Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Urteil vom 6. Dezember 2001
Aktenzeichen: 9 A 670/01

(OVG Nordrhein-Westfalen: Urteil v. 06.12.2001, Az.: 9 A 670/01)

Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Der Gebührenbescheid der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom 4. Novem-ber 1999 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Voll-streckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin ist Betreiberin eines Mobilfunknetzes. Aufgrund einer ihr erteilten Lizenz ist ihr das Recht verliehen, im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein digitales zellulares Mobilfunknetz (E2-Netz) zu errichten und zu betreiben sowie hierüber Mobilfunkdienstleistungen zu erbringen. Ursprünglich war der Klägerin mit der Lizenz die Netzzugangsnummer 0175 zugeteilt worden. In einem Schreiben des Bundesministeriums für Post und Telekommunikation (BMPT) vom 15. Mai 1997 an die Klägerin ist darauf hingewiesen, dass diese Zuteilung einer dem Telekommunikationsgesetz (TKG) entsprechenden Zuteilung von Nummern im Bereich des digitalen zellularen Mobilfunks nicht gleich stehe. Letztere sei aufgrund des Fehlens von Zuteilungsregelungen noch nicht möglich. Vielmehr bedürfe es noch des Erlasses eines gesonderten Verwaltungsakts, die Nummer 0175 könne indes bereits genutzt werden. Das Schreiben enthält ferner den Hinweis, dass der Klägerin eine zweite Netzzugangsnummer - die 0179 - zur Verfügung gestellt werden könne, sobald auch andere Lizenznehmer eine zweite Nummer nutzen dürften.

Nachdem die Klägerin mit Schreiben im September 1997 gebeten hatte, ihr als erste Netzzugangsnummer die 0179 und als zweite die 0176 zur Nutzung zu überlassen, erklärte sich das BMPT unter dem 22. Dezember 1997 hiermit einverstanden und teilte der Klägerin die Zugangsnummer 0179 zu; beide Netzzugangsnummern konnten nach dem Inhalt des Schreibens sofort genutzt werden. Dabei wies das BMPT zugleich darauf hin, dass später noch eine Zuteilung der - jeweils aus 10 Mio. Rufnummern bestehenden - Rufnummernblöcke (RNB) nach den zu erlassenden Zuteilungsregelungen erforderlich sei. Die Klägerin nahm die Nutzung des Blockes 0179 noch 1997 auf.

In diesem Jahr hatte das BMPT auch den Erlass einer Gebührenverordnung eingeleitet. Dabei war es von einem Verwaltungsaufwand von 2.250,00 DM (18 Stunden je 125,00 DM Stundensatz) für die Zuteilung eines RNB für Funknetze ausgegangen; den wirtschaftlichen Wert der Rufnummernzuteilung bemaß es mit 1,00 DM je Rufnummer. Die Telekommunikations-Nummerngebührenverordnung (TNGebV bzw. Gebührenverordnung) trat schließlich mit ihrer Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt am 31. August 1999 rückwirkend zum 1. August 1996 in Kraft. Das in der Anlage zu § 1 enthaltene Gebührenverzeichnis legt unter der Gebührenposition B. 4 für die Zuteilung eines RNB für Funknetze in den Nummernbereichen 016 und 017 eine Gebühr in Höhe von 1,00 DM je Rufnummer, mindestens jedoch 2.250,00 DM fest; ausweislich der Entwurfsbegründung sollte damit neben dem Verwaltungsaufwand auch ein wirtschaftlicher Wert abgegolten sein.

Mit Schreiben vom 4. November 1999 wies die RegTP die Klägerin darauf hin, dass sie die Nutzung des RNB 0179 als konkludenten Antrag auf Zuteilung ansehe, und teilte ihr mit Bescheid vom gleichen Tage das Nutzungsrecht an dem RNB 0179 zu. Mit weiterem Bescheid vom 4. November 1999 setzte sie gegenüber der Klägerin unter Bezug auf § 43 Abs. 3 TKG und § 1 TNGebV eine Gebühr i.H.v. 10.000.000,00 DM fest.

Die Klägerin hat am 23. November 1999 Klage erhoben und im Wesentlichen vorgetragen: Die Gebührenerhebung sei rechtswidrig erfolgt. Die Gebührenverordnung sei nicht mit höherrangigem Recht vereinbar und verstoße insbesondere gegen das Äquivalenzprinzip. Da die Verfügung über Rufnummern für Funknetze nur im Zusammenhang mit der Nutzung von Frequenzen einen wirtschaftlichen Wert vermittele, könne der bereits bei der Zahlung von Frequenzgebühren abgeschöpfte wirtschaftliche Wert nicht noch einmal berücksichtigt werden. Ferner sei der wirtschaftliche Nutznießer letztlich der Endkunde, der ein dauerhaftes Nutzungsrecht hinsichtlich der Rufnummer erhalte, nicht dagegen sie, was schon an der sog. Netzbetreiberportabilität erkennbar werde. Ferner sei nicht nachvollziehbar, dass der Verwaltungsaufwand mit der Zahl der RNB kontinuierlich steigen solle, was wegen der gleichmäßigen Gebührenerhebung von 1,00 DM je Rufnummer offenbar angenommen worden sei. Die Anknüpfung der Gebührenhöhe an den Umsatz und die in einigen europäischen Nachbarländern erhobenen Gebühren sei nicht sachgerecht. Im Übrigen habe die Beklagte ihren Standpunkt, die Gebühr mache nur 0,066 % des erzielbaren Umsatzes aus, nicht substantiiert. Letztlich könne sie - die Klägerin - einige Rufnummern gar nicht nutzen, um Fehlanrufe bei Notrufzentralen o.ä. zu vermeiden.

Die Klägerin hat beantragt,

den Gebührenbescheid vom 4. November 1999 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat zur Begründung u.a. ausgeführt: Die von der Klägerin gegen die Rechtmäßigkeit der Gebührenerhebung geltend gemachten Bedenken bestünden nicht. Da Rufnummern eine knappe Ressource i.S.d. Art. 11 Abs. 2 der EU-Richtlinie 97/13/EG (RL 97/13/EG) darstellten, könnten Abgaben erhoben werden, die die Notwendigkeit widerspiegelten, die optimale Nutzung dieser Ressource sicherzustellen; das sei hier der Fall. Auch das gebührenrechtliche Äquivalenzprinzip sei nicht verletzt. Das folge schon daraus, dass die Gebührenhöhe nur 0,066 % des mit einem Mobilfunkanschluss je Nummer durchschnittlich jährlich zu erzielenden Umsatzes von 1.500,00 DM ausmache. Zudem belaufe sich die entsprechende Gebührenhöhe in einigen europäischen Nachbarländern im Mittel ebenfalls auf etwa 1,00 DM pro Rufnummer. Unzutreffend sei, dass der wirtschaftliche Wert von Rufnummern schon bei der Ermittlung der Höhe der Frequenzgebühr berücksichtigt worden sei. Eine sog. Netzbetreiberportabilität gebe es im Mobilfunkbereich gegenwärtig nicht; abgesehen davon vermittele die Rufnummernzuteilung vor allem für die Telekommunikationsdienstleister einen wirtschaftlichen Vorteil. Soweit die Klägerin einzelne Rufnummern nicht nutzen könne, handele es sich um einen Anteil, der lediglich 2/1000 aller zugeteilten Nummern umfasse.

Das Verwaltungsgericht hat mit dem angegriffenen Urteil die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt: Die Gebührenverordnung sei wirksam. Sie verfüge mit § 43 Abs. 3 Satz 3 TKG über eine wirksame Ermächtigungsgrundlage. Der Verordnungsgeber sei nach § 3 Satz 1 des Verwaltungskostengesetzes (VwKostG) i.V.m. Art. 11 Abs. 2 RL 97/13/EG ferner berechtigt gewesen, bei der Gebührenbemessung neben dem Verwaltungsaufwand auch den wirtschaftlichen Wert von Rufnummern zu berücksichtigen, weil sie eine knappe Ressource im Sinne der EU-Richtlinie darstellten. Der wirtschaftliche Wert sei mit 1,00 DM je Nummer anzusetzen. Ein Verstoß gegen das gebührenrechtliche Äquivalenzprinzip liege in Ermangelung eines offensichtlichen Missverhältnisses zwischen der Amtshandlung und der Höhe der Gebühr nicht vor. Schließlich sei unbedenklich, dass die Gebührenverordnung rückwirkend zum 1. August 1996 in Kraft gesetzt worden sei, da eine zulässige sog. unechte Rückwirkung vorliege, im Übrigen aber auch eine echte Rückwirkung zulässig wäre, weil die hierfür notwendigen Voraussetzungen gegeben seien.

Gegen die Klageabweisung wendet sich die Klägerin mit der zugelassenen Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Vorbringen vertieft und ergänzend u.a. vorträgt: Eine knappe Ressource i.S.d. Art. 11 Abs. 2 RL 97/13/EG sei im Hinblick auf Mobilfunkrufnummern nicht gegeben. Zudem stelle die Nummerngebühr keine Abgabe dar, die die Notwendigkeit einer optimalen Nutzung der Ressource widerspiegele.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung im Wesentlichen auf ihren erstinstanzlichen Vortrag, den sie ergänzt und vertieft, sowie auf die Gründe des angefochtenen Urteils.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der vorliegenden Gerichtsakte und der Gerichtsakten 9 A 596/01 und 9 A 679/01 sowie der jeweils beigezogenen Verwaltungsvorgänge des BMPT und der RegTP.

Gründe

Die Berufung ist begründet. Der angefochtene Gebührenbescheid der RegTP vom 4. November 1999 ist in vollem Umfang rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die RegTP durfte von der Klägerin für die mit Bescheid vom 4. November 1999 erfolgte Zuteilung des RNB 0179 keine Gebühren nach § 43 Abs. 3 Sätze 3 und 4 des Telekommunikationsgesetzes vom 25. Juli 1996, BGBl. I S. 1120, (TKG) i.V.m. § 1 der Telekommunikations-Nummerngebührenverordnung vom 16. August 1999, BGBl. I S. 1887, (im Folgenden: TNGebV bzw. Gebührenverordnung) und Gebührenposition B. 4 des Gebührenverzeichnisses (Anlage zu § 1 TKG) erheben.

Nach § 43 Abs. 3 Satz 1 TKG erfolgt die Zuteilung von Nummern auf Antrag u.a. eines Anbieters von Telekommunikationsdienstleistungen, wobei gemäß Satz 3 der Norm für die Entscheidung über die Zuteilung eine Gebühr erhoben wird. Durch § 43 Abs. 3 Satz 4 TKG ist das BMPT ermächtigt worden, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, dem Bundesministerium der Finanzen, dem Bundesministerium der Justiz und dem Bundesministerium für Wirtschaft durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nach Maßgabe des Verwaltungskostengesetzes die gebührenpflichtigen Tatbestände, die Höhe der Gebühr und die Erstattung von Auslagen zu regeln. Von dieser Ermächtigung ist durch Erlass der Gebührenverordnung grundsätzlich Gebrauch gemacht worden. Gleichwohl ist die Gebührenerhebung nach § 1 TNGebV i.V.m. Gebührenposition B. 4 des Gebührenverzeichnisses nicht gerechtfertigt.

Vorliegend spricht schon vieles dafür, dass es an der nach § 43 Abs. 3 Satz 1 TKG erforderlichen Antragstellung in Bezug auf die mit Bescheid vom 4. November 1999 erfolgte Zuteilung des RNB 0179 fehlt. Dies kann aber letztlich ebenso offen bleiben wie die Frage, ob - folgte man dem Ansatz der Beklagten, die in der bloßen Nutzung des RNB einen konkludenten Zuteilungsantrag erblickt hat - wegen der Rückwirkung der Gebührenverordnung ein Verstoß gegen den im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes gegeben ist.

Dahin stehen kann ferner, ob Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 97/13/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 10. April 1997 über einen gemeinsamen Rahmen für Allgemein- und Einzelgenehmigungen für Telekommunikationsdienste, Abl. EG Nr. L 117, S. 15, vom 7. Mai 1997 (RL 97/13/EG) in Bezug auf Rufnummern im Mobilfunknetz einschlägig ist

Vgl. zu den beiden letzten Gesichtspunkten im Hinblick auf die Gebührenerhebung für die Zuteilung von Rufnummernblöcken im Ortsnetzbereich: OVG NRW, Urteil vom 6. Dezember 2001 - 9 A 589/01 -.

Selbst wenn man den für die Beklagte günstigsten Fall annehmen wollte, d.h. von einer Antragstellung i.o.S. ausginge, die Rückwirkung für unbedenklich und Art. 11 Abs. 2 RL 97/13/EG für einschlägig hielte, verstößt die Gebührenerhebung gemäß § 1 TNGebV und Gebührenposition B. 4 des Gebührenverzeichnisses (Anlage zu § 1 TKG) jedenfalls gegen das gebührenrechtliche Äquivalenzprinzip.

Der Verordnungsgeber wäre für diesen Fall nach Art. 11 Abs. 2 Satz 1 RL 97/13/EG i.V.m. § 3 Satz 1 des Verwaltungskostengesetzes vom 23. Juni 1970, BGBl. I S. 821, zuletzt geändert durch Art. 4 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994, BGBl. I S 2911, (VwKostG) unter den Einschränkungen des Art. 11 Abs. 2 Sätze 1 und 2 RL 97/13/EG bei der Festlegung der Gebührenhöhe allerdings nicht prinzipiell auf die blosse Deckung des Verwaltungsaufwandes beschränkt gewesen.

Vgl. auch hierzu: OVG NRW, Urteil vom 6. Dezember 2001 - 9 A 589/01 -.

Vielmehr konnte er daneben (u.a.) den wirtschaftlichen Wert der Amtshandlung berücksichtigen. Dies durfte indes nicht zur Festsetzung einer Gebühr für einen RNB in Höhe von 10.000.000,00 DM führen. Diese Gebührenhöhe ist mit dem gebührenrechtlichen Äquivalenzprinzip unvereinbar.

Das Äquivalenzprinzip leitet sich letztlich aus dem bundesverfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und damit aus dem Rechtsstaatsprinzip ab. Es besagt, dass die Gebühr nicht in einem Missverhältnis zu der von der Verwaltung erbrachten Leistung stehen darf.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1997 - 11 C 12.95 -, NVwZ-RR 1997, 648 ff.; Urteil vom 3. März 1994 - 4 C 1.93 -, BVerwGE 95, 188 ff.; Urteil vom 14. April 1967 - IV C 179.65 -, BVerwGE 26, 305 (308 f.).

Dieser Grundsatz findet sich in § 3 Satz 1 VwKostG wieder, wonach zwischen der den Verwaltungsaufwand berücksichtigenden Höhe der Gebühr einerseits und der Bedeutung, dem wirtschaftlichen Wert oder dem sonstigen Nutzen andererseits ein angemessenes Verhältnis bestehen muss.

Damit schränkt das Äquivalenzprinzip den ansonsten weiten Gestaltungsspielraum des Normgebers - hier des Verordnungsgebers - insofern ein, als es ihn verpflichtet, die Gebühr nicht unangemessen hoch anzusetzen. Nach gefestigter Rechtsprechung ist insoweit jedoch nicht jedes Ungleichgewicht von Bedeutung, sondern es kommt darauf an, ob eine "gröbliche" Verletzung gegeben ist,

vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Februar 1996 - 6 B 72.95 -; NJW 1996, 1163; Urteil vom 3. März 1994, a.a.O.; Urteil vom 15. Juli 1988 - 7 C 5.87 -, NVwZ 1989, 456; Urteil vom 8. Dezember 1961 - VII C 2.61 -, BVerwGE 13, 214 (222 ff.); Urteil vom 24. März 1961 - VII C 109.60 -, BVerwGE 12, 162 (169); OVG NRW, Urteil vom 19. Dezember 1997 - 9 A 5943/96 -,

ob die Gebühr einen erdrosselnden Charakter besitzt,

vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juli 1988 - 7 C 5.87 -, a.a.O. (457),

oder ob ihr etwa eine abschreckende Wirkung zukommt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. März 1961 - VII C 109.60, a.a.O. (170).

Vorliegend ist das Äquivalenzprinzip gröblich verletzt.

Die Zuteilung des Nutzungsrechtes an einer Nummer stellt zwar, auch wenn Rufnummern als öffentliches Gut eingestuft werden können,

vgl. den in den beigezogenen Verwaltungsvorgängen enthaltenen Abschlussbericht des Expertengremiums für Numerierungsfragen vom 4. Dezember 1995, S. 52,

unzweifelhaft einen wirtschaftlichen Wert dar, und zwar schon deshalb, weil ohne sie eine Wettbewerbsteilnahme auf dem Sprachtelefoniemarkt und damit die Gewinnung von Kunden nicht möglich ist. Neue Anbieter sind darauf angewiesen, an ihre Kunden Rufnummern vergeben zu können. Der wirtschaftliche Wert der zugeteilten Rufnummern nimmt daher mit steigender Anbieterzahl zu.

Vgl. Holznagel/Enaux/ Nienhaus, Grundzüge des Telekommunikationsrechts, 2001, S. 128.

Einen wirtschaftlichen Wert stellt darüber hinaus auch die "Qualität" der zugeteilten Rufnummern dar (etwa im Hinblick auf leichte Merkbarkeit, subjektive Gefälligkeit oder einen Wiedererkennungswert).

Vgl. "Grünbuch über ein Numerierungskonzept für Telekommunikationsdienste in Europa", BR-Drs. 991/96 vom 17. Dezember 1996, S. 16 f.

Daran ändert auch nichts, dass nach einer Weitergabe der Rufnummern an die Endkunden diese ein vom Anbieter unabhängiges, eigenes und dauerhaftes Nutzungsrecht an der Rufnummer erhalten (§ 20 Abs. 2 Satz 3 der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung vom 25. Juli 1996).

Von einer messbaren Wertschmälerung aufgrund der sog. Netzbetreiberportabilität, § 43 Abs. 5 TKG, dürfte - unabhängig davon, dass diese für den Mobilfunkbereich noch nicht existiert - auch nicht auszugehen sein. Zum einen kann angenommen werden, dass die Zahl von Endkunden, die "ihre" Rufnummer bei einem Wechsel von einer Gesellschaft zu einer anderen "mitnehmen", durch eine gegenläufige Bewegung von anderen Gesellschaften weg teilweise kompensiert wird. Zum anderen dürfte die Zahl der diesbezüglichen "Wechsler" ohnehin relativ gering sein.

Ob die für die Ermittlung des wirtschaftlichen Wertes einer Rufnummernzuteilung vom Verordnungsgeber gewählte Bezugsgröße - der mit einer Rufnummer im Durchschnitt jährlich zu erzielende Umsatz - in gebührenrechtlicher Hinsicht grundsätzlich geeignet ist, kann offen bleiben. Ebenso kann dahin stehen, ob der vom Verordnungsgeber ebenfalls angestellte "Ländervergleich" als sachgerecht anzusehen ist und ob der wirtschaftliche Wert der Rufnummern nicht bereits - jedenfalls zum Teil - bei der Frequenzgebührenerhebung berücksichtigt worden ist. Auch wenn davon ausgegangen wird, dass ein nicht zu unterschätzender wirtschaftlicher Wert bei der Gebührenerhebung für die Zuteilung eines RNB berücksichtigt werden darf, ist die Erhebung einer Gebühr von 10.000.000,00 DM hierfür jedenfalls nicht gerechtfertigt.

Die Gebührenhöhe steht auch bei Berücksichtigung des wirtschaftlichen Werts der Rufnummernzuteilung zu dem anfallenden Verwaltungsaufwand außer Verhältnis. Die Gebühr je RNB übersteigt bereits den vom Verordnungsgeber selbst zugrunde gelegten Verwaltungsaufwand von 2.250,00 DM je RNB um ca. das 4444fache. Tatsächlich fällt das Verhältnis indes noch krasser aus, weil der Verordnungsgeber auch nicht berücksichtigungsfähigen - weil nicht durch die "Entscheidung über die Zuteilung" (§ 43 Abs. 3 Satz 3 TKG) verursachten - Verwaltungsaufwand berücksichtigt hat. Wie der Betrag von 2.250,00 DM ermittelt worden ist, ergibt sich aus den Anlagen zum Entwurf der Gebührenverordnung vom 15. August 1997 (die Anlagen zu den späteren Entwürfen weichen hinsichtlich der hier aufgeführten Gesichtspunkte nicht ab). Danach ist der Verordnungsgeber von folgendem durch die Gebühren abzugeltenden Verwaltungsaufwand der RegTP hinsichtlich der Rufnummern für Funkdienste ausgegangen:

1. 10 Std. Arbeitsaufwand je Antrag in Bezug auf die "Erarbeitung von Zuteilungsregeln auf Anträge entsprechend des langfristi- gen Antragsaufkommens",

2. 8 Std. Arbeitsaufwand je Antrag in Bezug auf die "Prüfung der Antragsberechtigung, Ermittlung der Größe der zuzuteilenden Nummernblöcke, Bereitstellung freier Nummernblöcke, Festle- gung der Gebühren, Zuteilung, Nummernverwaltung und Kon- trolle der Einhaltung von Auflagen und Nebenbestimmmungen".

Der so ermittelte Verwaltungsaufwand ist indes um verschiedene Kostenteile zu bereinigen, da diese nicht im Zusammenhang mit der nach § 43 Abs. 3 Satz 3 TKG allein gebührenpflichtigen Entscheidung über die Zuteilung anfallen. Dazu gehören auf jeden Fall die unter Nr. 2 aufgeführten Kosten für die Nummernverwaltung und Kontrolle der Einhaltung von Auflagen und Nebenbestimmungen. Es spricht viel dafür, dass dies auch für die Kosten im Zusammenhang mit den unter Nr. 1 aufgeführten Arbeiten gilt.

Daraus folgt, dass die erhobene Gebühr je zugeteiltem RNB den tatsächlich berücksichtigungsfähigen Verwaltungsaufwand um noch deutlich mehr als das 4444fache übersteigt. Eine derartiges Verhältnis kann auch bei Berücksichtigung des wirtschaftlichen Wertes der Rufnummernzuteilung nicht mehr als angemessen i.S.d. § 3 Satz 1 VwKostG angesehen werden. Denn die Höhe der Gebühr nach § 1 TNGebV i.V.m. Gebührenposition B. 4 des Gebührenverzeichnisses "berücksichtigt" den Verwaltungsaufwand nicht mehr, wie es das Gesetz formuliert, sondern hat sich von ihm vielmehr nahezu völlig gelöst. Damit liegt eine "gröbliche" Verletzung des Äquivalenzprinzips vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).






OVG Nordrhein-Westfalen:
Urteil v. 06.12.2001
Az: 9 A 670/01


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