Finanzgericht Köln:
Beschluss vom 28. Februar 2011
Aktenzeichen: 10 Ko 1119/10
(FG Köln: Beschluss v. 28.02.2011, Az.: 10 Ko 1119/10)
Tenor
Die von dem Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten werden unter Auf-hebung des Beschlusses vom 26.01.2010 auf 2.301,00 € festgesetzt. Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen
Die Kosten des Verfahrens trägt der Erinnerungsführer zu 75 % und der Erinne-rungsgegner zu 25 %.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob im Rahmen der Kostenfestsetzung eine Erledigungsgebühr in Ansatz zu bringen ist.
In der Hauptsache stritten die Beteiligten über die Rechtmäßigkeit von Hinzuschätzungen im Rahmen des Gewerbebetriebs des Erinnerungsgegners.
In diesem Zusammenhang beauftragte das Gericht im Klageverfahren (Az.: 5 K 2468/06) den gerichtseigenen Prüfer mit der Begutachtung der Buchführung des Erinnerungsgegners. Im Rahmen der gutachterlichen Tätigkeit unterbreitete der Gerichtsprüfer einen Einigungsvorschlag (Blatt 93 der Gerichtsakte zum Klageverfahren). Diesem Einigungsvorschlag schloss sich der Erinnerungsgegner mit Schriftsatz vom 22.07.2009 und der Erinnerungsführer mit Schriftsatz vom 07.01.2010 an. Der Erinnerungsführer änderte daraufhin die streitbefangenen Steuerbescheide. Der ursprüngliche Klageantrag hatte einen Streitwert von 25.806,- DM. Der Streitwert auf Basis der Anträge unter Berücksichtigung des Einigungsvorschlags des Gerichtsprüfers hatte gemäß Beschluss des Gerichts vom 13.01.2010 einen Streitwert von 10.661,- €.
Auf den Kostenfestsetzungsantrag des Erinnerungsgegners setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle mit Beschluss vom 26.01.2010 die vom Erinnerungsführer gemäß der Kostengrundentscheidung zu erstattenden Kosten in Höhe von insgesamt 2.458,- € fest. Im Rahmen der Rechnung setzte er eine Erledigungsgebühr von 1,3 in Höhe von 683,- € an. Dieser Kostenfestsetzungsbeschluss wurde am 03.02.2010 dem Erinnerungsführer zugestellt. Mit Schreiben vom 05.02.2010 legte der Erinnerungsführer Erinnerung ein, die er dahingehend begründete, dass die Erledigungsgebühr nicht angefallen sei, da der Prozessbevollmächtigte des Erinnerungsgegners keine besondere Tätigkeit entfaltet habe, die den Ansatz einer Erledigungsgebühr rechtfertigen würde. Die Abhilfe auf Basis des Vorschlags des Gerichtsprüfers sei ausschließlich aus verwaltungsökonomischen Gründen erfolgt. Ein besonderer Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Erinnerungsgegners oder ein Einigungsvorschlag des Prozessbevollmächtigten sei nicht Ursache für die Abhilfe gewesen. Der bloße Umstand, dass der Erinnerungsgegner nach Vorliegen des gerichtlichen Einigungsvorschlages sein Klagebegehren um mehr als 10 % eingeschränkt habe, rechtfertige nicht den Ansatz einer Erledigungsgebühr. Eine Einschränkung des Klagebegehrens um mehr als 10 % stelle - gemessen an der Rechtsprechung des 10. Senats des FG Köln - allenfalls ein Indiz für das Entstehen einer Erledigungsgebühr dar. Keinesfalls könne hieraus jedoch ein zwingender Ansatz einer Erledigungsgebühr gefolgert werden.
Der Erinnerungsführer beantragt,
den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26.01.2010 dahingehend abzuändern, dass keine Erledigungsgebühr in Ansatz gebracht wird.
Der Erinnerungsgegner beantragt,
die Erinnerung zurückzuweisen.
Er vertritt unter Hinweis auf die Rechtsprechung des 10. Senats des FG Köln die Auffassung, dass alleine aus dem Umstand, dass er den Klageantrag um mehr als 10 % eingeschränkt habe, eine Erledigungsgebühr in Ansatz zu bringen sei. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass nicht bereits in unmittelbarer Folge des Einigungsvorschlags durch den Gerichtsprüfer eine Abhilfe durch den Erinnerungsführer vorgenommen worden sei. Vielmehr habe es auch weiterer schriftsätzlicher Ausführungen bedurft. Insoweit sei von einem besonderen Tätigwerden des Prozessbevollmächtigten des Erinnerungsgegners auszugehen, welches den Ansatz einer Erledigungsgebühr rechtfertige.
II.
Die Erinnerung ist nur teilweise begründet.
Die angegriffene Kostenfestsetzung ist rechtmäßig und verletzt den Erinnerungsführer nicht in seinen Rechten, soweit eine Erledigungsgebühr dem Grunde nach in Ansatz gebracht worden ist.
1. Nr. 1002 VV RVG sieht die Entstehung einer Erledigungsgebühr vor, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt (Nummer 1003 i.V.m. Nummer 1002 VV). Das Gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch den Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt.
Ebenso wie § 24 BRAGO erfordert Nr. 1002 VV RVG eine anwaltliche Mitwirkung bei der Erledigung, die über die überzeugende Begründung sowie die allgemein auf Verfahrensförderung gerichtete Tätigkeit hinausgeht und auf eine Erledigung der Rechtssache ohne förmliche Entscheidung gerichtet ist (BFH-Beschluss vom 12. Februar 2007 III B 140/06, BFH/NV 2007, 1109).
Die Erledigungsgebühr ist keine reine Erfolgsgebühr für eine allgemein auf Verfahrensförderung gerichtete Tätigkeit, sondern eine besondere Tätigkeitsgebühr, die anlässlich einer nichtstreitigen Erledigung verdient werden kann. Im Gesetz kommt dies in den Worten "durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt" zum Ausdruck. Die Erledigungsgebühr entsteht deshalb grundsätzlich weder, wenn sich die Sache bereits beispielsweise im Rahmen des Verwaltungsvorverfahrens erledigt noch dann, wenn lediglich die Äußerungen des Berichterstatters im Rahmen eines Erörterungstermins die Finanzbehörde zur Rücknahme oder Änderung des Bescheides veranlasst haben. Ebenso wenig entsteht eine Erledigungsgebühr, wenn die Finanzbehörde unter dem Eindruck der Klagebegründung bzw. eines ergänzenden Schriftsatzes oder aufgrund eines Hinweises auf die Rechtslage/Rechtsprechung den Bescheid aufhebt bzw. ändert und damit einen Kläger in einem gerichtlichen Verfahren klaglos stellt (vgl. Gräber/Stapperfend, FGO 6. Aufl., § 139 Rz 77; Hollatz, Kosten in Finanzrechtsstreit, NWB Fach 2, S. 8677/8717). Es versteht sich von selbst, dass der Prozessbevollmächtigte in möglichst überzeugender Weise die rechtlichen Argumente vorträgt, die dem Begehren seines Mandanten zum Erfolg verhelfen können.
Das erforderliche Mitwirken kann in einem Klageverfahren beispielsweise in dem Unterbreiten eines Erledigungsvorschlags bestehen. Denkbar ist auch ein Einwirken auf eine vorgesetzte Behörde, welches die Aufhebung/Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts nach sich zieht. Auch die mit einer zusätzlichen Beratungsleistung verbundene Prüfung, ob das ursprüngliche Klagebegehren im Interesse der außergerichtlichen Beendigung des Rechtsstreits nicht unwesentlich eingeschränkt werden soll, kann eine über die allgemeine Prozessführung hinausgehende Tätigkeit sein, die den besonderen Erfolg der Erledigung der Sache ohne förmliche Entscheidung fördert und ermöglicht. Ein entsprechendes Einwirken auf den Steuerpflichtigen, der außergerichtlichen Erledigung des Rechtsstreits zuzustimmen, ist eine besondere Leistung, die nicht mit der allgemeinen Verfahrensgebühr abgegolten ist. Aus Gründen der Praktikabilität und Vereinfachung wird eine nicht unwesentliche Einschränkung des ursprünglichen Begehrens angenommen, wenn es um mehr als 10% eingeschränkt wurde (FG Köln, Beschluss vom 28. Juni 2004 10 Ko 1603/04, EFG 2004, 1642; zum Ganzen: FG Köln 06.05.2010 10 K 4102/09, EFG 2010, 1446).
2. Nach diesen Grundsätzen ergibt sich bereits ein Anspruch auf die Erledigungsgebühr aus dem Umstand, dass der Erinnerungsgegner in Ansehung des Einigungsvorschlages sein ursprüngliches Klagebegehren um mehr als 10 % eingeschränkt hat. Insoweit ist es ohne besondere Bedeutung, ob der Erinnerungsführer die daraufhin erfolgte Abhilfe lediglich aus verwaltungsökonomischen Gründen vorgenommen haben will. Hierauf kommt es im Ergebnis nicht an, da tatsächliche Verständigungen letztlich immer aus verwaltungsökonomischen Gründen abgeschlossen werden, um weitere, aufwändige und unverhältnismäßige Sachverhaltsermittlungen nicht vornehmen zu müssen. Die Motivation der Verwaltung für das Herbeiführen einer außergerichtlichen Erledigung kann insoweit keine Bedeutung für die Frage haben, ob eine Erledigungsgebühr anfällt.
Insoweit bleibt der Senat bei seiner Auffassung, dass es für das Entstehen einer Erledigungsgebühr ausreichend ist, wenn der Bevollmächtigte auf den Erinnerungsgegner in der Weise eingewirkt hat, dass dieser sein Klagebegehren um mehr als 10 % eingeschränkt hat.
3. Allerdings ist die Erledigungsgebühr nicht in einer Höhe von 1,3, sondern nur in einer Höhe von 1,0 anzusetzen. Insoweit ist der angegriffene Beschluss rechtswidrig und verletzt den Erinnerungsführer in seinen Rechten.
Nr. 1004 in Verbindung mit Nr. 1002 VV RVG bestimmt den Gebührensatz für eine Erledigungsgebühr in den Fällen, in denen ein Berufungs- oder Revisionsverfahren anhängig ist, mit 1,3. Nach Nr. 1003 VV RVG fällt in den übrigen gerichtlichen Verfahren eine entsprechende Gebühr nur in einer Höhe von 1,0 an.
In der Vergangenheit wurde überwiegend die Auffassung vertreten, dass ein Verfahren vor dem Finanzgericht insoweit einem Berufungsverfahren gleichzustellen sei. Begründet wurde dies insbesondere unter Hinweis auf die Tatsache, dass im Vergütungsverzeichnis zum RVG im zweiten Abschnitt eine Gleichstellung von Verfahren vor den Finanzgerichten sowie Berufungsverfahren erfolgt sei, soweit es um die Höhe der Verfahrens- und Terminsgebühr gehe. Insoweit wurde auch auf die entsprechenden Ausführungen im Rahmen der Gesetzesbegründung Bezug genommen, in welchen die strukturelle Vergleichbarkeit von finanzgerichtlichen und Berufungsverfahren hervorgehoben wird (BT-Drs 15/ 1971, S. 213; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, 18. Auflage 2008, VV 1003, 1004, Rz. 53 m.w.N.).
Das FG Münster hat demgegenüber in einem Beschluss vom 07.06.2010 (9 Ko 647/10 KFB, EFG 2010, 2021) entschieden, dass nur ein Ansatz einer Gebühr von 1,0 nach Nr. 1003 VV RVG in Betracht käme, da aus der ausdrücklichen Gleichstellung von finanzgerichtlichem Verfahren mit einem Berufungsverfahren im Unterabschnitt 3.2.1 des VV RVG zu folgern sei, dass der Gesetzgeber eine solche Gleichstellung für den Teil 1 des VV RVG nicht vornehmen wollte.
Der Senat schließt sich dieser Auffassung ausdrücklich an. Der Auffassung, ein finanzgerichtliches Verfahren sei einem Berufungsverfahren in Bezug auf die Erledigungsgebühr gleichzustellen, kann nach Auffassung des Senates seit der Änderung der Nr. 1004 VV RVG durch Art. 47 Nr. 19 Buchst. d) des FGG-Reformgesetzes vom 17.12.2008 (BGBl. 2008, 2718) nicht mehr gefolgt werden. Der Nummer 1004 wurde durch das Reformgesetz die Anmerkung angefügt, dass die Erhöhung in den Fällen der Berufungs- oder Revisionsverfahrens auch gelte "in den in den Vorbemerkungen 3.2.1 und 3.2.2 genannten Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren". Das in der Vorbemerkung 3.2.1 Nr. 1 genannte finanzgerichtliche Verfahren wird in der Anmerkung hingegen ausdrücklich nicht erwähnt. Der Senat geht insoweit davon aus, dass dies auch dem ausdrücklichen gesetzgeberischen Willen entspricht, da die Streitfrage, in welcher Höhe in finanzgerichtlichen Verfahren eine Erledigungsgebühr anfällt, zum Zeitpunkt des Erlasses des FGG-Reformgesetzes bekannt war, so dass nicht von einem offensichtlichen Versehen oder einer planwidrigen Regelungslücke ausgegangen werden kann (vgl. insoweit auch Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, 19. Auflage 2010, VV 1003, 1004, Rz. 56 m. w. N.). Auch aus der Gesetzesbegründung zum FGG-Reformgesetz ergibt sich nichts Gegenteiliges, da durch die Erweiterung der Nr. 1004 VV RVG ausdrücklich klargestellt werden sollte, dass die Rechtsmittel in Familiensachen in Bezug auf die Höhe der Erledigungsgebühr den Berufungs- und Revisionsverfahren gleichgestellt werden sollten. Das finanzgerichtliche Verfahren findet keine Erwähnung (BT-Drs 16/6308, S. 341). Insoweit ist der Senat der Auffassung, dass aus der Erweiterung der Nr. 1004 RVG in Bezug auf die Höhe der Erledigungsgebühr im finanzgerichtlichen Verfahren lediglich eine Klarstellung erfolgt ist und die Höhe der Erledigungsgebühr nicht erst ab dem Inkrafttreten des FGG-Reformgesetzes 1,0 beträgt.
Demgemäß bestimmt sich die Höhe der Erledigungsgebühr im finanzgerichtlichen Verfahren nach Nr. 1003 VV RVG in einer Höhe von 1,0.
4. Die Kosten werden danach wie folgt festgesetzt:
Kosten Vorverfahren 283,00 € Kosten Klageverfahren Verfahrensgebühr 1,6 841,00 € Terminsgebühr 1,2 631,00 € Erledigungsgebühr 1,0 526,00 € Postpauschale 20,00 € Summe 2.301,00 €
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 S. 1 der FGO. Die Entscheidung über die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ergeht gerichtsgebührenfrei, weil das Kostenverzeichnis (Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz) eine Gebühr für diesen Beschluss nicht vorsieht. Die Pflicht zur Kostentragung beschränkt sich demgemäß auf die Auslagen des Gerichts und die außergerichtlichen Kosten.
FG Köln:
Beschluss v. 28.02.2011
Az: 10 Ko 1119/10
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