Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. Februar 2000
Aktenzeichen: 33 W (pat) 114/99

(BPatG: Beschluss v. 04.02.2000, Az.: 33 W (pat) 114/99)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 1 des Patenamts vom 20. Oktober 1997 und vom 31. März 1999 aufgehoben.

Gründe

I Beim Deutschen Patentamt (seit dem 1. November 1998 "Deutsches Patent- und Markenamt") ist am 18. April 1997 die Wortmarke Vitaldepotfür die Waren

"Chemische Erzeugnisse für gewerbliche, land-, garten- und forstwirtschaftliche Zwecke, insbesondere Benetzungsmittel für Pflanzen; Düngemittel, Erden und Pflanzensubstrate für land-, garten- und forstwirtschaftliche Zwecke, insbesondere Humuserde, Kulturerde, Torf; Zuschlagsstoffe für Erden und Pflanzensubstrate, Bodenverbesserungsmittel"

zur Eintragung in das Register angemeldet worden.

Die Markenstelle für Klasse 1 des Patentamts hat die Anmeldung durch Beschluß vom 20. Oktober 1997 sowie die Erinnerung der Anmelderin durch Beschluß vom 31. März 1999 wegen fehlender Unterscheidungskraft und wegen eines Freihaltungsbedürfnisses an einer beschreibenden Angabe gemäß §§ 37 Abs 1, 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen. In den Gründen ist ausgeführt worden, die beteiligten Verkehrskreise sähen in der angemeldeten Marke ohne weiteres lediglich eine beschreibende Angabe über die Wirkungsweise der beanspruchten Waren. Bei der angemeldeten Bezeichnung "Vitaldepot" handele es sich um eine lexikalisch nicht nachweisbare, aber sprachüblich gebildete Wortneuschöpfung im Sinne von "Speicher lebenswichtiger Stoffe". Die beiden deutschen Begriffe "vital" und "Depot" seien dem Verkehr allgemein bekannt und fänden auch fachsprachlich auf dem Gebiet des Gartenbaus und der Düngemittel Verwendung. In einschlägigen Prospekten werde beispielsweise mit Ausdrücken wie ".... für die Pflanze lebenswichtige Nährstoffe ...", "blühvitaler Superdünger" oder "Langzeitwirkung durch ....." geworben. Der Fachbegriff "Depotdünger" bezeichne Dünger mit Langzeitwirkung.

Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt. Sie beantragt, die Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben, und regt anderenfalls die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.

Sie trägt im wesentlichen vor, die angemeldete Marke "Vitaldepot" sei schutzfähig, weil sie weder sprachüblich gebildet sei noch eine klare und eindeutige Sachaussage beinhalte. Die Wörter "vital" und "Depot" seien den vorliegend maßgeblichen breiten deutschen Verkehrskreisen zwar geläufig, aber üblicherweise werde "vital" im Sinne von "frisch, munter" und "Depot" im Sinne von "Aufbewahrungsort, Sammelstelle, Lager" verstanden. Der Begriff "Vital" als solcher löse zwar möglicherweise die Assoziation aus, daß bei Anwendung des Produktes "lebenskräftige" Pflanzen erhalten würden. Dies spräche man in der Werbung oder in beschreibenden Aussagen jedoch als "vitalisierende" Wirkung an. Das Bestimmungswort "Vital-" in Wortzusammensetzungen mit der Bedeutung "lebensnotwendig" betreffe Fachbegriffe im medizinischen und pharmazeutischen Bereich und sei auf dem Gebiet der Düngemittel nicht üblich. Selbst wenn die beteiligten Verkehrskreise mit dem Bestandteil "Depot" ohne weiteres den Begriff "Depotdünger" assoziierten, bliebe ohne weitergehende analysierende Betrachtung unklar, wie der erste Bestandteil "Vital-" zu verstehen sei.

II Die Beschwerde ist begründet.

Der Senat hält die Anmeldemarke "Vitaldepot" hinsichtlich der beanspruchten Waren - entgegen der Auffassung der Markenstelle des Patentamts - noch für unterscheidungskräftig und nicht freihaltungsbedürftig. Ihrer Eintragung gemäß §§ 33 Abs 2, 41 MarkenG stehen somit keine absoluten Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG entgegen.

Die angemeldete Bezeichnung "Vitaldepot" stellt jedenfalls im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren keine unmittelbar beschreibende Angabe iSd § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG dar, weil sie für sich allein keinen ohne weiteres eindeutig verständlichen Aussagegehalt besitzt.

Das Adjektiv "vital" wird im allgemeinen Sprachgebrauch zwar nicht nur personenbezogen mit der Bedeutung "voller Lebenskraft, lebensvoll, munter, frisch, wendig, unternehmungsfreudig" oä, sondern auch im weiteren Sinne von "lebenswichtig, lebensnotwendig" verwendet - etwa in Wendungen wie "vitale Interessen", "vitale Bedürfnisse" - (vgl Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 2. Auflage 1989, S 1682). Das "lebenswichtig" oder "lebensnotwendig" bedeutende Bestimmungswort "Vital-" von Komposita hat der Senat aber ebenso wie die Markenstelle weitgehend nur in biochemischen, medizinischen und pharmazeutischen Fachbegriffen wie "Vitalstoff(e)", "Vitalfunktion", "Vitalkapazität", "Vitalorgane" ermitteln können (vgl Duden, Das Große Fremdwörterbuch, 1994, S 1431; Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 258. Auflage 1998, S 1670; Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 8. Auflage 1998, S 1457; Billen-Girmscheid/Schmitz, Das Öko-Lexikon unserer Ernährung, Frankfurt 1986, S 569 f). Hieraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, daß mit "Vital-" beginnende Begriffe bereits deshalb in anderen Bereichen biologischen Lebens - insbesondere dem der Pflanzen - eigenartig oder verfremdet anmuten. Auch auf dem Gebiet dietätischer (pflanzlicher) Lebensmittel (Reformhaus-Produkte etc) sind Ausdrücke mit "Vital-" wie beispielsweise "Vitalkost" (vgl BGH GRUR 1999, 1007 ff - Vitalkost) offenbar nicht ungewöhnlich. Da mit Düngemitteln den Pflanzen "lebensnotwendige/lebenswichtige" Nährstoffe und Nährelemente zugeführt werden (vgl Römpp-Lexikon Chemie, 10. Auflage, Bd 2, 1997, S 1051 unter "Düngemittel"; A. Finck, Dünger und Düngung, 1. Auflage 1989, S 8 ff, 175 ff, 376 ff), die insbesondere eine "vitalisierende" Wirkung erzeugen, erscheint die Wortbildung mit "Vital-" durchaus noch naheliegend, obwohl sie hinsichtlich des vorliegenden Warengebietes der Düngemittel und Pflanzensubstrate bisher nicht üblich sein mag.

Auch der zweite Begriff "Depot", aus dem sich die angemeldete Bezeichnung "Vitaldepot" zusammensetzt, ist an sich allgemein bekannt, und zwar in erster Linie in den Bedeutungen "Aufbewahrungsort für größere Mengen von Gegenständen, Sammellager; Verwahrungsstelle für Wertpapiere bei einer Bank; Sammelstelle für Omnibusse oder Schienenfahrzeuge" (vgl Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 2. Auflage 1989, S 333). Allerdings kann "Depot" auch "Speicherung oder Ansammlung von Stoffen in Geweben oder Organen" bedeuten (vgl Duden aaO). So gibt es entsprechend den medizinischen und pharmazeutischen Fachausdrücken "Depotpräparat", "Depotbehandlung" (vgl Römpp-Lexikon Chemie, aaO, S 902; Duden aaO) auch "Depotdünger", bei dem es sich um ein Düngemittel mit besonders langsamer und nachhaltiger Wirkung handelt (vgl Römpp-Lexikon Chemie aaO; A. Finck, Dünger und Düngung, aaO, S 46 ff; Schlee/Kleber, Wörterbuch der Biologie: Biotechnologie, Teil I, Jena 1991, S 282).

Die - lexikalisch nicht nachweisbare und somit als Wortneuschöpfung anzusehende - Synthese der beiden Begriffe zu der Anmeldemarke "Vitaldepot" werden aber selbst die Fachleute des vorliegenden Warengebietes nicht als glatt beschreibende Angabe auffassen. Sie werden sie zwar insofern als sogenannte "sprechende Marke" ansehen, als die Bezeichnung "Vitaldepot" offensichtlich mit dem Bestandteil "Vital-" auf etwas Lebenswichtiges/Lebensnotwendiges sowie mit dem Bestandteil "-depot" auf eine Anreicherung von Wirkstoffen oder Nährstoffen hinweisen soll. Die Bezeichnung "Vitaldepot" stellt jedoch eine bereits eigenartige Verkürzung dar, die sich nach Ansicht des Senats erst nach einiger Überlegung im Sinne einer beschreibenden Angabe wie "Vitalstoffdepot" oder "vitalisierender Depotdünger" ergänzen und konkretisieren ließe. Hinsichtlich der beanspruchten Waren besteht an dem Ausdruck "Vitaldepot" somit kein Freihaltungsbedürfnis.

Der Anmeldemarke "Vitaldepot" kann auch nicht jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG abgesprochen werden. Schon die Fachleute werden sie für eine eigenartige ergänzungsbedürftige Verkürzung halten. Umsoweniger werden die angesprochenen Laien und Privatpersonen ohne besondere Fachkenntnisse, die mit den beanspruchten Waren lediglich ihre Gärten und Balkonbepflanzungen pflegen, in der Bezeichnung "Vitaldepot" einen genauen eindeutigen Sinngehalt sehen können.

Winkler Pagenbergv. Zglinitzki Cl






BPatG:
Beschluss v. 04.02.2000
Az: 33 W (pat) 114/99


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/74e058327cb7/BPatG_Beschluss_vom_4-Februar-2000_Az_33-W-pat-114-99




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share