Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. Oktober 2004
Aktenzeichen: 25 W (pat) 242/02
(BPatG: Beschluss v. 14.10.2004, Az.: 25 W (pat) 242/02)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Bezeichnung BIOMEDICA ist am 5. Juni 2001 unter der Nummer 301 20 638 für "Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie für Präparate für die Gesundheitspflege; Medizinprodukte zum Einnehmen; Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke" in das Markenregister eingetragen worden.
Hiergegen hat die Inhaberin der seit 23. Januar 1940 für " Arzneimittel, chemische Erzeugnisse für Heilzwecke und Gesundheitspflege, ätherische Öle" eingetragenen älteren Marke 518 768 Bionorica Widerspruch erhoben.
Die Markenstelle hat den Widerspruch mit Beschluß vom 1. Juli 2002 durch einen Beamten des höheren Dienstes zurückgewiesen. Nach dem maßgeblichen Gesamteindruck bestehe bei normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke keine Verwechslungsgefahr. Auch wenn "Bio" kennzeichnungsschwach sei, bestehe selbst bei Anwendung strenger Maßstäbe, die wegen Warenidentität bzw hoher -ähnlichkeit notwendig seien, trotz der Übereinstimmung in der Lautfolge "Bio--ica" ein ausreichender Abstand. Da die Betonung gerade auf den abweichenden Bestandteilen "-med-" bzw "-nor-" liege, werde der Klang beider Marken unterschiedlich geprägt. Hinzu komme, dass "-medica" einen Hinweis auf "Medizin" gebe, was zusätzlich zur Unterscheidung beitrage. Die gemeinsame Endung "-ica" sei im medizinische Bereich eine häufig verwendete Endung, trete nicht markant in Erscheinung und werde daher weniger beachtet. Auch schriftbildlich bestehe keine Verwechslungsgefahr.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag (sinngemäß), den Beschluß der Markenstelle vom 1. Juli 2002 aufzuheben, dem Widerspruch stattzugeben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Der Widerspruchsmarke, die im Inland als Dachmarke auf dem Gebiet der Phytopharmaka umfangreich eingesetzt werde, komme ein gesteigerter Schutzumfang zu, wie sich aus den zwischen 1995 und 2001 erwirtschafteten Umsätzen und dem daraus abzuleitenden hohen Bekanntheitsgrad ergebe. Die angegriffene Marke halte den daraus folgenden erforderlichen weiten Abstand nicht ein. Die Abweichungen in der Wortmitte seien im Hinblick auf die Übereinstimmungen der Marken im übrigen unzutreffend gewürdigt worden. Gerade die tontragenden Vokalfolgen sprächen wegen ihrer Klangverwandtschaft für eine Verwechslungsgefahr, besonders wenn berücksichtigt werde, dass auch Endverbraucher beteiligt seien, die auf ihr Erinnerungsvermögen angewiesen seien. Auch unter dem Gesichtspunkt der Warenidentität liege für die Verbraucher der Irrtum nahe, wegen des identischen Wortanfangs "Bio" stammten die Produkte von demselben Hersteller. Begriffliche Anklänge könnte der Verkehr nicht mit der erforderlichen Sicherheit wahrnehmen, denn die 3. Silbe der angegriffenen Marke stelle sich als Bestandteil eines Fachausdrucks dar, der aber allenfalls zum passiven Wortschatz zähle. Konkrete Vorstellungen lasse dieser Begriff jedoch ebenso wenig zu wie der entsprechende Wortteil "-norica" der WiM. Vom Durchschnittsverbraucher könne nicht erwartet werden, dass er diese schwachen Unterschiede sofort wahrnehme, so dass Verwechslungsgefahr bestehe.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Widerspruchsmarke besitze keine überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft. Es fehle auch an einem durch Benutzug erworbenen Bekanntheitsgrad der älteren Marke; die von der Widerprechenden vorgelegten Unterlagen reichten zum Beleg der entsprechenden Behauptung nicht aus. Die Werbung wie auch die Packungsgestaltung der Widersprechenden stelle regelmäßig den Produktnamen in den Vordergrund. Die sog Dachmarke dagegen spiele lediglich die Rolle als untergeordnetes Gestaltungselement. Wegen der sprechenden Bestandteile "Bio" und "ica" (Hinweis auf Medikament oder Medikation) sei die WiM eher als kennzeichnungsschwach einzustufen. Allenfalls die zweistelligen Millionenumsätze könnten die Kennzeichnungskraft auf ein durchschnittliches Niveau heben. Eine überdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft könne unter den Umständen nicht abgeleitet werden, so daß keine höheren Anorderungen an den Abstand der Marken zu stellen seien. Daher sei die Markenstelle zutreffend davon ausgegangen, daß wegen der besonderen Aufmerksamkeit der Endverbraucher, des kennzeichnungsschwachen Wortanfangs "Bio" und der medizinisch gläufigen Endung "-ica" das Hauptaugenmerk auf den abweichenden Silben "-med-" bzw "-nor-" liege. Zudem trage der Wortteil "-medica" der angegriffenen Marke mit seinem Sinngehalt zur Unterscheidbarkeit der Marken bei.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten sowie auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
Mit der Markenstelle ist der Senat der Ansicht, daß zwischen den Marken keine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG besteht.
Da Benutzungsfragen im vorliegenden Verfahren keine Rolle spielen, ist bei den Waren von der Registerlage auszugehen. Danach können die Marken zur Kennzeichnung gleicher Waren verwendet werden, die jeweils auch rezeptfrei in der Apotheke erhältliche Arzneimittel betreffen können. Als Verkehrskreise sind Laien daher uneingeschränkt zu berücksichtigen (vgl BGH MarkenR 2002, 49 - ASTRA / ESTRA-PUREN), wobei grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen durchschnittlich informierten, verständigen und aufmerksamen Verbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH MarkenR 2002, 124 - Warsteiner II; EuGH MarkenR 231 - Philips/Remington) und der allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, eine gesteigerte Aufmerksamkeit beimisst (vgl BGH GRUR 1995, 50 - Indorektal/Indohexal).
1. Bei seiner Entscheidung geht der Senat von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit von einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus. Zwar hat die Widersprechende zur Stützung ihres Vortrags, der Widerspruchsmarke komme im Bereich der Phytopharmaka ein gesteigerter Schutzumfang zu, Unterlagen wie Verpackungsschachteln vorgelegt und Umsatzzahlen genannt. Aus diesen Unterlagen kann jedoch nicht der Schluß gezogen werden, daß der Widerspruchsmarke in Alleinstellung ein erhöhter Bekanntheitsgrad zukäme, denn die Verwendungsbeispiele zeigen die Widerspruchsmarke jeweils zusammen mit den eigentlichen Produktkennzeichnungen. Damit ist fraglich, ob die Bekanntheit eines Produktnamens wie insbesondere "Sinupret" ohne weiteres auf die Dachmarke übertragen werden kann. Erfahrungsgemäß orientieren sich die Abnehmer insbesondere auch auf dem Gebiet pharmazeutischer Produkte, anders als zB im Warenbereich der Bekleidung, meist nicht am Namen des Herstellers, sondern richten ihre Aufmerksamkeit auf die sonstigen Merkmale zeichenmäßiger Kennzeichnung (vgl BGH GRUR 1998, 815 - Nitrangin / Nitrangin Isis), denn Arzneimittelhersteller bieten üblicherweise eine Vielzahl verschiedener Produkte an, so daß nur die spezielle Produktmarke - soweit es sich nicht nur um eine Gattungsbezeichnung handelt - geeignet ist, das gewünschte Arzneimittel zu identifizieren (vgl Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 9, Rdnr 420 mwH).
Wird neben einer im oberen Bereich der Bandbreite durchschnittlicher Kennzeichnungskraft liegende Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke unterstellt und eine mögliche Warenidentität berücksichtigt, sind an den von der jüngeren Marke einzuhaltenden Abstand dementsprechend strenge Anforderungen zu stellen.
2. Die Ähnlichkeit der Marken ist nach Auffassung des Senats in keiner Richtung derart ausgeprägt, daß unter Berücksichtigung der oben genannten Kriterien die Gefahr von klanglichen Verwechslungen iSd § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu bejahen wäre.
Maßgeblich kommt es bei der Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr auf den Gesamteindruck der sich gegenüber stehenden Marken an (std Rspr., zB BGH GRUR 2004, 235 - Davidoff II; GRUR 2004, 240 - MIDAS/medAS), wobei eine zergliedernde Betrachtungsweise nicht angezeigt ist.
Zwar weisen die Marken im Wortanfang "Bio-" und in der Endung "-ica" ebenso Übereinstimmungen auf wie in der Silbenzahl und in der Wortlänge. Diese prägen den Gesamteindruck jedoch nicht entscheidend im Sinne einer markenrechtlichen Übereinstimmung. Zu berücksichtigen ist nämlich, daß die Silbe "Bio-" häufig verwendet wird. "Bio" ist ein Wortbildungselement mit der Bedeutung "das Leben betreffend" oder auch "gesund, natürlich und ohne chemische Zusätze" (vgl dazu Duden, Das Große Fremdwörterbuch). Dieser Bestandteil ist nicht nur in zahlreichen Fachwörtern enthalten, sondern erfreut sich auch im allgemeinen Sprachgebrauch einer überaus großen Beliebtheit (vgl zB Bioladen, Biogärtner, Biogemüse, Biokochbuch usw). Er wird wegen eines gesteigerten Umwelt- und Gesundheitsbewußtseins in den verschiedensten Zusammenhängen gebraucht und findet sich darüber hinaus in zahlreichen Kennzeichnungen auch auf dem vorliegenden Arzneimittelgebiet. Die entsprechende Übereinstimmung fällt daher nicht entscheidend ins Gewicht. Auch wenn der Bestandteil "Bio" bei der Beurteilung des jeweiligen Gesamteindrucks nicht völlig außer acht bleiben kann, kommt ihm kennzeichenmäßig nur eine deutlich eingeschränkte Bedeutung zu. Die angesprochenen Verkehrskreise sind bei dieser Art der Kennzeichnung nämlich daran gewöhnt, um so stärker auf die weiteren Wort-Bestandteile zu achten , wodurch die hier vorhandenen Unterschiede in den weiteren Silben
"-medica" bzw "-norica" stärker und deutlicher in den Vordergrund treten. Bei einer ungezwungenen Aussprache werden gerade die unterschiedlichen Silben klanglich hervorgehoben, so daß die Abweichungen in den Silbenanlauten und den gedehnt gesprochenen Vokalen zu einem unterschiedlichen Klangbild beitragen. Die Abweichung zwischen den Markenwörtern kann bei dieser Ausgangslage jedenfalls nicht mehr als lediglich unauffällige Abweichung in einer (unbetonten) Zwischensilbe angesehen werden. Durch die Betonung fällt als weiteres Unterscheidungskriterium zudem gerade der begriffliche Hinweis der angegriffenen Marke auf "-medica" und damit auf einen medizinischen Hintergrund auf, während sich die ältere Marke insoweit als ein Phantasiewort darstellt.
Ebenso ist in schriftbildlicher Hinsicht nicht mit Verwechslungen der Markenwörter zu rechnen. Auch insoweit bestehen hinreichende Unterschiede vor allem bei druckschriftlicher Wiedergabe, wie sie bei ärztlichen Verschreibungen zunehmend üblich wird. Aber selbst wenn die Marken handschriftlich wiedergegeben werden, sind die Abweichungen in der Wortmitte auf Grund ihrer unterschiedlichen Umrisse ausreichend deutlich erkennbar.
3. Auch sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass durch den gemeinsamen Wortanfang "Bio-" die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht würden. Bei dieser Art von Verwechslungsgefahr, die keine Alternative zur unmittelbaren Verwechslungsgefahr darstellt, sondern diese näher bestimmt, kommt es nicht auf irgend eine wie auch immer begründete gedankliche Assoziation an, sondern maßgeblich ist allein eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr (vgl EuGH GRUR 1998, 387 - Springende Raubkatze; GRUR Int. 1999, 754 - Lloyd; GRUR Int. 2000, 899 - Marca/Adidas; Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 9, Rdnr 459 ff mwN). Daß sich Übereinstimmungen in den Marken ergeben, reicht für die Annahme einer assoziativen Verwechslungsgefahr nach ständiger Rechtsprechung ebenso wenig aus wie eine rein assoziative gedankliche Verbindung beider Marken, wenn die Wahrnehmung der einen Marke Erinnerungen an die andere Marke weckt, obwohl eine Verwechslungsgefahr nicht besteht (vgl EuGH GRUR 1998, 387 - Springende Raubkatze; GRUR Int. 2000, 899 - Marca/Adidas). Dies hat der BGH in der "Zwilling/Zweibrüder"-Entscheidung (WRP 2004, 1046) im Zusammenhang mit § 14 Abs 2 und 3 MarkenG bestätigt. Danach genügt es weder, daß ein Zeichen geeignet ist, durch bloße Assoziation an ein fremdes Zeichen Aufmerksamkeit zu erwecken, noch, daß die Wahl der jüngeren Marke nicht zufällig erscheint (vgl hierzu Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 14, Rdnr 842).
4. Soweit die Widersprechende vorträgt, auf Grund des gemeinsamen Wortanfangs könnten die Verbraucher dem Irrtum unterliegen, die jeweiligen Produkte stammten von demselben Hersteller, ist das Problem einer mittelbaren Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens angesprochen. Wegen des beschreibenden Charakters ist der Wortanfang "Bio-" allerdings nicht geeignet, vom Verkehr als Stammbestandteil einer von der Widersprechenden gebildeten Markenserie aufgefasst zu werden, zumal die Widersprechende auch nicht behauptet hat, eine entsprechend gebildete Markenserie zu verwenden (vgl Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 9, Rdnr 484). Hinzu kommt, daß die fragliche Vorsilbe in zahlreichen Kennzeichnungen zur Bezeichnung von Produkten mit biologischem Hintergrund benutzt wird und auch unter diesem Aspekt nicht als Serienzeichenbestandteil mit Hinweischarakter auf einen einzigen Hersteller geeignet ist.
Auch im übrigen weisen die Marken keine solchen charakteristischen strukturellen oder sonstige Gemeinsamkeiten auf, die den Verkehr zu einer gemeinsamen berieblichen Zuordnung oder einer wirtschaftlichen oder organisatorischen Zusammengehörigkeit der unterschiedlichen Unternehmen veranlassen könnten (vgl hierzu BPatG GRUR 2002, 345 - ASTRO BOY / Astro; GRUR 2002, 438 - WISCHMAX / Max; Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. ufl., § 9, Rdnr 502 mwN).
Nach alledem konnte die Beschwerde der Widersprechenden keinen Erfolg haben.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.
Kliems Merzbach Sredl Na
BPatG:
Beschluss v. 14.10.2004
Az: 25 W (pat) 242/02
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