Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. August 2005
Aktenzeichen: 10 W (pat) 16/04
(BPatG: Beschluss v. 04.08.2005, Az.: 10 W (pat) 16/04)
Tenor
Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der Patentabteilung 24 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. November 2003 aufgehoben und die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
Gründe
I Auf die am 8. März 1994 beim Patentamt eingereichte Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Einrichtung zum Ein- und Ausschalten eines elektrischen Verbrauchers" wurde im Juni 1997 ein Patent erteilt. Die Erteilung des Patents, das 4 Patentansprüche umfasst, wurde am 27. November 1997 veröffentlicht.
Mit dem Einspruch wird der vollständige Widerruf des Patents wegen fehlender Patentfähigkeit begehrt. Die Einsprechende beruft sich hierzu auf offenkundige Vorbenutzung des Gegenstands des Streitpatents durch das G...i der Firma G1... GmbH.
Zur Begründung trägt die Einsprechende während der Einspruchsfrist vor, die Beschaffenheit des genannten Kochfelds gehe aus der als Anlage V1 bezeichneten Bedienungs- und Montageanleitung hervor. Hierzu merkt sie an, die handschriftlichen Änderungen seien im September 1993 vorgenommen worden, um textliche Änderungen in der deutschen Fassung auch noch in den Fremdsprachen der Bedienungs- und Montageanleitung durchzuführen. Dass die Benutzung vor dem Anmeldetag stattgefunden habe, belegten nach Ansicht der Einsprechenden die als V2 bezeichneten Kopien von sieben Auftragsbestätigungen und entsprechende Rechnungen über die Lieferung des besagten Kochfelds mit Lieferdatum Anfang bis Mitte Februar 1994. Zum Verständnis der Funktion des Kochfelds legt die Einsprechende zusätzlich noch eine Technische Anleitung Reparatur (V3) vor. Die Einsprechende führt weiter aus, gegenüber dem Gegenstand der offenkundigen Vorbenutzung beruhe die Erfindung nicht auf erfinderischer Tätigkeit und setzt sich mit den einzelnen Merkmalen von Patentanspruch 1 des Streitpatents auseinander. Der Vorbenutzungsgegenstand unterscheide sich vom Gegenstand des Streitpatents lediglich dadurch, dass beim Kochfeld der Firma G1... ein Anzeige- mittel (Siebensegment-Anzeige) statt zweier Leuchtmittel verwendet würden.
Die Patentabteilung 24 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Einspruch als unzulässig verworfen. Zur Begründung ist ausgeführt, die Einsprechende habe es versäumt, das behauptete Öffentlichwerden der Vorbenutzung ausreichend zu substantiieren. So fehle es zum Ende der Einspruchsfrist, sogar noch Jahre nach Ablauf der Einspruchsfrist an den detaillierten, konkreten Angaben im einzelnen zu Tatsachen, wann, wo, was und wie bei konkreten Fällen in die Öffentlichkeit gelangt sei. Weder die Rechnungen bewiesen dies, noch weise die Bedienungsanleitung ein Veröffentlichungsdatum auf, so dass die Firmenschrift als Beweismittel wertlos sei. Der offensichtlich lückenhafte Vortrag sei nicht geeignet, die Grundlage für einen zulässigen Einspruch zu bilden.
Hiergegen wendet sich die Einsprechende mit der Beschwerde. Sie weist die Vorhaltungen der Patentabteilung im angefochtenen Beschluss zurück und trägt vor, sie habe während der Einspruchsfrist die erforderlichen Tatsachen angegeben, die belegten, wann das Kochfeld erstmals verkauft worden und wie es technisch ausgestaltet gewesen sei.
Die Einsprechende beantragt, den Beschluss der Patentabteilung aufzuheben.
Die Patentinhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Patentinhaberin führt aus, den Unterlagen V1 und V3 sei nicht zu entnehmen, ob sie tatsächlich in die Öffentlichkeit gelangt seien, zumal es sich bei V1 offensichtlich um eine vorläufige, interne Version handele. Als Stand der Technik kämen V1 und V3 daher nicht in Betracht. Mit diesen Unterlagen könne zudem die Beschaffenheit der angeblich verkauften Kochfelder nicht belegt werden, da sie inhaltliche Widersprüche aufwiesen. Auf Seite 6 bzw 7 der V1 würden gegenüber der V3 (dort Seite 10) unterschiedliche Begriffe für dieselben technischen Merkmale verwendet.
II Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
Die Patentabteilung hat zu Unrecht den Einspruch als unzulässig verworfen. Sie hat dabei insbesondere die Anforderungen an die Substantiierung eines Einspruchs aufgrund behaupteter offenkundiger Vorbenutzung überzogen.
Nach § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG hat der Einsprechende die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, im einzelnen anzugeben. Die ständige Rechtsprechung verlangt für eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Einspruchsbegründung, dass sie die für die Beurteilung der behaupteten Widerrufsgründe maßgeblichen Umstände im einzelnen so darlegt, dass der Patentinhaber und insbesondere das Patentamt daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ziehen können (vgl BGH GRUR 1993, 651 ff "Tetraploide Kamille" mwN). Diesen Anforderungen ist die Einsprechende innerhalb der Einspruchsfrist (§ 59 Abs 1 Satz 4 PatG) noch hinreichend nachgekommen.
Beruft sich die Einsprechende auf fehlende Patentfähigkeit des patentierten Gegenstandes infolge einer offenkundigen Vorbenutzung, sind (nach BGH "Tabakdose", vgl BlPMZ 1998, 201f) Angaben in dreierlei Hinsicht erforderlich: die Einspruchsbegründung muss einen bestimmten Gegenstand der Benutzung bezeichnen, ferner ist die Angabe bestimmter Umstände der Benutzung dieses Gegenstandes erforderlich, um zu überprüfen, ob er der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist. Schließlich bedarf es nachprüfbarer Angaben, wann der Gegenstand in dieser Weise benutzt worden ist, um festzustellen, ob er zum Stand der Technik gehört.
Hier hat die Einsprechende in der Einspruchsschrift vorgetragen, der Gegenstand des Streitpatents ergebe sich in naheliegender Weise aus dem von ihr als zum Stand der Technik gehörend, im einzelnen näher bezeichneten Kochfeld. Die Bedienungsanleitung (V1) zu diesem konkret benannten Gegenstand der Vorbenutzung soll dabei lediglich dazu dienen, dessen technische Beschaffenheit und Funktionsweise im einzelnen darzulegen. Anhand der V1 hat die Einsprechende den behaupteten vorbenutzten Gegenstand den Merkmalen der Erfindung vergleichend gegenübergestellt. V1 stellt nicht etwa selbst den Gegenstand der Vorbenutzung dar, so dass es auf die Frage, ob die Bedienungsanleitung Stand der Technik geworden ist, nicht ankommen kann. Die Anlage V3 soll nach dem Vortrag der Einsprechenden die Funktionsweise des Gegenstands der behaupteten Vorbenutzung nur ergänzend erläutern.
Zur Prüfung der weiteren Frage, ob das Kochfeld der Firma G1... nach § 3 Abs. 1 PatG zum Stand der Technik gehört, hat die Einsprechende die Anlagen V2 eingereicht, bestehend aus Auftragsbestätigungen und Rechnungen über das näher bezeichnete Kochfeld. Ob der angeblich vorbenutzte Gegenstand der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, ist somit nachvollziehbar vorgetragen. Wann das der Fall gewesen ist, kann an Hand der in V2 genannten Lieferdaten geprüft werden.
Soweit die Patentinhaberin einwendet, die Einsprechende habe zu der Frage, welche technischen Merkmale genau die angeblich gelieferten Kochfelder aufwiesen, widersprüchliche und folglich unsubstantiierte Angaben gemacht, vermag der Senat dem nicht zu folgen.
Zwar heißt es auf Seite 10 der Anlage V3 unter der Überschrift "Einschalten" bei Nr. 1 "...die Kochfeldmarkierungslampen leuchten auf", eine Angabe, die sich in der Anlage V1 auf Seite 7 so nicht findet. Die technische Zeichnung in der Anlage V3 stimmt aber mit den in V1 auf Seite 6 und 7 gezeigten Abbildungen im wesentlichen überein, der Unterschied ist lediglich, dass auf Seite 6 unter der Überschrift "4.1 Einschalten des gesamten Kochfeldes" nur ein Ausschnitt für eine einzige von insgesamt 4 Kochzonen dargestellt ist, während in der Anl. V3 zusätzlich eine zweite Kochzone und eine Schaltuhr abgebildet sind. Auch die Zeichnung auf Seite 6 von V1 zeigt wie V3 die zugehörige Kochfeldmarkierung, der es auf Seite 7 nicht bedurfte, weil es dort - wie die Überschrift zeigt - um die Bedienung der einzelnen Kochzonen geht.
Deshalb kann nicht die Rede davon sein, dass die Gegenstände der Anlagen V1 und V3 einander technisch ausschlössen und der Vortrag der Einsprechenden zur fehlenden Patentfähigkeit, der sich vorrangig auf die Bedienungs- und Montageanleitung V1 stützt, damit offenkundig widersprüchlich und folglich unsubstantiiert wäre. Auf mehr erstreckt sich die Zulässigkeitsprüfung eines Einspruchs nicht.
Wie das angeblich vorbenutzte Kochfeld der Firma G1... tatsächlich beschaf- fen ist, was zwischen den Beteiligten streitig ist, wird Gegenstand der Prüfung der Begründetheit durch die Patentabteilung sein. Dies ist keine Frage der Zulässigkeit des Einspruchs (vgl BGH, aaO - "Tetraploide Kamille"; Schulte, PatG, 7. Aufl, § 59 Rdn 84 mwN.).
Im Gegensatz zur Auffassung der Patentabteilung spielen Beweismittel, die die Richtigkeit der im Einspruch vorgebrachten Tatsachen belegen sollen, erst im Rahmen der nachfolgenden Prüfung, ob der Einspruch begründet ist, eine Rolle. Beweismittel müssen, weil nicht Tatsachenvortrag, auch nicht notwendig innerhalb der Einspruchsfrist vorgebracht werden.
Der angefochtene Beschluss kann somit keinen Bestand haben. Die Sache wird zur Entscheidung über die Begründetheit des Einspruchs gemäß § 79 Abs. 3 Nr. 1 PatG an die Patentabteilung zurückverwiesen.
Schülke Püschel Martens Be
BPatG:
Beschluss v. 04.08.2005
Az: 10 W (pat) 16/04
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