Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 4. April 2005
Aktenzeichen: AnwZ (B) 21/04

(BGH: Beschluss v. 04.04.2005, Az.: AnwZ (B) 21/04)

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16. Januar 2004 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Dem am 22. Februar 1936 geborenen Antragsteller wurde wegen Vermögensverfalls die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft im August 1994, bestandskräftig seit 30. Oktober 1995, entzogen; die Zulassung als Steuerberater verlor er im Juni 1996 und diejenige als Wirtschaftsprüfer im März 1997. In den Jahren 1995 bis 1999 wurde er mehrfach strafgerichtlich verurteilt. Ein im September 2000 gestellter Antrag auf Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft wurde -rechtsbeständig seit 3. März 2001 -zurückgewiesen.

Am 11. September 2002 hat der Antragsteller von neuem die Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft beantragt. Mit Bescheid vom 17. Juli 2003 hat die Antragsgegnerin den Antrag wegen Unwürdigkeit (§ 7 Nr. 5 BRAO) und fortbestehenden Vermögensverfalls (§ 7 Nr. 9 BRAO) abgelehnt. Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof mit Beschluß vom 16. Januar 2004 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.

II.

Das Rechtsmittel ist statthaft (§ 42 Abs. 1 Nr. 2 BRAO) und zulässig (§ 42 Abs. 4 BRAO). Es hat jedoch keinen Erfolg.

1. Zu Recht hat die Antragsgegnerin angenommen, daß der Antragsteller als unwürdig erscheint, den Beruf eines Rechtsanwalts auszuüben (§ 7 Nr. 5 BRAO). Daran hat sich bis heute nichts geändert.

a) Der Antragsteller ist strafrechtlich unter anderem wie folgt in Erscheinung getreten:

-Urteil des Amtsgerichts N. vom 12. Januar 1998/Landgerichts D. vom 8. Januar 2001 wegen Mißbrauchs von Titeln (unerlaubter Führung der Berufsbezeichnung "Rechtsanwalt", § 132a StGB) in zwei Fällen und veruntreuender Unterschlagung einer geleasten Computeranlage (Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu jeweils 25 DM; Tatzeit bis zum 13. Januar 1997);

-Urteil des Amtsgerichts N. vom 7. Mai 1998 wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 24 Fällen (Freiheitsstrafe von drei Monaten, auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt): Die Verurteilung beruht auf der Feststellung, daß der Antragsteller sich zum Schein als Angestellter der von einem Freund betriebenen FRG-Consulting GmbH ausgab, in Wahrheit aber selbständig als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer arbeitete, einen Angestellten, M. , beschäftigte und die für diesen an die B. Ersatzkasse abzuführenden Sozialabgaben veruntreute (Tatzeit: 1. Juni 1995 bis 31. Januar 1996 und 1. Juli bis 31. Oktober 1997);

-Urteil des Amtsgerichts D. vom 23. September 1999 (rechtskräftig seit 25. September 2000) wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 11 Fällen unter Einbeziehung der vorgenannten Bestrafung durch das Amtsgericht N. (Freiheitsstrafe von 12 Monaten und weitere Freiheitsstrafe von zehn Monaten, jeweils auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt; Tatzeit: 1. November 1997 bis 30. September 1998).

b) Strafgerichtliche Verurteilungen -namentlich solche wegen berufsbezogener Vorsatzdelikte, etwa Unterschlagung oder Untreue zu Lasten der Mandanten (BGH, Beschl. v. 25. April 1988 -AnwZ (B) 59/87, BRAK-Mitt. 1988, 271; v. 21. Juni 1999 -AnwZ (B) 79/98, NJW 1999, 3048; v. 10. Juli 2000 -AnwZ (B) 40/99, BRAK-Mitt. 2000, 306) oder der eigenen Angestellten oder das unberechtigte Führen der Berufsbezeichnung "Rechtsanwalt" (BGH, Beschl. v. 11. Dezember 1995 -AnwZ (B) 34/95, BRAK-Mitt. 1996, 73, 74) können die Annahme rechtfertigen, der Berufsbewerber sei für den Anwaltsberuf nicht tragbar. Allerdings kann das Delikt durch zwischenzeitliches Wohlverhalten und andere Umstände so sehr an Bedeutung verlieren, daß der Bewerber von dem Anwaltsberuf nicht mehr ferngehalten werden darf. Hierbei muß das berechtigte Interesse des Bewerbers an einer beruflichen und sozialen Wiedereingliederung abgewogen werden gegen das Interesse der Öffentlichkeit an der Integrität des Anwaltsstandes und der Vermeidung einer Gefährdung der Rechtsuchenden. Die Frage, wieviel Jahre zwischen einer Verfehlung, die seinerzeit die Unwürdigkeit begründete, und dem Zeitpunkt der (Wieder-)Zulassung liegen muß, läßt sich nicht allgemein beantworten. In einem vergleichbaren Fall -Verurteilung wegen Untreue in sechs Fällen zu Lasten von Mandanten zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt -hat der Senat eine Wartezeit von acht Jahren für angemessen gehalten (BGH, Beschl. v. 21. Juni 1999 -AnwZ (B) 79/98, aaO). Neben dem Zeitablauf kommt besondere Bedeutung der Frage zu, wie der Bewerber in der Zwischenzeit mit seinem Fehlverhalten umgegangen ist und ob er sich auch ansonsten tadellos geführt hat. Hat er sich zu seinem Fehlverhalten bekannt, insbesondere den angerichteten Schaden nach Möglichkeit wiedergutgemacht, und keine weiteren Verfehlungen begangen, schlägt dies positiv zu Buche. Umgekehrt wirkt sich ein Versuch, über das eigene Fehlverhalten zu täuschen, negativ aus (BGH, Beschl. v. 13. März 2000 -AnwZ (B) 30/99, BRAK-Mitt. 2000, 194; v. 10. Juli 2000 -AnwZ (B) 40/99, BRAK-Mitt. 2000, 306, 307). Dasselbe gilt, wenn neue -selbst kleinere -Verfehlungen hinzugekommen sind. Die bloße straffreie Führung nach einer Verurteilung darf nicht entscheidend zugunsten des Bewerbers berücksichtigt werden, wenn er noch unter dem Druck einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe stand (BGH, Beschl. v. 21. November 1994 -AnwZ (B) 38/94, BRAK-Mitt. 1995, 70; v.

11. Dezember 1995 -AnwZ (B) 34/95, aaO). Vielmehr muß das beanstandungsfreie Verhalten geraume Zeit nach Erlaß der Freiheitsstrafe wegen Ablaufs der Bewährungsfrist fortgesetzt worden sein (BGH, Beschl. v. 21. Juni 1999 -AnwZ (B) 79/98, aaO).

c) Der Anwaltsgerichtshof hat zu Lasten des Antragstellers berücksichtigt, daß die Straftaten, derentwegen der Antragsteller am 23. September 1999 verurteilt worden ist, teilweise nach der Verurteilung vom 7. Mai 1998 begangen worden sind. Dagegen bringt die sofortige Beschwerde nichts Durchgreifendes vor. Auch wenn der Antragsteller sich inzwischen mit der B. Ersatzkasse geeinigt und die Sozialversicherungsbeiträge weitgehend nachgezahlt sowie die Computeranlage herausgegeben hat, spricht gegen ihn, daß er in dem Lebenslauf, den er seinem Zulassungsantrag vom 11. September 2002 beigefügt hat, angegeben hat, er sei vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2000 Angestellter bei einer Steuerberatungsgesellschaft gewesen. Diese Angabe war zur Täuschung über sein früheres strafrechtlich relevantes Fehlverhalten geeignet. Da seit der letzten Straftat (vom September 1998) noch keine sieben Jahre vergangen sind und die Bewährungszeit erst im September 2003 geendet hat, kann der Antragsteller noch nicht zum Anwaltsberuf zugelassen werden. Es bleibt ihm unbenommen, nach Ablauf eines weiteren Jahres einen neuen Antrag zu stellen.

2. Hinzu kommt, daß die Vermögensverhältnisse des Antragstellers, der einräumt, sich früher in Vermögensverfall befunden zu haben, derzeit noch nicht als so geordnet erscheinen, daß der Versagungsgrund des § 7 Nr. 9 BRAO ausschiede.

Nach den eigenen Angaben des Antragstellers hat er noch fällige Verbindlichkeiten in Höhe von (mindestens) 76.270,17 €. Daß er diese geordnet zurückführt, ist nicht feststellbar. Unter Übernahme der laufenden Nummern in der letzten Aufstellung der Antragsgegnerin zum 17. November 2004 ist beispielsweise folgendes zu bemerken:

-Nr. 20: Die Forderung der "Stolco" (18.000 €) bezieht sich auf eine Sache 8 O 450/94 LG D. ; die von dem Antragsteller vorgelegte Quittung bezieht sich auf eine Sache 8 O 7/95 LG D. ; das von dem Antragsteller geltend gemachte Versehen der Gläubigerin ist nicht belegt;

-Nr. 29: Die Schuld bei der Sch. Bank Wien (Vergleichsbetrag 8.250 €) ist entgegen den Angaben des Antragstellers [GA 305, 325] nicht "geregelt"; der Vergleich wurde unter der Bedingung abgeschlossen, daß der Antragsteller den Vergleichsbetrag bis 30. Juni 2004 zahlt; diese Frist wurde später bis zum 31. Dezember 2004 verlängert; die Forderung wurde, wie der Antragsteller eingeräumt hat, bis heute nicht bezahlt;

-Nr. 34: Der Antragsteller wollte gemäß seiner Ankündigung im Schriftsatz vom 20. September 2004 die Verbindlichkeit gegenüber der Stadtsparkasse D. (35.000 €) bis Mitte Oktober 2004 getilgt haben; bisher ist nichts bezahlt; aus dem Schreiben der Stadtsparkasse ergibt sich bislang lediglich ein bedingter Vollstreckungsaufschub.

Der Anwaltsgerichtshof hat somit auch insoweit zutreffend entschieden.

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BGH:
Beschluss v. 04.04.2005
Az: AnwZ (B) 21/04


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