, nicht festgestellt wurde.
Der Kläger steht seit 1971 im Polizeivollzugsdienst des beklagten Landes. Er wurde zuletzt am 00.00.1995 zum Kriminalhauptkommissar befördert und ist derzeit als Leiter eines Kriminalkommissariats beim Polizeipräsidium E (nachfolgend: Polizeipräsidium) tätig. Er ist im Besitz eines Zivil-Führerscheins der Klassen 1 und 3 und war berechtigt, Dienstfahrzeuge zu führen.
Das Innenministerium des beklagten Landes (Innenministerium) regelte mit Runderlass vom 10. Oktober 2003 (- 44.3-2540 -, geändert durch Erlass vom 7. April 2004) das Führen von Dienstkraftfahrzeugen der Polizei neu. Die Befugnis hierzu wurde unter anderem von der Fahrtauglichkeit abhängig gemacht. Nr. 3 des Erlasses lautet insoweit:
Kraftfahrtauglichkeit
3.1
Personen, die ein Dienstkraftfahrzeug der Polizei führen sollen, sind durch die zuständige Polizeiärztin/den zuständigen Polizeiarzt auf ihre Kraftfahrtauglichkeit zu untersuchen
- bis zum vollendeten 50. Lebensjahr regelmäßig alle fünf Jahre, ab dem 51. Lebensjahr alle drei Jahre (für Untersuchungen nach Anlage 5 Nr. 2 FeV gelten die dort genannten Fristen),
- unverzüglich nach Krankheiten und Verletzungen, die erfahrungsgemäß die Kraftfahrtauglichkeit beeinträchtigen (z.B. Kreislauferkrankungen, Augenverletzungen),
- nach Verkehrsverstößen oder anderen Anlässen, die den Verdacht einer eingeschränkten Kraftfahrtauglichkeit begründen.
3.2
Die Untersuchung soll möglichst im Zusammenhang mit anderen Untersuchungen durchgeführt werden, jedoch nicht später als ein halbes Jahr nach Ablauf der unter Nr. 3.1 genannten Fristen. Die in den §§ 11,12 FeV (Anlage 4, 5, 6) genannten Anforderungen für die einzelnen Führerscheinklassen sind für die Beurteilung maßgeblich.
Wird der Termin einer Untersuchung oder Nachuntersuchung nicht wahrgenommen und innerhalb einer Frist von 6 Monaten nicht nachgeholt, ist der betroffenen Person das Führen von Dienstkraftfahrzeugen zu untersagen.
Die Kraftfahrtauglichkeit für Einsatzfahrten gem. § 35 oder 38 StVO ist gegeben, wenn zusätzlich die Mindestanforderungen für die Merkmale Sehschärfe, Ferne, Farbensinn, Gesichtsfeld, Augenbeweglichkeit, Raumsinn, Lichtsinn und Hörvermögen nach der Anlage 2 dieses Runderlasses erfüllt sind. Über das Ergebnis der Untersuchung ist eine Bescheinigung "Ärztliche Beurteilung der Kraftfahrtauglichkeit" zu erteilen (Anlage 3) zu erteilen und zur Personalakte zu nehmen.
3.3
Erweist sich jemand als nur bedingt kraftfahrtauglich, so kann ihm die Polizeibehörde oder -einrichtung das Führen eines Dienstkraftfahrzeuges entsprechend eingeschränkt oder mit Auflagen versehen schriftlich gestatten. Eine Durchschrift ist zur Personalakte zu nehmen.
Nachdem es beim Polizeipräsidium einen Wechsel des Polizeiarztes gegeben hatte, sprach sich der neue Polizeiarzt mit Schreiben vom 12. April 2005 bei seinem Behördenleiter für eine allgemeine Blutentnahme zur Überprüfung der Kraftfahrtauglichkeit aus. Das Polizeipräsidium wies daher mit Schreiben vom 19. April 2005 das Innenministerium darauf hin, der für seinen Bereich zuständige Polizeiarzt halte zur Feststellung der Kraftfahrtauglichkeit eine Untersuchung des Blutes für zwingend erforderlich, um Leiden wie schwere Bluterkrankungen, Erkrankungen der Nieren, schwere Niereninsuffizienz, endokrine Störungen, insbesondere Zuckererkrankungen sowie psychische Erkrankungen und Sucht (Alkohol, Drogen, Arzneimittel) ausschließen zu können. Es sei daher beabsichtigt, die Bestätigung der Eignung zum Führen von Dienstfahrzeugen vom Ergebnis einer Blutuntersuchung abhängig zu machen. Eine landeseinheitliche Regelung durch Erlass werde angeregt. Ohne gegenteilige Weisung werde das Polizeipräsidium ab dem 1. Juni 2005 die Prüfung der Kraftfahrtauglichkeit vom Ergebnis einer Blutuntersuchung abhängig machen.
Das Innenministerium verwies das Polizeipräsidium auf sein Schreiben vom 29. April 2005 an die Deutsche Polizeigewerkschaft. Dort wurde festgestellt, dass der Erlass vom 10. Oktober 2003 nicht dahingehend geändert worden sei, dass eine Blutuntersuchung der Kraftfahrtauglichkeit nunmehr für jeden Polizeivollzugsbeamten des Landes NRW obligatorisch sei. Richtig sei hingegen, dass eine rechtliche und fachliche Neubewertung zu diesem Themenbereich notwendig geworden sei. Es stehe fest, dass durch die gezielte Überprüfung der Kraftfahrtauglichkeit nicht Befunde erhoben werden dürften, die ersichtlich nichts mit der Kraftfahrtauglichkeit zu tun hätten. Sei ein fachlicher Grund für eine Blutuntersuchung nicht ersichtlich, sei eine solche Anordnung vom Untersuchungsauftrag nicht mehr gedeckt. In jedem Fall sei der Beamte vor der Untersuchung über den Umfang insbesondere der Blutuntersuchung zu informieren.
Eine landeseinheitliche Regelung erging nicht.
Am 30. Mai 2005 erließ das Polizeipräsidium eine "Dienstanweisung zur Erweiterung des Untersuchungsumfanges anlässlich der Durchführung der Kraftfahrtauglichkeitsuntersuchung" (VL 2.1 - 8011). Eine rechtliche und fachliche Neubewertung des o.g. Erlasses des Innenministeriums mache eine Erweiterung des bisherigen Untersuchungsumfanges erforderlich. Weiter heißt es:
Für den Nachweis der Kraftfahrtauglichkeit sollen künftig durch eine geeignete Untersuchung folgende Erkrankungen ausgeschlossen werden können:
- schwere Bluterkrankungen,
- Erkrankungen der Nieren, schwere Niereninsuffizienz,
- Endokrine Störungen, insbesondere Zuckererkrankungen,
- psychische Erkrankungen, Sucht (Alkohol, Drogen, Arzneimittel).
Hierzu benötigt der Polizeiarzt das Blutbild des Beschäftigten. Dieses Blutbild wird auf Veranlassung des Polizeiarztes durch ein Labor auf der Basis einer Blutentnahme erstellt.
Beschäftigte, für die bereits aus anderem Anlass in den letzten 3 Monaten vor der anstehenden Kraftfahrzeugtauglichkeitsuntersuchung ein Blutbild bei einem anderen Arzt erstellt wurde, können dem Polizeiarzt aussagefähige Unterlagen vorlegen, die mindestens Angaben zu folgenden Werten enthalten:
- Blutzucker
- Leberwerte:
Gamma-GT
SGOT
SGPT
- Kreatinin
- "großes" Blutbild:
Ery, Hb, Leuko
Diff. BB, Thrombo, MCV.
Der hierüber informierte Personalrat bei der Kreispolizeibehörde E forderte mit Schreiben vom 1. Juni 2005 das Mitbestimmungsverfahren ein und bat das Polizeipräsidium, die Dienstanweisung bis zum Abschluss dieses Verfahrens auszusetzen. Das Polizeipräsidium erwiderte unter dem 7. Juni 2005, die Einführung der Blutentnahme im Rahmen einer erweiterten Kraftfahrtauglichkeitsuntersuchung erfülle keinen Mitbestimmungstatbestand. Zu einer Aussetzung der Dienstanweisung bestehe kein Anlass. Mit Beschluss vom 16. Februar 2006 entschied die Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen beim Verwaltungsgericht Düsseldorf, dass die Dienstanweisung des Polizeipräsidenten nicht der Mitbestimmung unterliegt (34 K 2783/05.PVL; noch nicht rechtskräftig).
Die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein- Westfalen sprach sich in einem Schreiben an das Polizeipräsidium vom 22. Juni 2005 gegen die Dienstanweisung aus, weil sie in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit eingreife, ohne dass es eine gesetzliche Grundlage gebe. Darüberhinaus stelle die anschließende Analyse der Blutprobe eine Erhebung personenbezogener Daten dar, für die ebenfalls eine gesetzliche Grundlage fehle. Das beamtenrechtliche Dienst- und Treueverhältnis könne diese Grundrechtseingriffe nicht rechtfertigen.
Da die letzte Kraftfahrtauglichkeitsbescheinigung des Klägers über fünf Jahre zurück lag, beauftragte das Polizeipräsidium mit Verfügung vom 21. Dezember 2005 den Polizeiärztlichen Dienst mit einer erneuten Überprüfung. Der Polizeiarzt, RMD Dr. W, untersuchte den Kläger auf seine Kraftfahrtauglichkeit für Polizeikraftfahrzeuge der Klassen B, BE, C1 und C1E. Dabei verweigerte dieser eine Blutentnahme. Der Polizeiarzt teilte dem Polizeipräsidium daraufhin mit Schreiben vom 5. Januar 2006 mit, die Kraftfahrtauglichkeit könne dem Kläger nicht erteilt werden, da er erforderliche Untersuchungsabläufe abgelehnt habe.
Mit formlosem Schreiben vom 20. Februar 2006 untersagte das Polizeipräsidium dem Kläger mit sofortiger Wirkung die Führung von Dienstkraftfahrzeugen. Zur Begründung hieß es, die Kraftfahrtauglichkeit habe nach Mitteilung des Polizeiarztes nicht festgestellt werden können, weil der Kläger die erforderlichen Untersuchungsabläufe ablehne.
Hiergegen legte der Kläger unter dem 8. März 2006 Widerspruch ein. Die Verfügung vom 20. Februar 2006 sei rechtswidrig. Für eine generelle, obligatorische Blutentnahme unabhängig davon, ob Hinweise auf Erkrankungen vorlägen, gebe es keine Rechtsgrundlage. Eine solche lasse sich weder aus der Fahrerlaubnisverordnung noch aus dem Runderlass des Innenministeriums vom 10. Oktober 2003 in der Fassung vom 7. April 2004 herleiten. Auch seien die Berufsgenossenschaften der Ansicht, dass generelle Blutprobenuntersuchungen nicht erforderlich und nicht rechtmäßig seien. Überdies sei die geforderte Blutentnahme datenschutzrechtlich unzulässig. Auf das Schreiben der Datenschutzbeauftragten sowie auf die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Oktober 1980 (ZBR 1981, 220 ff.) und vom 10. Februar 1972 (BVerwGE 43, 305 ff.) sowie des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 12. Dezember 2001 (2 K 1644/00) werde verwiesen. Ergänzend sei festzuhalten, dass die Anordnung genereller Blutproben das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz GG verletze und daher nur aufgrund eines Gesetzes möglich sei. Ein derartiges förmliches Gesetz liege indes nicht vor. Die allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen reichten hierfür nicht aus. Wesentliche Entscheidungen seien nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts durch den Gesetzgeber selbst zu treffen. Da die streitbefangene generelle Blutentnahme in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit eingreife, handele es sich um eine wesentliche Entscheidung im oben genannten Sinne. Auf die Frage der Verhältnismäßigkeit des Eingriffes komme es daher nicht an.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6. April 2006, zugestellt am 12. April 2006, wies die Bezirksregierung E1 (Bezirksregierung) den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus: Rechtsgrundlage für die Untersagung des Führens von Dienstkraftfahrzeugen sei der Runderlass des Innenministeriums vom 10. Oktober 2003. Die Ermächtigung hierfür seien die §§ 73 Abs. 4, 74 Abs. 5 FeV. Aus § 73 Abs. 4 FeV iVm Ziffer 2.1 des Runderlasses ergebe sich, dass Polizeivollzugsbeamte Dienstkraftfahrzeuge der Polizei nur führen dürften, wenn sie die Anforderungen der Ziffer 3 des Runderlasses erfüllten, also insbesondere alle drei Jahre ihre geistige und körperliche Eignung nachgewiesen hätten. Maßstab dieser Prüfung seien die in den §§ 11, 12 FeV und den dortigen Anlagen 4, 5 und 6 genannten Anforderungen. Hierdurch solle sichergestellt werden, dass der Fahrzeugführer sicher in der Lage sei, alle in der konkreten Verkehrssituation geltenden Anforderungen zutreffend zu erfassen und sein Verhalten darauf einzustellen. Zusätzlich sei zu berücksichtigen, dass die Kraftfahrtauglichkeitsuntersuchung auch der Verhinderung von Verkehrsunfällen diene, die sich bei Polizeivollzugsbeamten schneller realisieren könnten, da diese vielfach unter Inanspruchnahme von Sonderrechten Dienstkraftfahrzeuge im Straßenverkehr führen müssten. In Anwendung dieser Rechtsgrundlagen sei dem Kläger zu Recht die Berechtigung zum Führen von Dienstkraftfahrzeugen entzogen worden. Welche Untersuchungen notwendig seien, um die hierfür erforderliche Eignung eines Polizeivollzugsbeamten verlässlich zu beurteilen, sei in erster Linie eine medizinische Frage, die vom Arzt, hier vom Polizeiärztlichen Dienst beim Polizeipräsidium, zu beantworten sei. Vorliegend sei dieser zu dem Ergebnis gekommen, dass er Erkrankungen wie schwere Bluterkrankungen, Erkrankungen der Nieren, endokrine Störungen wie Diabetes oder sonstige Stoffwechselerkrankungen sowie psychische Erkrankungen, Sucht (Alkohol, Drogen, Arzneimittel) verantwortlich nur ausschließen könne, wenn zuvor ein Blutbild des jeweiligen Beamten mit bestimmten näher festgelegten Mindestangaben erstellt worden sei. Diese Änderung der bisherigen Untersuchungsmethode sei nicht willkürlich, sondern beruhe auf den Vorgaben der FeV und einer Dienstbesprechung der Polizeiärzte vom 14. September 2005.
Die Einwendungen des Klägers änderten an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verfügung nichts. Eine Rechtsgrundlage für die Kraftfahrtauglichkeitsuntersuchungen und die Berechtigung, Blutentnahmen zu verlangen, bestehe nach den vorstehenden Ausführungen. Soweit der Kläger darauf abstelle, es gebe für die Dienstanweisung keine rechtlichen Grundlagen, sei dies unerheblich, weil die Dienstanweisung lediglich deklaratorischen Charakter habe und nur auf die Neubewertung durch den Polizeiärztlichen Dienst hinweise. Die Ausgestaltung der Tauglichkeitsuntersuchung im Einzelfall sei in erster Linie Sache des Polizeiarztes. Auch die Ansicht, die Ausnahmeregelungen in den §§ 73 Abs. 4, 74 Abs. 5 FeV berechtigten nicht zu Verschärfungen der Vorgaben der FeV, treffe nicht zu. Diese Vorschriften enthielten hierzu keinerlei Regelungen. Insbesondere sei die Polizei gemäß § 74 Abs. 5 FeV lediglich in zwingenden Einsatzlagen von der Einhaltung der Vorgaben der FeV befreit, in allen anderen Fällen aber in gleicher Weise wie Private verpflichtet, die Vorschriften der FeV einzuhalten. Somit müssten auch im Polizeibereich die allgemeinen Vorgaben der §§ 11, 12 FeV vorliegen, um die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bejahen zu können. Ferner seien das Recht auf körperliche Unversehrtheit und der Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes nicht verletzt. Gesetzliche Grundlage der FeV sei § 6 Abs. 1 Nr. 1, 3, 6, 7, 9, 17 StVG. Zwar enthielten die §§ 11, 12 FeV keine ausdrückliche Ermächtigung zur Anordnung von Blutproben, doch ergebe sich hieraus nicht die Rechtswidrigkeit der Maßnahme. Je intensiver Maßnahmen in die Rechte eines Betroffenen eingriffen, umso konkreter müssten die Ermächtigungen sein. Die verlangte Blutprobe habe aber nur zur Folge, dass der Betroffene die Befugnis zum Führen von Dienstkraftfahrzeugen nicht erhalte. Sie gehe über die Mitwirkung, zu der ein Beamter im Rahmen einer Untersuchung seiner Einsatz- und Verwendungsmöglichkeiten sowie der Polizeidienstfähigkeit verpflichtet sei, nicht hinaus.
Der Kläger hat am 8. Mai 2006 die vorliegende Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Er ist der Auffassung, bei der Gestattung des Führens von Dienstkraftfahrzeugen handele es sich um einen Verwaltungsakt, sodass ein Verpflichtungs-, hilfsweise ein Bescheidungsantrag zu stellen sei. Außerdem solle festgestellt werden, dass er ohne konkrete Anhaltspunkte nicht verpflichtet ist, sich einer Blutuntersuchung zu unterziehen. Die angegriffene Verfügung sei rechtswidrig, da es hierfür keine Ermächtigungsgrundlage gebe. Auf das Schreiben der Landesbeauftragten für Datenschutz und die Widerspruchsbegründung werde verwiesen. Das Rechtsstaatgebot und das Demokratieprinzip verpflichteten den Gesetzgeber, in grundlegenden Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen. Die Ausführungen im Widerspruchsbescheid änderten hieran nichts. Der Runderlass des Innenministeriums vom 10. Oktober 2003 stelle keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage dar. Gleiches gelte für § 73 FeV, zumal die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften nicht darauf ausgerichtet seien, den Behörden Grundlagen für generelle Gesundheitsvorsorgeuntersuchungen zu verschaffen.
Soweit sich der Beklagte auf die Entscheidung des VG Minden vom 2. März 1999 (4 K 3739/97) stütze, sei festzuhalten, dass das dortige Gericht seine Rechtsauffassung, die Vornahme einer Blutuntersuchung sei nicht zu beanstanden, nicht begründet habe. Gleiches gelte für den im Widerspruchsbescheid erwähnten Beschluss des VG Frankfurt (NJW 1988, 1864). Demgegenüber ergebe sich aus dem Urteil des VG Arnsberg vom 12. Dezember 2001 (2 K 1644/00) und dem Beschluss des OVG NRW vom 14. Dezember 1999 (6 B 1909/99), dass ein sachlicher Grund für die Blutuntersuchung vorliegen müsse. Dem entsprächen auch die berufsgenossenschaftlichen Regeln zum sogenannten G25, wonach Blutuntersuchungen nur bei unklaren Fällen vorgesehen seien und auf Einzelfälle beschränkt bleiben sollten. Auch die Regeln zur Fahrtauglichkeit im Straßenverkehr ließen nach der dortigen Rechtsprechung die Anforderung einer fachärztlichen Untersuchung nur bei tatsächlichen Feststellungen zu, die bei vernünftiger lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis der Fahruntüchtigkeit begründeten. Die Anordnung der Untersuchung oder Blutprobe müsse anlassbezogen verhältnismäßig sein. Auf die Entscheidung des OVG für das Saarland vom 29. Dezember 2005 (1 Y 15/05) und auf die §§ 11 Abs. 2 Satz 1, 46 Abs. 3 FeV werde hingewiesen. Solche einzelfallbezogenen Tatsachen lägen im streitigen Fall indes nicht vor. Auch sei eine Blutentnahme strafrechtlich unter dem Gesichtspunkt der Nötigung und der Körperverletzung relevant; zwar habe die Staatsanwaltschaft auf eine Strafanzeige der Deutschen Polizeigewerkschaft die Ermittlungen nicht aufgenommen, doch seien die rechtlichen Erwägungen hierzu rechtsirrig. Desweiteren sei die angegriffene Verfügung unter personalvertretungsrechtlichen Aspekten rechtswidrig. Der Beschluss der Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen beim VG Düsseldorf vom 16. Februar 2006, wonach die Dienstanweisung nicht der Mitbestimmung unterliege, werde derzeit in der Beschwerdeinstanz überprüft.
Vor allem aber genüge die Verfügung nicht verfassungsrechtlichen Anforderungen. Eine Blutentnahme greife in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) ein. Solche Eingriffe stünden gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG unter dem Vorbehalt des Gesetzes. Außerdem werde das Recht auf informationelle Selbstbestimmung berührt. Der Zwang zur Abgabe personenbezogener Daten setze eine spezifische und präzise Ermächtigungsgrundlage voraus, die sich auf bestimmte Zwecke beschränke; hierbei seien unabhängige Datenschutzbeauftragte zu beteiligen. All dies sei vorliegend nicht erkennbar. Auch müsse das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG bei der Anordnung derartiger Blutuntersuchungen beachtet werden. Diese müsse daher anlassbezogen und verhältnismäßig sein. Es seien also verdachtsauslösende Momente erforderlich, die hier fehlten.
Schließlich sei die angegriffene Verfügung ermessensfehlerhaft. Dabei werde zunächst darauf hingewiesen, dass es in dem im Widerspruchsbescheid zitierten Protokoll der Dienstbesprechung der Polizeiärzte vom 14. September 2005 heiße, eine Blutuntersuchung sei nicht generell erforderlich, sondern nur in begründeten Einzelfällen. Zudem seien die Regelungen in Ziffer 3.2 und 3.3 des Runderlasses nicht berücksichtigt. Hiernach sei demjenigen, der den Termin einer Untersuchung oder Nachuntersuchung nicht wahrgenommen und innerhalb von sechs Monaten nicht nachgeholt habe, das Führen von Dienstkraftfahrzeugen zu untersagen. Jedoch sei dem Kläger das Fahrverbot bereits vor Ablauf der sechs Monate erteilt worden. Außerdem ergebe sich aus Ziffer 3.3, dass der Behörde ein Ermessen bei der Frage eingeräumt sei, ob das Führen von Dienstfahrzeugen eingeschränkt oder mit Auflagen gestattet werde. Von diesem Ermessen habe der Beklagte überhaupt keinen Gebrauch gemacht. Insbesondere sei dem Kläger nicht die Auflage erteilt worden, sich einer Nachuntersuchung zu unterziehen.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung der Mitteilung des Polizeipräsidiums E vom 20. Februar 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung E1 vom 6. April 2006 zu verurteilen, ihm - dem Kläger - die Führung von Dienstfahrzeugen zu gestatten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte stützt sich zur Begründung auf sein bisheriges Vorbringen und tritt insbesondere der Auffassung der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfragen entgegen, wonach die Anordnung von Blutproben einen unzulässigen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit darstelle und gegen Datenschutzbestimmungen verstoße. Der Polizeiarzt halte Blutuntersuchungen zum Ausschluss bestimmter, die Fahrtauglichkeit beeinträchtigender Erkrankungen für zwingend erforderlich. Weigerten sich Beamte, den erforderlichen Nachweis ihrer Fahrtauglichkeit zu erbringen, sei ihnen die Führung von Dienstkraftfahrzeugen zu untersagen. Hierin liege kein Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, weil sich die betroffenen Beamten mit ihrem freiwilligen Eintritt in das Beamtenverhältnis in ein besonderes Pflichtverhältnis begeben hätten, das zur Einschränkung der Grundrechtsausübung durch Beamte berechtige. Die gemäß Art. 33 Abs. 5 GG zu berücksichtigenden hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums würden durch die §§ 55 ff. LBG konkretisiert. Aus der Pflicht zur vollen Hingabe an den Beruf ergebe sich die Verpflichtung des Beamten, bei der Feststellung seiner gesundheitlichen Eignung für bestimmte Aufgaben im erforderlichen Umfang mitzuwirken. Vorliegend werde dem Kläger lediglich auferlegt, sich neben sonstigen Untersuchungen einer geringfügigen Blutentnahme zu unterziehen. Eine solche unwesentliche Grundrechtseinschränkung habe er hinzunehmen. In diesem Sinne habe das Sächsische Oberverwaltungsgericht am 17. November 2005 entschieden, ein Richter sei im Rahmen seines Dienstverhältnisses verpflichtet, an der erforderlichen Klärung seines Gesundheitszustandes mitzuwirken. Die weitere Auffassung des Klägers, eine Blutentnahme sei nur in begründeten Einzelfällen zulässig, sei unzutreffend. Die nach dem Runderlass des Innenministeriums geforderten ärztlichen Aussagen zu einer Reihe von Krankheitsbildern könne der Polizeiarzt nach seinen überzeugenden Einlassungen nur ausschließen, wenn er das Blut untersuchen könne. Soweit der Kläger die Anordnung von Blutentnahmen als strafrechtlich relevante Nötigung ansehe, werde auf die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft E vom 14. März 2006 hingewiesen, wonach die Anordnung nicht rechtswidrig im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB sei, weil eine Blutuntersuchung sachgerecht, geboten und erforderlich sei, um die Sicherheit der Polizeibeamten und der Öffentlichkeit bei Einsatzfahrten zu gewährleisten. Das dem Kläger in Aussicht gestellte Disziplinarverfahren sei vielmehr gerechtfertigt, weil ein Beamter sich nicht weigern dürfe, dienstliche Weisungen zu befolgen. Soweit der Kläger ferner auf das noch offene personalvertretungsrechtliche Verfahren verweise, sei der Ausgang dieses Verfahrens ohne Belang, weil die Frage des Umfangs der Kraftfahrtauglichkeitsüberprüfung bzw. die Verpflichtung zur Blutentnahme dort nicht geklärt werde. Schließlich führten auch die Ausführungen zum Ermessen nicht zum Erfolg. Ende des Jahres 2005 seien ca. 800 Polizeibeamte zum Teil schon jahrelang nicht mehr im Besitz einer gültigen Kraftfahrtauglichkeitsbescheinigung gewesen. Der Kläger sei 1993 und 1996 offenbar aufgefordert worden, sich zu einer Kraftfahrtauglichkeitsuntersuchung einzufinden, sei dem aber - wie viele andere Polizeibeamte - nicht nachgekommen. Eine Kraftfahrtauglichkeitsbescheinigung befinde sich jedenfalls nicht in der Personalakte. Inzwischen sei das Verfahren umgestellt worden. Die Aufforderungen zur Untersuchung und die Abwicklung der Rückstände habe sich bis auf Einzelfälle reibungslos gestaltet. Es hätten sich bis Anfang Juni 2006 bereits ca. 500 Beamte der Kraftfahrtauglichkeitsuntersuchung in vollem Umfang unterzogen. Da der Runderlass des Innenministeriums seit Oktober 2003 - anders als vorher - eine Untersagung des Führens von Dienstkraftfahrzeugen vorsehe, sei von der Einräumung einer weiteren Nachholfrist bewusst Abstand genommen worden. Dies sei ermessensfehlerfrei. Auch gehe der Hinweis des Klägers auf Ziffer 3.3 des Runderlasses zur Erteilung der Tauglichkeitsbescheinigung unter Einschränkungen oder Auflagen ins Leere, da der Polizeiarzt dem Kläger weder Kraftfahrtauglichkeit noch eine bedingte Kraftfahrtauglichkeit bescheinigt habe.
Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
Gründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Sie ist allerdings zulässig und insbesondere als allgemeine Leistungsklage statthaft. Die begehrte Gestattung, Dienstkraftfahrzeuge führen zu dürfen, ist mangels Außenwirkung kein Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG NRW. Sie gehört vielmehr zu der Vielzahl der Maßnahmen, die zur Erhaltung und Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung unerlässlich sind und nach ihrem objektiven Sinngehalt auf organisationsinterne Wirkung abzielen, weil sie den Beamten nicht als Träger subjektiver Rechte, sondern als Amtswalter und Glied der Verwaltung ansprechen.
Hierzu im Einzelnen Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 22. Mai 1980 - 2 C 30.78 -, BVerwGE 60, 144, 145 ff., sowie Urteil vom 2. März 2006 - 2 C 3/05 -, DokBer B 2006, 225 = IÖD 2006, 158; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 28. November 1979 - 6 B 1013/79 -, JURIS; Hess. Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 11. Juli 1991 - 1 TG 806/91 -, JURIS.
Die Klage ist aber nicht begründet. Die Versagung der Gestattung, Dienstkraftfahrzeuge zu führen, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO in entsprechender Anwendung). Er hat keinen Anspruch darauf, ihm das Führen von Dienstkraftfahrzeugen zu gestatten. Das Polizeipräsidium hat dies in der Mitteilung vom 20. Februar 2006 zu Recht abgelehnt.
Grundsätzlich gilt für den Straßenverkehr gem. § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG, dass geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat. In § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe c) StVG hat der Gesetzgeber das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ermächtigt, Rechtsverordnungen unter anderem über die Anforderungen an die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu erlassen. Das ist in Form der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr und zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 18. August 1998 (BGBl I S. 2214 ff.; nachfolgend: FeV) geschehen, welche die Zulassung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Einzelnen regelt.
Spezielle Regeln gelten dort für den Bereich der Polizeivollzugsbeamten. Für deren Kraftfahreignung ist auf § 73 Abs. 4 FeV abzustellen. Danach werden die Zuständigkeiten für den Dienstbereich der Polizei durch deren Dienststellen nach Bestimmung der Fachministerien wahrgenommen. Eine solche Bestimmung eines Fachministeriums ist der Runderlass des Innenministeriums vom 10. Oktober 2003 (44.3 - 2540, MBl. NRW. 2003 S. 1168) in der Fassung vom 7. April 2004 (MBl. NRW. 2004 S. 438) zum Führen von Dienstkraftfahrzeugen der Polizei (nachfolgend: Erlass). Nach der dortigen Nr. 3.1 sind die Personen, die ein Dienstkraftfahrzeug der Polizei führen sollen, in bestimmten Abständen auf ihre Kraftfahrtauglichkeit zu untersuchen. Nach Nr. 3.2 Satz 3 des Erlasses ist der betroffenen Person das Führen von Dienstkraftfahrzeugen zu untersagen, wenn der Termin einer Untersuchung oder Nachuntersuchung nicht wahrgenommen und innerhalb einer Frist von 6 Monaten nicht nachgeholt wird.
Das Polizeipräsidium durfte sich bei seiner streitgegenständlichen Entscheidung vom 20. Februar 2006 auf diese Vorschriften stützen. Deren Voraussetzungen liegen vor.
Der Kläger hat den Untersuchungstermin im Sinne der Nr. 3.2 Satz 3 des Erlasses nicht wahrgenommen. Er ist zwar beim Polizeiärztlichen Dienst zum vorgesehenen Termin erschienen, hat sich körperlich untersuchen lassen und auch sonst mitgewirkt. Er hat jedoch die von ihm verlangte Blutuntersuchung verweigert. Das "Wahrnehmen" eines Untersuchungstermins setzt aber die Mitwirkung an allen vom Polizeiarzt für notwendig befundenen, rechtlich zulässigen Untersuchungsmaßnahmen voraus.
Bei der vom Kläger verlangten Blutuntersuchung handelt es sich um eine rechtlich zulässige Maßnahme in diesem Sinne. Der Polizeiarzt durfte sie im Einklang mit der Dienstanweisung des Polizeipräsidiums vom 30. Mai 2005 einfordern, obwohl einzelfallbezogene Anhaltspunkte für das Vorliegen von Erkrankungen, zu deren Feststellung die Blutuntersuchung beitragen kann, nicht bestanden.
Der Erlass bietet hierfür eine ausreichende rechtliche Grundlage. Dabei ist auf Nr. 3.2 Satz 2 abzustellen, welche die in den Anlagen 4, 5 und 6 zu den §§ 11,12 und 13 FeV genannten Anforderungen für die einzelnen Führerscheinklassen als für die Beurteilung der Fahrtauglichkeit maßgeblich erklärt. Zu den dortigen Anforderungen gehören die in Anlage 4 aufgeführten, häufiger vorkommenden Erkrankungen und Mängel, welche die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen längere Zeit beeinträchtigen oder aufheben können. Aufgelistet sind insbesondere Zuckerkrankheit, Psychische Störungen, Missbrauch von Alkohol, Einnahme von Betäubungs- und Arzneimitteln sowie Nierenerkrankungen. Auch in den Anlagen 5 und 6 werden Erkrankungen bzw. Störungen detailliert benannt, wobei Anlage 6 allerdings nur Anforderungen an das Sehvermögen enthält, die für eine Blutuntersuchung nicht von Belang sind. Zwar sieht der Erlass nicht zwingend Blutuntersuchungen ohne einzelfallbezogene Verdachtsmomente vor und fordert auch nicht ausdrücklich einen "Ausschluss" der die Fahrtauglichkeit beeinträchtigenden Erkrankungen. Durch den Verweis auf die Anforderungen der Anlagen 4, 5 und 6 der §§ 11, 12 und 13 FeV, die für die Beurteilung "maßgeblich" seien, lässt er aber offen, in welcher Weise sie zu berücksichtigen sind. Damit wird den Polizeidienststellen, die ohnehin - nach Bestimmung der Fachministerien - gemäß § 73 Abs. 4 FeV für die Zulassung von Polizeibeamten zum Straßenverkehr zuständig sind, in der Frage der Anordnung allgemeiner oder aber einzelfallbezogener Blutuntersuchungen ein Gestaltungsspielraum eingeräumt.
Das Polizeipräsidium hat die verdachtsunabhängige Blutuntersuchung vom Kläger verlangt, um Erkrankungen und Beeinträchtigungen auszuschließen, die in den Anlagen 4 und 5 der FeV genannt sind. Damit bewegt es sich in dem vom Erlass vorgegebenen Rahmen, denn die in diesen Anlagen genannte Anforderungen waren damit für die Fahrtauglichkeitsuntersuchung "maßgeblich" im Sinne von Nr. 3.2 Satz 2 des Erlasses.
Die Forderung einer verdachtsunabhängigen Blutuntersuchung steht zudem im Einklang mit höherrangigen Rechtsvorschriften.
Insbesondere ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht verletzt.
Unter den Bedingungen der modernen Datenverarbeitung wird der Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten von dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG umfasst. Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Einschränkungen dieses Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sind nur im überwiegenden Allgemeininteresse zulässig und bedürfen einer verfassungsgemäßen Grundlage.
Vgl. grundlegend Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 15. Dezember 1983 -1 BvR 209/83 u.a. -, BVerfGE 65, 1 ff. (Volkszählungsurteil).
Vorliegend werden zwar mit der beabsichtigten Blutuntersuchung Daten erhoben und verwandt, welche die Gesundheit des Klägers betreffen, sodass in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen wird. Es ist aber nicht verletzt, weil dieser Eingriff auf einer ausreichenden verfassungsgemäßen Grundlage beruht.
Dabei handelt es sich um § 4 Abs. 3 des Datenschutzgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 9. Juni 2000 (GV.NRW. 2000, S. 542, nachfolgend: DSG), welches das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) verdrängt. Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 BDSG ist für die Datenerhebung öffentlicher Stellen der Länder das Landesrecht vorrangig.
Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 DSG ist die Verarbeitung personenbezogener Daten über die Gesundheit nur zulässig, wenn sie in einer Rechtsvorschrift geregelt ist, die den Zweck der Verarbeitung bestimmt sowie angemessene Garantien zum Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung vorsieht. Darüber hinaus sind weitere Fälle zulässiger Datenverarbeitung in § 4 Abs. 3 Satz 2 DSG vorgesehen.
§ 4 Abs. 3 DSG ist auf den vorliegenden Fall anwendbar.
Bei der vorgesehenen Untersuchung des Blutes des Klägers werden personenbezogene Daten verarbeitet. Datenverarbeitung ist gemäß § 3 Abs. 2 DSG das Erheben, Speichern, Verändern, Übermitteln, Sperren, Löschen und Nutzen personenbezogener Daten, wobei unter Erheben das Beschaffen von Daten über die betroffene Person verstanden wird (§ 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 DSG). Die Dienstanweisung des Polizeipräsidiums vom 30. Mai 2005 sieht vor, dass bei der Blutuntersuchung Angaben zu Blutzucker, Leberwerten (Gamma-GT, SGOT, SGPT) und Kreatinin gewonnen werden sowie ein "großes" Blutbild (Ery, Hb, Leuko, diff. BB, Thrombo, MCV) erstellt wird. Hierbei handelt es sich um eine Erhebung und damit eine Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne des § 4 Abs. 3 DSG.
Die aus der Blutuntersuchung gewonnenen medizinischen Daten sind ferner besonders sensibel im Sinne des § 4 Abs. 3 DSG. Diese Vorschrift betrifft speziell auch die Erhebung medizinischer Daten und stellt sie unter einen besonderen Schutz, da sie die Persönlichkeit der betroffenen Person in ihrem Kernbereich betreffen,
vgl. Stähl/Pohler, Datenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 3. Auflage, § 4 Rn. 10.
Damit betrifft § 4 Abs. 3 DSG den hier zu entscheidenden Fall.
Allerdings kann sich das Polizeipräsidium nicht auf § 4 Abs. 3 Satz 1 DSG stützen. Eine Rechtsvorschrift im Sinne dieser Norm, welche die Einzelheiten der Datenerhebung der in Rede stehenden Blutuntersuchungen bei Polizeivollzugsbeamten regelt, gibt es nicht. Dabei lässt die Kammer ausdrücklich offen, ob insoweit nur eine Rechtsnorm im materiellen Sinne in Betracht kommt
- vgl. Stähler/Pohler, a.a.O., § 4 Rn. 4: nur Gesetze, Rechtsverordnungen und Satzungen; nicht ausreichend seien Verwaltungsvorschriften, Erlasse und Richtlinien -
oder ob auch nachrangige Rechtsvorschriften
- vgl. Gola/Schomerus, Bundesdatenschutzgesetz, Kommentar, 8. Auflage, § 4 Rn 7: auch normative Teile von Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen etc. -
die Datenverarbeitung zulassen können. Hierauf kommt es nicht an, weil keine Vorschrift - gleich welcher Art - erkennbar ist, die die inhaltlichen Anforderungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 DSB erfüllt, mithin den Zweck der Verarbeitung bestimmt sowie angemessene Garantien zum Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung vorsieht: Die Dienstanweisung des Polizeipräsidenten vom 30. Mai 2005 sieht zwar die obligatorische Blutentnahme vor, trifft jedoch keinerlei Aussagen dazu, wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geschützt wird. Der Erlass des Innenministeriums enthält derartige Aussagen ebensowenig. Gleiches gilt für die Anlagen 4, 5 und 6 zu den §§ 11,12 und 13 FeV, auf die Nr. 3.2 Satz 2 des Erlasses verweist. Anlage 4 enthält lediglich häufiger vorkommende Erkrankungen und Mängel, die die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen tangieren, jedoch keine Regelung zur Notwendigkeit einer Datenerhebung durch Entnahme und Untersuchung von Blutproben oder gar zum Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Anlage 5 enthält im wesentlichen ein Muster der Bescheinigung über die ärztliche Untersuchung, in dem ebenfalls eine Reihe einzelner Erkrankungen und Störungen aufgelistet ist, zu denen der Arzt sich äußern soll. Anlage 6 schließlich betrifft lediglich Einzelheiten zu den Anforderungen an das Sehvermögen. Auch die §§ 73 Abs. 4 und 74 Abs. 5 FeV werden inhaltlich den Anforderungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 DSG nicht gerecht. Hierbei handelt es sich zwar um materielles Recht, doch fehlen Angaben zum Zweck der Datenverarbeitung sowie zu angemessenen Garantien zum Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Vielmehr handelt es sich bei § 73 Abs. 4 FeV um eine Zuständigkeitsvorschrift. § 74 Abs. 5 FeV lässt unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen von den in der FeV enthaltenen Regelungen zur Zulassung von Personen zum Straßenverkehr zu und ist damit inhaltlich auch keine Rechtsvorschrift im Sinne des Datenschutzes. Ebenfalls nicht in Betracht kommt eine Heranziehung des Grundsatzes der Berufsgenossenschaft zu Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten ("G 25") als Rechtsvorschrift im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 DSG NRW. Er gibt zwar Anhaltspunkte für gezielte arbeitsmedizinische Vorsorge, um Unfall- und Gesundheitsgefahren bei Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten für Untersuchte oder Dritte zu verhindern und enthält den allgemein anerkannten Stand der Arbeitsmedizin für den hier relevanten Bereich der Blutuntersuchungen zur Feststellung der Fahrtauglichkeit,
vgl. Berufsgenossenschaft der Straßen-, U-Bahnen und Eisenbahnen, Kommentar zum G 25, Stand: Jan. 2004, Nr. 1 und Anlage "Häufige Fragen" Nr. 5 (Rechtscharakter), www.bgbahnen.de.
Bei dem G 25 handelt es sich aber weder um eine Rechtsvorschrift noch werden dort die notwendigen Einzelregelungen zum Zweck der Datenverarbeitung und zu Garantien für die informationelle Selbstbestimmung getroffen. Schließlich fehlen auch den allgemein gehaltenen Vorschriften zur beamtenrechtlichen Treuepflicht (§§ 57, 58 LBG) die notwendigen inhaltlichen Regelungen zum Datenschutz.
Demgemäß lässt sich die durch eine Blutuntersuchung erfolgte Verarbeitung sensibler Gesundheitsdaten nicht auf eine Rechtsvorschrift im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 DSG stützen.
Jedoch ist die Verarbeitung der Daten gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 DSG zulässig. In dieser Vorschrift, auf die im übrigen die Landesdatenschutzbeauftragte in ihrer Stellungnahme vom 22. Juni 2005 nicht mehr einging, sind in vier abschließend aufgeführten Fällen Durchbrechungen des Grundsatzes des Vorbehalts einer speziellen Rechtsvorschrift vorgesehen,
vgl. Stähler/Pohler, a.a.O., § 4 Rn. 10.
Unter anderem ist die Verarbeitung sensibler Gesundheitsdaten zulässig, wenn sie auf der Grundlage des § 29 DSG (Nr. 4 Buchstabe a) oder für die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit (Nr. 4 Buchstabe c) erforderlich ist. Beides kommt vorliegend zum Tragen.
Zum einen ist § 4 Abs. 3 Satz 2 Buchstabe a) DSG in Verbindung mit § 29 Abs. 1 Satz 1 DSG einschlägig. In § 29 DSG geht es unter anderem um die Verarbeitung der Daten von Beschäftigten anlässlich der Eingehung, Durchführung, Beendigung oder Abwicklung eines Dienstverhältnisses, insbesondere auch zu Zwecken der Personalplanung und des Personaleinsatzes. Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 DSG darf eine Datenverarbeitung nur erfolgen, wenn sie aus den vorgenannten Gründen erforderlich ist. Diese Bestimmung ist hier maßgeblich. Zwar enthält § 29 Abs. 3 DSG darüber hinaus eine besondere Regelung zur Weiterverarbeitung der bei ärztlichen Untersuchungen erhobenen Daten, doch betrifft sie nicht den vorliegenden Fall und kommt daher als spezielleres Gesetz nicht vorrangig zur Anwendung. Geregelt ist dort nur, dass bei Eingehung des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses erhobene Daten nunmehr (zu einem anderen Zweck) weiterverarbeitet werden sollen. Demgegenüber geht es vorliegend um die zur Durchführung eines laufenden Dienstverhältnis zum Zweck des Personaleinsatzes erhobenen Daten gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 DSG, da die im Rahmen der Blutuntersuchungen ermittelten Daten dem Ziel dienen, fahruntaugliche Beamte zu erkennen und nicht mehr als Führer von Dienstkraftfahrzeugen einzusetzen.
Desweiteren greift § 4 Abs. 3 Satz 2 Buchstabe c) DSG ein. Ausweislich der im laufenden Verfahren gegebenen Begründung der verdachtsunabhängigen Blutuntersuchung geht es dem Polizeipräsidenten bei den Fahrtauglichkeitsuntersuchungen nicht allein um Fragen des Personaleinsatzes, sondern letztlich auch um die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit (§ 4 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 c) DSG). So hat er etwa im Widerspruchsbescheid ausgeführt, die Kraftfahrtauglichkeitsuntersuchung diene auch der Verhinderung von Verkehrsunfällen, die sich bei Polizeibeamten schneller realisieren könnten, da diese vielfach unter Inanspruchnahme von Sonderrechten Dienstkraftfahrzeuge im Straßenverkehr führen müssten. Die Vermeidung von Verkehrsunfällen betrifft indes die öffentliche Sicherheit.
Die Entscheidung des Polizeipräsidiums, verdachtsunabhängige Blutuntersuchungen seien im Rahmen des Dienstverhältnisses für den Personaleinsatz (§ 4 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 Buchstabe a) DSG) und zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit (§ 4 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 Buchstabe c) DSG) erforderlich, ist nicht zu beanstanden.
Dabei verkennt die Kammer nicht die besondere Bedeutung des Erforderlichkeitsgrundsatzes, der den Datenschutz im öffentlichen Bereich prägt und Grundlage des vom Bundesverfassungsgericht in den Mittelpunkt des Datenschutzrechts gestellten Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung ist.
Vgl. BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u.a. -, NJW 1984, 419 ff.; Gola/Schomerus, a.a.O., § 13 Rn. 3.
Erforderlich ist die Erhebung von Daten, wenn ihre Kenntnis zur Erreichung des konkreten Zwecks objektiv geeignet und im Verhältnis zum angestrebten Zweck auch notwendig ist. Das Erforderlichkeitsprinzip zwingt die öffentliche Verwaltung, sich auf das zur regelmäßigen Erfüllung ihrer Aufgaben unerlässliche Minimum zu beschränken. Hierbei sind strenge Maßstäbe anzulegen. Es kommt darauf an, dass die Aufgabe ohne Kenntnis dieser Daten nicht, nicht vollständig, nicht zeitgerecht oder nicht in rechtmäßiger Weise erfüllt werden kann. Dabei genügt nicht, dass die Datenerhebung zur Aufgabenerfüllung lediglich geeignet ist oder sie erleichtert,
vgl. BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983, a.a.O.; Stähler/Pohler, § 12 Rn. 2; Gola/Schomerus, a.a.O., § 13 Rn. 3.
Eine Blutentnahme ist unstreitig geeignet, zur Gewinnung von Erkenntnissen über die Fahrtauglichkeit beizutragen. Desweiteren ist die Einschätzung des Dienstherrn, die Blutentnahme sei mangels geeigneter anderer, weniger belastender Untersuchungsmethoden auch erforderlich, weil er bei Beschränkung auf sonstige Untersuchungsmethoden die Überprüfung der Kraftfahrtauglichkeit nicht vollständig vornehmen könne, nicht zu beanstanden. Bei Beurteilung der Eignung und Erforderlichkeit steht dem Dienstherrn ein gerichtlich nur begrenzt nachprüfbarer Einschätzungsspielraum zu, dessen inhaltliche Reichweite insbesondere von Schwere und Intensität des jeweiligen Eingriffs abhängt,
vgl. BVerwG, Urteile vom 2. März 2006 - 2 C 3/05 - , a.a.O. (durch Rundschreiben geregelte Haarlänge bei Polizeibeamten)
und vom 15. Januar 1999 - 2 C 11/98 -, NJW 1999, 1985 f. (Leitlinien zum Erscheinungsbild von Polizeivollzugbeamten);
BVerfG, Beschluss vom 10. Januar 1991 - 2 BvR 550/90 - , NJW 1991, 1477 f. (Verbot für Zollbeamte, Ohrschmuck zu tragen).
Hiernach ist die Vorgabe des Polizeipräsidiums, eine Blutentnahme ohne konkrete Verdachtsmomente sei erforderlich, nur daraufhin zu überprüfen, ob sie auf plausible und nachvollziehbare Gründe gestützt ist. Diesen Anforderungen genügt die Dienstanweisung des Polizeipräsidiums. Sie ist auf Anregung des Polizeiarztes ergangen, der mit seiner Begründung den Polizeipräsidenten nach eigenen Angaben überzeugt hat. Der Polizeiarzt hat in der mündlichen Verhandlung hinreichend plausibel und nachvollziehbar erläutert, weshalb er Blutuntersuchungen auch ohne verdachtsauslösende Tatsachen für erforderlich hält. Er hat ausgeführt, in seiner langjährigen Praxis - ohne Durchführung einer Blutuntersuchung - Polizeibeamten die Kraftfahrtauglichkeit bescheinigt zu haben, bei denen sich später herausgestellt habe, dass sie unter Alkoholproblemen bzw. sonstigen Erkrankungen gelitten hätten, welche die Kraftfahrtauglichkeit ausgeschlossen hätten. Daher könnten allein aufgrund der sonstigen Untersuchungsmethoden und Tests wie etwa der Anamnese, der körperlichen Untersuchung und der Urinprobe die Anzeichen für die fraglichen Erkrankungen nicht rechtzeitig festgestellt werden. Verlässliche Hinweise ergäben sich auf diese Weise erst, wenn sich die Erkrankungen schon im Endstadium befänden und Dienstunfähigkeit gegeben sei. Eine Blutuntersuchung sei daher erforderlich, damit keine Anhaltpunkte vorlägen, die einer Fahrtauglichkeit entgegenstünden. Diese Argumentation ist in sich schlüssig und lässt die Entscheidung des Polizeipräsidiums nachvollziehbar erscheinen.
Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist nach alledem nicht verletzt.
Desweiteren liegt auch keine Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG vor.
Allerdings ist die vom Kläger verlangte Blutentnahme mit einem Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit verbunden. Durch den Einstich mit der Nadel und die Entnahme von Blut würde die körperliche Integrität geringfügig beeinträchtigt.
Indes ist Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht verletzt, weil der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit im Einklang mit Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage beruht. Es handelt sich um die beamtenrechtliche Treuepflicht, die als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums in Art. 33 Abs. 5 GG sowie einfachgesetzlich im Beamtengesetz des Landes Nordrhein-Westfalen ihren Niederschlag gefunden hat. Ein Beamter hat sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen (§ 57 Satz 1 LBG) und ist verpflichtet, die von seinen Vorgesetzten erlassenen Anordnungen auszuführen und ihre allgemeinen Richtlinien zu befolgen, sofern es sich nicht um Fälle handelt, in denen er nach besonderer gesetzlicher Vorschrift an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen ist (§ 58 LBG), etwa als Untersuchungsführer im Disziplinarverfahren. Hierbei handelt es sich um gesetzliche Regelungen, die unter anderem auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit einschränken,
vgl. Schütz, in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Kommentar, Loseblattsammlung, Stand: 06/06, Vorbemerkungen zu §§ 55-84, Rn. 6 und 13.
Der Kläger steht als Beamter in einem besonderen Gewaltverhältnis, das er freiwillig eingegangen ist und das auf die Leistung von Diensten unter vollem Einsatz seiner Person gerichtet ist. Er ist dadurch zwar nicht aus der allgemeinen Rechtsordnung ausgeklammert und kann insbesondere Träger von Grundrechten sein, unterfällt aber einem Sonderstatus, durch den für den Beamten besondere Pflichten begründet werden. Das Beamtenverhältnis stellt den Beamten in die unmittelbare Staatsorganisation und hat daher Auswirkungen auf sein Recht zur Ausübung der Grundrechte. Dazu gehört insbesondere seine Verpflichtung, sich Maßnahmen zu unterziehen, die der Überprüfung seiner Dienstfähigkeit dienen. Der Dienstherr muss die Möglichkeit haben festzustellen, ob der für einen verantwortungsvollen Dienst vorgesehene Beamte auch wirklich dienstfähig ist,
vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Februar 1972 - I D 38.71 -, BVerwGE 43, 305, 307; Schütz, a.a.O., Vorbemerkungen zu §§ 55-84, Rn. 5 und 6, sowie § 58 Rn. 4.
Das schließt die Befugnis ein, vom Kläger eine Blutuntersuchung zu verlangen, wenn dies aus dienstlichen Gründen geboten ist.
Ein Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip liegt darin nicht. Eine Blutentnahme ist unstreitig geeignet, zur Gewinnung von Erkenntnissen über die Fahrtauglichkeit beizutragen. Desweiteren ist die Einschätzung des Dienstherrn, die Blutentnahme sei mangels geeigneter anderer, weniger belastenden Untersuchungsmethoden auch erforderlich, nicht zu beanstanden. Wie bereits ausgeführt, steht dem Dienstherrn bei Beurteilung der Eignung und Erforderlichkeit ein gerichtlich nur begrenzt nachprüfbarer Einschätzungsspielraum zu, was dazu führt, die Vorgabe des Polizeipräsidiums, eine Blutentnahme ohne konkrete Verdachtsmomente sei erforderlich, nur daraufhin zu überprüfen, ob sie auf plausible und nachvollziehbare Gründe gestützt ist. Diesen Anforderungen genügt die Dienstanweisung des Polizeipräsidiums. Auf die entsprechenden Ausführungen im Zusammenhang mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird verwiesen. Die verdachtsunabhängige Blutentnahme steht ferner in einem angemessenen Verhältnis zu dem erstrebten Zweck. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Verletzung der körperlichen Integrität durch den Einstich mit einer Nadel und die Entnahme einer geringfügigen Menge Blut um einen eher geringfügigen Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit handelt. Auf der anderen Seite geht es darum zu verhindern, dass ein Polizeivollzugsbeamter unerkannt fahruntauglich ist und dennoch - u.U. unter Inanspruchnahme von Sonderrechten - ein Dienstkraftfahrzeug führt. Dass hierbei ein erhöhtes Unfallrisiko besteht und neben den Insassen des Dienstkraftfahrzeuges auch andere Verkehrsteilnehmer gefährdet würden, liegt auf der Hand. Das Verlangen, eine Blutentnahme zu dulden, ist daher angemessen und dem Kläger zumutbar.
Vgl. auch VG Frankfurt, Beschluss vom 28. März 1988 - II/V G 506/88 -, NJW 1988, 1864 f. (zur Verhältnismäßigkeit einer allgemeinen Blutuntersuchung bei einem Verkehrsteilnehmer, der seine Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung verlängern lassen will).
Bei den §§ 57 und 58 LBG handelt es sich schließlich um Gesetze im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG, die den Anforderungen des Art. 19 Abs. 1 GG genügen. Sie gelten allgemein und nicht nur für den Einzelfall. Soweit Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG darüber hinaus verlangt, dass sie das eingeschränkte Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen ("Zitiergebot"), gilt das nicht für die §§ 57 und 58 LBG. Bei der dort kodifizierten beamtenrechtlichen Treuepflicht handelt es sich um eine Ausprägung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (vgl. Art. 33 Abs. 5 GG) und damit um vorkonstitutionelles Recht. Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG findet jedoch keine Anwendung auf nach Inkrafttreten des Grundgesetzes erlassene Gesetze, die lediglich bereits geltende Grundrechtsbeschränkungen unverändert oder mit geringen Abweichungen wiederholen,
vgl. BVerfG, Entscheidungen vom 25. Mai 1956 - 1 BvR 190/55 -, BVerfGE 5, 13, und vom 10. Juni 1963 - 1 BvR 790/58 -, BVerfGE 16, 194 (zu § 81a StPO);
Damit steht eine verdachtsunabhängige Blutuntersuchung im Einklang mit höherrangigem Recht und durfte vom Kläger im Rahmen der Fahrtauglichkeitsuntersuchung verlangt werden. Durch die Ablehnung dieser Teiluntersuchung fehlt es an der "Wahrnehmung" des Untersuchungstermins im Sinne der Nr. 3.2 Satz 3 des Erlasses.
Die übrigen Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen ebenfalls vor. Der Kläger kann sich vor allem nicht darauf berufen, das Polizeipräsidium habe ihm das Führen von Dienstkraftfahrzeugen bereits am 20. Februar 2006 und damit zu einem Zeitpunkt versagt, zu dem die in Nr. 3.2 Satz 3 des Erlasses genannte Nachholfrist für die Fahrtauglichkeitsuntersuchung noch nicht verstrichen war. In dem Verhalten des Klägers liegt eine ernsthafte und endgültige Verweigerung einer Blutentnahme aus grundsätzlichen Erwägungen, die ein Abwarten der sechsmonatigen Frist als unnütze Förmelei erscheinen ließe. Mit der Berufung auf die Einhaltung dieser Frist setzt er sich in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten und handelt deshalb treuwidrig (Rechtsgedanke aus § 242 BGB).
Nr. 3.2 Satz 3 des Erlasses sieht als zwingende Rechtsfolge die Untersagung des Führens von Dienstkraftfahrzeugen vor ("... ist ... zu untersagen."). Ermessen wird nicht eingeräumt. Die Auffassung des Klägers, die angegriffene Mitteilung sei ermessensfehlerhaft, geht daher ins Leere. Hieran ändert auch sein Hinweis nichts, Nr. 3.3 des Erlasses sehe einen Entscheidungsspielraum bei der Frage vor, ob das Führen von Dienstkraftfahrzeugen eingeschränkt oder mit Auflagen gestattet werde. Diese Vorschrift kommt nicht zur Anwendung, weil sie die bedingte Kraftfahrtauglichkeit voraussetzt, während der Polizeipräsident von fehlender Kraftfahrtauglichkeit des Klägers ausgeht.
Auch die weiteren Einwendungen des Klägers führen zu keiner anderen Entscheidung.
Nach dem Beschluss der Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen beim Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 16. Februar 2006 (34 K 2783/05.PVL) bestand für die Dienstanweisung des Polizeipräsidiums vom 30. Mai 2005 keine Mitbestimmungspflicht durch den zuständigen Personalrat. Zwar ist der Beschluss nicht rechtskräftig, doch kommt es hierauf nicht an. Selbst wenn in der zweiten Instanz der Beschluss der Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen aufgehoben und eine Mitbestimmung als notwendig angesehen würde, wirkte sich dies auf das hier zu entscheidende Verfahren nicht aus: Fehlt bei allgemeinen Maßnahmen die erforderliche Mitbestimmung des zuständigen Personalrates, zieht dies nicht die Rechtswidrigkeit von individuellen dienstrechtlichen Maßnahmen, die in Anwendung der allgemeinen Maßnahme ergehen, nach sich,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Juli 2003 - 6 A 2419/00 - ; VG Münster, Urteil vom 2. November 2004 - 4 K 3600/02 - ; VG Düsseldorf, Urteil vom 23. Dezember 2004 - 2 K 8920/02 - ; VG Gelsenkirchen, Urteile vom 22. Juni 2005 - 1 K 6493/02 und 1 K 659/03 - und Beschluss vom 18. August 2006 - 1 L 946/06 - .
Die vom Kläger angeführten strafrechtlichen Erwägungen - die Blutentnahme sei unter dem Gesichtspunkt der Nötigung und der Körperverletzung relevant - teilt die Kammer nicht. Auch die Staatsanwaltschaft E hat das gegen den Polizeipräsidenten eingeleitete Ermittlungsverfahren mit Verfügung vom 14. März 2006 eingestellt.
Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, die Blutuntersuchung dürfe ihm nur abverlangt werden, wenn konkrete Verdachtsmomente gegen seine Fahrtauglichkeit sprächen, und sich hierbei auf Entscheidungen von Verwaltungsgerichten stützt, ist dem nicht zu folgen. Soweit im Zusammenhang mit der Entscheidung über die vorzeitige Zurruhesetzung von Beamten eine Untersuchung nur bei Zweifeln an der Dienstfähigkeit als zulässig angesehen wird (vgl. etwa Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Oktober 1980 - 2 A 4/78 -, DVBl 1981, 502 ff.), beruht dies auf ausdrücklichen gesetzlichen Vorgaben für das Zurruhesetzungsverfahren. Wenn das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 10. Februar 1972 (- I D 38.71 -, BVerwGE 43, 305 ff.) die Verpflichtung eines Beamten zur Teilnahme an einem Alkoholtest "insbesondere" bei Zweifeln an der Dienstfähigkeit des Beamten als zulässig angesehen hat, so folgt hieraus nicht, dass eine Mitwirkung an der Überprüfung der Dienstfähigkeit ausschließlich dann verlangt werden darf, wenn insoweit konkrete Zweifel bestehen. Ähnlich verhält es sich in dem vom Verwaltungsgericht Arnsberg entschiedenen Fall (vgl. Beschluss vom 5. Oktober 1999 - 2 L 1325/99 - und Urteil vom 12. Dezember 2001 - 2 K 1644/00 -). Das Gericht hat eine abweichende Bewertung nur für den Fall einer willkürlichen Blutuntersuchung erkennen lassen, die hier aber nicht in Rede steht. Die bestätigende Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts NRW (Beschluss vom 14. Dezember 1999 - 6 B 1909/99 -) enthält keine weiterführenden Rechtsausführungen. Schließlich lässt sich auch aus dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 29. Dezember 2005 (- 1 Y 15/05 -, NJW 2006, 1305 f.) nicht die vom Kläger vertretene Auffassung herleiten. Zwar verneinte das Gericht die Rechtmäßigkeit der Anordnung einer psychiatrischen Untersuchung, weil es Zweifel an der Fahreignung verneinte. Diese Entscheidung betraf aber nicht die Fahrtauglichkeit von Polizeivollzugsbeamten, sondern befasste sich mit der Bestimmung des § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV, der für Verkehrsteilnehmer allgemein gilt.
Nach alledem ist die Klage mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Das Gericht lässt die Berufung gemäß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu. Die Sache hat grundsätzliche Bedeutung, weil die Frage verdachtsunabhängiger Blutentnahmen bei Fahrtauglichkeitsuntersuchungen von Polizeivollzugsbeamten bislang nicht obergerichtlich geklärt ist, aber über den vorliegenden Fall hinaus Bedeutung erlangt.
VG Düsseldorf:
Urteil v. 19.09.2006
Az: 2 K 3129/06
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/7279d2dfe5ce/VG-Duesseldorf_Urteil_vom_19-September-2006_Az_2-K-3129-06