Bundespatentgericht:
Urteil vom 4. Juli 2000
Aktenzeichen: 4 Ni 31/99

(BPatG: Urteil v. 04.07.2000, Az.: 4 Ni 31/99)

Tenor

Das deutsche Patent 39 39 401 wird dadurch teilweise für nichtig erklärt, daß es folgende Fassung erhält:

1. Elektronisch gesteuerte Trainingsvorrichtung zur Verbesserung der Koordination zwischen den beiden Hirn-Hemisphären eines Menschen, dadurch gekennzeichnet, daß die beiden Ohren eines zu Trainierenden einzeln und/oder gemeinsam mit sinnesgerechten Informationen, nämlich Sprachinformationen versorgt werden.

2. Trainingsvorrichtung nach Anspruch 1, gekennzeichnet durch die Verwendung eines Stereo Kopfhörers, durch den eine stereofone Information beispielsweise von Sprache abwechselnd oder wahlweise linksohrig, rechtsohrig und/oder beidohrig dargeboten wird.

3. Trainingsvorrichtung nach Anspruch 1, gekennzeichnet durch die zusätzliche Verwendung einer brillenähnlichen Vorrichtung, deren beide Gläser unabhängig voneinander undurchsichtig gemacht werden können, so daß nur das jeweils offen gehaltene Auge beispielsweise Lesetexte wahrnehmen kann.

4. Trainingsvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, gekennzeichnet durch manuell steuerbare Übergänge bei der einzelnen und/oder gemeinsamen Versorgung der erwähnten Sinnesorgane.

5. Trainingsvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, gekennzeichnet durch automatisch gesteuerte Übergänge bei der einzelnen und/oder gemeinsamen Versorgung der erwähnten Sinnesorgane.

6. Trainingsvorrichtung nach Anspruch 3, gekennzeichnet durch die Verwendung von flächendeckenden LCDs als Brillengläsern, die mittels elektronischer Ansteuerung undurchsichtig beziehungsweise durchsichtig gemacht werden.

7. Trainingsvorrichtung nach einem der vorgenannten Ansprüche, gekennzeichnet durch die Möglichkeit zum gleichzeitigen Training mehrerer paarig angeordneten Sinnesorgane.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt 1/3, der Beklagte 2/3 der Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 6.000,00, für den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 3.000,00 vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des am 29. November 1989 angemeldeten deutschen Patents 39 39 401 (Streitpatent), das eine "Vorrichtung zur Verbesserung der Hirn-Hemisphären-Koordination" betrifft und 7 Patentansprüche umfaßt. Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"1. Elektronisch gesteuerte Trainingsvorrichtung zur Verbesserung der Koordination zwischen den beiden Hirn-Hemisphären eines Menschen, dadurch gekennzeichnet, daß paarig angeordnete Sinnesorgane eines zu Trainierenden einzeln und/oder gemeinsam mit sinnesgerechten Informationen versorgt werden."

Wegen der unmittelbar und mittelbar auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 7 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Mit der Behauptung, die Lehre des Streitpatents sei nicht patentfähig, verfolgt die Klägerin das Ziel, das Streitpatent für nichtig zu erklären. Ihrer Auffassung nach ist der Gegenstand des Streitpatents durch die US-PS 3 603 305 neuheitsschädlich getroffen, bzw zumindest nahegelegt. Im übrigen macht sie geltend, die Erfindung sei nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen könne.

Die Klägerin beantragt, das deutsche Patent 39 39 401 für nichtig zu erklären.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, daß das Patent mit einer der in der mündlichen Verhandlung übergebenen hilfsweisen Fassungen 1 bis 5 der Patentansprüche aufrechterhalten wird.

Er trägt erstmals in der mündlichen Verhandlung vor, die Klage sei bereits unzulässig. Dies ergebe sich aus der - trotz Vertragskündigung im Juni 1996 weitergeltenden - Nichtangriffsabrede in einem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Lizenzvertrag vom 19. Januar 1993 zwischen dem Beklagten und einer Firma electronic concept Uwe Minning. Zumindest ergebe sich die Unzulässigkeit der Klage aus dem Verhalten der Firma electronic concept Uwe Minning nach der Lizenzbereitschaftserklärung durch den Beklagten im Jahre 1993. Diese habe nach Benutzungsanzeige im Oktober 1996 im August 1998 die Auskunftserteilung gemäß § 23 Absatz 3 Satz 5 PatG eingestellt und nach Erhebung einer Verletzungsklage im November 1998 durch den Beklagten nochmals die Benutzung angezeigt, um einer Unterlassungsklage vorzubeugen.

Im übrigen ist der Beklagte dem Vorbringen der Klägerin entgegengetreten und hält das Streitpatent, zumindest im hilfsweise verteidigten Umfang, für bestandsfähig.

Gründe

A.

Die Klage, mit der die in § 22 Abs 1 iVm § 21 Abs 1 Nr 1 und Nr 2 PatG vorgesehenen Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit und mangelnden Offenbarung geltend gemacht werden, ist zulässig.

Insbesondere steht der Zulässigkeit der Klage weder die in Artikel 13 des vorgelegten Lizenzvertrages enthaltene Nichtangriffsabrede noch das spätere Verhalten der Firma electronic concept Uwe Minning in Zusammenhang mit der Lizenzbereitschaftserklärung des Beklagten entgegen.

Für die Behauptung des Beklagten, die in Artikel 13 des Lizenzvertrages vereinbarte Nichtangriffsabrede habe auch nach der - unstreitig - ordnungsgemäß erfolgten Vertragskündigung im Juni 1996 rechtlichen Bestand, sieht der Senat keinerlei Anhaltspunkte. Der Vertrag enthält weder eine ausdrückliche entsprechende Regelung, noch läßt sich ein derartiger Wille der Vertragsparteien der Gesamtgestaltung des Vertrages entnehmen. Der Lizenzvertrag enthält ua in den Artikeln 14, 16 und 17 verschiedene Regelungen über Rechte und Pflichten der Vertragsparteien nach Beendigung des Vertrags bzw nach etwaiger Nichtigerklärung des Streitpatents. Dieser Umstand spricht gegen die Annahme, daß eine Weitergeltung der Nichtangriffsabrede nach einer Kündigung auch ohne ausdrückliche Regelung im Vertrag dem Willen der Vertragsparteien entsprochen habe.

Auf die von der Beklagtenseite nicht erläuterte Frage, ob und inwieweit die an der vorgelegten Lizenzvereinbarung nicht beteiligte Klägerin überhaupt als Mittelsperson iSd Artikels 13 der Lizenzvereinbarung anzusehen wäre, ist daher nicht näher einzugehen. Ebenso unerörtert bleiben kann die entsprechende Frage, inwieweit das Verhalten der Firma e... in Zusammenhang mit der Lizenzbereitschaftserklärung des Beklagten der Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage der Klägerin entgegenstehen könnte. Nach Auffassung des Senats würde der von dem Beklagten geschilderte Sachverhalt nicht einmal die Zulässigkeit einer etwaigen Nichtigkeitsklage der Firma e...

selbst berühren.

Grundsätzlich ist eine Nichtigkeitsklage durch einen Lizenzvertrag - uU selbst bei Einräumung einer ausschließlichen Lizenz - nicht ausgeschlossen (vgl Busse, PatG, 5. Aufl, § 81 Rdn 75 ff). Daher kann allein der Umstand, daß durch die Benutzungsanzeige nach § 23 Abs 3 PatG eine Art Lizenzverhältnis entsteht (vgl Busse, aaO, § 23 Rdn 43), der Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage des die Benutzung Anzeigenden nicht entgegenstehen. Vielmehr entspricht es durchaus dem legitimen Interesse eines potentiellen Verletzers neben der Nichtigkeitsklage die Lizenzbereitschaft des Patentinhabers zu nutzen, um eine spätere Schadensersatzklage zu vermeiden, falls die Nichtkeitsklage nicht zum Erfolg führen sollte. Die hat umsomehr zu gelten, wenn der die Benutzung Anzeigende - wie im vorliegenden Fall - vom Patentinhaber bereits auf Verletzung verklagt worden ist.

Inwiefern sich das Verhalten eines die Benutzung Anzeigenden als unsittlich und damit als unzulässige Rechtsausübung darstellt, wenn er nach Untersagen der Weiterbenutzung wegen Nichterfüllung der Auskunftspflicht nochmals die Benutzung anzeigt, um einer Unterlassungsklage zu entgehen und ob in diesem Fall dem Patentinhaber ausnahmsweise das Recht zuzusprechen ist, den Benutzungswilligen zurückzuweisen, berührt nicht die Frage der Zulässigkeit einer vom Benutzer erhobenen Nichtigkeitsklage und war hier nicht zu entscheiden.

B.

Die Klage ist begründet, soweit sie sich gegen das Patent in der erteilten un den gemäß Hilfsantrag 1 und 2 verteidigten Fassungen richtet. Im übrigen, d.h. soweit sie sich gegen die hilfsweise verteidigte Fassung des Streitpatents gemäß Hilfsantrag 3 richtet, ist sie unbegründet.

1. Das Streitpatent betrifft eine elektronisch gesteuerte Trainingsvorrichtung zur Verbesserung der Koordination zwischen den beiden Hirn-Hemisphären eines Menschen.

Nach der Beschreibung des Streitpatents finden sich in der neurologischen Fachliteratur seit mehr als zwei Jahrzehnten immer wieder Hinweise, daß die gute Koordination zwischen den beiden Hirnhemisphären eines Menschen eine ganz wichtige Voraussetzung für zahlreiche geistige und manuelle Fähigkeiten jedes Menschen darstelle. Vor allem die Legasthenie werde in jüngerer Zeit von Fachleuten immer eindeutiger auf eine unzureichende Koordination der beiden Hirnhälften zurückgeführt.

Trotz dieser diagnostischen Erkenntnis würden den auf diesem Gebiet von Defiziten Betroffenen bis heute keine apparativen Vorrichtungen zum Training der Koordination zwischen beiden Hirnhälften angeboten.

2. Vor diesem Hintergrund formuliert die Streitpatentschrift die Aufgabe, in einer benutzerfreundlichen Kombination auditiver und/oder visueller Reize die Querverbindungen zwischen linker und rechter Hirn-Hälfte für das Hören, das Sehen und die Kombination beider besser auszubauen.

3. Patentanspruch 1 beschreibt demgemäß eine Trainingsvorrichtung mit folgenden Merkmalen:

a) Die Trainingsvorrichtung dient der Verbesserung der Koordination zwischen den beiden Hirn-Hemisphären eines Menschen.

b) Sie ist elektronisch gesteuert.

c) Sie versorgt paarig angeordnete Sinnesorgane eines zu Trainierenden einzeln und/oder gemeinsam mit sinnesgerechten Informationen.

Der Fachmann, an den sich die Lehre des Streitpatents wendet, ist ein Elektroniker bzw. Elektromechaniker, der mit der Entwicklung und Herstellung von elektronischen bzw. elektromechanischen Vorrichtungen vertraut ist und der bezüglich der medizinischen Vorgaben und der speziell im vorliegenden Fall auftretenden medizinischen Probleme mit einem Fachtherapeuten zusammenarbeitet.

C.

1.) a) Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 des Streitpatents ist nicht neu.

Aus der Druckschrift US-PS 3 603 305, im folgenden US-PS genannt, ist eine elektronisch gesteuerte Trainingsvorrichtung zur Verbesserung der Koordination zwischen den beiden Hirn-Hemisphären eines Menschen mit allen Merkmalen des Anspruchs 1 bekannt.

In Spalte 1 dieser Druckschrift ist unter Punkt 2. ausführlich dargelegt, daß das menschliche Gehirn aus zwei Hälften besteht, die z.B. visuelle Reize dergestalt erhalten, daß diese vom linken Auge zur linken und rechten Gehirnhälfte genauso gelangen wie die entsprechenden Reize vom rechten Auge (Spalte 1, Zeilen 24 bis 27). Diese vier Reize werden im Gehirn verschmolzen und vermitteln dann einen räumlichen Seheindruck. Wenn diese "Verschmelzungseigenschaft" des Gehirns beeinträchtigt ist, unterliegt die Person einer entsprechenden Beeinträchtigung (Spalte 1, Zeile 43 bis 46).

Um dieser Beeinträchtigung zu begegnen und die Verschmelzungsfähigkeit des Gehirns zu trainieren bietet die US-PS verschiedene Vorrichtungen an (z.B. Spalte 4, Zeile 15ff) und zwar z.B. für Augen oder Ohren (z.B. Spalte 3 Zeile 12/13), also für paarig angeordnete Sinnesorgane eines zu Trainierenden. Dabei werden die jeweiligen Sinnesorgane z.B. einzeln (Spalte 5, Zeile 17ff) mit sinnesgerechten Informationen versorgt, wie z.B. die Augen mit Filmbildern (Spalte 3, Zeile 29 bis 33 und Spalte 7, Zeile 43 bis 45) und die Ohren mit vergleichbaren Informationen (Spalte 7, Zeile 57ff).

An dieser Beurteilung vermag auch der Hinweis des Beklagten auf Spalte 2, Zeile 50 bis 53 der US-PS nichts zu ändern, wonach die Umschaltfrequenz beim abwechselnden Verschließen der Augen höher sei als die Umschaltfrequenz des Gehirns. Zum einen bezieht sich diese Feststellung auf den dort geschilderten Stand der Technik (vgl. 2. Description of the Prior Art). Auch ist hinsichtlich der speziellen Ausbildung des Gegenstands nach der US-PS in Spalte 5, Zeile 74/75 ausdrücklich ausgeführt, daß eine Zeitgeberschaltung vorgesehen ist mit der das betreffende Steuersignal hinsichtlich Periodenzahl und Wiederholungsrate in jeder gewünschten Weise einstellbar ist. Zum anderen ist im Anspruch 1 des Streitpatents bezüglich einer Umschaltfrequenz keinerlei Aussage getroffen, so daß es auch hier dem Fachmann überlassen bleibt, welche Frequenz er wählt.

Die Vorführung einer von der Beklagten angeblich nach der US-PS aufgebauten Vorrichtung in der mündlichen Verhandlung führt zu keiner anderen Bewertung, weil es nicht darauf ankommt, wie die Beklagte den Gegenstand der US-PS umsetzt, sondern welche - hier nach Auffassung des Senats allgemeinere - Lehre der Fachmann dieser Druckschrift am Anmeldetag entnehmen konnte.

b) Unteransprüche Der Gegenstand des Anspruchs 2 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Aus der US-PS, insbesondere Figur 16 mit zugehöriger Beschreibung in Spalte 8, ist bereits eine Vorrichtung bekannt, die ein paar Kopfhörer verwendet, an denen ein Audio-Signal anliegt (Spalte 8, Zeile 24 bis 29). Dies kann alternativ, also abwechselnd links- oder rechtsohrig erfolgen (insbesondere Spalte 8, Zeile 15 bis 23). In einer weiteren Ausbildung dieser Vorrichtung wird damit auch ein stereofoner Effekt erreicht (Spalte 8, Zeile 32 bis 35). Es kann daher keine erfinderische Tätigkeit darin gesehen werden, die beschriebene bekannte Vorrichtung so auszubilden, daß sie statt der zwei Kopfhörer einen Stereo-Kopfhöhrer verwendet, durch den eine stereofone Information abwechselnd linksohrig, rechtsohrig dargeboten wird.

Der Gegenstand des Anspruchs 3 ist nicht neu. Aus der US-PS ist die Verwendung einer brillenähnlichen Vorrichtung (vgl. z.B. Figuren 1 bis 13) bekannt, deren beide Gläser unabhängig voneinander undurchsichtig gemacht werden können (vgl. z.B. Figur 11/12 mit zugehöriger Beschreibung), so daß logischerweise nur das jeweils offengehaltene Auge Informationen wahrnehmen kann.

Der Gegenstand des Anspruchs 5 ist nicht neu. In der US-PS ist z.B. an Hand der Figuren 11 und 12 in Spalte 6, Zeile 67 bis Spalte 7, Zeile 13 beschrieben, wie die Lamellen für das rechte oder linke Brillenglas automatisch mittels eines Antriebs geöffnet bzw. geschlossen werden können. Damit handelt es sich hier um einen automatisch gesteuerten Übergang bei der einzelnen Versorgung des entsprechenden Sinnesorgans (hier der Augen).

Der Gegenstand des Anspruchs 4 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Wie vorstehend zu Anspruch 5 ausgeführt, ist aus der US-PS eine automatisch gesteuerte Vorrichtung bekannt. Es bereitet dem Fachmann keinerlei Schwierigkeit, diese, wenn gewünscht, manuell steuerbar auszubilden - einer erfinderischen Tätigkeit bedarf es dazu nicht.

Der Gegenstand des Anspruchs 6 ist nicht neu.

In Spalte 6, Zeile 17 der US-PS ist anhand von Figur 6 und 7 die Verwendung von flächendeckenden LCDs als Brillengläser, die mittels elektronischer Ansteuerung undurchsichtig bzw. durchsichtig gemacht werden, beschrieben.

Der Gegenstand des Anspruchs 7 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Aus der US-PS, vgl. Spalte 3, Zeile 12/13 ist es bereits bekannt, neben z.B. visuellem und auditivem Training gleichzeitig auch noch ein Training des Tastsinns durchzuführen, so daß für den Fachmann keine erfinderische Tätigkeit erforderlich ist, um im Bedarfsfalle auch mehrere paarig angeordnete Sinnesorgane gleichzeitig zu trainieren.

2.) a) Der Gegenstand des beschränkten Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 ist ebenfalls nicht neu.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach diesem Hilfsantrag unterscheidet sich vom Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag dadurch, daß die Angabe "paarig angeordnete Sinnesorgane" hier durch das Merkmal "die beiden Ohren" ersetzt ist.

Dieser Anspruch ist zulässig. Das neue Merkmal ist im erteilten Anspruch 2 beziehungsweise in der Beschreibung Spalte 1, Zeile 51 offenbart.

Dieses Merkmal ist indes aus der US-PS bekannt, wie aus Figur 16 mit zugehöriger Beschreibung Spalte 8, Zeile 1ff ohne weiteres zu entnehmen ist. Bezüglich der übrigen Merkmale dieses Anspruchs 1, die ebenfalls aus der US-PS bekannt sind, wird auf die Ausführungen unter 1.) a) verwiesen.

b) Bezüglich der Unteransprüche 2 bis 7, die mit den Ansprüchen 2 bis 7 nach Hauptantrag identisch sind, wird auf die Ausführungen unter 1.)b) verwiesen.

3.)a) Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 ist zwar neu, beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 durch das zusätzliche Merkmal:

"und daß an die Trainingsvorrichtung ein Stereo-Kopfhörer anschließbar ist, durch den die sinnesgerechte Information abwechselnd oder wahlweise links-, rechts- und/oder beidohrig und abwechselnd seitenrichtig oder seitenverkehrt dargeboten wird ".

Dieser Anspruch ist zulässig. Das zusätzliche Merkmal ist im erteilten Anspruch 2 in Verbindung mit der Beschreibung Spalte 1, Zeile 45 bis 51 offenbart.

Es bedarf indes keiner erfinderischen Tätigkeit, um zum Gegenstand dieses Anspruchs zu gelangen.

Wie vorstehend unter 1.) b) zu Anspruch 2 bereits ausgeführt wurde, ist es aus der US-PS, insbesondere Figur 16, bekannt, an die Trainingsvorrichtung ein paar Kopfhörer anzuschließen, durch die die sinnesgerechte Information abwechselnd links-, rechtsohrig dargeboten wird, wobei dort auch ein gewisser stereofoner Effekt erzielt werden kann (Spalte 8, Zeile 32 bis 35).

Wenn nun der Fachmann die Trainingsmöglichkeiten der Vorrichtung weiter erhöhen und intensivieren will, bietet es sich an, die Information nicht nur abwechselnd links/rechts den Ohren zuzuführen sondern auch noch andere, ohne weiteres denkbare Alternativen einzusetzen. Zu denken wäre an eine Zuführung wahlweise links, rechts und/oder beidohrig und abwechselnd seitenrichtig oder seitenverkehrt. Erfinderische Tätigkeit erfordern diese Maßnahmen nicht.

Bezüglich der übrigen Merkmale in diesem Anspruch wird auf die Ausführungen unter 2.) a) verwiesen.

Es erübrigt sich, auf Anspruch 2 und die Unteransprüche 3 bis 7 im Rahmen des Hilfsantrags 2 näher einzugehen, da sie Gegenstand des erfolgreichen Hilfsantrags 3 sind, der im übrigen durch einen weiteren Unteranspruch ergänzt ist und daher die für den Beklagten günstigere Fassung bildet.

4.) Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 ist neu, beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit und ist gewerblich anwendbar.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 unterscheidet sich vom Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 durch das zusätzliche Merkmal, daß die Informationen "Sprachinformationen" sein sollen.

Der Anspruch ist zulässig, das zusätzliche Merkmal ist im erteilten Anspruch 2 offenbart.

Er vermittelt dem Fachmann auch eine vollständige, nacharbeitbare technische Lehre, da es ihm aus den Angaben der Streitpatentschrift ohne weiteres möglich ist, eine Vorrichtung herzustellen, die beide Ohren eines zu Trainierenden einzeln und/oder gemeinsam mit Sprachinformationen versorgt. Die Klägerin ist ihrem diesbezüglichen allgemeinen Einwand hinsichtlich dieses Anspruchs nach Hilfsantrag 3 im übrigen auch nicht mehr weiter nachgegangen.

a) Der Gegenstand dieses Anspruchs 1 ist neu, denn keiner der Entgegenhaltungen ist zu entnehmen, daß die Informationen ausschließlich "Sprachinformationen" sein sollen. Nähere Einzelheiten ergeben sich aus den nachfolgenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit.

b) Der Gegenstand dieses Anspruchs beruht auf Grund des genannten zusätzlichen Merkmals auch auf erfinderischer Tätigkeit. Die Klägerin hat den Senat nicht zu überzeugen vermocht, daß der Durchschnittsfachmann aus dem Stand der Technik hinreichende Anregung erhalten hätte, die beiden Ohren ausschließlich mit Sprachinformationen zu trainieren.

Die US-PS erwähnt hierzu nur Informationen im allgemeinen Sinn (vgl. Spalte 2, Zeile 22/26) oder richtungsabhängige Informationen (Sp.7, Z. 69). Daß darunter auch Sprachinformationen verstanden werden sollen, ist nicht ersichtlich.

Daran vermag auch der Hinweis der Klägerin auf Spalte 2, Zeile 32, wo der Begriff "stottern" erwähnt ist, nichts zu ändern, da dort nur auf dieses Problem hingewiesen ist. Ein Hinweis "stottern" im gegebenen Zusammenhang durch Sprachinformationen zu behandeln, ist nicht erkennbar.

Die Druckschrift "Elektor", Januar 1984, Seite 1-24 bis 1-25 befaßt sich mit "Wander-Stereo" und betrifft keine Trainingsvorrichtung im Sinne des Gegenstands des Streitpatents. Demgemäß ist auch kein Hinweis erkennbar, der Sprachinformationen für eine Trainingsvorrichtung für Hirn-Hemishären vorsieht.

Auch die Druckschrift "Human Neurobiology", Springer Verlag 1984, S. 245 - 247, gibt dem Fachmann keine entsprechende Anregung. Dort werden in einer Testvorrichtung dem Patienten über Kopfhörer "clicks" zugeführt und dessen Reaktionen untersucht. Sprachinformationen zu Trainingszwecken werden offensichtlich nicht angewendet.

b) Die Unteransprüche 2 bis 7 betreffen vorteilhafte Ausgestaltungen des Gegenstands des Anspruchs 1 dieses Antrags und werden von diesem Anspruch 1 getragen.

D.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 92 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 ZPO.

Dr. Schwendy Klosterhuber Haaß

Dr. Kraus Müllner Pr






BPatG:
Urteil v. 04.07.2000
Az: 4 Ni 31/99


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