Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 31. Juli 2003
Aktenzeichen: I-6 U 27/03
(OLG Düsseldorf: Urteil v. 31.07.2003, Az.: I-6 U 27/03)
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 17. Januar 2003 verkündete Ur-teil der 10. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf unter Zu-rückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die in der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 16. August 2002 gefassten Beschlüsse,
den zwischen den Parteien geschlossenen Anstellungsvertrag fristlos zu kündigen und
den Beklagten als Geschäftsführer abzuberufen,
werden für die Zeit bis zur Beschlussfassung vom 20. September 2002 für nichtig erklärt.
Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 83 % und die Beklagte
zu 17 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beide Parteien können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des für die jeweils andere Partei aufgrund dieses Urteils voll-streckbaren Geldbetrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstrecken-den Betrages leistet.
Gründe
I.
Zum Sachverhalt wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen. Mit ihrer Berufung macht die Beklagte geltend, dass die Wahl des Versammlungsortes Ludwigsburg keine Anfechtbarkeit des Beschlusses vom 16. August 2002 begründe, weil auch eine Beschlussfassung am zulässigen Ort zu keinem anderen Ergebnis geführt hätte. Im Übrigen sei ein Mangel des Beschlusses vom 16. August 2002 durch den Beschluss vom 20. September 2002 geheilt worden, so dass die Anfechtbarkeit nun nicht mehr geltend gemacht werden könne. Für die Einhaltung der Kündigungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei die Kündigungserklärung vom 16. August 2002 maßgeblich. An der Feststellung einer vorübergehenden Nichtigkeit des Beschlusses vom 16. August 2002 habe der Kläger als Gesellschafter auch kein rechtliches Interesse.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil in dem seiner Klage stattgebenden Teil und bestreitet, dass er versucht habe, Mitarbeiter oder Kunden der Beklagten abzuwerben und/oder auf ein Konkurrenzunternehmen überzuleiten.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die nachstehenden tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Die zulässige Klage ist auch hinsichtlich des Antrages, den in der Gesellschafterversammlung vom 20. September 2002 zur fristlosen Kündigung des Anstellungsvertrages gefassten Beschluss für nichtig zu erklären, unbegründet. Die weiter gehende Berufung ist unbegründet.
1.
Die Klage ist zulässig.
a)
Die Frage, ob der Kläger tatsächlich noch Mitgesellschafter ist, ist im Rahmen der Begründetheit zu behandeln. Für die Zulässigkeit ist entscheidend, dass der Kläger seiner Auffassung nach Mitgesellschafter ist und als Mitgesellschafter klagt.
b)
Soweit der Gesellschafterbeschluss vom 20. September 2002 heilende Wirkung entfaltet, hat der Kläger als Mitgesellschafter, als der er klagt, ein rechtliches Interesse daran, dass der bestätigte Beschluss vom 16. August 2002 für die Zeit bis zur Bestätigung für nichtig erklärt wird. Denn für die Gesellschaft und damit den Kläger als Mitgesellschafter ist von Bedeutung, durch wen die Gesellschaft in der Zeit vom 16. August bis zum 20. September 2002 organschaftlich mit den sich hieraus ergebenden Rechten und Pflichten vertreten wurde und ob der Anstellungsvertrag mit den sich daraus für die Gesellschaft ergebenden Rechten und Pflichten zunächst fortbestanden hat.
2.
Das Landgericht hat die in den Gesellschafterversammlungen vom 16. August und 20. September 2002 gefassten Beschlüsse, den Anstellungsvertrag zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits fristlos zu kündigen, für nichtig erklärt und weiter festgestellt, dass der in der Gesellschafterversammlung vom 16. August 2002 gefasste Beschluss, den Kläger als Geschäftsführer abzuberufen, bis zu dem bestätigenden Beschluss vom 20. September 2002 nichtig war. Dieses Ergebnis hält hinsichtlich der am 20. September 2002 erfolgten Beschlussfassung zur fristlosen Kündigung des Anstellungsvertrages einer Überprüfung nicht stand; hinsichtlich der Abberufung des Klägers ist der landgerichtliche Tenor klarstellend zu modifizieren.
a) Der Beschluss vom 16. August 2002
aa) Es kann dahin gestellt bleiben, ob der Kläger während des Rechtsstreits aus der Gesellschaft ausgeschieden ist. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, hätte dies auf den Prozess keinen Einfluss (§ 265 Abs. 2 ZPO; BGHZ 43, 261, 268; vgl. auch Hüffer, AktG, 3. Aufl., § 245 Rdnr. 8).
bb) Die gesellschaftsvertraglich vereinbarte Anfechtungsfrist von zwei Monaten ist gewahrt.
cc) Der Beschluss vom 16. August 2002 leidet an einem formalen Mangel, da die Gesellschafterversammlung nicht am Sitz der Gesellschaft, sondern weit entfernt in LUDWIGSBURG stattfand.
Der Versammlungsort war - wie es selbst die Beklagte nicht anders sieht - unzulässig. Bestimmt der Gesellschaftsvertrag nichts zum Versammlungsort (wovon hier auszugehen ist), ist analog § 121 Abs. 4 AktG das Geschäftslokal der Gesellschaft an ihrem statutarischen Sitz der Versammlungsort (vgl. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Aufl., § 48 Rdnr. 7). Zwar kann in einer Gesellschaft mit überschaubarem Gesellschafterkreis ein anderer Ort gewählt werden, von dem von vornherein feststeht, dass er sämtlichen Gesellschaftern die Teilnahme nicht erschwert, weil diese ihn leichter als den Sitz der Gesellschaft erreichen können (vgl. BGH, WM 1985, 567, 568; OLG D, GmbHR 1997, 748, 749). Hier war aber der ausgewählte Versammlungsort in Ludwigsburg wegen seiner Entfernung vom Sitz der Gesellschaft in Düsseldorf und Wohnort des Klägers in ... nur erheblich schwerer zu erreichen.
Die Unzulässigkeit des gewählten Versammlungsortes führt zur Fehlerhaftigkeit und damit Anfechtbarkeit des Beschlusses vom 16. August 2002. Für das Aktienrecht ist dies in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. Hüffer a.a.O. § 121 Rdnr. 12). Für die Gesellschafterversammlung einer GmbH gilt im Ergebnis nichts anderes (vgl. Scholz/
K. Schmidt, GmbHG, 9. Aufl., § 48 Rdnr. 10). Denn durch die Wahl eines unzulässigen Versammlungsortes wird das Mitwirkungs- und Partizipationsrecht des benachteiligten Gesellschafters verletzt.
dd) Die fehlerhafte Auswahl des Versammlungsortes ist auch nicht deshalb bedeutungslos, weil angesichts der beherrschenden Stellung der H GmbH anzunehmen ist, dass der Beschluss am Versammlungsort E ebenfalls gefasst worden wäre. Denn nicht auf eine diesbezügliche Kausalität, sondern auf die Relevanz des Verstoßes ist abzustellen, wenn die verletzte Verfahrensbestimmung das Mitwirkungs- oder Partizipationsrecht des Gesellschafters verletzt.
(1) Nach der im Schrifttum überwiegend vertretenen Relevanztheorie, der sich der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 12. November 2001 ("Sachsenmilch III"; WM 2002, 179, 181 = ZIP 2002, 172, 174; vgl. hierzu auch Goette, DStR 2002, 1314; Scholz/K. Schmidt a.a.O. Rdnr. 100) angeschlossen hat, führt die Verletzung von Mitwirkungs- oder Partizipationsrechten eines Gesellschafters in der Regel zur Anfechtbarkeit des unter Verletzung dieser Rechte gefassten Gesellschafterbeschlusses. Dies wird im Wesentlichen damit begründet, dass individualrechtliche Verfahrensbestimmungen, die dem Schutz dieser Rechte dienen, keiner Gesellschaftermehrheit, auch keiner qualifizierten, zur Disposition stehen. Bei entsprechenden Verfahrensverstößen scheide Anfechtbarkeit nur dort aus, wo der anfechtende Gesellschafter ausschließlich die Verletzung fremder Interessen rüge oder der Verfahrensverstoß das Informations- und Partizipationsinteresse des Gesellschafters nicht konkret beeinträchtigt habe (vgl. zu allen nur Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, 17. Aufl., § 47 Rdnr. 67 ff.; Lutter/Hommelhoff a.a.O. Anhang § 47 Rdnr. 51; Scholz/K. Schmidt a.a.O. § 45 Rdnr. 100 ff., hier insbesondere Rdnr. 103).
(2) Bei Zugrundelegung dieser Relevanztheorie ist der vorliegende Verfahrensfehler bedeutsam, weil die Unzulässigkeit des Versammlungsortes das die Geltung der Mehrheitsentscheidung legitimierende Partizipationsinteresse des Klägers berührt. Die Relevanz des Verfahrensfehlers für das Beschlussergebnis folgt aus der gesetzlichen Wertung, wie sie in § 121 Abs. 4 AktG zum Ausdruck kommt, nämlich der Wertung, dass die Wahl des Versammlungsortes für das Teilhaberecht des Gesellschafters grundsätzlich von Bedeutung ist. Genau auf eine solche Relevanz eines Verfahrensfehlers hat auch der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 12. November 2001 abgestellt.
(3) Die bei der Verletzung eines Mitwirkungs- oder Partizipationsrechts grundsätzlich anzunehmende Relevanz des Verfahrensfehlers für das Beschlussergebnis ist im vorliegenden Fall auch nicht ausnahmsweise zu verneinen. Auf der Grundlage der Relevanztheorie ist die Verletzung von Mitwirkungs- oder Partizipationsrechten nur dann bedeutungslos, wenn es bei wertender Betrachtungsweise ausgeschlossen ist, dass sich der Verfahrensfehler auf das Beschlussergebnis ausgewirkt hat. Dies kann im vorliegenden Fall nicht angenommen werden.
Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass wegen der Wirkung einer fristlosen Kündigung auch der Zeitpunkt des Beschlusses für das Beschlussergebnis von Bedeutung ist. Wird der Beschluss zu einer fristlosen Kündigung erst später gefasst und dementsprechend später ausgeführt, entfaltet er wegen der dadurch bedingten Verzögerung inhaltlich eine andere Wirkung. Eine diesbezügliche Relevanz des Verfahrensfehlers ist keinesfalls ausgeschlossen. Denn da der Versammlungsort unzulässig ausgewählt war, musste ein objektiv wertender Gesellschafter zu dem Ergebnis gelangen, dass wegen dieses Verfahrensfehlers eine hinreichende Auseinandersetzung mit dem Beschlussgegenstand insbesondere mangels Möglichkeit zur Anhörung des Benachteiligten und von dem Beschlussgegenstand betroffenen Gesellschafters (noch) nicht stattfinden konnte und damit eine genügende Grundlage zur Meinungsbildung am 16. August 2002 fehlte.
Obwohl der Kläger zu der ordnungsgemäß einberufenen Gesellschafterversammlung vom 20. September 2002 nicht erschienen ist, kann schließlich auch nicht angenommen werden, dass er bei zulässigem Versammlungsort am 16. August 2002 ebenfalls nicht erschienen wäre und deswegen seine Mitwirkungs- und Partizipationsinteressen letztlich nicht verletzt wurden. Zwar bezweifelt die Beklagte, dass der Kläger am 20. September 2002 erkrankt war. Darauf kommt es aber nicht an. Denn das Verhalten des Klägers am 20. September 2002 schließt die Möglichkeit nicht aus, dass der Kläger am 16. August 2002 bei zulässigem Versammlungsort von seinen Teilhaberechten Gebrauch gemacht hätte.
b) Der Beschluss vom 20. September 2002
aa) Die gesellschaftsvertraglich vereinbarte Anfechtungsfrist von zwei Monaten ist auch hier gewahrt.
bb) Soweit der Kläger den Beschluss vom 20. September 2002 anficht, ist er aber schon nicht aktivlegitimiert. Denn zu dem Zeitpunkt, als er diesen Streitgegenstand in den Rechtsstreit einführte, war er nicht mehr Gesellschafter.
(1) In diesen Rechtsstreit eingeführt hat der Kläger den Streitgegentand mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2002, bei Gericht eingegangen am 17. Oktober 2002 und der Beklagten zugestellt am 31. Oktober 2002.
(2) Bereits am 27. September 2002 hatte die H GmbH ein unwiderrufliches notarielles Angebot des Klägers auf Rückübertragung seines Geschäftsanteils vom 24. August 2000 angenommen. Dieses Angebot des Klägers stand unter der aufschiebenden Bedingung, dass er, gleich aus welchem Grund, aus dem Anstellungsverhältnis bei der Beklagten ausscheidet. Diese Bedingung war bis zum 27. September 2002 innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist von zwei Monaten eingetreten.
Am 27. September 2002 lagen die Voraussetzungen des Angebotes vom 24. August 2000 vor. Denn das Anstellungsverhältnis war aufgrund fristloser Kündigung vom 20. September 2002 beendet. Diese fristlose Kündigung war wirksam. Sie beruhte auf dem seinerseits wirksamen Gesellschafterbeschluss vom 20. September 2002.
Formale Mängel dieses Beschlusses hat der Kläger nicht geltend gemacht und sind nicht ersichtlich.
Der Beschluss ist auch nicht materiell unwirksam. Denn die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung des Anstellungsverhältnisses mit dem Kläger sind erfüllt.
(11) Die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist gewahrt.
Nach dieser Vorschrift ist für den Fristbeginn ausschlaggebend, wann der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat.
Bei juristischen Personen ist grundsätzlich die Kenntnis des zur Kündigung berechtigten Organs entscheidend, z.B. für die Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers diejenige der Gesellschafterversammlung. Da die Gesellschafterversammlung ein Kollegialorgan ist, das seinen Willen durch Beschlussfassung bilden muss, kommt es für die Wissenszurechnung an die Gesellschaft nur auf die Kenntnis der Organmitglieder in ihrer Eigenschaft als Mitwirkende an der kollektiven Willensbildung an. Kenntnis der Gesellschafter als kollegiales Beratungs- und Beschlussorgan liegt daher erst dann vor, wenn der für die Tatsachenkenntnis maßgebliche Sachverhalt hinsichtlich der Entlassung des Geschäftsführers einer Gesellschafterversammlung unterbreitet wird (vgl. zu allem BGH, WM 1998, 1537, 1538 in Abweichung u.a. zu BGH, WM 1976, 379, 380).
Am 16. August 2002 erfolgte keine kollektive Willensbildung in dem vorgenannten Sinn. Der Versammlungsort war unzulässig ausgewählt, und die Gesellschaft war nicht in der Lage, als Kollegialorgan eine letztlich wirksame Entscheidung zu treffen. Denn die Anfechtungsklage hat eine scheinbar kollektive Willensbildung rückwirkend vernichtet. Zu einer rechtlich relevanten Zusammenkunft der Gesellschafter als kollegiales Satzungs- und Beschlussorgan kam es erst am 20. September 2002. Erst von diesem Zeitpunkt an begann daher die Zweiwochenfrist zu laufen. Innerhalb dieser Frist hat der von der Gesellschaft hierzu bevollmächtigte Geschäftsführer X die fristlose Kündigung erklärt.
Die vom Kläger im Anschluss an die mündliche Verhandlung gegen diese Auffassung aufgezeigten vermeintlichen Widersprüche sprechen schon deswegen nicht gegen die hier vertretende Auffassung, weil die vom Kläger dargelegten unterschiedlichen Ergebnisse auf unterschiedlichen Sachverhalten beruhen. Für die Frage, ob bei einem anfechtbaren Gesellschafterbeschluss ein kollektiver Wille gebildet wurde, kommt es gerade darauf an, ob der zur Anfechtbarkeit führende Fehler analog § 244 Satz 1 AktG geheilt oder der Gesellschafterbeschluss mit Erfolg angefochten wird. Dass unterschiedliche Sachverhalte unterschiedliche Rechtsfolgen auslösen, stellt keinen Widerspruch dar.
Ein unangemessenes Hinauszögern der Einberufung der Gesellschafterversammlung, das ausnahmsweise dazu führen kann, dass die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB schon vor dem maßgeblichen Zusammentreten der Gesellschafter beginnt (vgl. BGH WM 1998, 1537, 1538), liegt im vorliegenden Fall nicht vor; insbesondere ist dem Kläger nicht zugemutet worden, bis zu einem unabsehbaren Zusammentritt der Gesellschafter zuwarten zu müssen, um zu erfahren, wie die Gesellschafterversammlung auf die Kenntnisnahme von den Kündigungsgründen reagiert. Der einberufungsberechtigte Mitgesellschafter X hat vielmehr nach Kenntnisnahme des Kündigungsgrundes am 1. August 2002 bereits mit Schreiben vom 6. August 2002 die Gesellschafterversammlung vom 16. August 2002 einberufen. Bereits aufgrund der Einladung vom 6. August 2002 war dem Kläger bekannt, dass in einer alsbald anberaumten Gesellschafterversammlung über die fristlose Kündigung seines Anstellungsvertrages ein Beschluss gefasst werden sollte. Gemäß dem - fehlerhaften - Gesellschafterbeschluss vom 16. August 2002 ist dem Kläger mit noch an diesem Tage verfassten Schreiben die fristlose Kündigung erklärt worden. Nachdem der Kläger mit Anwaltschreiben vom 2. September 2002 den Gesellschafterbeschluss vom 16. August 2002 beanstandet hatte, hat der einberufungsberechtigte Geschäftsführer X schon lange vor der erst im Oktober erfolgten Zustellung der Anfechtungsklage des Klägers mit Schreiben vom 5. September 2002 die Gesellschafterversammlung vom 20. September 2002 einberufen. Unmittelbar im Anschluss an diese Gesellschafterversammlung ist das Kündigungsschreiben vom 20. September 2002 verfasst und dem Kläger zugeleitet worden. Bei diesem Geschehensablauf ist für den Kläger in den maßgeblichen Zeiträumen stets absehbar gewesen, dass die Gesellschafterversammlung zeitnah zusammentreten sollte, um über den Fortbestand seines Anstellungsvertrages zu entscheiden.
Auf die Frage, ob vor Einberufung der zweiten Gesellschafterversammlung die fristgerechte Erhebung der Anfechtungsklage ohne Rechtsnachteile hätte abgewartet werden können, kommt es, da die Einberufung innerhalb der gesellschaftsvertraglichen Anfechtungsfrist vor Erhebung der Anfechtungsklage erfolgte, nicht mehr an.
(22) Die Beklagte hatte auch einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung. Es ist als unstreitig anzusehen, dass der Kläger sich gegenüber der Beklagten grob illoyal verhalten und damit die notwendige Vertrauensgrundlage zwischen ihm und der Beklagten zerstört hat.
Die Beklagte hat bereits mit der Klageerwiderung behauptet, dass der Kläger gemeinsam mit der Angestellten D versucht habe, ihre, der Beklagten, Mitarbeiter abzuwerben und auf ein neues, von einem Herrn N gegründetes Konkurrenzunternehmen überzuleiten. Der Kläger habe unter anderem Frau M, eine Angestellte der Beklagten, angesprochen. Im ersten Halbjahr 2002 sei er wiederholt auf diese Angestellte zugekommen und habe sie gefragt, ob sie nicht bei der Beklagten kündigen und bei einer Neugründung eines Konkurrenzunternehmens mit machen wolle. Auf Frage von Frau M, woher die Kunden kommen sollten, habe der Kläger erklärt, dass das neue Unternehmen auf den bestehenden Kundenstamm der Beklagten aufbauen wolle. Man werde die Beklagte sukzessive sterben lassen und das Geschäft auf die neue Agentur des Herrn N überleiten. Der Kläger habe Frau M auch den Entwurf eines neuen Arbeitsvertrages vorgelegt, den diese jedoch nicht unterschrieben habe. Ende Juli 2002 habe der Kläger nochmals nachdrücklich Einfluss auf Frau M genommen. Als sie am 22. Juli 2002 aus ihrem Urlaub zurückgekehrt sei, habe ihr der Kläger erklärt, jetzt sei "alles in trockenen Tüchern". Er werde ihr am 24. Juli 2002 seinen neuen Partner und dessen Büroräume vorstellen. An diesem Tag sei Frau M tatsächlich Herrn N vorgestellt worden. Dieser habe ihr einen Dienstvertrag mit der Aufforderung überreicht, diesen sofort zu unterschreiben. Der Kläger habe seine Aufforderung an Frau M wiederholt, bei der Beklagten zu kündigen.
Erstinstanzlich hat der Kläger ausdrücklich von einer Stellungnahme zu diesen Behauptungen der Beklagten abgesehen.
Auch wenn der Kläger wegen seiner anders gelagerten Angriffsmittel und der damit einhergehenden Bitte um einen Hinweis mit einem solchen rechnen durfte, wenn das Landgericht das Vorliegen eines wichtigen Kündigungsgrundes für entscheidungserheblich gehalten hätte, und deswegen das zweitinstanzliche Bestreiten des Klägers zu der Frage eines wichtigen Kündigungsgrundes zuzulassen ist (§ 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), ist von einem Fehlverhalten des Klägers auszugehen, das eine fristlose Kündigung rechtfertigt. Denn letztlich hat er lediglich in Abrede gestellt, dass er selbst Frau M den Entwurf eines neuen Arbeitsvertrages vorgelegt habe. Damit sind aber die weiteren, für sich genommen bereits ausreichenden Verstöße des Klägers gegen seine Pflicht zur Loyalität unstreitig. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass der Kläger mit der Berufungserwiderung pauschal bestritten hat, den Versuch unternommen zu haben, Mitarbeiter oder Kunden der Beklagten abzuwerben und/oder auf ein Konkurrenzunternehmen überzuleiten. Denn nachdem die Beklagte daraufhin gerügt hat, dass der Kläger mit seinem Vorbringen auf ihre Behauptungen nicht hinreichend eingegangen sei, bestreitet der Kläger lediglich noch, dass "er" Frau M den Entwurf eines neuen Arbeitsvertrages vorgelegt hat, und lässt die daraus gezogene Schlussfolgerung der Beklagten, die übrigen Vorwürfe seien unbestritten, unbeanstandet.
c)
Der bestätigende Beschluss vom 20. September 2002 wird mit der Rechtskraft dieser Entscheidung analog § 244 Satz 1 AktG (vgl. Scholz/K. Schmidt a.a.O. § 45 Rdnr. 121) heilende Wirkung entfalten, allerdings, wie sich bereits aus § 244 Satz 2 AktG analog ergibt, erst ab dem Zeitpunkt seiner Fassung (vgl. auch Hüffer a.a.O. § 244 Rdnr. 6; Scholz/K. Schmidt a.a.O.). Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Beschluss vom 16. August 2002 für nichtig zu erklären.
Auch wenn mit der Verkündung dieser Entscheidung die Anfechtungsklage gegen den Bestätigungsbeschluss noch nicht rechtskräftig abgewiesen ist, kann die heilende Wirkung bereits zum jetzigen Zeitpunkt Berücksichtigung finden. Denn hinsichtlich der heilenden Wirkung des Bestätigungsbeschlusses und der Wirksamkeit des Bestätigungsbeschlusses wird diese Entscheidung ohnehin erst mit ihrer Rechtskraft rechtliche Relevanz entfalten.
Bezüglich der fristlosen Kündigung führt die Berufung der Beklagten nach alledem zu der aus dem Tenor ersichtlichen Änderung des angefochtenen Urteils.
Bezüglich der Abberufung des Klägers hat das Landgericht festgestellt, dass der Gesellschafterbeschluss vom 16. August 2002 zur Abberufung des Klägers bis zur Bestätigung in der Gesellschafterversammlung vom 20. September 2002 nichtig war. Wie sich bei verständiger Würdigung aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ergibt, hat das Landgericht nicht die Auffassung vertreten, dass der ursprüngliche Gesellschafterbeschluss insoweit von Anfang an nichtig war, sondern die, dass er anfechtbar war. Dementsprechend ist auch insoweit der Gesellschafterbeschluss vom 16. August 2002 für die Zeit bis zur Bestätigung für nichtig zu erklären und hierzu der landgerichtliche Tenor klarstellend zu modifizieren.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Dass das erstinstanzliche Unterliegen des Klägers hinsichtlich seiner einseitig gebliebenen Erledigungserklärung geringfügig größer war als sein zweitinstanzliches, hat auf die Kostenquote keinen bedeutsamen Einfluss.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren und - insoweit gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG in Abänderung der Streitwertfestsetzung in dem angefochtenen Urteil - der Streitwert für die erste Instanz werden entsprechend der vorläufigen Streitwertfestsetzung des Einzelrichters im Beschluss vom 10. April 2003 jeweils auf bis zu 95.000,00 EUR festgesetzt. Der einseitig für erledigt erklärte Teil des erstinstanzlichen Rechtsstreits entfaltet keine Bedeutung, die es rechtfertigt, insgesamt einen höheren Streitwert festzusetzen.
Die Beschwer des Klägers liegt über 20.000,00 EUR, die der Beklagten unterhalb dieses Schwellenwertes.
Anlass zur Zulassung der Revision besteht nicht. Der Senat hat sich an der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs orientiert.
OLG Düsseldorf:
Urteil v. 31.07.2003
Az: I-6 U 27/03
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