Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 17. Dezember 1993
Aktenzeichen: 6 U 114/93

(OLG Köln: Urteil v. 17.12.1993, Az.: 6 U 114/93)

1. Die Angabe "Winzer Verein" auf den Etiketten von Wein- und Sektflaschen ist irreführend, wenn Erzeuger des Weins eine Zentralkellerei des gesamten Anbaugebietes ist, der mehr als 4.000 Winzer angeschlossen sind und deren Weinen jeder reale Bezug zur Stadt fehlt. Ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise verbindet mit der Angabe "Winzer Verein die Vorstellung einer regional begrenzten Winzervereinigung mit Sitz in T. und die Erwartung, daß die so angebotenen Weine aus einem örtlich begrenzten "überschaubaren" Kreis von Erzeugern und Abfüllbetrieben stammen.

2. Es stellt eine unzulässige weil irreführende Alterswerbung dar, wenn bei der Weinwerbung auf eine 100jährige Tradition eines 1897 gegründeten "T. Winzer Vereins" Bezug genommen wird, der seit den 60er Jahren dieses Jahrhunderts nicht mehr existiert.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 16. März 1993 verkündete Urteil der 31. Zivil kammer des Landgerichts Köln - 31 O 611/92 - wird hinsichtlich Ziff. 2 des Urteilste nors mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte verurteilt wird, es bei Meidung eines vom Gericht für je- den Fall der Zuwiderhandlung fest zusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM - ersatzweise Ordnungshaft - oder der Ordnungshaft bis zu 6 Mo naten, jeweils zu vollziehen an ihren Vorstandsmitgliedern, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Weine in einer Ausstattung zu vertreiben, in der auf der Vorderseite der Flasche mit den nachstehend wiedergegeben Hauptetiketten: jeweils in Verbindung mit dem nachstehend wiedergegebenen Rückenetikett: auf den "T. Winzer Verein" hingewiesen wird. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beschwer der Beklagten: 50.000,00 DM.

Tatbestand

Der Kläger zu 1) ist Inhaber des Weinguts "D.hof" in T.. Er

gewinnt Wein auf einer rund um T. gelegenen Rebfläche und

vermarktet ihn selbst. Der Kläger zu 2) handelt mit Sekten und

Weinen, die - zumindest zum Teil - aus dem T.er Gebiet stammen.

Einen Teil der Weine läßt er versekten und ver- treibt die

hergestellten Sekte sodann unter seiner eigenen Firma.

Bei der Beklagten handelt sich um die Zentralkel- lerei des

gesamten Anbaugebietes Mosel-Saar-Ruwer. Ihr gehören mehr als 4.000

Winzer dieses Anbauge- bietes an. Aus dem Lesegut ihrer

Genossenschaft stellt die Beklagte Weine her und vertreibt sie in

ganz Deutschland.

Im Zusammenhang mit der Ausstattung, beim Vertrieb und beim

Bewerben bestimmter Wein- und Sektsorten benutzt die Beklagte die

Bezeichnung "T.ischer Winzer Verein". In der Zeitschrift "Wein und

Sekt- Journal", Ausgaben Nr. 2, 3 und 4 des Jahres 1992 bewarb die

Beklagte Wein und Sekt mit den aus Anlagen K 2, K 3 und K 4

ersichtlichen Anzeigen. Weine vertreibt sie unter anderem mit

Etikettie- rungen auf der Vor- und Rückseite, wie sie sich im

einzelnen aus Bl. 6 und 7 der Akten und aus dem Tenor dieses

Urteils ergeben.

Die Angabe "T.ischer Winzer Verein" findet vor folgendem

geschichtlichem Hintergrund statt: Im Jahre 1897 wurde die

Aktiengesellschaft "T.ischer Winzer Verein" gegründet. Ihr Zweck

war die Ver- marktung der Weine aus dem gesamten Anbaugebiet

Mosel-Saar-Ruwer sowie der damals noch zum Bistum T. gehörenden

Region N.. Dem Verein gehörten 18 selbständige

Winzergenossenschaften und Weingü- ter aus dem gesamten Anbaugebiet

Mosel, Saar, Ru- wer und N. an. Sitz der Aktiengesellschaft war T..

Die Gesellschaft erhielt ihren Namen von dem T.er Land, das in etwa

in den Grenzen des Bistums T. bestand. Im Jahre 1963 wurde die

"T.ische Winzer Verein AG" durch die Hauptkellerei der Winzerge-

nossenschaft des R. e.G. mbH mit Sitz in K. über- nommen und -

jedenfalls zunächst - als nach außen eigenständige

Aktiengesellschaft weitergeführt. 1965 wurde der Sitz der

Aktiengesellschaft nach K. verlegt. Noch in demselben Jahr wurde

die Gesell- schaft in die "R.F.-Mittelrhein AG" und diese 1967 in

die "R.K.-Mittelrhein AG" umbenannt. Letztere verschmolz

schließlich mit der "H. für die Rhein- provinz GmbH" in K..

Die Beklagte begann Mitte der 80er Jahre, die Bezeichnung

"T.ischer Winzer Verein" zu verwenden. Im Jahre 1989 ergänzte sie

ausweislich des Genos- senschaftsregisters ihren satzungsmäßigen

Namen um die weitere Bezeichnung "T.ischer Winzer Verein". Unter

dieser Bezeichnung vertreibt sie seither Wein an den Fachhandel und

an die Gastronomie. Die hierfür verwandten Etiketten entsprechen

den- jenigen, die früher von der "T.ischer Winzer Ver- ein AG"

benutzt wurden.

Die Kläger haben geltend gemacht, die Verwendung der Bezeichnung

"T.ischer Winzer Verein" durch die Beklagte sei in der konkret

beanstandeten Form irreführend im Sinne des § 3 UWG. Ein

Verbraucher, der eine mit "T.ischer Winzer Verein" gekennzeich-

nete Flasche Wein kaufe, erwarte als Hersteller einen Verein

T.ischer Winzer. Hierunter verstehe er selbständige

Weinbaubetriebe, die ihre Weine im Rahmen eines T.er Vereins

gemeinsam vermarkteten. Tatsächlich handele es sich beim "T. Winzer

Ver- ein" lediglich um eine Marke oder einen inaktiven Firmenmantel

der Beklagten als Zentralgenossen- schaft der gesamten Mosel.

Auch durch die beanstandete Werbung im "Wein und Sekt Journal"

werde der Verbraucher darüber ge- täuscht, daß die beworbenen Weine

tatsächlich aus Erzeugerabfüllungen der M. e.G. und nicht aus der

Abfüllung eines Vereins T.ischer Winzer stammten bzw. daß der

beworbene Sekt "Nigra brut" weder aus Grundweinen des T. Winzer

Vereins noch im Auftrag desselben hergestellt werde.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Mei- dung ei- nes vom

Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ord-

nungsgeldes bis 500.000,00 DM - ersatz- weise Ordnungshaft - oder

der Ordnungs- haft bis zu sechs Monaten, jeweils zu vollziehen an

ihren Vorstandsmitglie- dern, zu unterlassen,

1. im geschäftlichen Verkehr für Weine und Sekte wie nachstehend

wiedergege- ben zu werben:

2. im geschäftlichen Verkehr Weine mit Etiketten wie nachstehend

wiederge- geben zu kennzeichnen:

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat eingewandt, entscheidendes Kriterium für den Käufer von

Weinen seien die Lagebezeichnung und die Seriosität des

Weinherstellers. Der von den Klägern behauptete Irrtum, der so

gekennzeich- nete Wein sei ein Produkt des "T. Winzer Vereins"

könne bei den von ihr, der Beklagten, verwandten Lagebezeichungen

nicht aufkommen, sei aber jeden- falls ohne Relevanz.

Auch für die Sektwerbung gelte nichts anderes. Da der Verkehr

wisse, daß Sekte aus zusammengekauf- ten, teilweise sogar

ausländischen Weinen herge- stellt würden, liege es fern,

anzunehmen, daß ein von dem "T. Winzer Verein" angebotener Sekt aus

dem Lesegut des T. Winzer Vereins oder der ihm an- geschlossenen

Weingüter oder W. en stamme.

Das Landgericht hat die Beklagte durch Urteil vom 16. März 1993,

auf dessen Inhalt verwiesen wird, antragsgemäß verurteilt. Gegen

das ihr am 26. März 1993 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit

einem am 26. April 1993 eingegangenen Schrift- satz Berufung

eingelegt und diese nach entspre- chender Fristverlängerung mit

einem am 16. Au- gust 1993 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte vertieft und ergänzt ihr erstinstanz- liches

Vorbringen. Sie macht geltend, unter dem Dach des "T. Winer

Vereins" hätten seit nahe- zu 100 Jahren 18 selbständige

Winzergenossenschaf- ten und Weingüter aus dem gesamten

Weinbaugebiet Mosel-Saar-Ruwer und N. Weine aus dieser Region

vermarktet. Schon dies stehe der Annahme entgegen, die beanstandete

Bezeichnung erwecke den Eindruck, es handele sich um eine "regional

begrenzte Gruppe von Winzern" in und unmittelbar um T.. Eine solche

Vorstellung habe zu keiner Zeit den tatsächlichen Vorstellungen vom

T. Winzer Verein entsprochen. Dieser habe vielmehr vergleichbare

Aufgaben wie die beklagte Genossenschaft wahrgenommen. Soweit die

Beklagte diese Tradition fortsetze, liege hierin keine Irreführung

des Verkehrs. Selbst wenn der eine oder andere Kaufinteressent

annehmen sollte, er habe es lediglich mit einer kleinen Gruppe von

Winzern aus T. zu tun, sei ein solcher Irrtum nicht beachtlich.

Jedenfalls könne er im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung

nicht dazu führen, der Beklagten die Benutzung der Bezeichung

"T.ischer Winzer Verein" zu untersagen, nachdem über viele

Jahrzehnte hinweg eben unter diesem Namen geschäftliche Tätigkeiten

ausgeübt worden seien in einem Rahmen, wie er nunmehr von ihr, der

Beklagten, weiter fortgesetzt werde.

Der Name "Winzer Verein" sei zudem in der Mehrzahl der deutschen

Gebiete als synonyme Bezeichnung für Winzergenossenschaften üblich.

In manchen Gegenden werde er häufiger verwandt als in anderen. Ob

die Genossenschaftsmitglieder ihr Unternehmen als

"Winzergenossenschaft" oder als "Winzer Verein" bezeichneten, habe

nichts mit deren Größe zu tun. Von den 313 selbständigen

Winzergenossenschaften in Deutschland trügen 18 die Bezeichnung

"Winzer Verein".

Jedenfalls aber finde § 3 UWG deswegen keine An- wendung, weil

es an der erforderlichen wettbewerb- lichen Relevanz einer etwaigen

Irreführung fehle. Insoweit habe das Landgericht verkannt, daß im

Zu- sammhang mit den im erstinstanzlichen Urteil ange- sprochenen

Weinskandalen die Winzergenossenschaf- ten gerade nicht im

Vordergrund gestanden hätten. Óberdies habe das Landgericht

unberücksichtigt gelassen, daß die Geschäftspolitik der Beklagten

trotz der großen Mitgliederzahl nicht etwa von einer "völlig

unabhängigen" Geschäftsführung be- stimmt bzw. geprägt werde,

sondern von den Mit- gliedern selbst.

Sie, die Beklagte, unterscheide sich in wichtigen Funktionen von

den großen Handelskellereien. Inso- weit stehe sie dem

Winzerbetrieb und dem Weingut viel näher als dem

Weinhandelsbetrieb. Sie erfülle alle Vorstellungen, die der Verkehr

nach Auffas- sung des Landgerichts mit einem "Winzer Verein"

verbinde. Dies gelte insbesondere für die im land- gerichtlichen

Urteil ausdrücklich angesprochene "Seriosität".

Alle diese Erwägungen seien gleichermaßen für die beanstandete

Sektwerbung der Beklagten gültig. Auch insoweit erfülle die

Beklagte die vom Landge- richt angenommene Vorstellung der

angesprochenen Verkehrskreise im Zusammenhang mit der Verwendung

des Namens "T.ischer Winzer Verein".

Wegen der weitren Einzelheiten des Berufungsvor- bringens wird

auf den vorgetragenen Inhalt der Be- rufungsbegründung vom 13.

Dezember 1993 verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils der 31. Zi- vilkammer des

Landgerichts Köln vom 16. März 1993 - 31 O 611/92 - die Klage

abzuweisen;

hilfsweise der Beklagten nachzulas- sen, die Zwangsvollstreckung

durch Si- cherheitsleistung abzuwenden, die auch in Form der

selbstschuld- nerischen Bürg- schaft einer deutschen Großbank

und/oder öffentlichrechtlichen Sparkasse er- bracht werden

kann.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen; hilfsweise den Klä- gern die

Befugnis ein- zuräumen, eine Sicherheits- leistung durch Bürgschaft

einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse zu

erbringen.

Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil und vertiefen und

ergänzen ebenfalls ihr erstinstanz- liches vorbringen. Wegen der

Einzelheiten ihres Sachvortrags im Berufungsrechtszug wird auf den

vorgetragenen Inhalt der Berufungserwiderung vom 4. November 1993

Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig. Ihr den Klageantrag zu 2)

betreffender Teil ist - anders als der vom Antrag zu 1) erfaßte

Streitstoff - zur Endent- scheidung reif. Deswegen war gem. § 301

Abs. 1 ZPO hierüber durch Teilurteil vorab zu befinden.

In der Sache bleibt das Rechtsmittel der Beklagten in dem

nunmehr zu entscheidenden Teil ohne Erfolg. Das Landgericht hat die

Beklagte zu Recht unter Hinweis auf §§ 3, 13 Abs. 2 UWG zur

Unterlassung verurteilt. Der Tenor war allerdings neu zu fas- sen,

nachdem die Kläger dem schon in der Klage- schrift zum Ausdruck

gebrachten Begehren entspre- chend den Antrag neu formuliert haben.

Gegenstand der Klage ist danach, wie sich bereits aus der

Klageschrift ergibt, der Vertrieb von Wein in der angegriffenen

Ausstattung, die durch die Verbin- dung des jeweiligen

Hauptetiketts mit dem - stets gleichen - Rückenetikett

gekennzeichnet ist.

Der Vertrieb von Weinen in Ausstattungen, die jeweils eines der

angegriffenen der Hauptetiketten in Verbindung mit dem

Rückenetikett aufweisen, ist irreführend im Sinne des § 3 UWG.

Zu Recht hat das Landgericht die Óberzeugung gewonnen, ein nicht

unbeachtlicher Teil der an- gesprochenen Verbraucher werde aufgrund

der bean- standeten Etiketten annehmen, Hersteller der so

bezeichneten Weine seien Winzer, die sich in T. zu einem Verein

zusammengeschlossen hätten. Eine sol- che Annahme legt die

blickfangmäßige Óberschrift "T.ischer Winzer Verein" nahe. Der

weitere Hinweis "Erzeugerabfüllung" suggeriert vor dem Hintergrund

der vorausgestellten Óberschrift, der "T.ische Winzer Verein" sei

Erzeuger dieser Weine. Dies ist unzutreffend. Erzeuger der Weine

ist die Beklagte, die M. e.G.

Soweit die Etiketten den Zusatz

"Vertrieb: T.ischer Winzer Verein"

enthalten, rechtfertigt dies keine abweichende Be- urteilung.

Dieser Hinweis ist in so kleinem Druck gehalten, daß er vom

flüchtigen Betrachter überse- hen wird. Diesem fallen allein die

hervorgehobene Schrift und im übrigen allenfalls der Hinweis "Er-

zeugerabfüllung" ins Auge.

Ebenfalls zutreffend hat das Landgericht ange- nommen, daß ein

nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise mit der

Bezeichnung "T.ischer Winzer Verein" die Vorstellung einer regional

begrenzten Vereinigung mit Sitz in T. verbindet. Dieser Hinweis auf

einen regionalen Bezug wird durch die Verwendung einer Abbildung

der P.N. unterstrichen. Die zusätzliche prominente Herausstellung

dieses Wahrzeichens der Stadt T. verstärkt den Eindruck, beim "T.

Winzer Verein" handele es sich um eine örtlich begrenzte Gruppe von

T.er Winzern. Jedenfalls aber wird damit nicht die Vorstellung

verbunden, dahinter stehe eine Genossenschaft mit mehr als 4.000

Winzern aus dem gesamten Anbaugebiet Mosel, Saar und Ruwer. Noch

viel weniger wird der Leser daran denken, daß ein

Personenzusammenschluß mit der Bezeichnung "T.ischer Winzer Verein"

seit Mitte der 60er Jahre nicht mehr existiert.

Ohne Erfolg macht die Beklagte in diesem Zusammen- hang geltend,

eine Vielzahl auch großer Winzerge- nossenschaften bezeichne sich

als "Winzer Verein". Zum einen muß davon ausgegangen werden, daß

eine synonyme Verwendung der Begriffe "Verein" und "Ge-

nossenschaft", sofern es sie tatsächlich gibt, al- lenfalls in

Fachkreisen geläufig ist. Der Endver- braucher wird hingegen eine

solche Gleichstellung beider Begriffe nicht ohne weiteres

vornehmen. Die Beklagte läßt mit ihrer Argumentation aber vor allem

unberücksichtigt, daß die beim Verbraucher hervorgerufene

Irreführung insbesondere den örtli- chen Bezug des "T.ischen Winzer

Vereins" zum Ge- genstand hat.

Den unter der Bezeichnung "T.ischer Winzer Ver- ein" von der

Beklagten vertriebenen Weinen fehlt in Wirklichkeit jeder Bezug zur

Stadt T.. Die Geschäftsadresse, unter der die Beklagte mit der

Kennzeichnung "T.ischer Winzer Verein" geschäft- lich in

Erscheinung tritt, befindet sich in B.. Der Wein stammt nicht von

T.er Winzern.

Gleichfalls ohne Erfolg macht die Beklagte gel- tend, aufgrund

der deutlich hervorgehobenen Lage- bezeichnungen, die zugleich

Herkunftsangaben sei- en, erscheine es ausgeschlossen, daß der

Verkehr annehme, das Lesegut für diese Weine stamme von Winzern aus

T.. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist davon auszugehen, daß

ein nicht unerheblicher Teil der Verbraucher mit den

Ortsbezeichnungen nicht ohne weiteres ein außerhalb der T.er Region

liegendes Anbaugebiet verbindet. Vor allem aber schließt eine

Verkehrsvorstellung, nach der es sich bei dem "T. Winzer Verein" um

eine - heute noch bestehende - Vereinigung von T. er Winzern

handelt, nicht aus, daß ein solcher regional begrenzter Verein bzw.

dessen Mitglieder auch über Weinlagen verfügt, die zum Teil

außerhalb des un- mittelbaren T.er Bereichs liegen.

Die vorstehend beschriebene Irreführung des Ver- kehrs ist

entgegen der Ansicht der Beklagten auch wettbewerblich relevant.

Das Landgericht, auf des- sen zutreffende Urteilsbegründung in

diesem Zusam- menhang im wesentlichen verwiesen werden kann, hat zu

Recht ausgeführt, daß für den Verbraucher ein Kriterium bei der

Kaufentscheidung die Seriosität des Weinherstellers sei. Die

Annahme, ein nicht unbeachtlicher Teil der Verbraucher ziehe den

Ge- nuß solcher Weine vor, die aus einem regional oder örtlich

begrenzten und deswegen "überschaubaren" Kreis von Erzeugern und

Abfüllbetrieben stammten, weil vermutet werde, daß dort ein

verantwortungs- bewußter Umgang mit dem Produkt Wein in besonderem

Maße gewährleistet sei, ist nicht zu beanstanden.

Die Ausstattung mit den angegriffenen Etiket- ten verstößt aber

insbesondere deswegen gegen § 3 UWG, weil sie eine irreführende

Alterswerbung darstellt. Dabei ist zunächst - wie oben ausge- führt

- davon auszugehen, daß die Ausstattung mit den angegriffenen

Hauptetiketten jeweils in ihrer Verbindung mit dem - einheitlichen

- Rückenetikett Gegenstand der Klage ist.

Die Ausführungen auf dem Rückenetikett, die die blickfangartige

Herausstellung der Bezeichnung "T.ischer Winzer Verein" auf dem

Hauptetikett wieder aufnehmen, weisen auf die Gründung dieses

Vereins im Jahre 1897 und die darauf beruhende "100jährige

Tradition" hin, in der der "T.ische Winzer Verein" im Zeichen der

P.N., dem Stadttor der ältesten Stadt Deutschlands, stehe. Damit

wird der Eindruck erweckt, dieser Verein als Hersteller bzw.

Abfüller des so etikettierten Weines könne sich auf eine Tradition

seit dem Jahre 1897 stüt- zen. Die Beklagte, die in Wirklichkeit

Hersteller und Abfüller der Weine ist, nimmt auf diese Weise die

Tradition eines "T. Winzer Vereins" für sich in Anspruch, der seit

Mitte der 60er Jahre nicht mehr besteht. Der Hinweis der Beklagten,

unter der Bezeichnung "T.ischer Winzer Verein" seien über viele

Jahrzehnte hinweg geschäftliche Tätigkeiten "in einem Rahmen

ausgeübt worden, wie er nunmehr von der Beklagten weiter

fortgesetzt wird", vermag nicht darüber hinwegzutäuschen, daß die

Beklagte keineswegs kontinuierlich an die Tradition der "T. Winzer

Verein AG" angeknüpft hat. Sie hat vielmehr Mitte der 80er Jahre

eine seit ca. 20 Jahren nicht mehr benutzte Bezeichnung

aufgegriffen und für ei- gene Zwecke verwandt.

Der Hinweis auf das Gründungsjahr 1897 ist auch, soweit er, wie

oben ausgeführt, unrichtig aufge- faßt wird, geeignet, den Anschein

eines besonders günstigen Angebotes hervorzurufen, und damit wett-

bewerblich relevant. Die sog. Alterswerbung weist auf Solidität,

langjährige Wertschätzung inner- halb des Kundenkreises und

besondere Erfahrungen bei der Erzeugung bzw. Herstellung hin. Sie

ist daher geeignet, mittelbar auch das Warenangebot eines solchen

Unternehmens als besonders günstig erscheinen zu lassen. Wer sich

in der Werbung auf ein ihm nicht zukommendes Gründungsjahr bezieht,

verstößt deshalb regelmäßig gegen § 3 UWG (vgl. BGH GRUR 1960, 563,

565 - "Sektwerbung" -). Nichts anderes gilt, wenn wie hier durch

die Warenaus- stattung auf eine in dieser Form tatsächlich nicht

bestehende langjährige Geschäftstradition und Óbung hingewiesen

wird.

Die Kostenentscheidung war dem Schlußurteil vor- zubehalten, da

sie davon abhängt, wie der Streit über das weitere Klagebegehren

ausgeht.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreck- barkeit beruht

auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Beschwer der Beklagten war gem. § 546 Abs. 2 ZPO

festzusetzen; sie entspricht dem Wert des Un- terliegens der

Beklagten durch dieses Urteil.






OLG Köln:
Urteil v. 17.12.1993
Az: 6 U 114/93


Link zum Urteil:
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