Brandenburgisches Oberlandesgericht:
Urteil vom 26. Mai 2010
Aktenzeichen: 3 U 94/09

(Brandenburgisches OLG: Urteil v. 26.05.2010, Az.: 3 U 94/09)

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 20. Mai 2009verkündete Urteil des Landgerichts Neuruppin - 2 O 320/06 - unterZurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändertund insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Mitgläubiger€ 18.236,58 zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünfProzentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz

a) aus € 10.326,00 ab 09.09.2006,

b) aus € 875,00 ab 16.01.2007 und

c) aus € 7.035,58 ab 04.12.2007.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben jederKläger 20 % und die Beklagte 60 % zu tragen. Die Kosten desBerufungsverfahrens fallen insgesamt der Beklagten zur Last.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Prozessparteien streiten darüber, ob und gegebenenfalls in welchem Umfange den klagenden Eheleuten ein zum Ersatz verpflichtender Vermögensnachteil dadurch entstanden ist, dass das beklagte Tiefbauunternehmen am 16./17. März 2004 € irrtümlich € ein den Klägern gehörendes Wochenendhaus, belegen auf deren Grundstück in der €allee 36, H€, abgerissen und dabei weitere Beschädigungen auf dem klägerischen Anwesen verursacht hat. Die Beklagte verteidigt sich im Kern damit, das Objekt und die baulichen Außenanlagen seien ohnedies marode gewesen und hätten den Wert der Immobilie lediglich gemindert, so dass die Kläger im Ergebnis sogar einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt hätten. Zur näheren Darstellung des Tatbestandes und der erstinstanzlichen Prozessgeschichte wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Das bisherige Prozessergebnis ist in der nachfolgenden Tabelle dargestellt:

lfd. Nr.PositionBetrag in €, der in der Eingangsinstanz wurdeeingeklagtzuerkanntabgewiesen1Sachschaden21.178,0010.326,0010.852,002Privatgutachterkosten464,000,00464,003Anwaltskosten269,41547,62-278,214Bodenplattenabriss1.004,000,001.004,005Einebnung875,00875,000,006Katasterauskünfte21,0021,000,007Architektenhonorar4.667,184.667,180,008Vermessungsunterlagen100,00100,000,009Vermessungskosten285,60285,600,0010Lagepläne1.451,801.451,800,0011Kampfmittelüberprüfung200,00200,000,0012Baugenehmigung100,00100,000,0013bautechnische Nachweise210,00210,000,00zusammenrechnerisch zutreffend30.825,9918.784,2012.041,79gemäß Klageantrag30.834,9918.784,2012.050,79Differenz-9,000,00-9,00Vom Landgericht Neuruppin, das in der Vorinstanz entschieden hat, wurde der Klage € nach umfangreicher Beweisaufnahme € in dem aus der obigen Tabelle ersichtlichen Umfange stattgegeben. Das angefochtene Urteil, auf das auch wegen der Entscheidungsgründe verwiesen wird, ist der Beklagten am 27. Mai 2009 (GA II 333) € zu Händen ihrer erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten € zugestellt worden. Sie hat am 26. Juni 2009 (GA II 335) mit anwaltlichem Schriftsatz Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel € nach antragsgemäßer Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 27. August 2009 (GA II 345) € mit einem am 25. August 2009 per Telekopie bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz begründet (GA II 347 ff.).

Die Beklagte ficht das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens in vollem Umfange ihrer Beschwer an. Dazu trägt sie insbesondere Folgendes vor:

Die hauptsächliche Schadensersatzposition, die das Landgericht mit € 10.326,00 beziffert habe, sei von ihm € ohne Differenzierung nach Einzelpositionen sowie ohne tatsächliche und rechtliche Prüfung € aus dem Gutachten des Sachverständigen F€ übernommen worden. Dieses beruhe jedoch auf falschen Prämissen, weil es allein auf theoretische Standards abstelle und die Besonderheiten des konkreten Falles außer Acht lasse. Das streitgegenständliche Gartenhaus sei schon vor seinem irrtümlichen Abriss stark beschädigt und nicht mehr nutzbar gewesen. Die äußeren Umstände € insbesondere die Entfernung der Dämmung und der Platten von der Decke sowie die starke Verwilderung des Gartens € sprächen deutlich dafür, dass der asbestbelastete Bau nicht mehr für den weiteren Gebrauch vorgesehen gewesen sei, sondern bereits vor längerem auf Veranlassung der Eigentümer seine Entkernung begonnen hatte. Ein fiktives Baujahr 1979 anzunehmen, wie im Gutachten geschehen, sei willkürlich. Welchen Einfluss ein Baujahr vor 1974 auf die Wertbestimmung hätte, sei vom Sachverständigen € entgegen dem gerichtlichen Auflagenbeschluss € nicht mitgeteilt worden. Er habe zudem eine falsche Restnutzungsdauer in Ansatz gebracht. Ohnehin könne der Wiederherstellungswert eines unbenutzbaren Gebäudes nicht mit Hilfe einer aus Tabellen abgelesenen Restnutzungsdauer bestimmt werden. Eben sowenig dürften dazu Normalherstellungskosten und die Alterswertminderung herangezogen werden. Statt des mittleren Herstellungswertes hätte der Gutachter allenfalls den Wert für die einfache Ausführung zugrunde legen dürfen. Die Verwendung von Asbestbaustoffen und die Verwilderung des Anwesens seien zweifelsfrei wertmindernde Faktoren. Die Grundfläche des Wochenendhauses könne nicht größer gewesen sein als das Fundament, auf dem es gestanden habe. Dass statt maximal 10 m ganze 20 m des Jägerzaunes von ihr € der Beklagten € abgebaut worden seien, stehe nicht fest. Der Elektroanschluss habe keinen Schaden genommen; nur der Stromzähler und die Elektroleitungen zur Hausanschlusssäule seien aus Sicherheitsgründen entfernt worden. Einen neuen Trinkwasserbrunnen könne man für nicht mehr als € 1.000,00 errichten lassen. An Abbruchkosten für das Fundament fielen maximal € 6,00 pro m² an. Dass sich die Planungskosten auf ein mit dem ursprünglichen Gartenhäuschen vergleichbares Objekt bezögen, müssten die Kläger dartun und nachweisen; substanziiertes Bestreiten könne von ihr, der Beklagten, nicht verlangt werden.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen € ihr bisheriges Vorbringen ebenfalls wiederholend und vertiefend € das landgerichtliche Urteil, soweit es ihnen günstig ist; im Übrigen nehmen sie es hin. Sie tragen insbesondere Folgendes vor:

Die Angriffe der Beklagten gegen das Gutachten des Sachverständigen F€ und gegen die Beweiswürdigung der Zivilkammer seien unbegründet. Selbstverständlich dürfe sich das Gericht auf plausible und nachvollziehbare Feststellungen eines Sachverständigen stützten; hierin bestehe der Sinn und Zweck einer solchen Beweiserhebung. Von der Möglichkeit, dem Gutachter Ergänzungsfragen zu stellen, habe die Beklagte keinen Gebrauch gemacht. Seine Äußerungen seien auf den Streitfall zugeschnitten und beruhten keineswegs auf falschen Prämissen. Der Privatsachverständige Dipl.-Ing. W€ L€ habe sogar einen höheren Schaden festgestellt. Keineswegs sei das streitgegenständliche Gartenhäuschen zum Abriss vorgesehen gewesen. Grundstück und Gebäude hätten damals € durch Zeugenaussagen bestätigt € einen soliden Eindruck gemacht. Die Aussage des Klägers zu 1) bei der Polizei, wonach das Haus vermutlich in den 1930er Jahren errichtet worden sei, beinhalte lediglich eine Annahme. Ein fiktives Baujahr 1979 zugrunde zu legen € wie im Gutachten des Sachverständigen F€ geschehen € erweise sich keineswegs als willkürlich. Betreffend den Jägerzaun habe der Gutachter lediglich ausgeführt, wie viele Meter davon zu erneuern seien. Den Elektroanschluss habe die Beklagte insgesamt unbrauchbar gemacht; zudem sei wegen des Abrisses der Bestandschutz für die Altanlage aus DDR-Zeiten fallen. Die Kosten für den Neubau eines Trinkwasserbrunnens mit höchstens € 1.000,00 zu veranschlagen, erweise sich als viel zu gering. Dass das neu zu errichtende Gebäude im Wesentlichen dem abgerissenen entspreche, folge schon aus der Baugenehmigung, die andernfalls nicht erteilt worden wäre.

Im Termin der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz wurde die Sach- und Rechtslage mit den Prozessbevollmächtigten beider Seiten eingehend erörtert. Der Senat hat im Rahmen von § 139 ZPO auf alle entscheidungserheblichen Punkte hingewiesen. Die vom Kläger zu 1) überreichte Bauplanmappe (Kopie GA III 429 ff.) ist in Augenschein genommen worden. Der Sachverständige Dipl.-Ing. (FH) H€ F€ wurde ergänzend zu seinem schriftlichen Gutachten und zu den Fragen der Beklagten gehört; das Ergebnisses ist im Protokoll vom 07. April 2010 (GA II 408, 409 ff.) festgehalten. Im Übrigen wird zur Darstellung des Sach- und Streitstandes sowie der bisherigen Prozessgeschichte auf die anwaltlichen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, auf sämtliche Terminsprotokolle sowie auf den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

A. Das Rechtsmittel der Beklagten ist zulässig; es wurde von ihr insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 517 ff. ZPO). In der Sache selbst bleibt die Berufung allerdings ganz überwiegend erfolglos. Die Beklagte ist vom Landgericht zu Recht verurteilt worden, den Klägern Schadensersatz zu leisten, weil ihre Arbeitnehmer € irrtümlich € das klägerische Wochenendhaus in B€ abgerissen und dabei auch bauliche Außenanlagen auf dem Grundstück zerstört respektive beschädigt haben. Abzuweisen bleibt die Klage in der Berufungsinstanz zunächst insoweit, wie der Ersatzanspruch den Klägern von der Zivilkammer antragsgemäß als Gesamtgläubigern im Sinne von § 428 Satz 1 BGB zuerkannt wurde; als Teilhaber einer Bruchteilsgemeinschaft sind sie lediglich Mitgläubiger einer € wegen der gemeinschaftlichen Empfangszuständigkeit € aus rechtlichen Gründen unteilbaren Leistung (§ 432 Abs. 1 BGB; vgl. hierzu Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 423 Rdn. 1 f., m.w.N.). Dass die Vorinstanz die € sich aus den Gründen des angefochtenen Urteils zweifelsfrei ergebende € Abweisung der Klage betreffend den die zugesprochenen € 18.784,20 übersteigenden Betrag nicht in den Tenor seiner Entscheidung aufgenommen hat, konnte der Senat nach § 319 Abs. 1 ZPO korrigieren, weil es sich um eine offenbare Unrichtigkeit handelt. Hinsichtlich der € 9,00, um die sich die Kläger gemäß der obigen Tabelle bei der Addition der Einzelposten zu ihren Gunsten vertan haben, ist die Klage bereits im ersten Rechtszug abgewiesen worden. Prozessual unschädlich bleibt im Ergebnis zwar, dass das Landgericht den Klägern hinsichtlich der vorgerichtlichen Anwaltskosten einen höheren Betrag zuerkannt hat, als ursprünglich von ihnen beantragt wurde; der Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO ist in zweiter Instanz durch eine entsprechende € zumindest konkludente € Genehmigung der Kläger geheilt worden, die in ihrem Antrag auf Zurückweisung der gegnerischen Berufung liegt (vgl. dazu BGHZ 111, 158, 161; ferner Musielak, ZPO, 7. Aufl., § 308 Rdn. 20; jeweils m.w.N.). Auch insoweit ist die Klage aber vom Senat abzuweisen, weil die Geschäftsgebühr schon gemäß dem klägerischen Vorbringen noch nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO angefallen ist und § 118 Abs. 2 Satz 1 BRAGO deren vollständige Anrechnung vorsah (vgl. dazu OLG München, Beschl. v. 06.05.2005 - 11 WF 1000/05, OLG-Rp 2005, 600 = Rpfleger 2005, 571). Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Der klägerische Schadensersatzanspruch findet seine gesetzliche Grundlage in § 831 Abs. 1 Satz 1 und in § 823 Abs. 1 BGB. Die Verrichtungsgehilfen der Beklagten hätten sich € unter Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt € vor dem Beginn der Abrissarbeiten darüber vergewissern können und müssen, dass diese tatsächlich auf dem Anwesen durchgeführt werden, für das ihrem Arbeitgeber ein entsprechender Auftrag vorlag. Der Beklagten selbst fällt zur Last, keine geeigneten organisatorischen Vorkehrungen getroffen zu haben, durch die sichergestellt wird, dass ihr erteilte Abrissaufträge durch ihre Beschäftigten auch dann auf der richtigen Liegenschaft ausgeführt werden, wenn sich in der Nähe andere Grundstücke befinden, die entweder nicht oder nur unzureichend durch ein Namens- beziehungsweise Hausnummernschild gekennzeichnet sind. Mit dem Einwand, sie habe den Klägern € bei wirtschaftlicher Betrachtung € durch den eigenmächtigen Abriss im Ergebnis eine Wohltat erwiesen, weil die Aufbauten ohnedies marode gewesen seien und den Wert der Immobilie gemindert hätten, kann die Beklagte bereits deshalb nicht durchdringen, weil es nicht ihr, sondern allein den Klägern als Eigentümern obliegt, darüber zu entscheiden, ob sich die ihnen gehörende Immobilie in einem bebauten oder einem unbebauten Zustand befinden soll. Gemäß § 249 Abs. 1 BGB gilt im Schadensersatzrecht primär der Grundsatz der Naturalrestitution und nicht allein das Prinzip der vergleichenden Wertbetrachtung. Dies dient dazu, das Integritätsinteresses des jeweiligen Geschädigten zu schützen (vgl. dazu MünchKommBGB/Oetker, BGB, 5. Aufl., § 249 Rdn. 313.). Da es im Streitfall um die Beschädigung einer Sache geht, haben die Kläger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB unmittelbar € also auch ohne eine vorherige Fristsetzung im Sinne des § 250 BGB € Anspruch auf Zahlung des Geldbetrages, der erforderlich ist, um den Zustand herzustellen, der bestünde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand € hier die Gewalteinwirkung auf das Grundstück durch unbefugte Abrissarbeiten € nicht eingetreten wäre.

2. Mit Blick auf die so genannte haftungsausfüllende Kausalität, also die Frage, ob den Klägern durch die € an sich unstreitige € widerrechtliche Gewalteinwirkung seitens der Beklagten auf das Anwesen in B€ ein Schaden entstanden ist und wie hoch sich dieser beziehungsweise das zu ersetzende Interesse beläuft, durfte das Landgericht gemäß § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO € unter Würdigung aller Umstände € nach freier Überzeugung entscheiden. Dahinter steht der Gedanke, dass insbesondere bei einer feststehenden Rechtsgutverletzung € wie hier € ein Ersatzanspruch des Inhabers der geschützten Rechtsposition nicht deshalb aus prozessualen Gründen scheitern soll, weil sich der Eintritt eines Vermögensnachteils und dessen Höhe im Einzelnen kaum oder nur schwer nachweisen lassen. Ergänzend bleibt im Streitfall zu berücksichtigen, dass es die deliktischen Handlungen der Beklagten und ihrer Verrichtungsgehilfen sind, die zu erheblichen Beweisschwierigkeiten bei den Klägern geführt haben; es gab für Letztere keinerlei Anlass, den Zustand ihres Gartenhauses und der baulichen Außenanlagen vor dem plötzlichen Abriss zu dokumentieren. Von der Zivilkammer, die im angefochtenen Urteil von der gesetzlichen Möglichkeit der Schadensschätzung Gebrauch gemacht hat, sind € nach umfangreicher Beweisaufnahme € alle Umstände des Streitfalles hinreichend gewürdigt worden. Die Schätzung stützt sich im Kern auf das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) H€ F€ vom 12. August 2008 (GA I 203 ff.) und auf dessen ergänzende gutachterliche Stellungnahme vom 12. November 2008 (GA II 272 ff.). Der Sachverständige hatte zuvor € im Termin am 18. Juni 2008 (GA I 179 ff.) € an der mündlichen Verhandlung erster Instanz vor dem Landgericht teilgenommen, in dem die Zeugen gehört wurden (LGU 4). Ihm standen einige Fotos zur Verfügung, die jedenfalls einem Fachmann objektive Anhaltspunkte dafür liefern, um was für eine Art von Baulichkeit es sich bei dem klägerischen Gartenhaus handelte (GA I 232 ff.). In dem Stadtarchiv von H€ konnte der Gutachter zudem Bauunterlagen aus den Jahren 1987/ 1988 finden (GA I 205, 216 ff.). Schon deshalb geht der Einwand der Beklagten fehl, der Sachverständige habe bei der Schadensermittlung € ohne Rücksicht auf die Umstände des konkreten Falles € allein auf theoretische Standards abgestellt. Das streitgegenständliche Wochenendhaus mag sich vor seinem Abriss gewiss in einem erheblich sanierungsbedürftigen Zustand befunden haben; seine gänzliche Unbenutzbarkeit und Abbruchreife lassen sich jedoch ebenso wenig feststellen wie erwiesen ist, dass die Kläger das Objekt ohnehin entkernen wollten und damit schon begonnen hatten.

3. Zu den Herstellungskosten im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB, die die Kläger von der Beklagten verlangen können, gehören zunächst die € 10.326,00, die der gerichtliche Sachverständige Dipl.-Ing. (FH) H€ F€ in seinem Gutachten als Sachwert des Gartenhauses nebst Zaun, Stromzähler und Brunnen ermittelt hat (GA I 203, 212 f.). Die Angriffe, die dagegen mit der Berufungsbegründung erhoben werden, bleiben € insbesondere nachdem der Senat den Sachverständigen im Termin am 07. April 2010 mündlich gehört hat, wobei für die Beklagte die Möglichkeit bestand, ihre Fragen unmittelbar an den Gutachter zu richten (Protokoll GA II 408, 409 ff.) € erfolglos. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass sich der Sachverständige als Fachmann aufgrund seiner besonderen Sachkunde anhand der im vorliegenden Zivilprozess zu Tage getretenen Umstände und Fakten ein für die Wertermittlung hinreichend zuverlässiges Bild von dem streitgegenständlichen Objekt verschaffen konnte, ohne das Wochenendhaus und die baulichen Außenanlagen vor ihrem Abriss selbst in Augenschein genommen zu haben. Warum er die Restnutzungsdauer des Gartenhauses € unter Berücksichtigung aller Umstände € auf zehn Jahre geschätzt und wie er das fiktive Baujahr 1979 ermittelt hat, ist durch den Gutachter sowohl in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 12. November 2008 (GA II 272 f.) als auch bei seiner Vernehmung in der Berufungsverhandlung nachvollziehbar erläutert worden. Von Willkür kann in diesem Zusammenhang € anders als die Beklagte meint € keine Rede sein. Die wirtschaftliche Restnutzungsdauer nach dem Verständnis des § 16 Abs. 4 WertV darf nicht mit der verbleibenden technischen Restlebensdauer des betreffenden Objekts verwechselt werden (vgl. hierzu Kleiber in Kleiber/Simon, Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 5. Aufl., Teil V, § 16 WertV Rdn. 101). Auch bei einer Baulichkeit, die gegenwärtig weder bewohnt wird noch bewohnbar ist, reduziert sich € anders als möglicherweise die Beklagte meint € die Restnutzungsdauer keineswegs ohne weiteres auf Null. Anhaltspunkte dafür, dass das streitgegenständliche Gartenhaus bereits in den 1930er Jahren errichtet worden sein könnte, hat der Sachverständige nicht finden können; nach seinen Bekundungen deutet vielmehr die Ausführung der Bodenplatte auf eine in der ehemaligen DDR ab den 1970er verbreitete Bauweise hin und auch ein Wochenendhaus der hier streitgegenständlichen Art sei € so der Gutachter € zu DDR-Zeiten typisch gewesen. Bei der Alterswertminderung handelt es sich um einen vom Sachverständigen interpolierten Tabellenfaktor, der im Ergebnis zu einem unter den Normalherstellungskosten liegenden Gebäudezeitwert führt. Dass deren Grundwert in der hierfür einschlägigen Tabelle (Kopie GA I 231) der Spalte € Standard mittel € zu entnehmen ist, hat der Gutachter überzeugend mit den entsprechenden Beschaffenheitsangaben erklärt und durch eine im Termin der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz überreichte Übersicht betreffend Lauben und Wochenendhäuser im Beitrittsgebiet untersetzt (GA II 414a). Nachvollziehbar sind ebenfalls seine Ausführungen, wonach die Verwendung asbesthaltiger Baustoffe unter den hier gegeben Umständen keine weitere Wertminderung rechtfertigt. Eine Verwilderung des Grundstücks wäre, was gleichermaßen einleuchtet, nur bei der Ermittlung des Bodenwertes zu berücksichtigen gewesen, der hier nicht zu bestimmen war. Dem Einwand, dass die Grundfläche eines Gartenhauses nicht größer sein könne als das Fundament, auf dem es steht, ist der Gutachter plausibel unter Hinweis darauf entgegengetreten, dass ein Gebäude € aus technischen Gründen € sogar regelmäßig jedenfalls geringfügig überstehe. Auch wenn die Beklagte lediglich 10 m des so genannten Jägerzaunes zerstört hat, können die Kläger Ersatz für die Kosten der Erneuerung der gesamten Zaunseite verlangen, weil nach den Bekundungen des Sachverständigen die für eine bloße Teilinstandsetzung erforderlichen Baumaterialien auf dem Markt nicht mehr erhältlich sind. Mit der Entfernung des Stromzählers und der Elektroleitungen haben die Mitarbeiter der Beklagten die Stromversorgung zerstört. Auch insoweit steht den Klägern ein Anspruch auf Ersatz der Herstellungskosten zu; sie müssen sich keineswegs mit der Herausgabe von Einzelteilen der früheren Elektroanlage durch die Beklagte begnügen, zu der es € nach dem Sach- und Streitstand im Termin der mündlichen Verhandlung € ohnedies nicht gekommen ist. Bei der Ermittlung der Werte für den Trinkwasserbrunnen und die Fundamentabbruchkosten hat der Gutachter sich auf Standardwerke aus dem Bereich der Immobilienbewertung gestützt und hinsichtlich des Brunnens € ebenso wie bei dem Wochenendhaus € eine Alterswertminderung in Abzug gebracht, was keinen durchgreifenden Bedenken begegnet. Ob die Beklagte selbst entsprechende Leistungen zu einem geringeren Preis anbieten könnte, spielt schon deshalb keine Rolle, weil sie keinen Anspruch darauf hat, Naturalrestitution leisten zu dürfen. Plausibel ist ferner der Hinweis des Sachverständigen betreffend die Abbruchkosten, wonach Kleinstaufträge besonders aufwändig und teuer sind; ferner bleibt € so der Gutachter € der Entsorgungs- und Verfüllungsaufwand bei der Kalkulation zu berücksichtigen.

4. Die Herstellungskosten im Sinne des Gesetzes umfassen ferner, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, den finanziellen Aufwand für die Planung und sonstige Vorbereitung der Errichtung eines neuen Wochenendhauses. Schon die durch den Landkreis € als untere Bauaufsichtsbehörde mit Bescheid vom 16. Oktober 2007 (Kopie Anlage K11/GA I 110 ff.) ausnahmsweise € entgegen § 4 BauNV € für einen Ersatzneubau erteilte Genehmigung spricht dafür, dass das Bauvorhaben mit der von Beklagtenseite abgerissenen Baulichkeit vergleichbar ist. Die Errichtung eines Gebäudes zu Dauerwohnzwecken ist weder von den Klägern beantragt noch ihnen genehmigt worden. Eventuell noch verbliebene Zweifel sind jedenfalls durch die Bauplanmappe ausgeräumt worden, die der Kläger zu 1) im Termin der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz vorgelegt hat und in der sich sowohl nähere Angaben zum Typ der geplanten Baulichkeit als auch bildliche Darstellungen davon befinden (Kopie GA III 429, 467 und 475 ff.). Dass nach den eingereichten Unterlagen auch Platz für die spätere Bebauung mit einem Wohnhaus bleiben soll, erweist sich als unschädlich; es obliegt der Dispositionsfreiheit der Kläger, wie sie in Zukunft mit ihrem Eigentum verfahren wollen. Auch aus dem Umstand, dass sie mit dem Bau des neuen Gartenhauses noch nicht begonnen haben, vermag die Beklagte nichts Günstiges für sich herzuleiten; sie ist den Klägern die Zahlung der erforderlichen Herstellungskosten bislang schuldig geblieben. Dass die Honorarrechnungen des Architekten W€ T€ den Neubau eines Wochenendhauses auf dem streitgegenständlichen Grundstück betreffen, ergibt sich bereits aus ihrem Inhalt (Kopien Anlagen K13 bis 15/GA I 188 ff.).

B. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 sowie § 97 Abs. 1 ZPO. Danach haben die Parteien die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens entsprechend dem Verhältnis ihres Unterliegens zu tragen. Die Kosten des nahezu in vollem Umfange erfolglosen Rechtsmittels fallen dagegen allein der Beklagten zur Last, weil sie es eingelegt hat; die Zuvielforderung der Kläger war verhältnismäßig geringfügig und hat keine höheren Kosten veranlasst.

C. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des vorliegenden Urteils folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO. Von Schuldnerschutzanordnungen sieht der Senat gemäß § 713 ZPO ab, weil die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen die Berufungsentscheidung stattfindet, unzweifelhaft nicht vorliegen (§ 543 Abs. 1 i.V.m. § 544 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

D. Die Revision wird vom Senat nicht zugelassen, weil es an den gesetzlichen Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO i.V.m. § 133 GVG fehlt. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes als Revisionsgericht. Das Berufungsurteil beruht im Wesentlichen auf der Rechtsanwendung im vorliegenden Einzelfall und auf der Würdigung von dessen tatsächlichen Umständen. Eine Divergenz zur höchstrichterlichen Rechtsprechung oder zu Entscheidungen anderer Oberlandesgericht ist nicht ersichtlich.

E. Der Gebührenstreitwert für den zweiten Rechtszug beträgt bis € 19.000,00 (§ 3 ZPO i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 und § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG).






Brandenburgisches OLG:
Urteil v. 26.05.2010
Az: 3 U 94/09


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