Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Januar 2007
Aktenzeichen: 14 W (pat) 344/04
(BPatG: Beschluss v. 12.01.2007, Az.: 14 W (pat) 344/04)
Tenor
Das Patent 102 50 477 wird widerrufen.
Gründe
I Die Erteilung des Patents 102 50 477 mit der Bezeichnung
"Verwendung von Montanwachs"
ist am 29. April 2004 veröffentlicht worden. Es umfasst 2 Patentansprüche, von denen Patentanspruch 1 wie folgt lautet:
"Verwendung von Montanwachs zur Erhöhung der Festigkeit von Bauteilen durch Beigabe einer Montanwachsdispersion zu einer Baustoffmischung auf Basis von Calciumsulfat, mit der Maßgabe, dass der Anteil an Montanwachs, bezogen auf den Anteil an Calciumsulfat, 0,5 bis 10 Gew.-% beträgt und das Montanwachs der Baustoffmischung in Form einer aus Montanwachs, Wasser und Tensid bestehenden Dispersion beigegeben wird, in der der Anteil an Montanwachs, bezogen auf den Anteil des Wassers, 40 bis 60 Gew.-% beträgt."
Zum Wortlaut des auf diesen Anspruch rückbezogenen Patentanspruchs 2 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Gegen dieses Patent ist am 22. Juli 2004 Einspruch erhoben worden, der auf die Behauptung gestützt ist, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht mehr neu und es mangele ihm an erfinderischer Tätigkeit. Zur Stützung ihres Vorbringens hat die Einsprechende auf die Entgegenhaltung
(1) EP 0 669 377 A1 sowie auf mehrere weitere Vorveröffentlichungen hingewiesen.
Die ordnungsgemäß geladene Einsprechende ist - wie angekündigt - zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen. Schriftsätzlich hat sie beantragt, das Patent DE 102 50 477 "Verwendung von Montanwachs" nach § 21 PatG zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt, den Einspruch als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise das Patent in vollem Umfang aufrecht zu erhalten, weiter hilfsweise das Patent im Umfang der Patentansprüche 1 und 2 gemäß dem in der mündlichen Verhandlung überreichten Hilfsantrag beschränkt aufrecht zu erhalten.
Außerdem regt die Patentinhaberin an, die Rechtsbeschwerde zuzulassen zur Frage, ob die Angabe eines neuen Zwecks die Neuheit eines Verwendungsanspruchs begründen kann.
Sie hält den Einspruch für unzulässig, weil nach ihrer Auffassung im Einspruchsschriftsatz zum Kern der Erfindung - der Erhöhung der Festigkeit - keine substantiierten Ausführungen getroffen worden seien. Mit dieser Zweckangabe werde auch die Neuheit gegenüber der bereits im Prüfungsverfahren berücksichtigten Druckschrift
(2) DE 30 31 082 A1 begründet, jedenfalls aber die erfinderische Tätigkeit. Mit der Hinzufügung der Angabe "und wobei die Baustoffmischung ferner einen Anreger enthält, dessen Anteil, bezogen auf den Anteil an Calciumsulfat in der Baustoffmischung, zwischen 2 und 7 Gew.-% liegt" am Ende des erteilten Anspruchs 1 im Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag sei die Neuheit zusätzlich in gegenständlicher Form ausgedrückt, da in (2) kein Anreger erwähnt sei. Da eine Festigkeitserhöhung in (2) nur für Zement angegeben sei, nicht aber für Gips, sei auch die erfinderische Tätigkeit gegeben.
Wegen weiterer Einzelheiten des schriftlichen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II 1. Der Einspruch der Einsprechenden ist frist- und formgerecht erhoben.
Er ist auch mit Gründen versehen. Wie die Patentinhaberin einräumt, ist unter Verweis auf Fundstellen in (1) im Einzelnen zu den im erteilten Anspruch 1 aufgeführten Verfahrensmaßnahmen, Bestandteilen und Mengenverhältnissen Stellung genommen worden. Entgegen der Auffassung der Patentinhaberin befasst sich der Einspruchsschriftsatz aber auch mit der von der Patentinhaberin als Kern der Erfindung angesehenen Zweckbindung "zur Erhöhung der Festigkeit von Bauteilen". Hierzu ist im Einspruchsschriftsatz ausgeführt, dass nach Ansicht von Fachleuten auf diesem Gebiet die Verwendung von Montanwachs zur Hydrophobierung an Bauteilen immer zu einer gewissen Verfestigung derselben führe. Damit ist der Senat in die Lage versetzt, anhand der Einspruchsschrift zu erkennen, aus welchen Gründen die Einsprechende das Patent für nicht rechtsbeständig hält. Ob dieser Vortrag - insbesondere zu dem angeblich zum Fachwissen gehörenden Effekt der Festigkeitssteigerung - den Widerruf tatsächlich rechtfertigt, ist eine Frage der Begründetheit und keine Voraussetzung der Zulässigkeit.
Nach alledem ist der Einspruch zulässig.
Er führt zum Widerruf des Streitpatents, weil die Verwendung nach dem erteilten Anspruch 1 nicht mehr neu ist und die Verwendung nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
2. Aus (2), Anspruch 1 i. V. m. Seite 2 Absatz 1 ist die Beigabe einer Montanwachsdispersion aus Montanwachs, Tensid (Alkylphenylpolyglykoläther) und Wasser zu einer Baustoff-Mischung mit luftabbindenden und/oder hydraulischen Bindemitteln bekannt, wobei "Plaster", d. h. Gips bzw. Calciumsulfat, als Bindemittel und somit als Basis der Baustoffmischung ausdrücklich offenbart ist. Die Montanwachsemulsion wird in Mengen von 0,05 bis 10 %, bezogen auf die Bindemittelmenge, zugesetzt, sie enthält ihrerseits 5 bis 35 Gew.-% Montanwachs. Somit beträgt der Anteil an Montanwachs, bezogen auf den Anteil an Calciumsulfat, nach (2) rechnerisch zwischen 0,0025 bis 3,5 %, womit die Maßgabe 0,5 bis 10 Gew.-% des erteilten Anspruchs 1 neuheitsschädlich getroffen ist. Aus dem bereits erwähnten Anteil von Montanwachs von 5 bis 35 Gew.% in der Montanwachsemulsion ergibt sich für das Verhältnis von Montanwachs zu Wasser eine Untergrenze von 5,3 Gew.-% (min. 5 Gewichtsteile Montanwachs, max. 94 Gewichtsteile Wasser) und ein Höchstwert von 73 Gew.-% (max. 35 Gewichtsteile Montanwachs, min. 48 Gewichtsteile Wasser bei Abwesenheit eines alkoxylierten Fettalkohols, vgl. S. 4 Abs. 2). Damit ist der für dieses Verhältnis im erteilten Anspruch 1 angegebene Mengenbereich von 40 bis 60 Gew.-% ebenfalls vorweggenommen.
Entgegen der Auffassung der Patentinhaberin gehört zum Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltung (2) auch die Erhöhung der Druckfestigkeit von Bauteilen durch die Zugabe einer Montanwachsemulsion. Auf Seite 5 Absatz 3 wird hierzu ausgeführt, "dass sich bei Zugabe einer Montanwachsemulsion zum Anmachwasser oder zur Feststoffmischung, im Gegensatz zu den Herstellungsverfahren mit bekannten Zusatzmitteln, die Druckfestigkeit, beispielsweise des geprüften Zementes, ohne Reduzierung des Anmachwassers, erhöhte." Die Angabe "beispielsweise" versteht der Fachmann nicht als "ausschließlich", sondern ohne weiteres als exemplarische Benennung eines einzelnen Vertreters für die anderen in (2) offenbarten Bindemittel, somit auch Gips. Die wesentliche Aussage des zitierten (Teil-)satzes ist, dass sich Montanwachs grundlegend anders als bekannte Zusatzmittel verhält, welche ohne Reduzierung des Anmachwassers die Druckfestigkeit erniedrigen (S. 3 Z. 6 bis 9). Diese Feststellung korrespondiert im Übrigen mit der Angabe, dass bei Verwendung einer Montanwachsemulsion mit Reduzierung der Anmachwassermenge die Endfestigkeit beibehalten wird (Seite 4 Abs. 1/2 wobei auch diese Angabe ersichtlich alle in (2) genannten Baustoffmischungen umfasst.
Die Frage, ob die Angabe eines neuen Zwecks (hier Erhöhung der Festigkeit) die Neuheit eines Verwendungsanspruchs begründen kann, stellt sich daher vorliegend nicht, da (auch) die Zweckangabe eben gegenüber der Lehre von (2) nicht mehr neu ist. Somit bleibt kein Raum zur Zulassung der angeregten Rechtsbeschwerde.
3. Gegen die gemäß Hilfsantrag vorgenommene Hinzufügung im Anspruch 1 bestehen keine formalen Bedenken. Sie ist im erteilten Anspruch 2 i. V. m. Abschnitt [0025] der Streitpatentschrift bzw. im ursprünglichen Anspruch 7 i. V. m. Seite 7 Absatz 2 der ursprünglichen Beschreibung offenbart.
Diese Hinzufügung verhilft dem Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag zwar zur Neuheit, kann aber seine erfinderische Tätigkeit nicht begründen.
Anreger sind nämlich allgemein übliche Zusätze für Baustoffmischungen auf Basis von Calciumsulfat, wie beispielsweise durch (1) Seite 4 Zeilen 5/6 belegt wird. Dass sich auch die Mengen von 2 bis 7 Gew.-% im allgemein üblichen Bereich bewegen, ist dem Senat aus eigener Fachkunde bekannt und ist auch von der Patentinhaberin nicht in Abrede gestellt worden.
4. Der erteilte Patentanspruch 1 und der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag können somit keinen Bestand haben. Mit ihnen fallen die jeweils zugehörigen Patentansprüche 2, die auf eine besondere Ausführungsform der Verwendung nach Anspruch 1 gerichtet sind.
BPatG:
Beschluss v. 12.01.2007
Az: 14 W (pat) 344/04
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