Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. April 2000
Aktenzeichen: 17 W (pat) 5/99

(BPatG: Beschluss v. 11.04.2000, Az.: 17 W (pat) 5/99)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse G 01 L des Deutschen Patentamts vom 4. September 1998 aufgehoben und das nachgesuchte Patent 197 41 884 mit folgenden Unterlagen erteilt:

Patentansprüche 1 bis 14, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Seiten 1 bis 5 und 5a, überreicht in der mündlichen Verhandlung, sowie ursprünglich eingereichte Seiten 6 bis 10, mit der Maßgabe, daß es auf Seite 10 im vierten Absatz "verdeckten" heißt, ursprünglich eingereichte Figuren 1 und 2.

Gründe

I Die vorliegende Patentanmeldung ist beim Deutschen Patentamt unter der Bezeichnung:

"Verfahren zur Bestimmung relevanter Größen, die den Zylinderdruck in den Zylindern einer Brennkraftmaschine repräsentiert"

angemeldet worden.

Sie wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G 01 L des Deutschen Patentamts mit Beschluß vom 4. September 1998 mit der Begründung zurückgewiesen, daß die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 5 mangels Neuheit nicht gewährbar seien.

Die Anmelderin verfolgt die Anmeldung auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüche 1 bis 14 weiter.

Der Anspruch 1 lautet:

Verfahren zur Bestimmung relevanter Größen, die den Zylinderinnendruck in den Zylindern einer Brennkraftmaschine repräsentieren, wobei die relevanten Größen aus dem gemessenen Körperschall der Brennkraftmaschine abgeleitet werden (103), dadurch gekennzeichnet, daß einem neuronalen Netzwerk als Eingangsgrößen eine Kombination der Signalleistung des gemessenen Körperschallsignals und einem Signal, in das der betragsmäßige Maximalwert des gemessenen Körperschallsignals eingeht, zugeführt wird, wobei im oberen Lastbereich die Signalleistung des gemessenen Körperschallsignals eine größere Gewichtung erhält als das Signal, in das der betragsmäßige Maximalwert des gemessenen Körperschallsignals eingeht, und im unteren Lastbereich das Signal, in das der betragsmäßige Maximalwert des gemessenen Körperschallsignals eingeht, eine größere Gewichtung erhält als die Signalleistung des gemessenen Körperschallsignals und daß das Ausgangssignal des neuronalen Netzwerks die relevanten Größen sind."

Wegen der übrigen Patentansprüche wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Die Anmelderin trägt zur Begründung ihrer Beschwerde vor, daß das Verfahren zur Bestimmung von Größen, die den Zylinderinnendruck einer Brennkraftmaschine repräsentieren, nach dem nunmehrigen Patentanspruch 1 dem Fachmann durch den ermittelten Stand der Technik nicht nahegelegt sei. Aus der nächstkommenden Druckschrift DE 40 06 273 A1 sei es lediglich bekannt, die den Zylinderinnendruck repräsentierende Größe aus dem gemessenen Körperschall der Brennkraftmaschine abzuleiten. Aus den übrigen Druckschriften lasse sich nur ein Hinweis auf die Auswertung des gemessenen Körperschalls durch ein neuronales Netzwerk entnehmen. In Hinsicht auf die im Anspruch 1 genannten Eingangsgrößen und deren Gewichtung in Abhängigkeit vom Lastbereich gäbe der Stand der Technik jedoch keine Anregung. Diese besondere Auswertung gewährleiste jedoch auch bei verschiedenen Betriebsbedingungen eine sichere Bestimmung des Zylinderinnendrucks.

Die Anmelderin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 14, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Seiten 1 bis 5 und 5a, überreicht in der mündlichen Verhandlung, sowie ursprünglich eingereichte Seiten 6 bis 10 mit der Maßgabe, daß es auf Seite 10 im vierten Absatz "verdeckten" heißt, ursprünglich eingereichte Figuren 1 und 2.

II Die in rechter Frist und Form erhobene Beschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Erteilung des Patents, denn die in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüche beinhalten eine patentfähige Erfindung nach den §§ 1 bis 5 PatG.

1. Die geltende Fassung der Patentansprüche ist zulässig.

Der geltende Patentanspruch 1 ergibt sich aus den ursprünglichen Ansprüchen 1, 2 und 10. Die Ansprüche 2 bis 9 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 4 bis 7 und 11 bis 14, die geltenden Ansprüche 10 bis 14 den ursprünglichen Ansprüchen 15 bis 19.

2. Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 ist neu und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist ein Verfahren zur Bestimmung des Zylinderinnendrucks einer Brennkraftmaschine, wobei die dem Zylinderinnendruck entsprechende Größe aus dem Körperschall der Brennkraftmaschine abgeleitet wird. Das vorgeschlagene Verfahren soll im laufenden Betrieb arbeiten und einfach zu realisieren sein (vgl S 2, Abs 3 der Beschreibung).

Ein Verfahren zur Bestimmung des Innendrucks in den Zylindern einer Brennkraftmaschine, bei dem der Zylinderinnendruck aus dem an der Außenseite des Zylinders auftretenden Körperschall bestimmt wird, ist aus der DE 40 06 273 A1 bekannt. Nach dem dort vorgeschlagenen Verfahren werden von Meßfühlern, die mit der Außenseite des Zylinders in Wechselwirkung stehen, Beschleunigungs-, Geschwindigkeits- oder Wegesignale erfaßt und einer Übertragungsfunktion unterzogen, die einen Wert ergeben soll, der dem momentanen Zylinderinnendruck entspricht (vgl insb Patentanspruch 1).

Von diesem bekannten Verfahren unterscheidet sich das Verfahren zur Bestimmung des Zylinderinnendrucks gemäß dem kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 dadurch, daß die Übertragungsfunktion durch ein neuronales Netzwerk realisiert wird, dem zwei Eingangsgrößen zugeführt werden, nämlich die Signalleistung und der betragsmäßige Maximalwert des gemessenen Körperschallsignals. In Abhängigkeit vom Lastbereich, in dem die Brennkraftmaschine betrieben wird, erhält die eine oder andere Größe eine höhere Gewichtung durch das neuronale Netzwerk.

Aus den zum Stand der Technik weiter genannten Druckschriften vermögen zwar die US 5,093,792 und die DE 44 21 950 A1 eine Anregung in Hinsicht auf die generelle Verwendung eines neuronalen Netzwerkes zu dem angegebenen Zweck zu geben. Denn beide Druckschriften befassen sich mit der Steuerung und Diagnose von Verbrennungsmotoren, bei denen die erfaßten Signale mit neuronalen Netzwerken ausgewertet werden. Ein neuronales Netzwerk kommt auch nach der DE 44 43 050 C2 zum Einsatz, jedoch bei einer Kraftmeßeinrichtung, bei der es zur Kalibrierung dient.

Einen Hinweis auf die Zuführung von zwei Eingangsgrößen zu dem neuronalen Netzwerk mit einer unterschiedlichen Gewichtung dieser Größen in Abhängigkeit vom Lastbereich des Motors bzw der Brennkraftmaschine geben diese Druckschriften dem Fachmann jedoch nicht.

Eine Anregung in dieser Richtung vermag auch die DE 195 06 133 A1 nicht zu geben. Denn diese Druckschrift lehrt die Bestimmung des Zylinderinnendrucks durch einen im Zylinder befindlichen Drucksensor unter Benutzung eines Ladungsverstärkers.

Die im Beschwerdeverfahren genannten Auszüge aus dem "Reallexikon der Akustik", Hrsg Michael M. Rieländer, Verlag Erwin Bochinsky, 1982, S 125 und 179 bis 181 und dem "Duden Informatik", 2. Auflage, 1993 S 463 bis 471 dienten lediglich der Klärung verschiedener in der Anmeldung verwendeter Begriffe und vermögen auch bei gemeinsamer Betrachtung mit den anderen Druckschriften die Patentfähigkeit nicht in Frage zu stellen.

Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 ist sonach aus dem genannten Stand der Technik weder bekannt noch nahegelegt.

3. Der dem Anspruch 1 nebengeordnete Anspruch 10 ist auf eine Vorrichtung zur Durchführung des vorgenannten Verfahrens gerichtet. Die Patentfähigkeit dieser Vorrichtung ergibt sich analog aus den Gründen, die zur Patentfähigkeit der im Verfahrensanspruch 1 angegebenen Arbeitsweise genannt wurden.

Die übrigen Ansprüche 2 bis 9 und 11 bis 14 sind den Ansprüchen 1 bzw 10 untergeordnet und haben zweckmäßige Ausgestaltungen des Verfahrens bzw der Vorrichtung zum Gegenstand. Sie sind daher ebenfalls gewährbar.

Die in der Beschreibung vorgenommenen Änderungen gegenüber den ursprünglich eingereichten Unterlagen sind zulässig, denn sie betreffen im wesentlichen eine redaktionelle Anpassung an die geltende Anspruchsfassung.

Bei dieser Sachlage war das Patent gemäß dem Antrag der Anmelderin zu erteilen.

Grimm Prasch Püschel Schuster Pr






BPatG:
Beschluss v. 11.04.2000
Az: 17 W (pat) 5/99


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/753b48711dbf/BPatG_Beschluss_vom_11-April-2000_Az_17-W-pat-5-99




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share