Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 16. September 1994
Aktenzeichen: 6 U 170/93
(OLG Köln: Urteil v. 16.09.1994, Az.: 6 U 170/93)
1. Die Bezeichnungen ,K.-Hochgewächs" und ,K.-Hochgewächs Extra Brut" für hochpreisige Sekte sind irreführend, wenn sie von relevanten Teilen des Verkehrs dahin verstanden werden, die für die Herstellung der Cuvées verwendeten Grundweine entsprächen den Rebsorten- und Qualitätskriterien eines ,Riesling Hochgewächs"-Weines im Sinne des § 8 a WeinVO. Zur Ermittlung eines evt. derartigen Verständnisses bedarf es grundsätzlich der Einholung eines Meinungsforschungsgutachtens.
2. Der Begriff ,Hochgewächs" ist keine geschützte Angabe, gesetzlich (bisher) nicht definiert und besitzt auch keinen eindeutigen Aussagegehalt.
3. Art. 13 Abs. 1, Abs. 2 a und b (1. Alternative) EG-VO Nr. 2333/92 beschreiben keine ,abstrakten Gefährdungstatbestände", so daß auch ihre Anwendung erfordert, in jedem Einzelfalle konkret festzustellen, ob Tatsachen vorliegen, aus denen sich eine (relevante) Eignung zur Irreführung oder Verwechslung ergibt.
4. Bei § 13 Abs. 2 b 2. Alternative EG-VO Nr. 2333/92 reicht die Identität eines Teiles einer verwendeten Marke (hier: Hochgewächs in ,K.-Hochgewächs") mit kennzeichnungsrechtlich geschützten Weinen (z.B. ,Riesling-Hochgewächs) nicht aus.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 25. Mai 1993 verkündete Urteil der 31. Zivilkam mer des Landgerichts Köln - 31 0 76/93 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,-- DM abzuwenden, wenn nicht die Beklagte ihrerseits vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Beide Parteien können die von ihnen zu erbringenden Sicherheiten auch durch selbstschuldnerischer Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse leisten. Beschwer des Klägers: 200.000,-- DM.
Tatbestand
Der Kläger ist ein gerichtsbekannter Verein, zu dessen
satzungsgemäßen Aufgaben es gehört, die In- teressen der
Verbraucher durch Aufklärung und Be- ratung wahrzunehmen.
Die Beklagte stellt u.a. hochpreisige Sekte her und vertreibt
diese. Zu ihrem Angebot gehören die Sekte "K. Hochgewächs" und "K.
Hochgewächs Extra Brut" - sowie bis zum 30.09.1993 der Sekt "K.
Hochgewächs U. Brut" - , die in der nachstehend in schwarzweiß
Fotokopien wiedergegebenen Aufmachung vertrieben werden:
Wegen der weiteren Einzelheiten der Aufmachung dieser Sekte wird
auf die zu den Akten gereichten Orginalprodukte Bezug genommen.
Diese Sekte werden im Flaschengärverfahren aus- schließlich aus
fränzösischen Grundweinen - zu- meist Chardonnay-Weinen -
hergestellt. Der bis zum 30.09.1993 in Verkehr gebrachte Sekt "K.
Hochge- wächs U. Brut" wies einen Restzuckergehalt zwi- schen 0 und
6 g je Liter auf.
Für die Beklagte wurde am 04.01.1952 mit Priori- tät zum
07.06.1950 das Deutsche Warenzeichen Nr. ... "K. Hochgewächs"
u. a. für Spirituosen eingetragen. Dieses Warenzeichen wurde seidem
durchgängig und intensiv zur Kennzeichnung der Sekte der Beklagten
benutzt. In der 150-jährigen Firmengeschichte der Beklagten wurde
ihr Spitzenprodukt zunächst "Hochgewächs der Champagne" und seit
ca. 60 Jahren "K. Hochgewächs" bezeichnet. Insoweit wird auf Anlage
1 zum Beklag- tenschriftsatz vom 22.04.1993 Bezug genommen.
Die Beklagte erzielte mit dem Sekt "K. Hochge- wächs" in den
Jahren 1983 bis 1986 einen durch- schnittlichen Jahresumsatz von
ca. 290.000 Fla- schen in einem Wert von ca. 4.000.000,-- DM und in
den Jahren 1987 bis 1992 einen durchschnittlichen Jahresumsatz von
320.000,-- DM zu einem Wert von ca. 4.700.000,-- DM.
Mit Schreiben vom 7. Januar 1993 forderte der Klä- ger die
Beklagte vergeblich auf, es zu unterlas- sen, die Bezeichnungen
"Hochgewächs" und "U. Brut" für die von ihr hergestellten Sekte zu
verwenden.
Der Kläger hat behauptet, durch die Bezeichnung "Hochgewächs" in
der konkreten Form der angegrif- fenen Produkte "K. Hochgewächs"
und "K. Hochge- wächs U. Brut" werde beim Verbraucher der unzu-
treffende Eindruck hervorgerufen, die für die Her- stellung der Cuv
e verwendeten Grundweine entsprä- chen den Rebsorten- und
Qualitätskriterien eines "Riesling Hochgewächs"-Weins im Sinne des
§ 8 a WeinVO. Die Irreführung der Verbraucher läge dar- in, daß für
die angegriffenen Sekte kein Riesling- Wein als Grundwein verwendet
werde. Darüber hinaus sei die Bezeichnung irreführend, weil den
verwen- deten Grundweinen auch die übrigen Qualitätsmerk- male des
§ 8 a WeinVO fehlten. Schließlich könne die Bezeichnung
"Hochgewächs" mit dem Teil der Bezeichnung eines Tafelweins oder
eines Qualitätsweins b. A. ("Hochgewächs") verwechselt werden, ohne
daß die für die Bereitung der Cuv e verwendeten Grundweine eine
solche Be- zeichnung beanspruchen könnten.
Durch die Bezeichnung "U. Brut" werde der Verbrau- cher über den
Restzuckergehalt getäuscht, da die Bezeichnung für Sekte mit dem
niedrigsten Restzuk- kergehalt "Extra" laute.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die geltend gemachten
Unterlassungsansprüche würden aus § 1 UWG in Verbindung mit Art. 13
sowie aus Art. 5 Abs. 3 EG-VO Nr. 2333/92 folgen. Für die Erfüllung
der Irreführungs- und Verwechs- lungstatbestände von Art. 13 Abs. 1
und Abs. 2 der EG-VO Nr. 2333/92 bedürfe es nicht der Feststellung
einer konkreten Irreführung, sondern lediglich einer "abstrakten
Irreführungs- oder Verwechslungsgefahr". Da die Bezeichnung
"Hochge- wächs" eine "abstrakte Eignung" zur Irreführung beinhalte,
reiche der schlüssige Vortrag einer möglichen Irreführung aus, ohne
daß es auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens ankäme.
Eine Grenze sei lediglich in den Fällen erreicht, in denen
"absurde" Irreführungen behauptet würden.
Bezüglich einer Verwechslungsgefahr gemäß Art. 13 Abs. 2 lit. b
der EG-VO Nr. 2333/92 hat der Kläger erstinstanzlich Beweis durch
Einholung eines Sach- verständigengutachtens in Form einer
Verkehrsbe- fragung angetreten.
Der Kläger hat zunächst den Antrag angekündigt,
die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung es für jeden Fall
der Zuwiderhandlung festzu- setzenden Ordnungsgeldes bis zu
500.000,-- DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungs- haft
bis zu 6 Monaten, jeweils zu vollziehen an den Geschäftsführern der
Beklagten, zu un- terlassen,
im geschäftlichen Verkehr ihre Sekte "K." wie folgt
gekennzeichnet in den Verkehr zu bringen und/oder hierfür wie folgt
zu werben:
Die Beklagte hat sich in der erstinstanzlichen mündlichen
Verhandlung vom 4. Mai 1993 ohne Aner- kennung einer Rechtspflicht
verpfichtet, es bei Meidung einer für jeden Fall der
Zuwiderhandlung an den Kläger zu zahlenden Vertragsstrafe in Höhe
von 10.100,-- DM ab 01.10.1993 zu unterlassen, einen Sekt mit der
Bezeichnung "U. Brut" in den Verkehr zu bringen und/oder zu
bewerben.
Der Kläger hat diese Erklärung angenommen. Die Par- teien haben
daraufhin den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache
übereinstimmend für erledigt erklärt und wechselseitige
Kostenanträge gestellt.
Der Kläger hat nunmehr beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung ei- nes für jeden
Fall der Zuwiderhandlung festzu- setzenden Ordnungsgeldes bis zu
500.000,-- DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis
zu 6 Monaten, jeweils zu vollziehen an den Geschäftsführern der
Beklagten, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr ihre Sekte "K." mit der Bezeichnung
"Hochgewächs" in den Verkehr zu bringen und/oder hierfür so, wie
auf den von den Beklagten im Termin vom 4. Mai 1993 zu den Akten
gereichten Originalflaschen geschehen , zu werben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen, soweit sie nicht in der Hauptsache
übereinstimmend für erledigt er- klärt worden ist.
Sie hat behauptet, die Bezeichnung "K. Hochgewächs" werde vom
Verbraucher nur noch als neutraler Hin- weis auf eine Herkunft aus
dem Hause der Beklagten , nicht aber im Hinblick auf die Bedeutung
der Be- zeichnung "Hochgewächs" verstanden.
Sie hat die Ansicht vertreten, die Beschränkungen für die
Bezeichnung "Riesling Hochgewächs" würden nur für Weine und nicht
für Sekte gelten; bei den Weinen ohnehin nur für Riesling-Weine.
Für die Geltendmachung von Ansprüchen auf der Grundlage der EG-VO
Nr. 2333/92 fehle dem Kläger überdies die Ak- tivlegitimation. Wenn
die Bezeichnung "Hochgewächs" nur eine "abstrakte"
Irreführungsgefahr für die Verbraucher begründe, dann sei es
gleichzeitig aus- geschlossen, daß wesentliche Belange der Verbrau-
cher gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG berührt würden.
Die Beklagte hat sich schließlich auf Verwirkung der
Unterlassungansprüche berufen. Hierzu hat sie die Ansicht
vertreten, im Laufe der vergangenen Jahre seit
Warenzeicheneintragung habe sie einen wertvollen Besitzstand an der
Marke "K. Hochgewächs" erworben. Da der Verbraucher ohnehin nicht
schutzbedürftig sei, müsse eine Interessenab- wägung zu ihren
Gunsten ausfallen. Jedenfalls sei Art. 13 Abs. 3 der EG-VO Nr.
2333/92 analog anzuwenden oder verfassungskonform so auszu- legen,
daß eine Enteignung ausgeschlossen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzli- chen
Vorbringens der Parteien wird auf den vorge- tragenen Inhalt der
wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Mit Urteil vom 25. Mai 1993 hat das Landgericht die Klage soweit
abgewiesen, als sie nicht überein- stimmend für erledigt erklärt
worden ist. Zur Be- gründung hat das Landgericht im wesentlichen
ausge- führt, ein Anspruch aus § 3 UWG käme schon deswegen nicht in
Betracht, weil der Kläger trotz Hinweises durch das Gericht keinen
Beweis angetreten habe. Die Kammer könne aus eigener Sachkunde
nicht ent- scheiden, ob nicht ein unwesentlicher Teil der Ver-
braucher durch die Verwendung des Begriffs "Hochge- wächs" zu der
Meinung gelange, es handele sich bei dem für den so beworbenen Sekt
verwendeten Grund- wein um "Riesling Hochgewächs"-Wein. Ein
Anspruch aus § 1 UWG i. V. m. Art. 13 Abs. 1 Satz 1 EG-VO Nr.
2333/92 sei nicht gegeben, da die Bezeichnung "Hochgewächs" nicht
objektiv falsch sei. Ein Anspruch aus § 1 UWG i. V. m. Art. 13 Abs.
1 Satz 1, erster Beistrich EG-VO Nr. 2333/92 komme nicht in
Betracht, da der Kläger nicht dargelegt habe, inwieweit die
Bezeichnung "Hochgewächs" ge- eignet sei, über die gehobene
Qualität des Produk- tes (Art. 6 Abs. 8 EG-VO Nr. 2333/92) zu
täuschen. Ein Anspruch aus § 1 UWG i. V. m. Art. 13 Abs. 1 Satz 1,
zweiter Beistrich EG-VO Nr. 2333/92 könne nicht bejaht werden, da
eine mögliche Irreführung über Qualität , Rebsorte, Zusammensetzung
oder Alkoholgehalt des mit der Bezeichnung "Hochgewächs" beworbenen
Produktes ohne Verkehrsbefragung nicht bejaht werden könne. Eine
"abstrakte Eignung" zur Irreführung reiche auch im Sinne dieser
Vorschrift nicht aus. Ein Anspruch aus § 1 UWG i.V. m. Art. 13 Abs.
2 lit. a EG-VO Nr. 2333/92 läge ebenso nicht vor. Es sei schon
zweifelhaft, ob die Bezeichnung "Hochge- wächs" als Marke im Sinne
dieses Artikels anzusehen sei. Dies könne jedoch dahinstehen, da
jedenfalls für die Eignung, eine Irreführung hervorzurufen, kein
Beweis angeboten sei. Ein Anspruch aus § 1 UWG i. V. m. Art. 13
Abs. 2 lit. b zweite Alternative der Verordnung komme ebenfalls
nicht in Betracht. Soweit darin gefordert werde, daß die Marke mit
der Bezeichnung eines Qua- litätsweines identisch sein müsse, fehle
es schon an der Identität; die hier möglicherweise vorlie- gende
Teilidentität reiche nicht aus. Soweit in der ersten Alternative
von Art. 13 Abs 2 lit. b der Verordnung lediglich eine Verwechse-
lungsgefahr gefordert werde, sei der hierzu angebo- tene Beweis
nicht zu erheben gewesen, da es bereits an der ersten Voraussetzung
"Marke" fehle. Unter Marke sei nur eine kennzeichenmäßige Benutzung
und nicht eine beschreibende Benutzung im Sinne dieser Vorschrift
gemeint. Bei der Bezeichnung "K. Hochge- wächs" sei nur der
Bestandteil "K." kennzeichnend. Dies ergebe sich schon aus der
konkreten Aufmachung der angegriffenen Sektflaschen und aus den von
den Parteien zu den Akten gereichten Werbematerialien. Dem stehe
auch nicht entgegen, daß die Beklagte ein Warenzeichen "K.
Hochgewächs" habe eintragen lassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegrün- dung wird auf
die Entscheidungsgründe des angefoch- tenen Urteils (Bl. 91 - 108
d. A.) Bezug genommen.
Gegen dieses ihm am 8. Juni 1993 zugestellte Urteil hat der
Kläger am 6. Juli 1993 Berufung eingelegt, die er nach Verlängerung
der Berufungsbegründungs- frist bis zum 5. November 1993 mit einem
am 25. Oktober 1993 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz
fristgemäß begründet hat.
Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstin- stanzliches
Vorbringen.
Zum Anspruch aus § 3 UWG behauptet er weiter, ein nicht
unerheblicher Teil der Verbraucher gewinne aufgrund der konkreten
Produktausstattung der ange- griffenen Sekte den irrigen Eindruck,
der Grundwein entspreche den Rebsorten- und Qualitätsanforderun-
gen des "Hochgewächs"-Weines; darüber hinaus werde beim Verbraucher
die irrige Vorstellung hervorgeru- fen, der Grundwein stamme von
besonders hochstämmi- gen Reben oder von solchen aus Hochlagen. Der
Verbraucher setzte die Bezeichnung "Hochge- wächs" mit der
Qualitätsanforderung "Riesling Hoch- gewächs" gleich, zumal die
Bezeichnung "Hochge- wächs" seit nahezu 10 Jahren gebräuchlich sei.
Die Verbraucher seien besonders kritisch aufgrund von Wein- und
Sektpanschereien der früheren Jahre.
Er vertritt hierzu die Ansicht, diese Auffassung der Verbraucher
könne der Senat aus eigener Sach- kunde feststellen, zumal auch die
Fachpresse, wie der "kleine Johnson" oder "Knoll" nicht die korrek-
te Bezeichnung "Riesling Hochgewächs" sondern nur das Stichwort
"Hochgewächs" verwendeten. Es komme nicht darauf an, ob der Verkehr
die einzelnen Kriterien der Qualitätsanforderung kenne, sondern nur
darauf, daß er der irrigen Auffassung sei, daß die "amtlicherseits"
festgelegten Voraus- setzungen erfüllt seien.
Zum Anspruch aus § 1 UWG i. V. m. Art. 13 Abs. 1 Satz 1 erste
Alternative der EG-VO Nr. 2333/92 behauptet er, die Bezeichnung
"Hochgewächs" für die Produkte der Beklagten sei objektiv falsch,
da kei- ne Hochgewächsrebe als Grundwein verwendet worden sei und
die Anforderungen des § 8 a WeinVO nicht erfüllt seien.
Er vertritt hierzu die Ansicht , es komme nicht darauf an, ob
der Begriff "Hochgewächs" gesetzlich definiert sei; im übrigen gebe
es eine mittelbare Legaldefinition in § 8 a WeinVO.
Zum Anspruch aus § 1 UWG i. V. m. Art. 13 Abs. 1 Satz 1 , erster
Beistrich der EG-VO Nr. 2333/92 behauptet der Kläger, bei der
Bezeichnung "Hochge- wächs" handele es sich um einen Begriff, der
eine gehobene Qualität betreffe. Dieser sei gemäß Art. 6 Abs. 8
EG-VO Nr. 2333/92 nur zulässig, wenn die für die Herstellung
festgelegten Bedingungen erfüllt seien. Da dies nicht der Fall sei
, liege eine Eig- nung vor, über die gehobene Qualität zu
täuschen.
Zum Anspruch aus § 1 UWG i. V. m. Art. 13 Abs. 1 Satz 1 , 2.
Beistrich der EG-VO Nr. 2333/92 behaup- tet er , durch die
Bezeichnung "Hochgewächs" werde eine Irreführungsgefahr
hinsichtlich der Zusammen- setzung des Sektes, dessen
Alkoholgehaltes, Quali- tät und Rebsorte begründet. Er vertritt die
Ansicht, der Senat könne aus eige- ner Sachkunde und
Lebenserfahrung feststellen, daß ein nicht unerheblicher Teil der
Verbraucher diesem Irrtum unterliegen werde. Darüber hinaus
beinhalte Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 EG-VO 2333/92 einen abstrakten
Gefährdungstat- bestand. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut
der Vorschrift. Die Angaben "Hochgewächs" sei schon unzulässig,
wenn nur die Gefahr einer Irreführung bestehe. Damit solle die alte
Bezeichnungspraxis bei Schaumweinen, die typischerweise geeignet
sei, einen falschen Anschein zu erwecken, ausgeschaltet werden.
Dies sei bei der Bezeichnung "Hochgewächs" gegeben; dies ergebe
sich auch aus der Entscheidung des OLG München vom 21.01.1993 (EWS
1993, 190, 192).
Hilfsweise beantragt der Kläger den Rechtsstreit insoweit dem
Europäischen Gerichtshof zur Vorabent- scheidung vorzulegen.
Zum Anspruch aus § 1 UWG i. V. m. Art. 13 Abs. 2 lit. a EG-VO
Nr. 2333/92 vertritt der Kläger die Ansicht, daß auch hierzu eine
"abstrakte" Irrefüh- rungsgefahr ausreiche.
Zum Anspruch aus § 1 UWG i. V. m. Art. 13 Abs. 2 lit. b EG-VO
Nr. 2333/92 vertritt er hinsichtlich der zweiten Alternative die
Auffassung, schon das Vorliegen einer Teilidentität reiche aus. Die
Bezeichnung "Hochgewächs" sei teilidentisch mit der für
Qualitätsweine vorgesehenen Bezeichnung "Riesling Hochgewächs", so
daß die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt seien. Dies
ergebe sich auch aus dem Wortlaut und der Verbindung der beiden
Alternativen in Art. 13 Abs. 2 lit. b EG-VO Nr. 2333/92 mit dem
Wort "bzw.".
Hilfsweise beantragt er auch hierzu die Vorlage an den
Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung.
Im übrigen vertritt er die Ansicht, die Vorausset- zungen dieses
Anspruches seien erfüllt, da der Be- griff "Hochgewächs" im
konkreten Fall auch Bestand- teil einer Marke im Sinne des Art. 13
Abs. 2 EG-VO 2333/92 sei.
Zur ersten Alternative des Art. 13 Abs. 2 lit. b EG-VO Nr.
2333/92 trägt der Kläger vor, daß im kon- kreten Fall der Begriff
"Hochgewächs" Bestandteil der Marke "K. Hochgewächs" sei; etwas
anderes erge- be sich weder aus dem nationalen Recht (§ 46 WeinG)
noch aus Art. 13 Abs. 2 EG-VO Nr. 2333/92.
Auch die Systematik der EG-VO lasse einen gegentei- ligen Schluß
nicht zu. In Abschnitt III seien nicht nur Marken als "aliud" zu
Bezeichnungen und Auf- machungen geregelt; das ergebe sich schon
aus den einzelnen Óberschriften. Selbst die Beklagte habe in erster
Instanz schrift- sätzlich mehrfach von der Marke "K. Hochgewächs"
gesprochen, so daß davon auszugehen sei, daß auch sie von einem
Markenbestandteil ausgehe. Schließ- lich sei diese
Gesamtbezeichnung auch warenzeichen- rechtlich geschützt.
Die von ihm vertretene Auffassung habe auch der Se- nat in
früheren Entscheidungen vertreten (z. B. 6 U 133/90 "Feist
Hochgewächs"). Zwischen dem Markenbe- standteil "Hochgewächs" und
einem Teil der Bezeich- nung eines Qualtitätsweines "Riesling
Hochgewächs" bestehen auch Verwechslungsgefahr. Dies könne der
Senat aus eigener Sachkunde und Lebenserfahrung be- urteilen, so
daß es einer Einholung einer Verkehrs- befragung nicht bedürfe.
Sein erstinstanzliches Beweisanerbieten hat der Kläger ausdrücklich
zurückgenommen; auch nach Hin- weis durch den Senat hat er hierzu
keinen Beweis mehr angeboten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvor- bringens des
Klägers wird auf den Inhalt der Beru- fungsbegründung vom 25.
Oktober 1993 sowie auf die Schriftsätze vom 19. Januar 1994, vom 1.
März 1994 und vom 19. Mai 1994 ergänzend Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach seinen
erstinstanzlichen Anträgen zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen; hilfsweise ihr nachzulassen, die
Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden, die auch
in Form der selbstschuldnerischen Bürgschaft ei- ner deutschen
Großbank und/oder öffentlich- rechtlichen Sparkasse erbracht werden
kann.
Sie wiederholt und vertieft ebenfalls ihr erstin- stanzliches
Vorbringen und vertritt die Ansicht, der Kläger könne den geltend
gemachten Unterlas- sungsanspruch aus § 3 UWG nicht herleiten.
Hierzu trägt die Beklagte vor, bei den angespro- chenen
Verbrauchern, nämlich den gelegentlichen Käufern von Sekt, könne
nicht schon von Grund- kenntnissen über Wein, Weinsorten und
Weinanbau ausgegangen werden. Die Kenntnisse der Mitglieder des
Senats auf diesem Gebiet versetzten den Senat nicht in die Lage,
aus eigener Sachkunde festzustellen, daß der Verbraucher aufgrund
der Bezeichnung "K. Hochgewächs" zu der Vorstellung verleitet
werde, der so gekennzeichnete Sekt sei aus Grundweinen der
"Riesling Hochgewächs"-Weine hergestellt. Selbst wenn der
Verbraucher derartige Grundkenntnisse vom Weinbau besitze, könnten
diese nicht ohne weiteres auf die Kennzeichnung von Sekt übertragen
werden. Hierbei sei auch zu berücksich- tigen, daß der Verbraucher
seit vielen Jahrzehnten an die Bezeichnung "Hochgewächs" für Sekte
gewöhnt sei, ohne daß für die Herstellung der so bezeich- neten
Erzeugnisse Grundweine aus bestimmten Lagen verwendet würden. Dies
gelte um so mehr für ihr Produkt, das seit mehr als 50 Jahren mit
großem Erfolg auf dem Markt sei. Demgegenüber bestehe die
Qualitätsbezeichnung "Riesling Hochgewächs" für Stillweine erst
seit relativ kurzer Zeit.
Auch die Entscheidung des Senats 6 U 133/90 gebe keine
Anhaltspunkte für die gegenteilige Auffas- sung des Klägers. In
dieser Entscheidung habe der Senat gerade deutlich gemacht, daß nur
die damals konkret zu beurteilende Produktaufmachung irreführend
gewesen sei. Diese Irreführung sei nur dadurch hervorgerufen, daß
der Wortbestandteil "Hochgewächs" i. V. m. mit dem Hinweis
"Riesling" in der Produktaufmachung aufgetreten sei. Die
Irreführungsgefahr sei nur und ausschließlich des- halb angenommen
worden, weil die Verbraucher die beiden Bestandteile "Hochgewächs"
und "Riesling" in Zusammenhang lesen und so als Hinweis auf die
ihnen bekannte Weinqualitätsbezeichnung "Riesling Hochgewächs"
verstehen würden. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da auf ihren
Produkten die Bezeichnung "Riesling" nicht zu finden sei. Um eine
Irreführung zu bejahen, müsse der Verkehr zumindest die
beanstandete Bezeichnung "Hochgewächs" gedanklich in Verbindung mit
der Weinqualitätsbezeichnung "Riesling Hochgewächs" im Sinne des §
8 a WeinVO bringen.
Der Verkehr werde auch nicht davon ausgehen, daß die für die
beanstandeten Sekte verwendeten Grund- weine aus Reben stammten,
die entweder besonders hochstämmig seien oder aus einer Hochlage
stammen würden. Abgesehen davon, daß es derartige Quali-
tätsmerkmale nicht gebe, wäre eine solche Vorstel- lung irrelevant,
da auch ein Wein, der die Voraus- setzungen des § 8 a WeinVO
erfülle, aus Reben her- gestellt sein könne, die weder
"hochstämmig" seien noch aus einer "Hochlage" stammten. Einem
solchen Anspruch des Klägers stünde schließlich auch die Einrede
der Verwirkung entgegen.
Zu einem möglichen Anspruch aus § 1 UWG i. V. m. Art. 13 Abs. 1
Satz 1 erste Alternative EG-VO Nr. 2333/92 trägt die Beklagte vor,
die streitge- genständliche Bezeichnung "Hochgewächs" sei nicht
falsch. Ungeachtet einer Legaldefinition setze dies nämlich voraus,
daß die Bezeichnung "Hochge- wächs" einen bestimmten Aussagegehalt
habe. Hieran fehle es schon deshalb, weil die Bezeichnung
"Hochgewächs" allein weder in bezug auf Wein noch auf Sekt
inhaltlich definiert oder festgelegt sei.
Zu einem vom Kläger geltend gemachten Anspruch aus § 1 UWG i. V.
m. Art. 13 Abs. 1 Satz 1, erster Beistrich EG-VO Nr. 2333/92 i. V.
m. § 6 Abs. 8 dieser EG-VO trägt die Beklagte vor, der Kläger habe
nicht dargelegt, warum die streitbefangene Bezeichnung
"Hochgewächs" nicht zulässig sein sollte. Soweit es eine
Bezeichnung für gehobene Qualität sei, habe der Kläger eine
derartige ge- hobene Qualität in bezug auf ihre Produkte selbst
zugestanden.
Zu einem möglichen Anspruch aus § 1 UWG i. V. m. Art. 13 Abs. 1
Satz 1, zweiter Beistrich EG-VO Nr. 2333/92 führt die Beklagte aus,
der Kläger habe eine mögliche Irreführung weder vorgetragen noch
unter Beweis gestellt. Soweit er die Ansicht vertrete, es bedürfe
keiner konkreten Verwechs- lungsgefahr, so treffe dies auf Art. 13
Abs. 1 und Abs. 2 EG-VO Nr. 2333/92 nicht zu. Anders als in den
Fällen echter "abstrakter Gefährdungstatbe- stände" sei in Art. 13
kein normierter Sachverhalt vorgegeben, dessen Verwirklichung
zwangsläufig den Verbotstatbestand erfülle. Vielmehr sei in Art. 13
EG-VO die Eignung zur Irreführung ausdrücklich als
Tatbestandsmerkmal aufgeführt. Dies müsse jedoch zunächst im
konkreten Einzelfall durch das Gericht festgestellt werden.
Ebenso erfordere Art. 13 Abs. 2 lit. a EG-VO Nr. 2333/92 die
Feststellung einer konkreten Irrefüh- rungs- bzw.
Verwechslungsgefahr.
Schließlich lägen auch die Voraussetzung des Art. 13 Abs. 2 lit.
b EG-VO Nr. 2333/92 weder in der ersten noch in der zweiten
Alternative vor. Hierbei könne es dahinstehen, ob die streitbefan-
gene Bezeichnung "Hochgewächs" Bestandteil einer "Marke" sei.
Selbst wenn man der streitbefangenen Bezeichnung Markencharakter
zubillige, seien die Voraussetzungen nicht erfüllt. Die erste
Alterna- tive setze voraus, daß die Marke mit der gesamten oder
einem Teil der geschützten Weinbezeichnungen verwechselt werden
könne. Dies würde voraussetzen, daß der Verkehr im Streitfall die
Bezeichnung "Hochgewächs" in eine gedankliche Verbindung mit der
Qualitätsbezeichnung für Wein "Riesling Hoch- gewächs" bringen
würde. Dies könne der Senat ohne Beweiserhebung nicht
feststellen.
Die zweite Alternative setze entgegen der Auffas- sung des
Klägers volle Identität der Bezeichnungen voraus; eine bloße
Teilidentität reiche nicht aus. Dies ergebe sich schon aus dem
Wortlaut der Be- stimmung selbst.
Schließlich sei der geltend gemachte Unterlassung- anspruch
schon deshalb ungerechtfertigt, weil sich die Beklagte im Hinblick
auf die Verwendung der Bezeichnung "Hochgewächs" auf die
Ausnahmeregelung des Art. 13 Abs. 3 EG-VO 2333/92 berufen könne;
diese Auffassung werde auch von der Kommission in Brüssel geteilt.
Insoweit verweist die Beklagte auf einen Aktenver- merk der
Kommission vom 30. Juni 1993 (Bl. 236 ff. d.A.).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten im
Berufungsrechtszug wird ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der
Berufungserwi- derung vom 06.12.1993 und des Schriftsatzes vom
23.12.1993 nebst Anlage Bezug genommen.
Gründe
Die Berufung ist zulässig; sie hat jedoch in der Sache keinen
Erfolg.
Dem gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG klagebefugten Kläger steht der
geltend gemachte Unterlassungsan- spruch weder aus § 3 UWG noch aus
§ 1 UWG i. V. m. Art. 13 EG-VO Nr. 2333/92 zu.
Soweit der Kläger einen Unterlassunganspruch aus § 3 UWG
herleitet, ist eine Irreführungsgefahr unter mehreren
Gesichtspunkten zwar schlüssig dargelegt, der Kläger hat jedoch zu
den diese Irreführung be- gründenden Tatsachen keinen Beweis
angeboten.
Das Landgericht hat zu Recht dargelegt, daß es durchaus denkbar
ist, daß ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen
Verbraucher aufgrund der Bezeichnung "Hochgewächs" in der konkreten
Form der angegriffenen Aufmachung der streitgegenständ- lichen
Sekte "K. Hochgewächs" und "K. Hochgewächs Extra Brut" den Eindruck
gewinnt, die für die Her- stellung der Cuv e verwendeten Grundweine
entsprä- chen den Rebsorten- und Qualitätskriterien eines "Riesling
Hochgewächs"-Weins im Sinne des § 8 a WeinVO. Falls der Verbraucher
einer solchen Vor- stellung unterliegen sollte, läge eine
Irreführung vor, da es sich bei den für die angegriffenen Sek- te
verwendeten Grundweine nicht um Rieslingweine handelt.
Ebenso erscheint es denkbar, daß ein nicht uner- heblicher Teil
der angesprochenen Verbraucher auf- grund der Bezeichnung
"Hochgewächs" für die ange- griffenen Sekte zu der Annahme gelangen
könnte, die für die Herstellung der Cuv e verwendeten Grundweine
entsprächen den Qualitätskriterien des § 8 a WeinVO insoweit, als
sie den amtlichen Kon- trollmaßnahmen für das Prädikat "Spätlese"
sowie den Qualitätsprüfungen unterlegen haben und den
erforderlichen Mindestalkoholgehalt aufweisen.
Diese vom Kläger geltend gemachten Irreführungen setzen voraus,
daß ein nicht unbeachtlicher Teil der angesprochenen Verbraucher
den Begriff "Hoch- gewächs" um die Bezeichnung "Riesling" ergänzt
oder jedenfalls in Beziehung zur Weinbezeichnung "Riesling
Hochgewächs" setzt mit der Vorstellung, die zur Herstellung des so
bezeichneten Sektes verwendeten Grundweine seien Riesling-Weine.
Erst wenn diese Verbrauchervorstellungen vorliegen, können die
Grundsätze der sogenannten verweisenden Verbrauchervorstellung
eingreifen (vgl. BGH GRuR 1969, 280, 281 - "Scotch Whisky"), so daß
es nicht notwendig ist, daß der Verbraucher die den Begriff
"Riesling Hochgewächs" ausfüllenden Kriterien und so z. B. den
genauen Inhalt von § 8 a WeinVO kennt. Eine Irreführung im Sinne
des Klägervor- trages ist jedoch nur bei denjenigen Verbrauchern
denkbar, die von der Existenz der Weinbezeichnung wissen,
gleichgültig, ob sie die vollständige Bezeichnung "Riesling
Hochgewächs" oder nur die Bezeichnung "Hochgewächs" für
Rieslingweine als Qualitätsbezeichnung kennen. Trotz Hinweises
durch den Senat in der mündlichen Verhandlung vom 2. Fe- bruar 1994
hat der Kläger nichts zur Akzeptanz der erst 1986 eingeführten
Bezeichnung "Riesling Hoch- gewächs" und zu den Verkaufszahlen oder
der Bewer- bung der so bezeichneten Weine vorgetragen, so daß der
Senat nicht einmal eine hinreichende Grundlage dafür hat, wie hoch
die Zahl der Verbraucher ist, die überhaupt der von dem Kläger
behaupteten Irre- führung unterliegen können. Die Verbraucher,
denen die Bezeichnung "Hochge- wächs" unbekannt ist, können
allenfalls davon aus- gehen, daß es sich bei dem so bezeichneten
Sekt um etwas "Besonderes" handelt. Eine derartige Irre- führung
wird jedoch ausdrücklich vom Kläger nicht behauptet, zumal er
selbst darlegt, daß es sich bei den so bezeichneten Sekten der
Beklagten um "mit das Beste handelt, was die europäische Sekt-
industrie herzustellen in der Lage ist".
Ob aber ein nicht unbeachtlicher Teil der ange- sprochenen
Verbraucher aufgrund der vom Kläger dargelegten Umstände zu der
irrigen Auffassung gelangt, daß die für die Bereitung der Cuv e des
"K. Hochgewächs"-Sektes verwendeten Grundweine den Rebsorten- und
Qualitätskriterien eines "Riesling Hochgewächs"-Weines im Sinne des
§ 8 a WeinVO entsprächen oder aber die Qualitätskriterien zu-
mindest insoweit erfüllten, als sie den amtlichen Kontrollmaßnahmen
für das Prädikat "Spätlese" so- wie den Qualitätsprüfungen
unterlegen haben und den erforderlichen Mindestalkoholgehalt
aufweisen, kann der Senat in Óbereinstimmung mit dem Landge- richt
nicht aus eigener Sachkunde und Lebenserfah- rung entscheiden.
Die Mitglieder des Senates gehören zwar zu den angesprochenen
Verkehrskreisen der gelegentlichen Sektkäufer; dieses Kriterium
reicht jedoch - ent- gegen der Auffassung des Klägers - allein
nicht aus. Ob die eigene Lebenserfahrung und Sachkunde eine
hinreichend sichere Feststellung über die Vorstellungen eines
rechtlich relevanten Teiles der angesprochenen Verbraucher erlaubt,
hat das Gericht jeweils im Einzelfall zu prüfen (Handbuch des
Wettbewerbsrecht - Helm -, 1986, § 48 Rdnr. 108). Dabei können auch
bei Werbeangaben über Gegenstände des allgemeinen Bedarfs im
Einzelfall Umstände hervortreten, die dem Gericht Zweifel an seiner
eigenen Sachkunde nahelegen (BGH GRUR 1971, 29, 31 - "Deutscher
Sekt"). Schon allein die Tatsache, daß der Kläger zur Be- kanntheit
der erst seit 1986 eingeführten Bezeich- nung "Riesling
Hochgewächs" nichts vorgetragen hat, läßt derartige Zweifel an der
eigenen Sach- kunde der Mitglieder des Senats aufkommen.
Soweit der Kläger hierzu vorträgt, selbst die Fachpresse wie der
"kleine Johnson für Weinkenner" oder "Rudolph Knoll, Sekt"
verwendeten den in § 8 a WeinVO normierten Begriff
"Riesling-Hochge- wächs" nicht korrekt, sondern würden lediglich
das Stichwort "Hochgewächs" aufführen, so kann dieses Argument
allenfalls dafür sprechen, daß der Ver- braucher den Begriff
"Hochgewächs" mit "Riesling Hochgewächs" gleichsetzt, nicht jedoch
dafür, daß auch derartige Bezeichnungen für Sekte zu der An- nahme
Anlaß geben, daß die für diese Sekte verwen- deten Grundweine
"Riesling Hochgewächs"-Weine sei- en. Selbst wenn dieser
Argumentation des Klägers gefolgt werden könnte, wäre trotz allem
eine Ver- kehrsbefragung zu der Feststellung notwendig, daß der
Verkehr die Bezeichnung "Hochgewächs" auch entsprechend auf Sekte
anwendet und so versteht.
Soweit der Kläger die Ansicht vertritt, der Senat habe bereits
im Urteil 6 U 133/90 aus eigener Sachkunde festgestellt, daß die
Bezeichnung "Hoch- gewächs" bei Sekten zu einer Irreführung der
Ver- braucher führe, so lag der damaligen Entscheidung ein anderer
Sachverhalt zugrunde. In dem damals zur Entscheidung stehenden Fall
lag u.a. eine Besonderheit darin, daß in der konkreten Form der
Aufmachung der Sekte neben der Bezeichnung "Hoch- gewächs"
ausdrücklich auch die Bezeichnung "Ries- ling" verwendet wurde. An
einer derartigen Kombi- nation der beiden Begriffe, die dem
Verbraucher einen Hinweis auf die Qualitätsbezeichnung "Ries- ling
Hochgewächs" geben könnte, fehlt es bei den angegriffenen Produkten
der Beklagten , da sich auf den Sektflaschen selbst die
Rebsortenbezeich- nung "Riesling" nicht findet und in der Werbung
der Beklagten für diese Produkte sogar dargelegt wird, daß diese
Sekte aus Chardonnay-Weinen herge- stellt werden.
Schließlich vermag der Senat auch nicht aus eige- ner Sachkunde
und Lebenserfahrung zu beurteilen, daß ein nicht unerheblicher Teil
der angespro- chenen Verbraucher durch die Bezeichnung "Hochge-
wächs" - wie der Kläger vorträgt - zu der irrigen Auffassung
gelangt, der zur Herstellung des ange- griffenen Sektes verwendete
Grundwein stamme von besonders hochstämmigen Reben oder von solchen
aus Hochlagen. Abgesehen davon , daß nicht ersichtlich ist, welche
Qualitätsmerkmale der Verbraucher hiermit überhaupt verbindet ,
hält der Senat eine derartige Irreführung eher für
unwahrscheinlich.
Nach allem sieht der Senat keine hinreichenden Anhaltspunkte, um
eine Irreführungsgefahr aus eigener Sachkunde im konkreten Fall zu
bejahen. Demnach ist es für den Senat erforderlich, diese Fragen
durch Einholung eines Sachverständigengut- achtens in Form einer
Verkehrsbefragung zu klären. Hierauf ist der Kläger sowohl in der
mündlichen Verhandlung vom 2. Februar 1994 als auch in der Sitzung
vom 29. Juli 1994 vom Senat ausdrücklich hingewiesen worden; der
Senat hat ferner darauf hingewiesen, daß nicht beabsichtigt sei,
von Amts wegen gemäß § 144 ZPO eine Begutachtung durch einen
Sachverständigen anzuordnen. Trotz dieser Hinweise hat der Kläger
in der mündlichen Verhand- lung vom 29. Juli 1994 ausdrücklich
erklärt, daß er einen derartigen Beweisantrag nicht stelle. Da der
beweispflichtige Kläger trotz dieser Hinweise einen entsprechenden
Beweisantrag nicht gestellt hat, war seinem Unterlassungsbegehren
aus § 3 UWG der Erfolg zu versagen.
Ein Anspruch aus § 1 UWG i.V. m. Art. 13 Abs. 1 Satz 1, erste
Alternative EG-VO Nr. 2333/92 ist nicht begründet.
Ein derartiger Anspruch setzt voraus, daß die Be- zeichnung und
Aufmachung der angegriffenen Produk- te objektiv falsch sind.
Falsch kann eine Bezeich- nung nur sein, wenn ihr eine bestimmte
Bedeutung zukommt. Das wäre der Fall, wenn es sich bei die- ser
Bezeichnung um eine geschützte Angabe handelt, sie gesetzlich
definiert ist oder einen eindeuti- gen Inhalt hat. Zwar ist in § 8
a WeinVO eine Bestimmung des Begriffs "Riesling Hochgewächs" für
weiße Quali- tätsweine gegeben; aber abgesehen davon, daß sich
diese Definition nur auf Stillweine und nicht auf Schaumweine
bezieht, handelt es sich um einen aus den Bestandteilen "Riesling"
und "Hochgewächs" zusammengesetzten Begriff, der nur in dieser zu-
sammengesetzten Form gesetzlich definiert ist. Da die Bezeichnung
"Hochgewächs" allein weder für Weinkennzeichnung noch für
Schaumweinkennzeichnung bestimmt ist, ergibt sich entgegen der
Auffassung der Beklagten - aus § 8 a WeinVO - auch keine
"mittelbare Legaldefination". Ebenso ergibt sich aus der EG-VO Nr.
2333/92 keine derartige Definition des Begriffs "Hochgewächs",
obwohl in Art. 5 und Art. 6 dieser Verordnung Be- zeichnungen für
Schaumweine definiert werden. Auch unabhängig von einer
Legaldefinition hat die Bezeichnung "Hochgewächs" keinen ganz
bestimmten - eindeutigen - Aussagegehalt, da dieser Begriff weder
in bezug auf Wein noch auf Sekt oder Schaum- wein inhaltlich
definiert oder festgelegt ist.
Der geltend gemachte Unterlassunganspruch ergibt sich auch nicht
aus § Art. 13 Abs. 1 Satz 1, zwei- te Alternative, erster Beistrich
EG-VO Nr. 2333/92 i.V. m. §§ 1, 3 UWG. Hiernach wäre die
Bezeichnung "Hochgewächs" nicht zulässig, wenn sie geeignet wäre,
Verwechslungen oder Irreführungen von Perso- nen hervorzurufen, und
zwar hinsichtlich der in Art. 3 oder Art. 6 dieser Verordnung
geregelten Angaben. Eine solche Angabe könnte allenfalls in Art. 6
Abs. 8 EG-VO Nr. 2333/92 zu finden sein, da hiernach die Angabe
eines Begriffes betreffend eine gehobene Qualität nur zulässig ist,
wenn die für die Herstellung festgelegten Bedingungen er- füllt
sind. Ob es sich bei der Bezeichnung "Hoch- gewächs" um einen
derartigen Begriff betreffend eine gehobene Qualität für
Schaumweine im Sinne von Art. 6 Abs. 8 der Verordnung handelt, kann
aber dahinstehen, da der Senat nicht aus eigener Sachkunde und
Lebenserfahrung feststellen kann, daß die Bezeichnung "Hochgewächs"
geeignet ist, Verwechslungen oder eine Irreführung von Personen
hinsichtlich eines Begriffes betreffend eine geho- bene Qualität
hervorzurufen. Soweit der Kläger die Ansicht vertritt, nach diesen
Bestimmungen seien "nur rechtlich zuläs- sige Bezeichnungen
hinsichtlich einer gehobenen Qualität möglich", so fehlt es gerade
an einer Regelung, nach der die streitbefangene Bezeichnung
"Hochgewächs" für Qualitätsschaumweine nicht zu- lässig ist. Eine
Unzulässigkeit könnte sich allen- falls aus einer
Irreführungsgefahr ergeben, die - wie bereits dargestellt - der
Senat ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens in Form einer
Verkehrsbefragung nicht festzustellen vermag. Da der Kläger auch
hinsichtlich dieses Unterlassungs- anspruchs trotz Hinweises durch
den Senat den ent- sprechenden Beweisantrag nicht gestellt hat, ist
er beweisfällig geblieben mit der Folge, daß dem
Unterlassungsbegehren aus Art. 13 Abs. 1 Satz 1 erster Beistrich
EG-VO Nr. 2333/92 der Erfolg zu versagen war.
Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlas- sungsanspruch
auch nicht aus Art. 13 Abs. 1 Satz 1 , zweite Alternative, 2.
Beistrich EG-VO Nr. 2333/92 i. V. m. §§ 1, 3 UWG zu. Dieser
Anspruch setzt voraus, daß die Bezeichnung und die Aufmachung der
streitgegenständlichen Sek- te geeignet sind, Verwechslungen oder
eine Irre- führung von Personen hinsichtlich der Eigenschaf- ten
dieses Produktes hervorzurufen. Als derartige Eigenschaften könnten
die Zusammensetzung der an- gegriffenen Sekte, deren Alkoholgehalt,
Qualität und Rebsorte in Betracht kommen. Eine Irreführung über
diese Eigenschaften läge vor, wenn ein nicht unerheblicher Teil der
ange- sprochenen Verbraucher aufgrund der Bezeichnung "Hochgewächs"
für einen Schaumwein zu der irrigen Auffassung gelangt, die für die
Herstellung der Cuv e verwendeten Grundweine entsprächen den An-
forderungen des § 8 a WeinVO. Danach wäre Voraus- setzung, daß es
sich bei dem Grundwein um einen Rieslingwein handelt, der aus
diesen gewonnene Most einen bestimmten Mindestalkoholgehalt auf-
weist, in amtlichen Qualitätsprüfungen eine Quali- tätszahl von
mindestens 3,0 erreicht hat und die für Lesegut von Qualitätsweinen
mit dem Prädikat Spätlese vorgeschriebenen Kontrollmaßnahmen durch-
geführt worden sind. Unstreitig ist dies bei den für die
angegriffenen Sekte verwendeten Grundwei- nen nicht der Fall. Ob
aber ein nicht unerheblicher Teil der angespro- chenen Verbraucher
einer solchen Irreführung un- terliegt, kann der Senat - entgegen
der Auffassung der Beklagten - nicht aus eigener Sachkunde und
Lebenserfahrung feststellen. Insoweit wird auf die Ausführungen in
diesem Urteil zu § 3 UWG Bezug genommen. Zum Beweis einer
derartigen Irreführung hätte es daher der Einholung eines
Sachverständi- gengutachtens in Form einer Verkehrsbefragung be-
durft. Obwohl sowohl die Kammer als auch der Senat den
beweispflichtigen Kläger mehrfach hierauf hin- gewiesen haben, hat
dieser keinen Beweis für die von ihm behauptete Irreführung
angetreten.
Entgegen der Auffassung des Klägers beinhaltet Art. 13 Abs. 1
EG-VO Nr. 2333/92 - wie auch Art. 13 Abs. 2 lit. a und Abs. 2 lit.
b erste Alterna- tive - keinen "abstrakten
Gefährdungstatbestand".
Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Rege- lung des Art.
13 , der in seinem Absatz 1 ledig- lich fordert, daß die
Bezeichnung und Aufmachung von Schaumweinen nicht geeignet sein
dürfen, Ver- wechslungen oder Irreführungen von Personen her-
vorzurufen. Dieselbe Formulierung findet sich in Art. 13 Abs. 2
lit. a EG-VO Nr. 2333/92 bezüglich der Ergänzung durch Marken
wieder. Artikel 13 Abs. 2 lit b. erste Alternative dieser
Verordnung verlangt, daß die Marken keine Worte, Wortteile, Zeichen
oder Abbildungen enthalten dürfen, die mit anderen Bezeichnungen
verwechselt werden können. Diese Formulierungen stellen nichts
anderes dar als die für die Feststellung einer Verwechslungs-
gefahr im Sinne von § 3 UWG gebräuchlichen Defini- tionen.
Fälle der "abstrakten Gefährdungstatbestände" - wie §§ 6, 6 a -
e UWG - setzen voraus, daß die Norm bereits einzelne
Tatbestandsmerkmale enthält, die typischerweise eine
Irreführungsgefahr begrün- den. Bei Vorliegen solcher normierten
Tatbestands- merkmale ist dann nicht mehr zu prüfen, ob tat-
sächlich im Einzelfall die Gefahr besteht, daß ei- ne Irreführung
hervorgerufen wird. Ein solcher Le- benssachverhalt, dessen
sämtliche Voraussetzungen in der Norm augeführt sind, ist in Art.
13 Abs. 1 wie auch in Art. 13 Abs. 2 lit. a) und in Art. 13 Abs. 2
lit. b), erste Alternative EG-VO Nr. 2333/92 gerade nicht geregelt.
In Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a) der Verord- nung ist im
Gegenteil ausdrücklich die Eignung "Verwechslungen oder
Irreführungen von Personen hervorzurufen" und in Abs. 2 lit. b),
erste Alter- native Tatbestandsvoraussetzung, daß die Marken mit
anderen Bezeichnungen "verwechselt werden kön- nen", ohne daß
klargestellt wird, in welchen Fäl- len eine derartige Eignung
vorliegt. Demgegenüber sind in den Fällen des typisierenden
abstrakten Gefährdungstatbestandes die Rechtsbegriffe "Eig- nung
zur Verwechslung" und/oder "verwechselt wer- den können" gerade
nicht enthalten, weil es hier- auf nicht mehr ankommt; diese
abstrakte Eignung wird bereits durch die Erfüllung der einzelnen
Tatbestandsvoraussetzungen, die in der Norm aus- drücklich
enthalten sind, ersetzt.
Da der EG-Verordnungsgeber diese Rechtsbegriffe nicht durch
konkrete Tatbestandsmerkmale ersetzt oder ausgefüllt hat, hat er es
den Gerichten überlassen, in jedem Einzelfall festzustellen, ob die
Tatsachen vorliegen, die eine solche Eignung zur Irreführung oder
zur Verwechslung ausfüllen. Eine derartige Feststellung kann nicht
anders als im Fall des § 3 UWG entweder durch die eigene Le-
benserfahrung und Sachkunde der Mitglieder des zur Entscheidung
berufenen Gerichtes oder durch Einho- lung eines
Sachverständigengutachtens geschehen.
Daß dies auch vom Verordnungsgeber so gewollt ist, ergibt sich
zum einen aus den Erwägungsgründen des Rates der Europäischen
Gemeinschaft zu dieser Ver- ordnung (Amtsblatt der Europäischen
Gemeinschaften Nr. L 231 Seite 11, linke Spalte) und bei Art. 13
Abs. 2 lit. b) EG-V0 Nr. 2333/92 auch aus einem Vergleich der darin
enthaltenen beiden Alterna- tiven.
Nach dem Wortlaut der zweiten Alternative sind völlig identische
Bezeichnungen stets unzulässig, während lediglich teilidentische
Bezeichnungen (erste Alternative) nur dann zu untersagen sind, wenn
in diesem Fall eine Verwechslungsgefahr be- gründet wird.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Ent- scheidung des
Europäischen Gerichtshofs (EuGH GRUR 1981, 430, 431 f. -
"Klosterdoktor/Schloßdoktor"). Der EuGH hatte in dieser
Entscheidung lediglich die Frage zu beantworten, wie die in der
EG-VO Nr. 355/79 verwendeten Begriffe "verwechselbare Anga- ben",
"Verwechslung" und "Irreführung" zu verste- hen seien. Hierzu hat
der EuGH ausgeführt, unter welchen Umständen und bei welchen
Tatbestandsvor- aussetzungen die genannten Rechtsbegriffe erfüllt
seien. Das bedeutet jedoch nicht, daß er damit inzidenter zum
Ausdruck gebracht hat, daß es sich bei den damals in Rede stehenden
EG-Vorschrif- ten um abstrakte Gefährdungstatbestände handelte.
Vielmehr mußte auch dort im Einzelfall geprüft werden, ob Angaben
vorliegen, die geeignet seien, den Verbraucher zu täuschen.
Bei diesem eindeutigen Wortlaut des Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2
EG-VO Nr. 2333/92, den Erwägungsgründen des Rates der Europäischen
Gemeinschaft zu dieser EG-Verordnung und der übereinstimmenden
Anwendung von EG-Recht und nationalem Recht sieht der Senat keine
Anhaltspunkte, dem Antrag des Klägers statt- zugeben, die Sache dem
Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung über die Auslegung
des Art. 13 EG-VO Nr. 2333/92 vorzulegen.
Der vom Kläger geltend gemachte Unterlassungsan- spruch gemäß
Art. 13 Abs. 2 lit. a) EG-VO Nr. 2333/92 i. V. m. §§ 1, 3 UWG
scheitert schon daran, daß sich der Senat - ebenso wie das
Landgericht - nicht in der Lage sieht, aufgrund der Sachkunde und
Lebenserfahrung seiner Mitglie- der festzustellen, daß der Begriff
"Hochgewächs" geeignet ist, Verwechslungen oder eine Irreführung
der Personen, an die sie sich richtet, im Sinne von Absatz 1
hervorzurufen. Insoweit kann es im Rahmen dieser Anspruchsgrundlage
dahinstehen, ob es sich bei dem Begriff "Hochgewächs" auf den an-
gegriffenen Produkten der Beklagten um eine Marke im Sinne von Art.
13 Abs. 2 lit. a) der Verordnung handelt. Wie schon zu Art. 13 Abs.
1 ausgeführt , bedarf es zur Feststellung der Irreführung eines
nicht unbeachtlichen Teils der Verbraucher über Zusam- mensetzung,
Alkoholgehalt, Qualität oder Rebsorte der Sekte "K. Hochgewächs"
und "K. Hochgewächs Ex- tra Brut" der Einholung eines
Sachverständigengut- achtens in Form einer Verkehrsbefragung.
Insoweit wird auf die Ausführungen zu Art. 13 Abs. 1 der Verordnung
Bezug genommen. Da der beweispflichtige Kläger trotz der Hinweise
durch den Senat auch in bezug auf Art. 13 Abs. 2 lit. a) EG-VO Nr.
2333/92 keinen Beweis angeboten hat, konnte das Vorliegen der
Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruches aus dieser Vorschrift
nicht festgestellt werden.
Entgegen der Auffassung des Klägers reicht auch für diesen
Anspruch eine "abstrakte Irreführungs- gefahr" nicht aus, da es
sich bei Art. 13 Abs. 2 lit. a) EG-VO Nr. 2333/92 nicht um einen
abstrak- ten Gefährdungstatbestand handelt. Insoweit wird auf die
vorstehenden Ausführungen Bezug genommen.
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch steht dem Kläger auch
nicht aus Art. 13 Abs. 2 lit. b), erste Alternative EG-VO Nr.
2333/92 i. V. m. §§ 1, 3 UWG zu.
Gemäß Art. 13 Abs. 2 lit. b) , erste Alternative der Verordnung
dürfen "Marken" , die eine sich auf Schaumweine beziehende
Bezeichnung, Aufmachung und Werbung ergänzen, "keine Worte,
Wortteile, Zeichen oder Abbildungen enthalten, die mit der gesamten
oder einem Teil der Bezeichnung eines Tafelweins, eines
Qualitätweins b. A. ... verwechselt werden können,... ohne daß die
für die Bereitung der Cuv e des betreffenden Schaumweins
verwendeten Er- zeugnisse eine solche Bezeichnung oder Aufmachung
beanspruchen können".
Der Kläger hat zwar die Voraussetzungen eines
Unterlassungsanspruchs nach diesen Vorschriften schlüssig
dargelegt, er hat jedoch - trotz der Hinweise durch den Senat - zu
den die von ihm behauptete Irreführung begründenden Tatsachen den
erstinstanzlichen Beweisantritt durch Einholung eines
Sachverständigengutachtens ausdrücklich zu- rückgenommen und nach
nochmaligem Hinweis durch den Senat in der mündlichen Verhandlung
vom 29.07.1994 erklärt, daß er auch für die im Rahmen des Art. 13
Abs. 2 lit. b) EG-VO Nr. 2333/92 be- hauptete Irreführung keinen
Beweis anbiete.
Bei der zusammengesetzten Bezeichnung "K. Hochge- wächs" handelt
es sich um eine Marke im Sinne des Art. 13 Abs. 2 der
EG-Verordnung. Das Landgericht hat zu Recht ausgeführt, daß der
Begriff "Marke" auch in Art. 40 Abs. 1 EG-VO Nr. 2392/89 verwendet
wird, eine Definition jedoch im europäischen Wein - oder
Schaumweinkennzeich- nungsrecht nicht gegeben ist. Demnach ist bei
der Ausfüllung des Begriffes "Marke" auf nationales Recht
zurückzugreifen. Auch im deutschen Wein- oder
Schaumweinkennzeichnungsrecht ist dieser Be- griff nicht definiert;
dies erlaubt jedoch nicht die Schlußfolgerung, daß man im deutschen
Wein- kennzeichnungsrecht unter "Marke" gemeinhin eine
"Phantasiebezeichnung" verstehe. Dies ergibt sich weder aus § 46
Abs. 3 Nr. 3 WeinG noch aus der einschlägigen Kommentierung (vgl.
Zipfel, Lebens- mittelrecht, Stand: 01.09.1992, § 46 WeinG Rdnrn.
45, 109). Ist jedoch der Begriff "Marke" weder im europäischen noch
im nationalen Weinkennzeich- nungsrecht geregelt, ist auf das
Kennzeichnungs- recht (§ 16 UWG, VZG) zurückzugreifen. Hiernach
handelt es sich bei "K. Hochgewächs" um eine Mar- ke; dies ergibt
sich schon allein daraus, daß die- se Bezeichnung im
Warenzeichenregister eingetragen ist. Auch eine Trennung der beiden
Bestandteile "K. " als kennzeichnend und "Hochgewächs" als
beschrei- bend mit der Folge, daß allein der Name "K." als Marke im
Sinne des Art. 13 Abs. 2 EG-VO Nr. 2333/92 zu gelten hat, ist nicht
gerechtfertigt. Die Bezeichnung "K. Hochgewächs" ist als einheit-
licher Begriff geschützt. Er wird auch auf den an- gegriffenen
Flaschen gemeinsam verwendet. Die Tat- sache, daß der Name "K."
prominent herausgestellt ist, spricht nicht dagegen, daß die unter
dem Firmenbestandteil bestehende Bezeichnung ebenfalls der Marke
zuzurechnen ist. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Firmenprospekt,
daß die Beklagte selbst die Gesamtbezeichnung "K. Hochgewächs" im
Zusammenhang als Kennzeichnung ihres Spitzenproduktes verwendet.
Dementsprechend trägt die Beklagte in der Klageerwiderung selbst
vor, "die Marke "K. Hochgewächs" ist das Spitzen- erzeugnis der
Beklagten und seit mehreren Jahren mit großem Erfolg auf dem
Markt".
Schließlich ergibt sich auch nicht aus der Syste- matik der
EG-VO Nr. 2333/92 etwas Gegenteiliges. Schon nach der Óberschrift
des dritten Titels befaßt sich dieser nicht nur mit "Marken" im Ge-
gensatz zu "Bezeichnung" und "Aufmachung", sondern mit allgemeinen
Bestimmungen. Insofern kann aus der Systematik nicht geschlossen
werden, daß in Abschnitt III ein aliud zu den übrigen Bezeichnun-
gen geregelt werde.
Letztlich ergibt sich auch aus der Entscheidung des Senats 6 U
133/90 ("Feist Hochgewächs", Seite 17) kein Anhaltspunkt für eine
gegenteilige Auf- fassung. Vielmehr wird im Urteil der Wortbestand-
teil "Hochgewächs" als Teil der Marke "Feist Hoch- gewächs"
angesehen. Somit handelt es sich bei der Bezeichnung "K.
Hochgewächs" um eine Marke i.S.v. Art. 13 Abs. 2 EG-VO Nr.
2333/92.
Darüber hinaus enthält die Marke "K. Hochgewächs" mit dem
Begriff "Hochgewächs" ein Wort, das gemäß § 8 a WeinVO bei
Stillweinen als Qualitätsbe- zeichnung für diese verwendet werden
darf, wenn der Wein den Rebsorten- und Qualitätsanforderungen
dieser Vorschrift entspricht, obwohl die für "K. Hochgewächs"
verwendeten Grundweine weder Ries- lingweine sind noch in anderer
Weise den Quali- tätsanforderungen des § 8 a WeinVO entsprechen. Ob
aber ein nicht unbeachtlicher Teil der angespro- chenen Verbraucher
aufgrund dieser Umstände zu der irrigen Auffassung gelangt, daß die
für die Berei- tung der Cuv e des so beworbenen Sektes verwende-
ten Grundweine von Rieslingreben stammen und/oder den übrigen
Qualitätsvoraussetzungen des § 8 a WeinVO entsprechen, oder ob ein
nicht unerhebli- cher Teil der angesprochenen Verbraucher aufgrund
der Bezeichnung "K. Hochgewächs" in der konkret angegriffenen Form
den so beworbenen Sekt wegen des Bestandteils "Hochgewächs" mit
Qualitätsweinen der Bezeichnung "Riesling-Hochgewächs" verwech-
selt, kann der Senat nicht aus eigener Sachkunde und
Lebenserfahrung entscheiden.
Allein die Tatsache, daß die Mitglieder des Senats zu den
angesprochenen Verkehrskreisen der gelegentlichen Sektkäufer
gehören, reicht nicht aus, die vom Kläger behauptete Irreführung in
diesem konkreten Fall aus eigener Sachkunde mit der hinreichenden
Sicherheit festzustellen. Viel- mehr bedarf es zur Feststellung
dieser Irreführung auch hier der Einholung eines
Sachverständigengut- achtens in Form einer Verkehrsbefragung.
Insoweit wird ergänzend auf die Ausführungen zu dem geltend
gemachten Unterlassungsanspruch aus § 3 UWG Bezug genommen. Auch
hierauf ist der Kläger sowohl in der mündlichen Verhandlung vom 2.
Februar 1994 als auch in der Sitzung vom 29. Juli 1994 hingewiesen
worden; ihm wurde auch in diesem Zusammenhang dargelegt, daß der
Senat nicht beabsichtige, von Amts wegen gemäß § 144 ZPO eine
Begutachtung durch einen Sachverständigen anzuordnen. Trotz dieser
Hinweise hat der Kläger den erstinstanzlich ange- botenen Beweis
ausdrücklich zurückgenommen und er- klärt, daß er einen derartigen
Beweisantrag nicht stelle.
Eine Beweiserhebung durch Einholung eines Sachver-
ständigengutachtens in Form einer Verkehrsbefra- gung kann auch
nicht deswegen entfallen, weil - wie der Kläger meint - Art. 13
Abs. 2 lit. b), erste Alternative EG-VO Nr. 2333/92 keine konkre-
te Verwechslungs- bzw. Irreführungsgefahr fordere, sondern allein
die Feststellung ausreiche, daß eine Irreführung eintreten könne.
Wie schon im Rahmen der Erörterung zu Art. 13 Abs. 1 der
EG-Verordnung ausgeführt, handelt es sich auch bei Art. 13 Abs. 2
lit. b), erste Alternative nicht um einen "abstrakten
Gefährdungstatbestand". Inso- weit wird auf diese Ausführungen
verwiesen. Gerade bei Art. 13 Abs. 2 lit. b) EG-V0 Nr. 2333/92
zeigt ein Vergleich der beiden Alternativen dieser Vorschrift, daß
auch der Verordnungsgeber keinen abstrakten Gefährdungstatbestand
schaffen wollte. Nach dem Wortlaut der zweiten Alternative dieser
Vorschrift sind völlig identische Bezeichnungen stets unzulässig,
während lediglich teilidentische Bezeichnungen (erste Alternative)
nur dann zu untersagen sind, wenn eine Verwechslungsgefahr im
konkreten Fall begründet ist. Der Verordnungsgeber hat damit dem
Umstand Rechnung getragen, daß sich Óberschneidungen bei Wein- und
Schaumweinmarken praktisch nicht oder fast nicht vermeiden lassen
oder jedenfalls in einem Maße vorhanden sind, das ein
nachträgliches Verbot der jeweils jüngeren Schaumweinmarke
unerträglich erscheinen ließe.
Ist demnach aber eine Beweiserhebung erforderlich, ist der
Kläger beweisfällig geblieben, so daß sei- nem
Unterlassungsbegehren aus Art. 13 Abs. 2 lit. b) , erste
Alternative EG-VO Nr. 2333/92 der Er- folg zu versagen war.
Ein Anspruch aus § 1 UWG i. V. m. Art. 13 Abs. 2 lit. b), zweite
Alternative EG-VO Nr. 2333/92 ist nicht begründet.
Zwar handelt es sich bei der Bezeichnung "K. Hochgewächs" um
eine Marke, die die Bezeichnung Aufmachung und Werbung für einen
Sekt ergänzt; Worte, Wortteile, Zeichen oder Abbildungen dieser
Marke sind jedoch nicht mit der Bezeichnung eines
kennzeichnungsrechtlich geschützten Weines oder Schaumweines
identisch. Lediglich hinsichtlich des Bestandteils "Hochgewächs"
besteht eine Teiliden- tität mit kennzeichnungsrechtlich
geschützten Wei- nen (Riesling-Hochgewächs).
Entgegen der Auffassung des Klägers reicht jedoch für die zweite
Alternative von Art. 13 Abs. 2 lit. b) EG-VO Nr. 2333/92 eine
Teilidentität nicht aus. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut
von Art. 13 Abs. 2 lit. b) dieser Verordnung. Während in der ersten
Alternative die Verwechslungsgefahr "mit der gesamten oder einem
Teil der Bezeichnung" ausreicht, wird in der zweiten Alternative
die Identität "mit der Bezeichnung eines solchen Er- zeugnisses"
gefordert. Hätte der Verordnungsgeber auch für die zweite
Alternative die Teilidentität ausreichen lassen wollen, hätte er
dies ebenso wie in der ersten Alternative ausdrücklich mitauf-
geführt ("mit der gesamten oder einem Teil der Be- zeichnung").
Die Auffassung des Klägers, der Begriff "Be- zeichnung" in der
zweiten Alternative sei ein Oberbegriff für "gesamte Bezeichnung"
und "Teil der Bezeichnung" entspricht weder dem allgemeinen
Sprachgebrauch noch der Diktion der EG-VO Nr. 2333/92, in der zu
den beiden Alternativen des Art. 13 Abs. 2 lit. b) unterschiedliche
Voraus- setzungen normiert sind. Es ist nicht einzusehen, warum der
Verordnungsgeber in ein und derselben Vorschrift unterschiedliche
Begriffe verwenden sollte, wenn er gleichwohl dieselben
Voraussetzun- gen normieren wollte. Schließlich entspricht es auch
dem Sinn und Zweck des Art. 13 Abs. 2 lit. b) EG-VO Nr. 2333/92,
die Identität der Bezeichnung eines kennzeichnungsrechtlich
geschützten Weines oder Schaumweines zu verbieten, während
lediglich bei Teilidentität zusätzlich eine Irreführung der
Verbraucher erforderlich ist.
Entscheidend gegen die Ansicht des Klägers spricht auch, daß
nach der von ihm vertretenen Auslegung bereits die Identität eines
einzigen Wortes oder sogar eines Wortteils mit einem Teil der
Bezeich- nung eines kennzeichnungsrechtlich geschützten Weines oder
Schaumweines zur absoluten Unzulässig- keit der Marke führen würde.
Daß der Verordnungs- geber eine derart rigorose Beschränkung bei
der Kennzeichnung von Schaumweinen durchsetzen wollte, ergibt sich
weder aus dem Aufbau der EG-VO Nr. 2333/92, noch aus den
Erwägungsgründen des Rates der Europäischen Gemeinschaft zu dieser
Verordnung (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Nr. L 231, S.
11, linke Spalte).
Angesichts des klaren Wortlautes des Art. 13 Abs. 2 lit. b)
EG-VO Nr. 2333/92, der gesamten Syste- matik dieser Verordnung und
der Erwägungsgründe des Verordnungsgebers sieht der Senat keine
hin- reichenden Anhaltspunkte, dem Antrag des Klägers , auch
insoweit die Sache dem Europäischen Gerichts- hof zur
Vorabentscheidung vorzulegen, nachzu- kommen.
Da somit der vom Kläger geltend gemachte Unterlas- sungsanspruch
aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet ist, konnte es der
Senat dahinstehen lassen, ob die Beklagte hinsichtlich der Bezeich-
nung "K. Hochgewächs" für ihr Spitzenprodukt einen wertvollen
Besitzstand erworben hat und ihr Ein- wand der Verwirkung zu Recht
erhoben wurde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die übrigen Nebenentscheidungen ergehen gemäß §§ 708 Nr. 10, 711
, 546 Abs. 2 ZPO.
OLG Köln:
Urteil v. 16.09.1994
Az: 6 U 170/93
Link zum Urteil:
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