Bundesverfassungsgericht:
Beschluss vom 31. Oktober 2002
Aktenzeichen: 1 BvR 819/02
(BVerfG: Beschluss v. 31.10.2002, Az.: 1 BvR 819/02)
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
A.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Singularzulassung der Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof sowie das Wahlverfahren zum Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof.
I.
Der Beschwerdeführer ist als Rechtsanwalt beim Oberlandesgericht Hamm zugelassen und übt zudem den Beruf des Notars aus. Beim Bundesministerium der Justiz beantragte er, ihn - unter Beibehaltung seiner bisherigen Zulassung - als Rechtsanwalt bei dem Bundesgerichtshof in Zivilsachen zuzulassen. Der Antrag wurde abgelehnt. Daraufhin stellte der Beschwerdeführer Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der durch Beschluss des Bundesgerichtshofs zurückgewiesen wurde (BGH, NJW 2002, S. 1725): Es sei verfassungsrechtlich unbedenklich, dass der Gesetzgeber den bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälten eine weitere Zulassung bei anderen Gerichten verwehre (Singularzulassung); auf die Einzelheiten des Auswahlverfahrens für eine Singularzulassung komme es nicht an, weil der Beschwerdeführer diese nicht erstrebe.
II.
Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG durch die genannten Entscheidungen.
Die Vorschriften über die Singularzulassung als Rechtsanwalt bei dem Bundesgerichtshof in §§ 171, 172 der Bundesrechtsanwaltsordnung (im Folgenden: BRAO) und die vorgelagerte Wahl sowie die hierfür geltenden Verfahrensvorschriften der §§ 164 bis 169 BRAO stellten eine einheitliche Regelung dar, die in dem angegriffenen Beschluss des Bundesgerichtshofs bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Singularzulassung unzulässig aufgespalten worden sei. Mit der Verweigerung der Zulassung werde in seine Freiheit der Berufswahl eingegriffen, da die Tätigkeit als Rechtsanwalt bei dem Bundesgerichtshof ein eigenständiger Beruf sei. Die Singularzulassung könne nicht mit Gründen des Gemeinwohls gerechtfertigt werden; sie sei willkürlich. Bei keinem anderen obersten Bundesgericht bestehe eine spezialisierte Anwaltschaft. Auch mit der historischen Entwicklung lasse sie sich nicht erklären. Der historische Gesetzgeber habe sich bei einem damals wesentlich geringeren Verfahrensanfall entschlossen, für die Revision in Zivilsachen die Postulationsfähigkeit zu beschränken. Dann überzeuge aber die nunmehr vorgebrachte Begründung nicht, dass wegen der geringeren Fallzahlen bei den anderen obersten Bundesgerichten eine solche Anwaltschaft wirtschaftlich nicht tragfähig sei.
Im Hinblick auf die modernen Telekommunikationsmittel und elektronischen Medien sowie angesichts der gestiegenen Mobilität treffe auch die Überlegung der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Gericht und örtlich niedergelassenem Rechtsanwalt nicht mehr zu. Das "Vier-Augen-Prinzip" als Mittel zur Verbesserung der Rechtspflege könne die Singularzulassung ebenfalls nicht rechtfertigen. Es sei statistisch nicht belegt, dass der Anwaltschaft beim Bundesgerichtshof wegen ihrer besonderen Qualifikation eine "Filterfunktion" zukomme. Schließlich verliere das zur Rechtfertigung der Singularzulassung bemühte Argument der besonderen Schwierigkeit des Revisionsrechts in Zivilsachen zunehmend an Bedeutung, weil durch die Reform der Zivilprozessordnung das Revisionsrecht den Verfahrensordnungen in den anderen Gerichtszweigen angepasst worden sei.
Bei der Verabschiedung der Bundesrechtsanwaltsordnung 1959 sei der Gesetzgeber vom Berufsbild des nicht spezialisierten Einzelanwalts ausgegangen, während heute Sozietäten und Fachanwälte das Bild der Anwaltschaft prägten; die Spezialisierung finde mittlerweile außerhalb der Singularzulassung statt. Zudem sei als milderes Mittel zwischenzeitlich der Bearbeiterwechsel in § 27 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (EuRAG) eingeführt worden.
Die in den §§ 164 ff. BRAO getroffenen Regelungen über das Wahlverfahren verstießen ebenfalls gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Sie seien nicht geeignet, eine qualifizierte Anwaltschaft beim Bundesgerichtshof zu gewährleisten und verfehlten damit den beabsichtigten Zweck.
B.
Die Voraussetzungen, von denen nach § 93 a Abs. 2 BVerfGG die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung abhängt, liegen nicht vor.
I.
1. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG).
In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist geklärt, dass die anwaltliche Berufsausübung durch den Grundsatz der freien Advokatur gekennzeichnet ist, der einer staatlichen Kontrolle und Bevormundung grundsätzlich entgegensteht (vgl. BVerfGE 50, 16 <29>; 76, 171 <188>). Ferner ist entschieden, unter welchen Voraussetzungen gesetzliche Regelungen der Berufsausübung zulässig sind (vgl. BVerfGE 93, 362 <369>; 103, 1 <10>).
2. Die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung von Grundrechten des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Der Eingriff in die Berufsfreiheit des Beschwerdeführers verletzt ihn nicht in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG.
a) Der Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG ist berührt. Durch die angegriffenen Entscheidungen und die ihnen zugrunde liegende gesetzliche Regelung in § 171 BRAO wird die Freiheit der Berufsausübung des Beschwerdeführers beschränkt, da es ihm nicht ermöglicht wird, neben seiner bisherigen Berufstätigkeit nach einer Zulassung als Rechtsanwalt bei dem Bundesgerichtshof seine Mandanten in Zivilverfahren auch in der Revisionsinstanz zu vertreten. Ob von der angegriffenen Regelung ein Eingriff in die Freiheit der Berufswahl ausgehen kann (vgl. hierzu BVerfGE 33, 125 <161>), weil sich ein Rechtsanwalt entscheiden muss, ob er sich darauf beschränken will, bei dem Bundesgerichtshof und den sonstigen in § 172 Abs. 1 BRAO genannten Gerichten aufzutreten, oder ob er bei allen Gerichten mit Ausnahme des Bundesgerichtshofs postulationsfähig sein will, kann hier dahinstehen. Unter dem Blickwinkel des gestellten Antrages greifen die Entscheidungen und die zugrunde liegenden Normen allerdings nur in die Berufsausübungsfreiheit ein; sie betreffen einen dem Beschwerdeführer verschlossenen Teil seiner beruflichen Betätigung als Rechtsanwalt. Ihm wird eine Erweiterung seines bisherigen Tätigkeitsfeldes verwehrt (vgl. BVerfGE 103, 1 <9 f.>).
b) Gesetzliche Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung sind nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sind. Die aus Gründen des Gemeinwohls unumgänglichen Beschränkungen des Grundrechts stehen unter dem Gebot der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfGE 19, 330 <336 f.>; 54, 301 <313>). Eingriffe in die Berufsfreiheit dürfen deshalb nicht weiter gehen, als es die sie rechtfertigenden Gemeinwohlbelange erfordern (vgl. BVerfGE 101, 331 <347>). Eine sowohl den Freiheitsanspruch des Berufstätigen wie die öffentlichen Belange berücksichtigende Lösung kann nur in Abwägung der Bedeutung der einander gegenüberstehenden und möglicherweise einander widerstreitenden Interessen gefunden werden (vgl. BVerfGE 7, 377 <404 f.>). Diese verfassungsgerichtlich entwickelten Maßstäbe hat der Bundesgerichtshof bei Auslegung und Anwendung des Gesetzes beachtet.
c) Sein Ergebnis, dass § 171 BRAO mit dem Grundgesetz vereinbar ist, lässt derzeit keine Fehler erkennen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung vom Umfang des Schutzbereichs von Art. 12 Abs. 1 GG beruhen (vgl. BVerfGE 85, 248 <257 f.>). Nach der Argumentation des Bundesgerichtshofs wird die Singularzulassung durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt; die gewählten Mittel sind zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich und stellen sich bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe insgesamt noch als angemessen dar. Angesichts der inzwischen eingetretenen Änderungen der Zivilprozessordnung, die nach dem derzeitigen Erkenntnisstand noch keine Prognose über die zukünftige Entwicklung des Revisionsverfahrens zulassen, hat sich der Bundesgerichtshof insoweit zu Recht auf die bisherigen Erkenntnisse gestützt, insbesondere diejenigen der vom Bundesministerium der Justiz eingesetzten Kommission, die 1998 ihre Vorschläge zur Neuregelung des Rechts der Rechtsanwaltschaft bei dem Bundesgerichtshof vorgelegt hat (aa). Dem steht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Dezember 2000 zu § 25 BRAO (BVerfGE 103, 1) nicht entgegen (bb).
aa) § 171 BRAO dient nach der Absicht des Gesetzgebers überkommenen legitimen Gemeinwohlinteressen (vgl. BTDrucks 3/120, S. 111). Er bezweckt eine Stärkung der Rechtspflege durch eine leistungsfähige und in Revisionssachen besonders qualifizierte Anwaltschaft. Nach den verfügbaren statistischen Unterlagen, die im Bericht der Kommission 1998 ausgewertet worden sind, sowie den vom Bundesgerichtshof herangezogenen Veröffentlichungen sind mit der Singularzulassung Vorteile für die Rechtsuchenden und das Revisionsgericht verbunden. Die Rechtsuchenden werden kompetent beraten und können im Vorfeld von aussichtslosen Rechtsmitteln Abstand nehmen, was ihnen Kosten erspart. Zugleich wird der Bundesgerichtshof von unzulässigen Rechtsmitteln entlastet.
Obwohl bei den anderen obersten Bundesgerichten gleich starke Gemeinwohlinteressen ins Feld geführt werden könnten, hat der Gesetzgeber bei diesen von einer singular zugelassenen Anwaltschaft mit nachvollziehbarer Begründung abgesehen. Das stellt indessen die Gemeinwohlbelange nicht in Frage. Nach den gegenwärtigen Fallzahlen wäre nach der Einschätzung der Kommission, die sich der Gesetzgeber zu eigen gemacht hat, eine Spezialisierung bei anderen obersten Bundesgerichten - auch für solche Rechtsanwälte, die im jeweiligen Bereich als Fachanwälte tätig sind - wirtschaftlich nicht tragbar. Diese Annahme wird entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers weder mit dem Zahlenwerk widerlegt, das zu Zeiten des Reichsgerichts das Maß der bei den Anwälten anfallenden Arbeit (und damit das Einkommen) bestimmte, noch mit dem Arbeitsanfall, der nach der am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Zivilprozessreform (Gesetz vom 27. Juli 2001 <BGBl I S. 1887>) zu erwarten ist.
Auch die vom Beschwerdeführer genannten Zahlen entkräften das vom Bundesgerichtshof verwertete statistische Material nicht. Wenn der Beschwerdeführer den 4.265 Revisionen, die im Jahre 2001 beim Bundesgerichtshof eingegangen sind, beispielsweise einen Verfahrenseingang beim Bundessozialgericht im selben Jahr von 2.288 Sachen gegenüberstellt, differenziert er nicht ausreichend. Beim Bundessozialgericht sind in dem genannten Jahr lediglich 575 Revisionen eingegangen; die restlichen Eingänge entfielen auf Nichtzulassungsbeschwerden. Die vom Bundesgerichtshof herausgestellten Unterschiede beruhen deshalb nach wie vor auf tatsächlichen Gegebenheiten und rechtfertigen die unterschiedlichen Regelungen, solange der Gesetzgeber davon ausgehen kann, dass in den anderen Gerichtszweigen eine wirtschaftliche Grundlage für eine auf das Revisionsrecht spezialisierte Anwaltschaft fehlt.
Es kann auch dahinstehen, ob die in dem angegriffenen Beschluss erwähnte "Filterfunktion" durch die beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte zahlenmäßig genau belegbar ist. Jedenfalls wird etwa ein Viertel der eingelegten Revisionen wieder zurückgenommen, und es liegt auf der Hand, dass bei offensichtlich aussichtslosen Revisionen das Mandat erst gar nicht übernommen oder vor der Begründung der Revision niedergelegt wird, sofern nicht schon die Einlegung des Rechtsmittels unterbleibt, was statistisch nicht erfasst werden kann.
Nachvollziehbar hat der Bundesgerichtshof auch hervorgehoben, dass die europarechtlichen Vorschriften kein milderes Mittel aufzeigen, das dem Antrag des Beschwerdeführers gerecht werden könnte. Zwar kann auch ein vorgeschriebener Bearbeiterwechsel der Rechtspflege förderlich sein und in einem Teilbereich den Zielen dienen, die mit der angegriffenen Norm des § 171 BRAO umfassender verfolgt werden. Auf eine Stärkung des Vier-Augen-Prinzips durch Bearbeiterwechsel vor Eintritt in die Revisionsinstanz richtet sich der Antrag des Beschwerdeführers indessen nicht. Er strebt mit der Simultanzulassung im Gegenteil die durchgängige Vertretung eines Mandanten in allen Instanzen der Zivilgerichtsbarkeit an.
Angesichts dieses vom Beschwerdeführer vorgegebenen Verfahrensziels lässt sich die Wertung des Bundesgerichtshofs, die Einschränkung durch das Verbot der Simultanzulassung bei dem Bundesgerichtshof sei für einen beim Landgericht und Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwalt nur von geringer wirtschaftlicher Bedeutung, ebenfalls gut nachvollziehen. Wären alle Rechtsanwälte mit einiger Berufserfahrung berechtigt, ihre Mandanten vor dem Bundesgerichtshof zu vertreten, würden sich die dort anhängigen Verfahren auf viele Anwälte verteilen. Der Zuwachs an Mandaten bliebe gering. Das gilt insbesondere, weil nach bisherigem Recht die Möglichkeiten der Revision in Zivilsachen eingeschränkt waren (vgl. § 546 ZPO a.F.). Die Auswirkungen der Zivilprozessreform auf das Revisionsverfahren, insbesondere der Einführung der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 544 ZPO n.F., sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht absehbar. Erst wenn dazu tatsächliche Erfahrungswerte vorliegen, wird sich beurteilen lassen, ob das Verbot der Simultanzulassung bei dem Bundesgerichtshof weiterhin mit dem Verfassungsrecht, insbesondere mit Art. 12 Abs. 1 GG, vereinbar ist.
bb) Die im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Dezember 2000 (BVerfGE 103, 1) angeführten Argumente zur fehlenden Eignung und Erforderlichkeit der in § 25 BRAO getroffenen Regelung über die Singularzulassung der bei einem Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwälte lassen sich nicht ohne weiteres auf die tatsächlich und rechtlich abweichende Lage der Rechtsanwaltschaft bei dem Bundesgerichtshof übertragen. Der Bundesgerichtshof hat sich in seinem hier angegriffenen Beschluss unter B. II. 2. c der Entscheidungsgründe (BGH, NJW 2002, S. 1725 <1727 f.>) mit dieser Argumentation eingehend und mit zutreffendem Ergebnis auseinander gesetzt. Vorliegend gibt es keine regionalen Verschiedenheiten im Bereich der Zivilgerichtsbarkeit, auf die das Bundesverfassungsgericht maßgeblich abgestellt hatte (BVerfGE 103, 1 <17 f.>). Die Unterschiede zwischen den einzelnen Gerichtszweigen sind in der verfassungsgerichtlichen Argumentation nicht gegen § 25 BRAO verwendet worden. Auch die Schwächung des Prinzips der Singularzulassung durch Mischsozietäten trifft auf die Anwaltschaft bei dem Bundesgerichtshof nicht zu (vgl. § 59 a BRAO einerseits und § 172 a BRAO andererseits). Soweit die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts zusätzlich darauf abgestellt hat, das Singularprinzip sei durch die Auflösung der Verknüpfung von Postulationsfähigkeit und berufsrechtlicher Lokalisation in § 78 ZPO geschwächt worden, trifft diese Erwägung auf die Rechtsanwaltschaft bei dem Bundesgerichtshof ebenfalls nicht zu. Berufsrechtliche Lokalisation, Postulationsfähigkeit (§ 172 BRAO) sowie Kanzleisitz (§ 27 BRAO) bilden weiterhin eine Einheit.
Weder aus der Systematik des Gesetzes noch aus der historischen Entwicklung oder der Umsetzung der Normen in der forensischen Praxis ergeben sich derzeit Anhaltspunkte dafür, dass die Singularzulassung nicht mehr als geeignetes und erforderliches Mittel zugunsten einer qualitativen Verbesserung der Rechtspflege angesehen werden kann. Ob allerdings die Sicherung der Arbeitsfähigkeit des Bundesgerichtshofs, die in der angegriffenen Entscheidung zum Beleg für die Erforderlichkeit der Regelung herangezogen wird, tragfähig bleibt, wird anhand des neuen Prozessrechts mit seiner Veränderung von Berufungs- und Revisionsverfahren im Zivilprozess sowie der Annäherung der Revisionszulassung vor dem Bundesgerichtshof an die finanz-, sozial- und verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu beurteilen sein. Die Beschränkungen der anwaltlichen Tätigkeit sind jedenfalls nicht schon deswegen erforderlich, weil sie dort, wo sie gelten, von den Richtern als sachdienlich empfunden werden (vgl. ''BVerfGE 103, 1 <18>**).
d) Die Ausführungen des Bundesgerichtshofs zum Auswahlverfahren gemäß §§ 166 ff. BRAO sind verfassungsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Normen regeln das Verfahren der Singularzulassung, die der Beschwerdeführer nicht angestrebt hat. Da der Bundesgerichtshof von seinem Standpunkt aus folgerichtig diese Normen seiner Entscheidung nicht zugrunde gelegt hat, sind sie nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Die hiergegen gerichteten Angriffe in der Verfassungsbeschwerde gehen deshalb ins Leere. Sie richten sich unmittelbar gegen Normen, ohne dass diese Gegenstand gerichtlicher Entscheidung gewesen wären. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf die Dauer des Wahlverfahrens und die deshalb zu erwartende unzumutbare Belastung, sofern er sich hierauf einließe, mag darauf hindeuten, dass der Beschwerdeführer die Voraussetzungen von § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG für gegeben erachtet. Diese entbinden allerdings nicht von dem Erfordernis, dass ein Beschwerdeführer von den angegriffenen Vorschriften selbst betroffen sein muss. Erstrebt ein Rechtsanwalt nicht den Status, dessen verfahrensrechtliche Voraussetzungen er für verfassungswidrig hält, betrifft ihn das Verfahrensrecht nicht; die Behauptung, selbst in einem Grundrecht verletzt zu sein, die § 90 Abs. 1 BVerfGG als allgemeine Voraussetzung der Verfassungsbeschwerde nennt, kann nicht mit der Unzumutbarkeit der Rechtswegerschöpfung begründet werden.
II.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
BVerfG:
Beschluss v. 31.10.2002
Az: 1 BvR 819/02
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