Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. April 2004
Aktenzeichen: 34 W (pat) 315/02
(BPatG: Beschluss v. 29.04.2004, Az.: 34 W (pat) 315/02)
Tenor
Nach Prüfung des Einspruchs wird das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
ein Patentanspruch, Beschreibung Spalten 1 und 2, sämtlich überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 29. April 2004, 1 Blatt Zeichnung, Figuren 1 bis 5, gemäß Patentschrift.
Gründe
I Gegen das am 18. Januar 2001 angemeldete und am 14. Februar 2002 veröffentlichte Patent DE 101 02 092 mit der Bezeichnung "Weichminenspitzer mit verschwenkbarem Fassonmesser" hat die K... GmbH & Co. KG Kunststoff- und Metallwarenfabrik in E..., am 8. Mai 2002 Einspruch erhoben.
Das Patent umfaßt in der erteilten Fassung zwei Patentansprüche.
Der geltende einzige Patentanspruch lautet:
Spitzer für Stifte mit weicher Mine mit einem Spitzergehäuse, das einen konischen Spitzerkanal aufweist, mit einem am Spitzergehäuse befestigten Spitzermesser, das zum Spitzerkanal tangential angestellt ist, und mit einem in den Spitzerkanal einschwenkbaren mit einem Handbetätigungshebel versehenen Fassonmesser mit einer bogenförmig gekrümmten Schneide zum wahlweise Fassonieren des vorderen Endabschnittes der Mine, dadurch gekennzeichnet, dass das Fassonmesser (8) um eine am vorderen Ende des Spitzergehäuses (3), dessen Spitzerkanal (4) am vorderen Ende nach oben und unten offen ist, angeordnete, zur Spitzermesserebene parallele Achse nach oben gegen die Mine in Richtung auf das Spitzermesser (7) verschwenkbar ist, und dass an dem aus Kunststoff bestehenden Fassonmesser (8) eine Lagerwelle (11) angeformt ist, die über Rasten und Gegenrasten (13, 14) im Lager des Spitzergehäuses (3) zwei vorgegebene Betriebsstellungen aufweist.
Im Verfahren sind folgende Entgegenhaltungen:
E1 DE 37 37 863 C1, E2 EP 0 872 356 A1, E3 DE 199 52 039 A1, AT 28.10.99, VT 03.05.01, E4 DE 199 34 691 A1, AT 23.07.99, VT 25.01.01, E5 DE 297 23 492 U1, entspricht E2.
Die Druckschriften E1, E4 und E5 waren im Prüfungsverfahren berücksichtigt worden.
Die Einsprechende hat vorgetragen, die Angaben "oben", "unten" und "am vorderen Ende" im Anspruch des angegriffenen Patents seien unklar. Sie ist der Auffassung, der Gegenstand des Anspruchs beruhe gegenüber der Entgegenhaltung E1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die in der Druckschrift E1 offenbarten verschiedenen Ausführungsformen eines Spitzers legten dem Fachmann die Ausbildung eines Spitzers gemäß dem geltenden Anspruch des angefochtenen Patents nahe.
Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt, das Patent mit den im Tenor dieses Beschlusses genannten Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten.
Nach ihrer Auffassung ist die Patentfähigkeit des Gegenstands des geltenden Anspruchs gegeben.
II 1. Der Einspruch ist zulässig.
2. Der geltende Anspruch läßt sich folgendermaßen in Merkmale gliedern:
Spitzer für Stifte mit weicher Minea mit einem Spitzergehäuse, das einen konischen Spitzerkanal aufweist, b mit einem am Spitzergehäuse befestigten Spitzermesser, das zum Spitzerkanal tangential angestellt ist, c und mit einem in den Spitzerkanal einschwenkbaren mit einem Handbetätigungshebel versehenen Fassonmesser mit einer bogenförmig gekrümmten Schneide zum wahlweise Fassonieren des vorderen Endabschnitts der Mine,
- Oberbegriff -
d der Spitzerkanal (4) ist am vorderen Ende nach oben und unten offen, e das Fassonmesser (8) ist um eine am vorderen Ende des Spitzergehäuses (3) angeordnete Achse verschwenkbar, e1 die Achse ist zur Spitzermesserebene parallel, f die Verschwenkung erfolgtf1 nach oben, f2 gegen die Mine, f3 in Richtung auf das Spitzermesser (7), g an dem aus Kunststoff bestehenden Fassonmesser (8) ist eine Lagerwelle (11) angeformt, h die Lagerwelle (11) weist über Rasten und Gegenrasten (13, 14) im Lager des Spitzergehäuses (3) zwei vorgegebene Betriebsstellungen auf.
- Kennzeichen -
3. Das Anspruchsbegehren ist zulässig.
Der geltende Anspruch enthält die Merkmale der erteilten Ansprüche 1 und 2. Die Anordnung der Achse, s Patentschrift Sp 2 Z 37, wurde durch die Einfügung der Wortfolge "zur Spitzermesserebene parallele" präzisiert, vgl Merkmal e1 der Merkmalsgliederung. Zur genaueren Bestimmung der Verschwenkbarkeit der Achse wurde die Angabe "in Richtung auf das Spitzermesser (7)" in den Anspruch aufgenommen, vgl Merkmal f3 der Merkmalsgliederung. Die vorstehend erwähnten zusätzlichen Merkmale sind der Darstellung in den Fig 2 und 3 der Patentschrift entnehmbar.
Die ursprüngliche Offenbarung ist gegeben.
4. Zum Verständnis des Patents:
Bei der Beurteilung des Gegenstands des Anspruchs ist auf das Verständnis des Fachmanns abzustellen.
Als Fachmann ist vorliegend ein Konstrukteur anzusehen, der auf dem Gebiet der Kunststoff-Spritzgußtechnik arbeitet und Erfahrungen in der Entwicklung und Herstellung von Anspitzern von Kosmetikstiften hat.
Dieser Fachmann ordnet die im Anspruch enthaltene Angabe "oben" dem Bereich des Spitzergehäuses zu, in dem das Spitzermesser liegt, vgl Darstellung in Fig 2. "Unten" ist dementsprechend dem entgegengesetzten, beim Ausführungsbeispiel in der Darstellung der Fig 2, 3 jeweils unten liegenden Bereich zuzuordnen. Durch die Angaben "am vorderen Ende des Spitzerkanals" und "am vorderen Ende des Spitzergehäuses" sind die jeweiligen Bereiche des Spitzerkanals bzw des Spitzergehäuses in der Nähe der Spitze des konischen Spitzerkanals gekennzeichnet. Dies ergibt sich aus der Beschreibung des Ausführungsbeispiels in Sp 2 Z 5f und 9f in Verbindung mit den Fig 1 bis 3.
5. Der beanspruchte Spitzer für Stifte mit weicher Mine nach dem einzigen Anspruch ist patentfähig.
5.1 Der beanspruchte Spitzer ist gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu.
Den Spitzern nach der DE 37 37 863 C1 (E1) und nach den Druckschriften EP 0 872 356 A1 (E2) bzw DE 297 23 492 U1 (E5) fehlen jeweils die Verschwenkbarkeit des Fassonmessers um eine zur Spitzermesserebene parallele Achse nach oben in Richtung auf das Spitzermesser, s Merkmale e1, f1 und f3. Auch die Merkmale g und h, wonach an dem aus Kunststoff bestehenden Fassonmesser eine Lagerwelle angeformt ist, die über Rasten und Gegenrasten im Lager des Spitzergehäuses zwei vorgegebene Betriebsstellungen aufweist, sind den Druckschriften nicht entnehmbar. Bei den Spitzern nach den Druckschriften EP 0 872 356 A1 (E2) bzw DE 297 23 492 U1 (E5) fehlt darüber hinaus noch das Merkmal e.
Von dem Spitzer für Stifte mit weicher Mine nach der DE 199 52 039 A1 (E3) unterscheidet sich der beanspruchte Spitzer zumindest durch die zur Spitzermesserebene parallele Achse gemäß Merkmal e1.
Der Spitzer nach der DE 199 34 691 A1 (E4) weist ua keine Lagerwelle mit Rasten auf, vgl Merkmale g und h.
5.2 Der offensichtlich gewerblich anwendbare Spitzer nach dem geltenden Anspruch beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Druckschriften DE 199 52 039 A1 (E3) und DE 199 34 691 A1 (E4) sind Unterlagen im Sinne des § 3 Abs 2 PatG. Sie müssen nach § 4 Satz 2 PatG bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit außer Betracht bleiben.
Im angegriffenen Patent, s Abs 0002 der Beschreibung, wird von einem Spitzer nach der deutschen Patentschrift 37 37 863 C1 (E1) ausgegangen. Dem Ausführungsbeispiel nach den Fig 1 bis 3 der Entgegenhaltung, das ein in den Spitzerkanal einschwenkbares Fassonmesser zeigt, wird ua der Nachteil zugeschrieben, dass das Spitzergehäuse eine komplexe Formgebung mit seitlicher Ausbuchtung benötigt, um ein Lagerteil für den verschwenkbaren Träger für das Fassonmesser zu bilden.
Hieraus ist die dem angegriffenen Patent zugrundegelegte Aufgabe abgeleitet, einen Spitzer nach dem Oberbegriff des Anspruchs so auszugestalten, dass ein besonders einfacher Aufbau und eine einfache klare Formgebung des Spitzergehäuses möglich ist, s Abs 0003 der Beschreibung.
Der geltende Anspruch gibt eine Lösung dieser Aufgabe.
Bei dem in der Beschreibungseinleitung des angegriffenen Patents gewürdigten ersten Ausführungsbeispiel des Spitzers nach den Fig 1 bis 3 der deutschen Patentschrift 37 37 863 C1 (E1) ist ein Fassonmesser 48 am vorderen Ende des Spitzergehäuses angeordnet, dessen Spitzerkanal am vorderen Ende nach oben und unten offen ist. Das offenbar in ein Befestigungselement 38 als separates Teil eingesetzte Fassonmesser, s Darstellung in Fig 1, ist um eine zur Spitzermesserebene geneigte Achse verschwenkbar, s Kennzeichnung der Achse in den Fig 2 und 3 durch den Drehpunkt 46. Diese Ausführung gab aus sich heraus dem Fachmann keinen Hinweis, die Schwenkachse des Befestigungselements um 90¡ zu derhen und dadurch das Fassonmesser um eine zur Spitzermesserebene parallele Achse nach oben in Richtung auf das Spitzermesser verschwenkbar zu machen, s Merkmale e1, f1 und f3, noch konnte sie dazu anregen entsprechend den weiteren Merkmalen g und h des Anspruchs eine Lagerwelle an einem aus Kunststoff bestehenden Fassonmesser anzuformen, die über Rasten und Gegenrasten im Lager des Spitzergehäuses zwei vorgegebene Betriebsstellungen aufweist.
In der Entgegenhaltung sind neben dem vorstehend diskutierten ersten Ausführungsbeispiel nach den Fig 1 bis 3 mit dem verschwenkbarem Fassonmesser zwei weitere Ausführungsbeispiele gezeigt, s Fig 4 bis 6 und Fig 7 bis 9. In beiden Ausführungsbeispielen ist das Fassonmesser an einem vom Spitzergehäuse trennbaren Befestigungselement 38 fixiert, s Sp 7 Z 20 ff und Sp 8 Z 5 ff, das in das Spitzergehäuse von unten in ein Auswerfloch 28 eingeführt und linear nach oben gegen das Spitzermesser verschoben wird. Diese Verschiebung kann jeweils in zwei unterschiedlichen Orientierungen des Befestigungselements mit dem daran fixierten Fassonmesser erfolgen. In der einen Orientierung kommt das Fassonmesser außerhalb des Spitzerkanals zu liegen, s Fig 6 bzw 8 mit zugehöriger Beschreibung. In der anderen Orientierung wird das Fassonmesser in den Spitzerkanal eingeführt und in die Stellung zum Fassonieren der Mine des Stifts gebracht, s Fig 5 und 9 mit zugehöriger Beschreibung.
Da in den Ausführungsbeispielen nach den Fig 4 bis 9 der Entgegenhaltung ein Umstecken und eine lineare Verschiebung des Befestigungselement mit dem Fassonmesser gelehrt wird, ergab sich für den Fachmann auch bei Berücksichtigung dieser weiteren Offenbarung der Entgegenhaltung keine Anregung, die bei dem Ausführungsbeispiel nach den Fig 1 bis 3 schon vorhandene Schwenkachse im Sinne der beanspruchten Lösung abzuändern.
Die Einsprechende hat den Hinweis in Sp 8 Abs 3 der Druckschrift E1 hervorgehoben, in dem als weitere Möglichkeit eine lineare Verschiebung des Befestigungselements 38 parallel zur Ebene des Auswerflochs 28 angesprochen ist. Es sei hieraus nahegelegt, eine Schwenkachse des Befestigungselements parallel zur erwähnten Verschieberichtung zu wählen. Der Senat vermag sich dem nicht anzuschließen. Es ist nicht erkennbar, warum der unbefangene Fachmann durch Kenntnis der insgesamt drei unterschiedlichen Ausführungen mit linearer Verschiebung des Fassonmessers ausgerechnet eine Abwandlung der davon abweichenden weiteren Ausführungsform mit Verschwenkachse des Fassonmessers hätte in Betracht ziehen und in der beanspruchten Art entsprechend Merkmal e1 hätte realisieren sollen.
Auch unter zusätzlicher Berücksichtigung des weiteren Stands der Technik nach der europäischen Anmeldung 0 872 356 A1 (E2) bzw der deutschen Gebrauchsmusterschrift 297 23 492 U1 (E5) konnte der Fachmann die gefundene Lösung nicht ohne erfinderische Tätigkeit gewinnen. Wie im Neuheitsvergleich schon dargelegt, kommen diese Schriften dem Patentgegenstand noch weniger nahe als die DE 37 37 863 C1 (E1) Sie wurden von der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung zu Recht nicht mehr aufgegriffen. Ein gesondertes Eingehen auf diese Druckschriften erübrigt sich daher.
Der einzige Anspruch ist somit gewährbar.
Dr. Ipfelkofer Hövelmann Dr. Frowein Pontzen Pü
BPatG:
Beschluss v. 29.04.2004
Az: 34 W (pat) 315/02
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