Landgericht Köln:
Urteil vom 14. September 2001
Aktenzeichen: 81 O 230/00
(LG Köln: Urteil v. 14.09.2001, Az.: 81 O 230/00)
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt,es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu DM 500.000,- zu unterlassen,seinen Mitgliedern zu empfehlen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für Fahrzeuge der Marke "..." passende Autoteile und/oder Auto-Ersatzteile, die nicht mit Zustimmung der X AG für ihre Fahrzeuge als Original-Teile in den Verkehr gebracht worden und insoweit auch nicht mit der Marke "..." und/oder der Bildmarke "..." wie nachfolgend(...)versehen sind, als"Original-Marken-Teile"und/oder als"Original-Marken-Ersatzteile"und/oder als"Original-Marken-Ersatzteile" zusammen mit einem unmittelbaren Hinweis auf den Hersteller des Auto-Ersatzteils als "Original-Marken-Erstzteile führender Kraftfahrzeugteile-Hersteller" und/oder "Original-Marken-Ersatzteile bekannter Kraftfahrzeugteile-Hersteller",und/oder als"Original-Marken-Teile" zusammen mit einem unmittelbaren Hinweis auf den Hersteller des Auto-Teils als "Original-Marken-Teile führender Kraftfahrzeugteile-Hersteller" und/oder "Original-Marken-Teil bekannter Kraftfahrzeugteile-Hersteller",zu bewerben, und/oder derartige Empfehlungen öffentlich zugänglich zu machen, wenn dies wie in dem nachfolgend eingeblendeten Text im Internet geschieht:(...)und/oder(...)und/oder selbst im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs entsprechend der Empfehlung zu werben. Die weitergehende Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen eine auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft eines in der Bundesrepublik Deutschland als Zoll- oder Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts zu erbringende Sicherheitsleistung in Höhe von DM 500.000,-.
Gründe
Die Klägerin ist Herstellerin von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeugteilen der Marke "...".
Sie nimmt den Beklagten, den Interessenverband der in Deutschland tätigen freien Vertriebsunternehmen für Kraftfahrzeugersatzteile, auf Unterlassung der im Antrag beschriebenen Aussagen mit Bezug auf die Originalität von Kraftfahrzeug - (Ersatz)Teilen in Anspruch.
Auslöser des Streites zwischen den Parteien sind u.a. im Internet veröffentlichte Äußerungen des Beklagten vom 30.8.1999, der es sich nach seinem eigenen Vortrag zum Ziel gesetzt hat, seine Mitgliedsfirmen zu ermuntern, solche Ersatzteile, die die Anforderungen an Markenware erfüllen, auch werblich (z.B.) als "Original-Marken-Teile" zu bezeichnen.
Die Klägerin hat - wie auch weitere unmittelbare Wettbewerber der Klägerin - gegen den Beklagten eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung solcher Äußerungen erwirkt; der vorliegende Rechtsstreit ist die Hauptsachenklage zum Verfügungsverfahren 31 O 846/99 Landgericht Köln, zu dem der Beklagte keine der Klägerin ausreichende Abschlusserklärung abgegeben hat; auf den diesbezüglichen Schriftwechsel wird Bezug genommen.
Die Klägerin führt aus, dass diejenigen Ersatzteile für die von ihr produzierten Kraftfahrzeugen, die mit ihrer Zustimmung in den Verkehr gebracht worden sind, ganz besonderen Qualitätskontrollen und -garantien ihrerseits versehen sind. Dies wisse der Verbraucher und nehme deshalb an, dass mit "Original" bezeichnete, auf von ihr produzierte Kraftfahrzeuge passende Kraftfahrzeug - (Ersatz)Teile auch tatsächlich von ihr stamme oder jedenfalls von kontrolliert sei. Bei Kraftfahrzeug - (Ersatz)Teilen, die keine der beiden Voraussetzungen erfüllen, werde der Verbraucher deshalb getäuscht, weil die fraglichen Produkte eben nicht ihrer - der Klägerin - Kontrolle unterlegen haben.
Unter dem Datum vom 27.7.2000 hat der Beklagte "zur Klärung der abstrakten Rechtsfragen" eine negative Feststellungsklage beim Landgericht Düsseldorf eingereicht; auf die als Anlage K11 eingereichte Klageschrift wird Bezug genommen.
In der Erhebung der vorstehend erwähnten Klage und den dort formulierten Anträgen liege eine allgemeine Berühmung des Beklagten, die die Klägerin berechtige, vom Beklagten auch eine allgemein formulierte Unterlassung zu verlangen, nicht nur Unterlassung der konkreten Verletzungsform. Letztere sei deshalb eine Wettbewerbsstörung, weil sie Anlass und Auslöser für irreführend formulierte Werbemaßnahmen der Mitgliedsunternehmen des Beklagten seien.
Sie beantragt,
wie erkannt,
jedoch zusätzlich mit dem vor die Worte "wenn dies wie in dem nachfolgend eingeblendeten Text im Internet geschieht:" eingefügten Wort "insbesondere".
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er behauptet, die Markenprodukte führender Teilehersteller durchliefen gleich gute Qualitätskontrollen wie diejenigen, die die Klägerin für sich in Anspruch nehme. Letztlich gehe es aber nicht darum, sondern nur um die Frage, ob für sie - sowie sie die Anforderungen an Markenware erfüllen - der Begriff "Original-Marken-Teile" verwendet werden dürfe, wie dies schon seit langer Zeit der Fall sei und keinesfalls relevant irreführend wirke.
Beide Parteien haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
Die Klage ist zum Teil begründet und im übrigen unbegründet.
Die konkret im Internet verbreiteten Äußerungen schaffen die Gefahr, dass die Adressaten des Aufrufs oder auch andere Teile - Händler ihre Markenware in der werblichen Ankündigung Original-Marken-(Ersatz)Teile bezeichnen, ohne den zutreffenden Bezug auf die Herkunft der Ware herzustellen, §§ 1, 3 UWG.
Zunächst einmal ist festzuhalten, dass die vorprozessual vom Beklagten abgegebenen Unterlassungsverpflichtungserklärungen die Wiederholungsgefahr nicht ausgeräumt haben. Die Klägerin hat sie zu Recht nicht angenommen, denn der Beklagte hat jeweils Vorbehalte gemacht, die nicht nur einen unbestimmten Rechtsbegriff enthalten ("Markenware im Sinne des Wettbewerbs"), sondern darüber hinaus das entscheidende Problem in abstrakter Weise ausklammert: die Parteien streiten sich gerade darum, ob die Verwendung der streitgegenständlichen Begriffe immer oder nie oder je nach den konkreten Umständen irreführend sind; vor diesem Hintergrund wären die Erklärungen allenfalls dann ausreichend, wenn die vom Beklagten aufgenommenen erläuternden Hinweise in jedem Fall ausreichten, eine Irreführung zu vermeiden.
Dies ist nicht der Fall.
Der Verbraucher bringt einem Produkt, das mit dem werblichen Hinweis "original" versehen ist, selbst dann eine höhere Wertschätzung entgegen, wenn ihm die solchermaßen beworbene Marke bis dahin unbekannt gewesen ist. Dies beruht darauf, dass sich der Werbende damit offenkundig auf seine bestehende Bekanntheit beruft, denn für einen Marktneuling wäre der Hinweis ohne Grundlage. Erst recht gilt dies für dem einzelnen Verbraucher bekannte Marken, denn von daher ist ihm die Originalitätswerbung vertraut. Vor diesem Hintergrund wird der Verbraucher alle Hinweise auf "original" zunächst einmal auf die Klägerin als Inhaberin einer bekannten Marke beziehen, wenn und soweit diese Hinweise im Zusammenhang mit ihren Produkten ergehen.
Umgekehrt ist es aber auch das legitime Interesse der Mitglieder des Beklagten und damit zugleich das legitime Interesse des Beklagten, die eigenen Leistungen in angemessener Weise herauszustellen, u.a. mit dem Hinweis auf die Originalität, die sich auf die Herkunft der renommierten Produktionsstätte des jeweiligen Teileherstellers bezieht.
In der Sicht des Verbrauchers konkurrieren nach allem zwei mögliche Ursprünge darum, derjenige zu sein, dessen "Originalität" herausgestellt wird: welcher es ist, hängt von genauen Art und Weise ab, mit der der Begriff präsentiert wird: ob eine Irreführung vorliegt, kann deshalb nicht abstrakt, sondern immer nur konkret für den Einzelfall festgestellt werden.
Soweit der Beklagte nicht selbst wirbt, sondern lediglich seine Mitglieder zur Verwendung der streitgegenständlichen Begriffe auffordert, ist er Störer, denn seine Aufforderungen sind in einer Weise gehalten, dass sie ohne weiteres - und deshalb ihm zu seinen Lasten zurechenbar - Auslöser sein können für eine Werbung, die den schmalen Grat zwischen den beiden möglichen Herkunftshinweisen in wettbewerbsverletzender Weise verfehlt. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass es hierfür unerheblich ist, ob es schon eine irreführende Werbung in der Folge der Internet - Veröffentlichung gegeben hat oder nicht oder ob es sich bei dem Störer um ein Mitgliedsunternehmen des Beklagten handelt oder nicht: die Internet - Seite kann - ebenso wie Veröffentlichungen in den allgemeinen, gedruckten Medien - auch von außenstehenden Unternehmen zur Kenntnis und zum Anlass genommen werden, in so wirkungsvoller Weise zu werben. Hierbei ist es ohne Belang, dass sich der Aufruf an den Handel und damit an Fachleute richtet, denn dieser Personenkreis gehört nicht zu den Fachleuten bei der Feststellung, ob eine bestimmte, dann gegenüber dem Endverbraucher zu verwendende Formulierung diesen irre führt oder nicht. Die Gefahrenlage rührt daher, dass es keinen - und erst recht keinen ausreichend klaren - Hinweis auf dieses Problem gibt.
Auch der nach Auffassung des Beklagten erläuternde Hinweis auf die "führenden" oder auch "bekannten" Teile - Hersteller reicht nicht einmal ansatzweise aus, denn er besagt allenfalls, woher die Ware rein faktisch kommt: gleichwohl liegt es für den Verbraucher mehr als nur etwas nahe, "original" im Sinne einer Art Überwachung dem PKW - Hersteller zuzurechnen, weil es sich ja immerhin und letztlich (nur) um ein Ersatzteil handelt.
Wie sich aus den vom Beklagten selbst vorgelegten Belegen ergibt (aus amz - auto motor zubehör, Heft 9/1998, S.159; enthalten im Anlagenkonvolut B 16), wirbt er auch selbst für "mehr als nur eine Möglichkeit, "Original-Marken-Ersatzteile" einzukaufen oder auch a.a.O auf Seite 71 in Heft 6/1999, wo die Möglichkeit der Lieferung von "Originalteilen vom Teilehersteller" ausgelobt wird: genau das ist irreführend, denn es lässt die oben erwähnte naheliegende Möglichkeit zu, dass es sich um von der Klägerin in markenrechtlicher Hinsicht kontrollierte Teile handelt.
Aus dem Vorstehenden folgt aber umgekehrt zwanglos, dass der allgemein formulierte Antrag unbegründet ist: er erfasst auch Werbeformen, die rechtmäßig sind, weil sie über die Herkunft der Teile nicht täuschen. Diese Diskrepanz zwischen einer Orientierung (nur) an der konkreten Verletzungsform und dem allgemein formulierten Verbot bestimmter Ausdrücke ist in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert worden, sodass die Teilabweisung mit der Hälfte angemessen bewertet ist: Ziel der Klägerin ist es, die fraglichen Reizworte umfassend und in jedem Zusammenhang verbieten zu lassen.
Der Antrag kann auch mit Hinweis auf die Antragsformulierung im Düsseldorfer Verfahren nicht gerechtfertigt werden, denn vielmehr ist das dortige Verfahren das Ergebnis des umfassenden Unterlassungsbegehrens der Klägerin. Selbst wenn dies anders wäre, kann die Klage nur im zuerkannten Umfang Erfolg haben: das Unterlassungsbegehren muss sich in aller Regel - es ist kein Anlass erkennbar, hiervon vorliegend abzuweichen - an der konkreten Verletzungsform orientieren. Es besteht auch gar keine Notwendigkeit, ein umfassenderes, abstraktes Verbot zu verhängen, denn der Kern besteht in der mangelhaften Aufklärung darüber, woher das jeweilige Produkt stammt: wenn und soweit dieser Kern verletzt wird, stellt auch ein an der konkreten Verletzungsform orientierter Tenor einen Titel dar, aus dem gegebenenfalls vollstreckt werden kann.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 709 ZPO.
Streitwert: DM 1.000.000,-.
LG Köln:
Urteil v. 14.09.2001
Az: 81 O 230/00
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