Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Mai 2006
Aktenzeichen: 15 W (pat) 354/04

(BPatG: Beschluss v. 11.05.2006, Az.: 15 W (pat) 354/04)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I.

Auf die am 6. Juni 2001 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte Patentanmeldung ist das Patent 101 27 319 mit der Bezeichnung "Wellnessgerät" erteilt worden. Die Veröffentlichung der Patenterteilung ist am 18. März 2004 erfolgt.

Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:

"1. Wellnessgerät aus elastischem, insbesondere zu Schwingungen anregbarem Material, im Wesentlichen bestehend aus einem stab- beziehungsweise stangenförmigen Gebilde (1) mit einem Griff (2) und Gewichten (4) und/oder an den in Längsrichtung gesehenen Enden des stab- bzw. stangenförmigen Gebildes (1) angeordneten als Gewicht ausgebildeten Schutzvorrichtungen (3), wobei die Schutzvorrichtung (3) und/oder die Gewichte (4) austauschbar ausgebildet sind und das die Gewichte (4) und den Griff (2) bildende Material ausreichende Spannkraft besitzt, um diese axial zu fixieren."

Wegen des Wortlauts der Patentansprüche 2 bis 24, die auf den Patentanspruch 1 rückbezogen sind, wird auf die Patentschrift verwiesen.

Gegen die Erteilung des Patents ist Einspruch erhoben worden von:

1. A... GmbH in B... (Einsprechende I)

mit Schriftsatz vom 17. Mai 2004, vorab als Telefax eingegangen am gleichen Tag, 2. C... in D... (Einsprechende II)

mit Schriftsatz vom 16. Juni 2004, vorab als Telefax eingegangen am gleichen Tag, 3. E... GmbH in F... (Einsprechende III)

mit Schriftsatz vom 17. Juni 2004, eingegangen am gleichen Tag.

Die Einsprechenden machen geltend, der Gegenstand des Patents sei nicht patentfähig, weil der beanspruchte Gegenstand nicht neu sei und nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Insbesondere handele es sich bei der Befestigung des Griffs durch materialeigene Spannkraft um eine elementare Maßnahme für den zuständigen Fachmann, der ein Techniker oder Ingenieur mit Berufserfahrung auf dem Gebiet der Sportgeräte sei. Außerdem meint die Einsprechende III, dass das Merkmal, wonach die Schutzvorrichtungen (3) austauschbar ausgebildet sind, ursprünglich nicht in Alleinstellung offenbart sei. Den ursprünglichen Unterlagen sei auch nicht entnehmbar, dass das Griffmaterial eine erfindungswesentliche Rolle im Hinblick auf die Schwingungsdämpfung spiele. Ebenso wenig finde sich eine Stütze für das Merkmal gemäß Hilfsantrag II, wonach das stab- beziehungsweise stangenförmige Gebilde einstückig ausgebildet sei.

Die Einsprechenden stützen sich u. a. auf folgenden Stand der Technik:

D1 DE 199 56 957 A1 D5 DE 200 01 973 U1 Die Einsprechenden stellen den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin widerspricht in allen Punkten. Die Merkmale der beanspruchten Gegenstände seien sowohl in den am Anmeldetag eingereichten Unterlagen als auch in der Patentschrift offenbart. Sie hält das im Anspruch 1 angegebene Wellnessgerät für neu und auch für erfinderisch. Bei der Beurteilung der Patentfähigkeit sei als zuständiger Fachmann nicht ein Fachhochschulingenieur anzusehen, sondern eine Person, die im Wellnessbereich tätig sei. Für diesen Fachmann liefere der Stand der Technik keine Anregung zur Lösung der Aufgabe, ein auf einer harmonischen Schwingung beruhendes, rehabilitatives Gerät zu entwickeln, das auf das neuromuskuläre Geschehen einwirke und welches sowohl kostengünstig in der Herstellung als auch einfach in der Anwendung sei. Insbesondere führt sie als Anzeichen für erfinderische Tätigkeit an, dass gerade die Befestigung des Griffes durch die eigene Spannkraft auf dem Stab bzw. der Stange zu einem von Konkurrenzprodukten deutlich unterschiedlichem Schwingungsverhalten führe und verweist gutachtlich u. a. auf folgendes Dokument:

D16 Bericht "Analyse des Schwingungsverhaltens eines Wellness-Trainingsgerätes", Institut für Kunststoffverarbeitung der RWTH Aachen, 2004 Insgesamt seien die Anträge auf Widerruf des Patents somit unbegründet.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten gemäß

Hauptantrag, Ansprüche 1 bis 8, Hilfsantrag 1, Ansprüche 1 bis 7, Hilfsantrag 2, Ansprüche 1 bis 7, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung und jeweils mit ggf. anzupassender Beschreibung mit 2 Seiten Zeichnungen, bei denen die Figur 2 gestrichen werden soll.

Gemäß Hauptantrag lauten die Patentansprüche:

"1. Wellnessgerät aus elastischem, insbesondere zu Schwingungen anregbaren Material, bestehend aus - einem stab- beziehungsweise stangenförmigen Gebilde (1),

- einem Griff (2) und - an den in Längsrichtung gesehenen Enden des stab- beziehungsweise stangenförmigen Gebildes (1) angeordneten als Gewicht ausgebildeten Schutzvorrichtungen (3), wobei die Schutzvorrichtungen (3) austauschbar ausgebildet sind, das den Griff (2) bildende Material ausreichende Spannkraft besitzt, um diesen axial zu fixieren, das elastische Material des stab- beziehungsweise stangenförmigen Gebildes (1) zumindest teilweise als Kunststoff ausgebildet ist und der Griff in der Mitte des Gebildes (1) als ein das Gebilde (1) umhüllendes Material angeordnet ist.

2. Wellnessgerät nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die als Gewicht ausgebildeten, austauschbaren Schutzvorrichtungen (3) unterschiedliche Gewichte aufweisen.

3. Wellnessgerät nach einem oder beiden der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die als Gewicht ausgebildeten Schutzvorrichtungen (3) eine nicht als Durchgangsbohrung ausgebildete Bohrung aufweisen.

4. Wellnessgerät nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Schutzvorrichtungen (3) aus elastischem bzw. gummiartigem Material gebildet sind.

5. Wellnessgerät nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Querschnitt des Gebildes (1) kreisförmig, oval, rechteckig oder quadratisch ist.

6. Wellnessgerät nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Querschnitt des Gebildes (1) in der Breite Abmessungen von ca. 4,0 cm bis 10,00 cm, bevorzugt 6,0 cm, in der Höhe von ca. 0,5 cm bis 2,0 cm, bevorzugt 1,0 cm oder einen Durchmesser von 0,5 bis 6,0 cm, bevorzugt 2,5 cm, und in der Länge ca. 80,00 cm bis 200,00 cm, bevorzugt 150,00 cm aufweist.

7. Wellnessgerät nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das Gewicht des Gerätes ² 1,0 kg, bevorzugt ca. 300 g bis 600 g beträgt.

8. Wellnessgerät nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das das Gebilde (1) umhüllende Material gummiartig, gewebeartig, vorzugsweise aus textilem Gewebe ausgebildet ist."

Gemäß Hilfsantrag 1 lauten die Patentansprüche:

"1. Wellnessgerät aus elastischem, insbesondere zu Schwingungen anregbaren Material, bestehend aus - einem stab- beziehungsweise stangenförmigen Gebilde (1),

- einem Griff (2) und - an den in Längsrichtung gesehenen Enden des stab- beziehungsweise stangenförmigen Gebildes (1) angeordneten als Gewicht ausgebildeten Schutzvorrichtungen (3), wobei die Schutzvorrichtungen (3) austauschbar ausgebildet sind, das den Griff (2) bildende Material ausreichende Spannkraft besitzt, um diesen dauerhaft in seiner einmal gewählten Position axial zu fixieren, die als Gewicht ausgebildeten Schutzvorrichtungen (3) eine nicht als Durchgangsbohrung ausgebildete Bohrung aufweisen, das elastische Material des stab- beziehungsweise stangenförmigen Gebildes (1) zumindest teilweise als Kunststoff ausgebildet ist und der Griff in der Mitte des Gebildes (1) als ein das Gebilde (1) umhüllendes Material angeordnet ist.

2. Wellnessgerät nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die als Gewicht ausgebildeten, austauschbaren Schutzvorrichtungen (3) unterschiedliche Gewichte aufweisen.

3. Wellnessgerät nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Schutzvorrichtungen (3) aus elastischem bzw. gummiartigem Material gebildet sind.

4. Wellnessgerät nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Querschnitt des Gebildes (1) kreisförmig, oval, rechteckig oder quadratisch ist.

5. Wellnessgerät nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Querschnitt des Gebildes (1) in der Breite Abmessungen von ca. 4,0 cm bis 10,00 cm, bevorzugt 6,0 cm, in der Höhe von ca. 0,5 cm bis 2,0 cm, bevorzugt 1,0 cm oder einen Durchmesser von 0,5 bis 6,0 cm, bevorzugt 2,5 cm, und in der Länge ca. 80,00 cm bis 200,00 cm, bevorzugt 150,00 cm aufweist.

6. Wellnessgerät nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das Gewicht des Gerätes ² 1,0 kg, bevorzugt ca. 300 g bis 600 g beträgt.

7. Wellnessgerät nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das das Gebilde (1) umhüllende Material gummiartig, gewebeartig, vorzugsweise aus textilem Gewebe ausgebildet ist."

Gemäß Hilfsantrag 2 lauten die Patentansprüche:

"1. Wellnessgerät aus elastischem, insbesondere zu Schwingungen anregbaren Material, bestehend aus - einem stab- beziehungsweise stangenförmigen Gebilde (1),

- einem Griff (2) und - an den in Längsrichtung gesehenen Enden des stab- beziehungsweise stangenförmigen Gebildes (1) angeordneten als Gewicht ausgebildeten Schutzvorrichtungen (3), wobei die Schutzvorrichtungen (3) austauschbar ausgebildet sind, das den Griff (2) bildende Material ausreichende Spannkraft besitzt, um diesen dauerhaft in seiner einmal gewählten Position axial zu fixieren, die als Gewicht ausgebildeten Schutzvorrichtungen (3) eine nicht als Durchgangsbohrung ausgebildete Bohrung aufweisen, das elastische Material des stab- beziehungsweise stangenförmigen Gebildes (1) zumindest teilweise als Kunststoff ausgebildet ist, das stab- bzw. stangenförmige Gebilde einstückig ausgebildet ist, und der Griff in der Mitte des Gebildes (1) als ein das Gebilde (1) umhüllendes Material angeordnet ist.

2. Wellnessgerät nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die als Gewicht ausgebildeten, austauschbaren Schutzvorrichtungen (3) unterschiedliche Gewichte aufweisen.

3. Wellnessgerät nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Schutzvorrichtungen (3) aus elastischem bzw. gummiartigem Material gebildet sind.

4. Wellnessgerät nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Querschnitt des Gebildes (1) kreisförmig, oval, rechteckig oder quadratisch ist.

5. Wellnessgerät nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Querschnitt des Gebildes (1) in der Breite Abmessungen von ca. 4,0 cm bis 10,00 cm, bevorzugt 6,0 cm, in der Höhe von ca. 0,5 cm bis 2,0 cm, bevorzugt 1,0 cm oder einen Durchmesser von 0,5 bis 6,0 cm, bevorzugt 2,5 cm, und in der Länge ca. 80,00 cm bis 200,00 cm, bevorzugt 150,00 cm aufweist.

6. Wellnessgerät nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das Gewicht des Gerätes ² 1,0 kg, bevorzugt ca. 300 g bis 600 g beträgt.

7. Wellnessgerät nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das das Gebilde (1) umhüllende Material gummiartig, gewebeartig, vorzugsweise aus textilem Gewebe ausgebildet ist."

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1. Der Senat entscheidet im Einspruchsverfahren (§ 147 Abs. 3 PatG) auf Grund mündlicher Verhandlung in entsprechender Anwendung von § 78 PatG (BPatG Mitt. 2002, 417, 418 - Etikettierverfahren).

2. Die rechtzeitig und formgerecht eingelegten Einsprüche sind zulässig, denn es sind innerhalb der Einspruchsfrist die die Einsprüche nach § 21 Abs. 1 PatG rechtfertigenden Tatsachen im Einzelnen dargelegt worden, so dass der Patentinhaber und der Senat daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen der geltend gemachten Widerrufsgründe ohne eigene Ermittlungen ziehen können (§ 59 Abs. 1 PatG).

3. Die Einsprüche haben Erfolg, denn der Gegenstand nach dem Patentanspruch 1 ist sowohl nach dem Hauptantrag als auch nach dem Hilfsantrag 1 und dem Hilfsantrag 2 nicht patentfähig. Das Patent war deshalb zu widerrufen (§ 61 PatG Abs. 1 S. 1).

Nach Hauptantrag lautet der mit Gliederungspunkten versehene Patentanspruch 1:

a) Wellnessgerät aus elastischem, insbesondere zu Schwingungen anregbaren Material, bestehend ausb) einem stab- beziehungsweise stangenförmigen Gebilde (1), c) einem Griff (2) undd) an den in Längsrichtung gesehenen Enden des stab- beziehungsweise stangenförmigen Gebildes (1) angeordneten als Gewicht ausgebildeten Schutzvorrichtungen (3), e) wobei die Schutzvorrichtungen (3) austauschbar ausgebildet sind, f) das den Griff (2) bildende Material ausreichende Spannkraft besitzt, um diesen axial zu fixieren, g) das elastische Material des stab- beziehungsweise stangenförmigen Gebildes (1) zumindest teilweise als Kunststoff ausgebildet ist undh) der Griff in der Mitte des Gebildes (1) als ein das Gebilde (1) umhüllendes Material angeordnet ist.

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Hauptantrag im Merkmal f) durch die zusätzliche Angabe, dass das den Griff (2) bildende Material ausreichende Spannkraft besitzt, um diesen dauerhaft in seiner einmal gewählten Position axial zu fixieren, und durch das zwischen den Gliederungspunkten f) und g) eingefügte zusätzliche Merkmal, wonach die als Gewicht ausgebildeten Schutzvorrichtungen (3) eine nicht als Durchgangsbohrung ausgebildete Bohrung aufweisen.

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Hauptantrag dadurch, dass gegenüber dem Hilfsantrag 1 weiterhin zwischen den Gliederungspunkten g) und h) als zusätzliches Merkmal angegeben ist, dass das stab- beziehungsweise stangenförmige Gebilde einstückig ausgebildet ist.

Der Patentanspruch 1 ist sowohl nach Hauptantrag als auch nach den Hilfsanträgen 1 und 2 formal zulässig, denn er findet jeweils seine Stütze sowohl in der Patentschrift als auch in den am Anmeldetag eingereichten Unterlagen. So beruht der Anspruch 1 nach Hauptantrag auf den erteilten Ansprüchen 1, 10 und 22 bzw. den ursprünglichen Ansprüchen 1, 8, 10 und 11 i. V. m. der ursprünglichen Beschreibung S. 9 Abs. 1 Zn. 2 bis 12 und dort die letzten 6 Zeilen. Die zusätzliche Angabe, dass der Griff dauerhaft in seiner einmal gewählten Position axial fixiert werden soll, findet sich in der Patentschrift auf S. 4 Abs. [0029] Zn. 21 bis 23 bzw. in der ursprünglichen Beschreibung S. 9, Zn. 9 bis 12. Dass die als Gewicht ausgebildeten Schutzvorrichtungen eine nicht als Durchgangsbohrung ausgebildete Bohrung aufweisen, ergibt sich aus der Patentschrift S. 5 Abs. [0031] bzw. der ursprünglichen S. 10 Abs. 2. Die Einstückigkeit des stab- bzw. stangenförmigen Gebildes ist zwar nirgends explizit angegeben, erschließt sich dem Fachmann jedoch im einfachsten Fall aus der zeichnerischen Darstellung des mit Bezugszeichen 1 gekennzeichneten Gebildes in Figur 1 oder 2 ohne Weiteres.

Dem Patent liegt die Aufgabe zugrunde, ausgehend von bekannten Therapiegeräten ein sicheres Gerät zur Verfügung zu stellen, das die Möglichkeit bietet, im Wellness-, Sport- und Freizeitbereich und in der Aerobic gefahrlos einsetzbar zu sein. Insbesondere soll die Benutzung von jedermann für die Durchführung von Übungen zur Kräftigung der Muskulatur im neuromuskulären Bereich ohne Anleitung eines Therapeuten möglich sein Das Gerät soll sich durch ein relativ geringes Gewicht und einen unkomplizierten Aufbau auszeichnen und mit geringem Kostenaufwand herstellbar sein (Patentschrift S. 3 Abs. [0010]).

Als zuständiger Fachmann ist hier ein in der Entwicklung von Sport- und Fitnessgeräten tätiger Fachhochschulingenieur anzusehen.

Der Patentinhaberin kann zwar zugestimmt werden, dass die hinter der Erfindung stehende physiologische Grundproblematik eine Störung im Zusammenspiel von Nerven und Muskulatur ist (Patentschrift S. 2 Abs. [0002] i. V. m. S. 3 Abs. [0010]). Insoweit mag es auch zutreffen, dass die daraus erwachsenden Fragestellungen und Erkenntnisse zunächst einem unmittelbar im Fitness- oder Wellnessbereich tätigen Therapeuten oder einem dementsprechend ausgerichteten Mediziner zugeschrieben werden können. Die die Erfindung betreffende Entwicklung eines einschlägigen Wellnessgerätes liegt aber auf einem ganz anderen Fachgebiet. Denn zur Lösung der dem Patent zugrunde liegenden Aufgabe sind Kenntnisse und Erfahrungen erforderlich, die den mechanischen Aufbau und das Schwingungsverhalten regelmäßig auf dem einschlägigen Trainings- bzw. Therapiegebiet verwendeter stabförmiger Wellnessgeräte sowie die Auswahl und die Verbindung verschiedener geeigneter Materialien betreffen und nicht in erster Linie medizinische Kenntnisse im neuromuskulären Bereich. Deshalb wird ein Fitnesstrainer oder ein Mediziner seine Ausgangsproblematik zur Lösung der technischen Aspekte an einen Sportgeräteentwickler herantragen. Im Gegensatz zur Auffassung der Patentinhaberin ist insoweit hierfür ein Fachhochschulingenieur mit langjähriger Berufserfahrung in der Entwicklung von Sport- und Fitnessgeräten anzusehen.

Bei der Beurteilung der Patentfähigkeit kann die Frage, ob dem Wellnessgerät gemäß dem der Neuheit gegenüber der D5 dahingestellt bleiben, denn dieser Gegenstand beruht jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Aus der D5 (Anspruch 1 und Figuren 1 bis 3 i. V. m. S. 3, Abs. 1 bis S. 4 Abs. 1) ist ein Wellnessgerät ("Aerobicstange") bekannt, das im Wesentlichen aus einer ummantelten Stange 10, also einem stab- bzw. stangenförmigen Gebilde, aus elastischem Material ("Fiberglas") besteht und das in seitliche Schwingungen versetzt werden kann (Figuren 3 und 4 i. V. m. S. 3 le. Abs. bis S. 4 Abs. 2). Somit sind die Gliederungspunkte a) und b) gegeben. Es ist auch ein mittlerer Griff 15 vorhanden, der, wie der Fachmann der Explosionsdarstellung in Figur 2 ohne Weiteres entnimmt, seinerseits das aus der inneren Stange 10, einer diese innere Stange 10 ummantelnde Hülle 11 und einem die Hülle 11 ummantelnden äußeren Mantel 12 bestehende stab- bzw. stangenförmige Gebilde in dessen Mitte umhüllt. Somit ist c) i. V. m. h) erfüllt.

An den in Längsrichtung gesehenen Enden des stab- bzw. stangenförmigen Gebildes sind Köpfe 13 vorgesehen, die ein Gewicht von jeweils 100 bis 150 g haben (S. 2, Abs. 3, S. 3 Abs. 4) und somit als Gewicht ausgebildet sind. Dabei ist auf S. 4 le. Abs. ausgeführt, dass durch Aufsetzen der zwei Köpfe die Erfindung variiert werden kann, was nichts anderes bedeutet, als dass diese als Gewicht ausgebildeten Köpfe austauschbar sind. Somit sind bis auf die Angabe, dass es sich bei den Köpfen 13 um Schutzvorrichtungen handelt, auch die Merkmale d) und e) aus der D5 bekannt.

Die innere Stange 10 besteht aus Fiberglas (S. 3 Abs. 3), das bekanntlich aus mit Kunststoff fixierten Glasfasern besteht, was nichts anderes bedeutet, als dass das stab- bzw. stangenförmige Gebilde zumindest teilweise als Kunststoff ausgebildet ist, wie in g) angegeben.

Von diesem Stand der Technik unterscheidet sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 außer durch die verhältnismäßig unbestimmte Bezeichnung "Schutzvorrichtungen" in d) und e) lediglich dadurch, dass das Material, das den Griff bildet, ausreichende, aber nicht quantifizierte Spannkraft besitzt, um diesen axial zu fixieren (Merkmal f)).

Diese Unterschiede können jedoch keine erfinderische Tätigkeit begründen. Denn der Fachmann wird aufgrund seines Wissens und Könnens, insbesondere im Bestreben, ein sicheres Gerät zur Verfügung zu stellen, die Gewichtsköpfe 13 ohnehin so ausgestalten, dass das Verletzungsrisiko des Anwenders minimiert wird. Im Übrigen wird er bereits durch die abgerundete Form der Köpfe dazu angeregt, diese als Schutzvorrichtungen aufzufassen.

Schließlich kann das verbleibende, das Material des Griffes betreffende Merkmal f) nichts zur Patentfähigkeit beitragen. Es ist zwar in der D5 nicht ausdrücklich ausgeführt, wie der Griff 15 auf dem stab- bzw. stangenförmigen Gebilde befestigt wird. Die Figur 2 ist aber eine fachgerechte Explosionsdarstellung des Wellnessgerätes, welcher der Fachmann ohne Weiteres entnimmt, dass der mittlere Griff 15 über die Ummantelung 12 auf das stab- bzw. stangenförmige Gebilde aufgeschoben wird. Zur axialen Fixierung des Griffes wird er dabei auf möglichst einfache, auf seinem Fachgebiet geläufige Maßnahmen zurückgreifen, wie er sie beispielsweise von der Befestigung von Handgriffen aus Schaumstoff an Hometrainern und Fahrrädern kennt. Dort wird bekanntlich der Handgriff gegen dessen radiale Spannkraft auf die Lenkstange aufgeschoben und hält dort allein aufgrund dieser material- und größenabhängigen Spannkraft, ohne dass eine aufwendige Verklebung erforderlich wäre.

Vom sachkundigen Interpretieren der Explosionsdarstellung in Figur 2 im Sinne eines aufgeschobenen, durch Spannkraft des Materials in der Mitte der Stange fixierten Griffes lässt sich der Fachmann auch nicht durch die unklare Formulierung auf S. 3, Abs. 2, die letzten drei Zeilen abbringen, wonach der mittlere Griff 15 an der Mitte des inneren Balkens 10 befestigt sei. Vielmehr wird er diese Angabe als sachlich unzutreffend erkennen und verlässt sich auf die mit der Explosionsdarstellung konsistente Beschreibung im Anspruch 1, wo explizit angegeben ist, dass der mittlere Griff in der Mitte der Aerobicstange befestigt ist.

Damit kommt der Fachmann zu einer Lösung der zugrunde liegenden Aufgabe, wie sie im Patentanspruch 1 angegeben ist, ohne dass er hierzu erfinderisch tätig werden müsste.

An dieser Feststellung kann auch der von der Patentinhaberin gutachtlich vorgelegte Bericht "Analyse des Schwingungsverhaltens eines Wellness-Trainingsgerätes", Institut für Kunststoffverarbeitung der RWTH Aachen, 2004, nichts ändern. Denn dort geht es lediglich um die vergleichende Charakterisierung des Schwingungsverhaltens von drei verschiedenen stab- bzw. stangenförimgen Trainingsgeräten. Hinweise auf das Vorliegen eines patentrechtlich relevanten Unterschiedes zwischen dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 und dem Stand der Technik lassen sich daraus nicht entnehmen.

Im Übrigen ist weder aus der Patentschrift noch aus den am Anmeldetag eingereichten Unterlagen ein Hinweis dahingehend zu finden, dass ausschließlich die Fixierung des Griffes durch materialeigene Spannkraft zu einem besonders günstigen Schwingungsverhalten führen würde, wie von der Patentinhaberin betont wird. Dagegen geht aus den Unterlagen hervor, dass es auf diese besondere Befestigungsart nicht ankommt. So kann der Griff genauso gut als Verdickung oder Verdünnung des stab- bzw. stangenförmigen Gebildes ausgestaltet sein (Patentschrift S. 3 Abs. [0017] bzw. ursprüngliche S. 5 Abs. 2). Außerdem ist davon die Rede, dass der Griff auch durch Kleben fixiert werden kann (Patentschrift S. 4 Abs. [0029] Zn. 21 bis 25 bzw. ursprüngliche S. 9 Zn. 7 bis 12).

Hilfsanträge 1 und 2:

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag dadurch, dass zusätzlich angegeben ist, dass der Griff dauerhaft in seiner einmal gewählten Position axial fixiert werden soll, und dass die als Gewicht ausgebildeten Schutzvorrichtungen (3) eine nicht als Durchgangsbohrung ausgebildete Bohrung aufweisen. Gemäß Hilfsantrag 2 soll das stab- bzw. stangenförmige Gebilde zusätzlich einstückig ausgebildet sein.

Diese Unterschiede können die Schutzfähigkeit jeweils nicht begründen.

Denn allein schon im Hinblick auf einen sichere Anwendbarkeit des in der D5 beschriebenen Wellnessgeräts wird der Fachmann ohnehin eine dauerhafte Fixierung des Griffes vorsehen, um ein Verrutschen des Griffes während des bestimmungsgemäßen Gebrauchs des Gerätes zu verhindern. Außerdem wird der Fachmann die in Figur 2 der D5 gezeigte Explosionsdarstellung nicht anders auffassen, als dass die Schutzvorrichtungen 13 für eine sichere und hinsichtlich der Austauschbarkeit reversible Befestigung direkt auf den Enden der inneren Fiberglasstange 10 aufgesteckt werden und wird die Schutzvorrichtungen hierzu zweckmäßigerweise jeweils mit einer axialen Bohrung versehen, die aufgrund der gezeigten Gestalt zwangsläufig nicht als Durchgangsbohrung ausgeführt werden kann. Im Übrigen ist ihm eine solche Maßnahme auch aus der D1, Figur 2 i. V. m. Figur 1 und Beschreibung bekannt. Schließlich ist auch die gemäß Figur 2 in D5 die Positionen 10 bis 12 umfassende Aerobicstange einstückig im Sinne des Patents, da diese nichts anderes darstellt, als das im erteilten Anspruch 24 angegebene, von einer Schutzhülle umgebene stab- bzw. stangenförmige Gebilde.

Somit ergibt sich i. V. m. den übrigen, bereits zum Hauptantrag abgehandelten Merkmalen der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sowohl gemäß Hilfsantrag 1 als auch gemäß Hilfsantrag 2, ohne dass dazu eine erfinderische Tätigkeit nötig gewesen wäre.

Der geltende Patentanspruch 1 hat deshalb wegen fehlender Patentfähigkeit seines Gegenstandes weder in der Fassung gemäß Hauptantrag noch in den Fassung gemäß den Hilfsanträgen Bestand.

Da nur über den Antrag insgesamt entschieden werden kann, teilen die jeweils rückbezogenen Ansprüche das Schicksal des Patentanspruchs 1 (BGH GRUR 1997, 120, Elektrisches Speicherheizgerät).






BPatG:
Beschluss v. 11.05.2006
Az: 15 W (pat) 354/04


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