Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 18. Juli 1997
Aktenzeichen: 6 U 232/96
(OLG Köln: Urteil v. 18.07.1997, Az.: 6 U 232/96)
Die Werbeaussage ,Vom Erfinder - Das beste Stück" für ein Klinker-Ecksystem wird von einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise (auch) dahin verstanden, bei dem derart angebotenen Produkt handle es sich um das Beste, was in dieser Sparte auf dem Markt sei. Eine solche Spitzen- bzw. Alleinstellungsbehauptung ist wettbewerbswidrig i.S. von § 3 UWG, wenn das beworbene System nicht in jeder Hinsicht einen deutlichen Vorsprung vor allen Konkurrenzprodukten aufweist.
Tenor
1.) Auf die Berufung der Klägerin wird das am 20.9.1996 verkündete Urteil des Landgerichts Aachen - 43 O 227/94 - abgeändert. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs mit der Angabe "Vom Erfinder - Das beste Stück!" für das ThermoKLINKER Ecksystem 2000 wie nachstehend wiedergegeben zu werben:pp. 2.) Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben die Beklagten zu tragen.3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.4.) Die Beschwer der Beklagten wird auf 30.000 DM festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg und führt zur
antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten.
Die Klage ist zunächst zulässig. Insbesondere ist die Klägerin
klagebefugt. Dabei kann dahinstehen, ob sie als unmittelbare
Verletzte anzusehen und deswegen ohne weiteres klagebefugt ist.
Wenn dies nicht der Fall sein sollte, ergibt sich die Klage-
befugnis jedenfalls aus § 13 Abs.2 Ziff.1 UWG. Denn die Klägerin
vertreibt Waren gleicher Art wie die Beklagte zu 1), nämlich mit
Ziegelriemchen versehene Fassadenelemente, und tut dies - über die
Fa.H.J. G. Zentralvertrieb - ebenso wie die Beklagte zu 1) u.a.
auch im Raum K./A..
Die Klage ist auch begründet, denn die angegriffene Werbung ist
in wettbewerblich relevanter Weise im Sinne des § 3 UWG irreführend
und der darin liegende Wettbewerbsverstoß im Sinne des § 13 Abs.2
Ziff.1 UWG geeignet, den Wettbewerb auf dem betroffenen Markt
wesentlich zu beeinträchtigen.
Zumindest ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen
Verkehrskreise wird die angegriffene Werbeaussage dahin verstehen,
daß das beworbene Ecksystem 2000 auf dem Markt führend sei. Diese
Aussage trifft indes nicht zu, weil das Ecksystem tatsächlich den
übrigen Systemen nicht überlegen ist. Wegen dieser Irreführung ist
die Werbung zu untersagen.
Aufgrund der Formulierung "Vom Erfinder - das beste Stück!" wird
die Werbung dahin verstanden werden, daß es sich bei dem Produkt
der Beklagten um das Beste handele, was auf dem Markt angeboten
werde.
Die Formulierung wird zunächst - entgegen der Auffassung des
Landgerichts - zumindest in erster Linie auf das beworbene
Ecksystem 2000 bezogen werden. Denn die Werbung hat gerade dieses
im Mittelpunkt der Anzeige stehende System und - außer dem
Fassaden-System ThermoKLINKER, zu dem es gehört, - keine anderen
Produkte zum Gegenstand. Vor diesem Hintergrund wird zumindest die
ganz überwiegende Zahl der Leser die Aussage "Vom Erfinder - Das
beste Stück!" eben dem Ecksystem zuordnen. Denn die Aussage soll
offenkundig eine besondere Qualität des beworbenen Produktes
beschreiben und als solches kommt außer dem Fassadensystem, dessen
Bestandteil es ist, überhaupt nur das im Mittelpunkt der Werbung
stehende Ecksystem in Frage. Es kommt hinzu, daß durch die
Formulierung "Das patentierte Ecksystem 2000" sogar noch ein
gedanklicher Bezug zu dem Begriff des "Erfinders" hergestellt wird,
weil Patente für Erfindungen erteilt werden.
Zumindest ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen
Verkehrskreise wird die Aussage "Vom Erfinder - Das beste Stück!"
auch dahin verstehen, daß es sich bei dem Ecksystem 2000 nicht
(nur) um das beste Stück des Erfinders, sondern darüber hinaus um
das beste Stück auf dem Markt überhaupt handele. Schon der
vollständig zur Kenntnis genommene Wortlaut kann ohne weiteres
dahin verstanden werden, daß das beste auf dem Markt angebotene
Stück beworben werde und dieses beste Stück eben nicht von einem
Dritten, sondern von dem Erfinder selbst vertrieben werde. Erst
recht wird der flüchtige Leser, auf den bei der Beurteilung
abzustellen ist (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wett- bewerbsrecht, 19.
Aufl., § 3 UWG RZ 33 m.w.N.), zu einem sogar beachtlichen Teil die
Aussage als Behauptung einer Spitzen- stellung auf dem Markt
verstehen. Es wird nämlich bei flüchtigem Lesen der fraglichen
Zeile in erster Linie die Behauptung im Gedächtnis haften bleiben,
daß es sich eben um das beste Stück handele. Im Zusammenhang mit
der Hervorhebung der Patentierung des ausdrücklich als "neu"
bezeichneten Systems wird zumindest bei einem nicht unerheblichen
Teil der angesprochenen Leser der Eindruck entstehen, daß es sich
um das beste Eck- system handelt, das derzeit auf dem Markt zu
haben ist.
Diese Feststellungen vermag der Senat aus eigener Sachkunde zu
treffen, weil seine Mitglieder als (potentielle) Hauseigentümer zu
den angesprochenen Verkehrskreisen gehören und die Anzeige sich
zumindest auch an solche Verbraucher richtet, die nicht über
irgendwelche Vorkenntnisse über Hausfassaden verfügen. Óberdies
sind bei der Ermittlung des Verständnisses der angegriffenen
Werbung ohnehin nur Fragen des allgemeinen Sprach- verständnisses
zu beurteilen.
Die Werbung mag von Teilen der beworbenen Leser auch so
verstanden werden können, daß es sich bei dem System nur um das
beste handele, was der betreffende Erfinder erfunden habe. Dies
steht aber der Gefahr der Irreführung nicht entgegen, weil
mehrdeutige Angaben gem. § 3 UWG schon dann zu unterlassen sind,
wenn auch nur bei einer der möglichen Deutungen der Werbung eine
Irreführung besteht (vgl. Baumbach/Hefermehl, a.a.O. RZ 44
m.w.N.).
Dies ist indes der Fall, weil das beworbene Ecksystem 2000 nicht
das beste auf dem Markt ist. Die in dieser Aussage liegende
Spitzen- bzw. Alleinstellungsbehauptung wäre nur dann nicht
irreführend, wenn das beworbene System in jeder Hinsicht einen
deutlichen Vorsprung vor allen Konkurrenzprodukten hätte, (vgl.
Baumbach/Hefermehl, a.a.O. RZ 75 m.w.N.). Davon kann indes kein
Rede sein, ohne daß hierfür ein weiteres Gutachten eingeholt werden
müßte.
Der von dem Landgericht beauftragte Sachverständige ist nämlich
zu dem Ergebnis gelangt, daß das Ecksystem 2000 dem von der
Klägerin verwendeten System nicht überlegen sei. Schon diese
Feststellung genügt, um den Unterlassungsanpruch zu begründen, weil
sie mit der Vorstellung nicht vereinbar ist, die der Verkehr mit
der Aussage "Das beste Stück" verbindet. Der Sachverständige hat
nach einem Vergleich verschiedener bereits montierter Fassaden
festgestellt, daß bei Häusern, die mit dem ThermoKLINKER-System der
Beklagten zu 1) einschließlich des Ecksystem 2000 versehen waren,
in dem hier interessierenden Bereich der Ecken Ungenauigkeiten und
nicht fluchtende Linien vorhanden waren. Diese Mängel hat er zum
Teil auf Ungenauig- keiten bei der Herstellung der Eckelemente
zurückgeführt. Wenn auch die von der Klägerin errichteten Fassaden
ebenfalls vergleichbare Mängel aufwiesen, ergibt sich hieraus doch,
daß das System der Beklagten im Bereich der Herstellung und vor
allem der Verarbeitung den Konkurrenzsystemen nicht, und schon
garnicht deutlich überlegen ist. Im Gegenteil ist der Sach-
verständige sogar zu dem Ergebnis gelangt, daß - worauf es für den
Ausgang des Rechtsstreits aber noch nicht einmal ankommt - das von
der Klägerin verwendete G.-System das überlegene sei.
Vor diesem Hintergrund kommt die von den Beklagten beantragte
inholung eines weiteren Gutachtens nicht in Betracht. Die Beklagten
tragen nicht vor, worin die angeblichen Vorteile des Systems liegen
sollen, die ein anderer Gutachter besser beurteilen können sollte
als der von dem Landgericht beauftragte Prof.Dr.B.. Soweit sie sich
wegen der angeblichen Óberlegenheit ihres Systems auf die
Entscheidungen und das Gutachten in der von ihr mit Schriftsatz vom
16.6.1997 angeführten patentrechtlichen Auseinandersetzung berufen,
kommt den dort getroffenen Feststellungen für das vorliegende
Verfahren keine Bedeutung zu. Denn es ist für die allein
maßgebliche Frage der Irreführung des Verkehrs durch den Slogan
"Vom Erfinder - Das beste Stück!" nicht erheblich, ob es sich um
eine technische Neuheit handelt. Entscheidend ist vielmehr allein,
ob das System für den beworbenen Käufer Vorteile bietet, die alle
anderen Systeme auf dem Markt nicht aufweisen. Derartige Vorteile
für den Kunden sind indes weder in den patentgerichtlichen
Entscheidungen, noch in dem Gutachten von Prof. U. dargelegt, das
in der patentrechtlichen Auseindersetzung inzwischen eingeholt
worden ist. Die in jenem Gutachten (auf S.21) aufgeführten
"kontrollierten Produktions- und definierten Toleranzbedingungen"
stellen möglicherweise einen Vorteil für den Produzenten, nicht
aber, zumindest nicht unmittelbar, auch einen Vorteil für den
Kunden dar. Soweit mit dieser Formulierung etwa zum Ausdruck
gebracht werden soll, daß die Ecken mit geringeren Maßabweichungen
gefertigt werden können, stehen ihr überdies die Feststellungen des
Sachverständigen Prof. Dr. B. entgegen. Dieser hat nämlich - wie
oben bereits dargelegt worden ist - nicht unerhebliche Abweichungen
in der Fluchtlinie festgestellt und diese teilweise auf
Ungenauigkeiten bei der Herstellung der Eckelemente zurückgeführt
(S.6 des von dem Landgericht eingeholten Gutachtens).
Vor diesem Hintergrund kommt die von den Beklagten mit
Schriftsatz vom 16.6.1997 beantragte Wiedereröffnung der mündlichen
Verhandlung nicht in Betracht. Denn die nunmehr vorgetragenen
Gesichtspunkte vermögen aus den vorstehenden Gründen der Beklagten
nicht zum Erfolg verhelfen. Es kann daher offenbleiben, ob der
Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht ohnehin die
Verspätungsvorschriften der §§ 527, 296 ZPO entgegenstehen.
Die mithin feststehende Irreführung ist auch von wettbewerb-
licher Relevanz, weil sie sich unmittelbar auf die Qualität des
beworbenen Ecksystems bezieht und daher ohne weiteres geeignet ist,
Einfluß auf die Kaufentscheidung des beworbenen Lesers zu
nehmen.
Aus den vorstehenden Gründen ist die Klage begründet. Das gilt
auch dann, wenn die Klägerin nicht als unmittelbare Verletzte,
sondern aufgrund von § 13 Abs.2 Ziff.1 UWG aktivlegitimiert sein
sollte. Denn die Werbung ist im Sinne dieser Vorschrift auch
geeignet, den Wettbewerb auf dem betroffenen Markt wesentlich zu
beeinträchtigen. Das ergibt sich aus dem besonderen Anreiz und der
nicht unerheblichen Werbewirkung, die - zumal in Verbindung mit der
auch beworbenen Neuheit des Systems - von der
Alleinstellungsbehauptung ausgehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§
708 Nr.10, 713 ZPO.
Die gemäß § 546 Abs.2 ZPO festzusetzende Beschwer der Beklagten
entspricht dem Wert ihres Unterliegens im Rechtsstreit.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 30.000 DM.
OLG Köln:
Urteil v. 18.07.1997
Az: 6 U 232/96
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/74c43f4f0292/OLG-Koeln_Urteil_vom_18-Juli-1997_Az_6-U-232-96