Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. März 2006
Aktenzeichen: 23 W (pat) 3/04
(BPatG: Beschluss v. 21.03.2006, Az.: 23 W (pat) 3/04)
Tenor
Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.
Gründe
I Die vorliegende Patentanmeldung 101 56 468.6-33 ist unter der Bezeichnung "Halbleiterbauelement und Verfahren zum Kontaktieren eines solchen Halbleiterbauelements" am 16. November 2001 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht worden.
Mit Beschluss vom 24. Oktober 2003 hat die Prüfungsstelle für Klasse H 01 L des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung zurückgewiesen. Sie hat ihre Entscheidung damit begründet, dass der Gegenstand nach dem damals geltenden Patentanspruch 1 im Hinblick auf den Stand der Technik nach den Druckschriften DE 695 13 680 T2 und J.P. Stengl/J.Tihanyi: "Leistungs-MOS-FET-Praxis", Pflaum-Verlag München, 2. Auflage, 1992, Seiten 33, 34 und 37 bis 39, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Gegen den vorgenannten Zurückweisungsbeschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. In der mündlichen Verhandlung verfolgt sie ihr Schutzbegehren mit den am 13. März 2006 - als Hilfsantrag - eingereichten geänderten Patentansprüchen 1 und 2 weiter und vertritt die Auffassung, dass der Gegenstand des neugefassten Patentanspruchs 1 durch den nach gewiesenen Stand der Technik, einschließlich der vom Senat genannten US-Patentschriften 5 666 009 und 6 111 297, nicht patenthindernd getroffen sei.
Die Anmelderin beantragt, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 01 L des Deutschen Patent- und Markenamts vom 24. Oktober 2003 aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 und 2, eingegangen am 13. März 2006, anzupassende ursprüngliche Beschreibung, 2 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 3, gemäß Offenlegungsschrift.
Der geltende Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"Halbleiterbauelementmit einer rechteckigen Außenkontur und äußeren Begrenzungskanten (4); mehreren regelmäßig entlang einer Wiederholungsrichtung angeordneten aktiven Zellen (1), die streifenförmig ausgebildet sind und jeweils eine zu ihrer längeren Seite parallele Hauptbegrenzungslinie (8) aufweisen; und mindestens einer rechteckig ausgebildeten Bondfläche (14, 16), auf der zumindest ein Bonddraht (18, 20) durch Bonden mit einem in einer Hauptschwingungsrichtung (22, 24) schwingenden Bondwerkzeug befestigbar ist; wobei mindestens eine Bondfläche (14,1 6) über mehreren streifenförmigen aktiven Zellen (1) und mit ihrer längeren Rechteckseite parallel zur Hauptbegrenzungslinie (8) angeordnet ist."
Wegen des geltenden Unteranspruchs 2 sowie weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist nicht begründet, denn der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 erweist sich nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung als nicht patentfähig.
1.) Die vorliegende Patentanmeldung betrifft das Problem, dass beim sog. Ultraschall- oder "wedge"-Bonding auf Bondflächen, die über aktiven Zellen des zu kontaktierenden Halbleiterbauelements angeordnet sind ("bonding on active area"), durch den in Bondrichtung ("Hauptschwingungsrichtung") schwingenden Schwingkopf des Bondwerkzeugs die Einbringung mechanischer Energie während des Bondvorgangs zu einer Schädigung des Halbleiterbauelements führen kann (Abschnitte [0002] bis [0004] und [0008] der Anmeldungs-Offenlegungsschrift).
Die dem Anmeldungsgegenstand zugrunde liegende Aufgabe liegt daher darin, ein Halbleiterbauelement dahingehend zu optimieren, dass Belastungen des Halbleiterbauelements während des Bondvorganges minimiert werden (Abschnitt [0006]).
Diese Aufgabe soll durch die im geltenden Anspruch 1 genannten Merkmale gelöst werden.
Die erfindungsgemäße Lösung basiert auf der Erkenntnis der Anmelderin, dass bei Halbleiterbauelementen mit streifenförmigen aktiven Zellen (Streifenzellen) die Gefahr der Schädigung der aktiven Zellen beim Bonden am größten ist, wenn die Hauptschwingungsrichtung (Bondrichtung) senkrecht bzw. quer zur Längserstreckung der Streifenzellen verläuft (Abschnitt [0008] Zeilen 53 bis 59), wohingegen die Schädigung bei einer Bondrichtung (Doppelpfeil 22) parallel zur Längserstreckung (Doppelpfeil 6) der Streifenzellen (1) minimiert ist (siehe die Ausführungsform gemäß Fig. 1, linkes Beispiel).
Dieses Lösungsprinzip kommt jedoch im geltenden Patentanspruch 1, wie auch die Anmelderin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, insofern noch nicht hinreichend zum Ausdruck, weil für die Minimierung der mechanischen Belastung während des Bondvorgangs und damit zur Problemlösung nicht - wie im Anspruch 1 angegeben - die Ausrichtung der rechteckigen Bondfläche, sondern die Bondrichtung parallel zur Längserstreckung der Streifenzellen entscheidend ist. Diese Vorzugs-Bondrichtung ergibt sich aus der im geltenden Anspruch 1 angegebenen Ausrichtung der längeren Rechteckseite der Bondfläche parallel zur Hauptbegrenzungslinie der Streifenzellen ersichtlich nur für die spezielle Ausführungsform gemäß Fig. 1, bei der die Bondrichtung parallel zur längeren Rechteckseite der Bondfläche verläuft.
2.) Die Zulässigkeit des geltenden Anspruchs 1 kann dahinstehen, weil der Gegenstand des wie vorstehend auszulegenden Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik nach der US-Patentschrift 6 111 297 nicht neu ist.
Dem zuständigen Fachmann, der hier als ein mit dem Aufbau, der Herstellung und der Kontaktierung von Halbleiterbauelementen, insbesondere Leistungshalbeiterbauelementen vertrauter, berufserfahrener Diplom-Physiker oder Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik/Halbleitertechnik mit Universitätsausbildung zu definieren ist, offenbart die US-Patentschrift 6 111 297 ein Halbleiterbauelement mit sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1.
So ist aus dieser Entgegenhaltung ein Halbleiterbauelement, nämlich ein Leistungs-VDMOS oder IGBT bekannt (Spalte 1 Zeilen 9 bis 13), mit einer rechteckigen Außenkontur und äußeren Begrenzungskanten (chip 1 - siehe Fig. 1); mit mehreren regelmäßig entlang einer Wiederholungsrichtung angeordneten aktiven Zellen, die streifenförmig ausgebildet sind und jeweils eine zu ihrer längeren Seite parallele Hauptbegrenzungslinie aufweisen ("active" stripes 11 containing the N+- source stripes 15 - Fig. 3, 8 und 17 mit zugehöriger Beschreibung); mit mindestens einer Bondfläche (source bonding pad area 6 for the source lead - Fig. 1 i. V. m. Spalte 2 Abs. 3), auf der zumindest ein Bonddraht (nicht dargestellt) durch Bonden mit einem in einer Hauptschwingungsrichtung schwingenden Bondwerkzeug befestigbar ist (fachnotorische Maßnahme beim Bonden eines Leistungshalbleiterbauelements); wobei mindestens eine Bondfläche (6) über mehreren streifenförmigen aktiven Zellen (11, 15) angeordnet ist (Fig. 3 und 8 mit zugehöriger Beschreibung i. V. m. Spalte 2 Zeilen 10 bis 24).
Zwar ist dieser Druckschrift die Bondrichtung zum Bonden auf der Bondfläche (6) nicht explizit zu entnehmen. Die Vorzugs-Bondrichtung parallel zur Längserstreckung der Streifenzellen ergibt sich jedoch vorliegend für den Fachmann ohne Weiteres aus dem Erfordernis der bei Leistungshalbleiterbauelementen (IGBT) notwendigen kürzestmöglichen, geradlinigen Bondverbindung zur stromführenden Hauptelektrode (source metal plate 5, bonding source pad 6), die ersichtlich (siehe Fig. 1) parallel zur kürzeren Rechteckseite des Halbleiterbauelements (1) und damit parallel zu den Streifenzellen verläuft, so dass sie in Gedanken gleich "mitgelesen" wird (BGH GRUR 1995, 330 Ls. 2 - "Elektrische Steckverbindung"). Die rechteckige Ausbildung der Bondfläche durch entsprechende Ausbildung des Fensters in der Passivierungsschicht (26 - vgl. Spalte 6 letzter Absatz) auf der Oberfläche des Halbleiterbauelements (1) ist die fachnotorisch übliche Ausgestaltung, wobei sich die längere Rechteckseite - entsprechend dem Gate-Bondpad (2 - Fig. 1) - ebenfalls parallel zu den Streifenzellen erstreckt.
Damit sind mit dem bekannten Halbleiterbauelement sämtliche Merkmale des geltenden Patentanspruchs 1 erfüllt.
Die von der Anmelderin geltend gemachten zusätzlichen Wirkungen hinsichtlich der Minimierung der auf die Streifenzellen ausgeübten mechanischen Kräfte während des Bondens stellen sich bei dieser Geometrie des bekannten Halbleiterbauelements zwangsläufig von selbst ein. Das Feststellen einer neuen Wirkung eines bekannten Gegenstandes kann aber nach ständiger Rechtsprechung die Neuheit nicht begründen (BGH GRUR 1998, 899, 900 re. Sp. Abschnitt II.C.2 - "Alpinski"; Busse, PatG, 6. Auflage, § 3 Rdn. 159, 160 m. w. Nachw.; siehe auch Rogge in GRUR 1996, 931, 940 re. Sp. Abs. 2).
Das Halbleiterbauelement gemäß Patentanspruch 1 ist daher mangels Neuheit nicht patentfähig.
3.) Mit dem Patentanspruch 1 fällt - aufgrund der Antragsbindung (BGH GRUR 1997, 120 Ls., 122 - "Elektrisches Speicherheizgerät" m. w. Nachw.) - notwendigerweise auch der darauf rückbezogene geltende Unteranspruch 2.
Bei der dargelegten Sachlage war die Beschwerde der Anmelderin zurückzuweisen.
BPatG:
Beschluss v. 21.03.2006
Az: 23 W (pat) 3/04
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