Landgericht Münster:
Beschluss vom 25. Februar 2010
Aktenzeichen: 05 T 229/09
(LG Münster: Beschluss v. 25.02.2010, Az.: 05 T 229/09)
Tenor
Die sofortige Beschwerde vom 24.02.2009 gegen den Beschluss der Rechtspflegerin des Amtsgerichts N vom 18.02.2009, Az.: 27 XVII # ..., wird zurückgewiesen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.658,66 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin ist die gesetzliche Berufsbetreuerin der Frau M.
Sie ist gleichzeitig Rechtsanwältin. Als solche verfolgte sie für die Betreute Rentenansprüche für die Zukunft und die Vergangenheit gegen einen Dritten. Ansprüche für die Vergangenheit klagte sie ein; dieses Verfahren endete vor dem Oberlandesgericht mit einem Vergleich, mit dem sich der Dritte verpflichtete, an die Betreute einen einmaligen Betrag von 5.000,00 € zu zahlen. Vor Abschluss dieses Vergleiches wies das Oberlandesgericht die Parteien darauf hin, dass Ansprüche für die Vergangenheit in erheblichem Umfang verjährt bzw. verwirkt seien könnten. Diese Ansprüche und damit auch der Vergleichsbetrag von 5.000,00 € war bereits zuvor auf die Stadt in N als Sozialleistungsträger der Betreuten übergeleitet worden. In diesem Verfahren beantragte die Betreuerin für die Betreute Prozesskostenhilfe. Die hieraus erwachsenen gerichtlichen Gebühren sind nicht Gegenstand des hiesigen Beschwerdeverfahrens.
Daneben verfolgte die Beschwerdeführerin als Rechtsanwältin der Betreuten außergerichtlich Rentenansprüche für die Zukunft gegen den Dritten. Dieser einigte sich mit der Betreuten, vertreten durch die Beschwerdeführerin, auf eine lebzeitige monatliche Zahlung in Höhe von 375,87 €. Mit Schreiben vom 01.10.2007 beantragte die Beschwerdeführerin bei dem Vormundschaftgericht N für diese außergerichtliche Tätigkeit die Festsetzung von Gebühren für ihre berufsmäßigen Dienstleistungen in Höhe von 899,40 €. Diese errechnete sie aus einer Geschäftsgebühr in Höhe von 13/10 gem. §§ 2 Abs. 2, 13 Abs. 1 RVG i. V. m. der Gebührenziffer 2300 der Anlage 1 zum RVG zuzüglich Auslagenpauschale und MwSt.
Mit dem angegriffenen Beschluss setzte die zuständige Rechtspflegerin eine Vergütung in Höhe von 255,85 € Brutto zur Auszahlung aus der Landeskasse fest. Diese errechnete das Amtsgericht mit einer Geschäfts- und einer Einigungs- bzw. Erledigungsgebühr nach den Gebührenziffern 2503 sowie 2508 der Anlage 1 zum RVG zuzüglich Auslagenpauschale und MwSt jeweils auf der Grundlage von Gebühren im Rahmen einer Beratungshilfe. Das Amtsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Rechtsanwalt eines mittellosen Rechtssuchenden für eine außergerichtliche Vertretung eine Vergütung im Rahmen der Beratungshilfe erhalten hätte, und dass das Betreuungsverhältnis es nicht rechtfertigen könne, dass die Betreuerin, die gleichzeitig als Rechtsanwältin tätig ist, Ansprüche geltend machen kann, die die eines Rechtsanwaltes übersteigen, der nicht gleichzeitig Berufsbetreuer des in Rede stehenden Mandanten ist. Die Betreute sei auch berechtigt gewesen, Beratungshilfe in Anspruch zu nehmen, da sie als mittellos anzusehen sei. Insbesondere rechtfertige weder die monatliche Rentenzahlung, noch der Vergleichsbetrag von 5.000,00 € eine abweichende Beurteilung; ersterer stelle als monatliche Zahlung Einkommen und kein Vermögen da, letzterer sei dem Vermögen der Betreuten schon deshalb nicht hinzuzurechnen, weil dieser Anspruch auf die Stadt N übergeleitet worden sei.
Gegen diesen Beschluss legte die Beschwerdeführerin unter dem 24.02.2009, Eingang beim Amtsgericht am 01.03.2009, sofortige Beschwerde ein und beantragte gleichzeitig eine Vergütung in Höhe von insgesamt 1.913,51 € festzusetzten. Diese errechnete sie aus einer 13/10 Geschäftsgebühr und einer 15/10 Einigungsgebühr, jeweils ausgehend von einem Geschäftswert in Höhe von 16.000,00 € zuzüglich zwei (!) Auslagenpauschalen und MwSt.
Auf den angegriffenen Beschluss (Bl. 44 f), die Beschwerdebegründung (Bl. 47 f.) sowie die Antragsschrift der Beschwerdeführerin vom 01.10.2007 (Bl. 10 f.) sowie ihre ergänzende Stellungnahme vom 09.11.2007 (Bl. 19 f.) wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zutreffend geht das Amtsgericht davon aus, dass die Beschwerdeführerin eine Vergütung aus der Landeskasse für ihre berufsspezifischen Dienste gem. § 1835 Abs. 3 BGB verlangen kann, diese aber bezogen auf die hier streitgegenständliche außergerichtliche Tätigkeit auf eine Vergütung nach dem Beratungshilfegesetz beschränkt ist. Diese hat das Amtsgericht entsprechend der im Beschluss genannten Gebührenziffern aus Anlage 1 zum RVG zutreffend - und von der Beschwerdeführerin nicht beanstandet - berechnet.
Für diese Entscheidung ist zunächst unerheblich, ob - was die Beschwerdeführerin in ihrer ergänzenden Stellungnahme aus November 2007 nicht näher konkretisiert vorträgt -in einem anderen Verfahren Beratungshilfe begehrt und ihr diese verweigert worden ist. Maßgeblich für die Entscheidung sind nicht Tatsachen aus einem anderen, sondern solche, die diesem Verfahren zugrunde liegen.
Die Betreute hätte auch einen Anspruch auf Beratungshilfe nach dem Beratungshilfegesetz gehabt, da sie zum Zeitpunkt der außergerichtlichen Tätigkeit der Beschwerdeführerin nicht in der Lage war, die notwendigen Mittel zur Zahlung eines Anwaltes nach den Gebührensätzen eines Wahlanwaltes aufzubringen. Die Voraussetzungen von § 1 Abs. 2 Beratungshilfegesetz waren gegen, da der Betreuten Prozesskostenhilfe den Vorschriften der ZPO ohne einen eigenen Beitrag zu den Kosten zu gewähren wäre. Denn zum Zeitpunkt der Tätigkeit der Beschwerdeführerin verfügte die Betreute über keinerlei Mittel zur Bezahlung eines Anwaltes. Einerseits war die für die Zukunft zu zahlende Rente Gegenstand der außergerichtlichen Tätigkeit der Beschwerdeführerin; andererseits war die für die Vergangenheit ausstehende Rente noch in einem zivilprozessualen Verfahren anhängig, für das die Betreute Prozesskostenhilfe beantragt hatte. Weder das eine, noch das Andere wäre bei der Beurteilung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betreuten zu berücksichtigen gewesen, weil Vermögensvermehrungen, insbesondere solche, die durch den Prozess bzw. die außergerichtliche Tätigkeit erst durchgesetzt werden sollen, bei dieser Beurteilung grundsätzlich außer Betracht zu bleiben haben. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der §§ 115 Abs. 2, 120 Abs. 1 ZPO ("…aus dem Vermögen zu zahlen" (Musielak, ZPO, 2009, § 115, Rz. 35, BVerwG in NJW 1999, Seite 3210 f.). Damit ist die - eher abwegige - Auffassung der Beschwerdeführerin, für die Berechnung der ihr zustehenden Gebühren sei der Vergleichsbetrag aus der zivilprozessualen Streitigkeit zu berücksichtigen, obschon dieser bereits auf die Stadt N übergeleitet worden war, ohne jede Bedeutung. Denn selbst wenn dieser Betrag für eine - wie die Beschwerdeführerin es ausdrückt - juristische Sekunde in dem Vermögen der Betreuten vorhanden gewesen wäre, wäre er bei der Beurteilung der Mittellosigkeit zum Zeitpunkt der außergerichtlichen Tätigkeit bezogen auf die zukünftig zu zahlenden Rentenansprüche an die Betreute nicht zu berücksichtigen gewesen.
Da die Betreute danach einen Anspruch auf Beratungshilfe hatte, wäre die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der außergerichtlichen Tätigkeit gehalten gewesen, Beratungshilfe zu beantragen. Denn auch außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens hat der Rechtsanwalt grundsätzlich die Pflicht, seinen erkennbar mittellosen Mandanten auf die Möglichkeit von Beratungshilfe hinzuweisen. Das Betreuungsverhältnis rechtfertigt es nicht, diese Pflichtenlage in Angelegenheiten eines mittelosen Betreuten anders zu beurteilen. Auch hier gilt, dass der Berufsbetreuer, der für den Betreuten in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt tätig wird, über §§ 1835 Abs. 3 BGB zwar nicht schlechter gestellt werden soll, als ein Anwalt der nicht gleichzeitig auch ein Betreuer des Mandanten ist; § 1835 Abs. 3 BGB gebietet es aber nicht, den "Anwaltsbetreuer" besser zu stellen als den "Nur-Anwalt" (BGH NJW 2007, S. 844 f.)
Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin sind diese Erwägungen auch auf die geltende Rechtslage heranzuziehen; zwar hatte der BGH in der genannten Entscheidung einen Fall zu beurteilen, bei dem weder das RVG noch das VBVG existierte. Das ist aber bedeutungslos; die genannten Überlegungen greifen auch bei der jetzigen Rechtslage. Denn einerseits konnte der Rechtsanwalt, der gleichzeitig als Vormund für seine Mandanten tätig war, für anwaltliche Tätigkeiten seit jeher die Gebühren eines Anwalts beanspruchen. Dies folgt nicht (erst) aus § 4 Abs. 2 S. 2 VBVG, sondern unmittelbar aus § 1835 Abs. 3 BGB. Andererseits hat der von der Beschwerdeführerin angesprochene § 50 RVG mit dem vorliegenden Fall nichts zu tun. Denn die im § 50 RVG angesprochenen ergänzenden Gebühren fallen allenfalls für eine gerichtliches Verfahren an, in dem Prozesskostenhilfe gewährt worden ist und der Gegner Kosten zu tragen hat, nicht aber in einem außergerichtlichen Verfahren, für das Beratungshilfe in Anspruch genommen worden ist. Im übrigen hatte § 50 RVG eine Vorgängervorschrift auch in der BRAGO (§124).
In gleicher Weise ist deshalb bedeutungslos, ob - was die Kammer ebenfalls für abwegig hält - die lebenslänglichen Zahlungen bei der Beurteilung der Mittellosigkeit der Betreuten zu kapitalisieren sind.
Schließlich geht auch die Argumentation der Beschwerdeführerin der Betreuten stehe deren Rente insoweit nicht zu, soweit die Anwaltskosten der Beschwerdeführerin nicht gedeckt seien, ins Leere. Da die Betreute nach den obigen Ausführungen einen Anspruch nach dem Beratungshilfegesetz gehabt hätte, schuldete sie weitergehende Gebühren gerade nicht. Dies folgt zwingend aus den Regelungen der §§ 8, 9 Beratungshilfegesetz, wonach eine Vergütungsvereinbarung einerseits nichtig ist und der mandatierte Anwalt die volle gesetzliche Vergütung nur in soweit erhält, als das der Gegner Kosten des Mandanten zu tragen hat. Daraus folgt, dass in allen anderen Fällen die Gebühren des Anwaltes durch die vom Amtsgericht in dem angegriffenen Beschluss genannten Beträge begrenzt sind.
LG Münster:
Beschluss v. 25.02.2010
Az: 05 T 229/09
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