Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. November 2009
Aktenzeichen: 20 W (pat) 301/09

(BPatG: Beschluss v. 30.11.2009, Az.: 20 W (pat) 301/09)

Tenor

Der Einspruch gegen das Patent 197 38 453 wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

Gegen das Patent 197 38 453 mit der Bezeichnung "Inverterstromquelle", dessen Erteilung am 31. Oktober 2002 im Patentblatt veröffentlicht wurde, hat die L... GmbH am 30. Januar 2003 Einspruch eingelegt.

Das Patent umfasst insgesamt 7 Patentansprüche.

Der Patentanspruch 1 lautet mit einer hinzugefügten Merkmalsgliederung:

"M1 Inverterstromquelle für das Lichtbogenschweißen mit Wechseloder Gleichstrom, M2 bei der die aus einer netzgespeisten Gleichspannungsquelle (1) bereitgestellte Spannung durch elektronische Schalter eines Primärinverters (2) in eine Wechselspannung mit Frequenzen meist über dem Hörbereich umgewandelt wird, um sie einem Transformator (3) zuzuführen, M3 wobei der Transformator (3) auf seiner Sekundärseite eine Wicklung mit Mittelanzapfung bzw. zwei in Reihe geschaltete Sekundärwicklungen hat, M4 wobei die Mittelanzapfung (M) direkt oder mittelbar mit einem ersten Pol (18) des Schweißprozesses (20) verbunden ist, und M5 wobei auf der Sekundärseite dieses Transformators (3)

ein mit diesem verbundener Gleichrichter (4) zwei Ausgangsklemmen besitzt und zwar einen positiven Pol (12)

und einen negativen Pol (13) bezogen auf die Mittelanzapfung (M) des Transformators (3) und M6 wobei sowohl vom positiven Pol (12) als auch vom negativen Pol (13) je ein elektronischer Leistungsschalter (8 bzw. 9) zu einem gemeinsamen Ausgangsanschluss (K)

vorhanden ist, der direkt oder über eine Glättungsdrossel (21) zum zweiten Pol (19) des Schweißprozesses (20)

führt und M7 wobei über jedem dieser beiden elektronischen Leistungsschalter (8) bzw. (9) je eine Freilaufdiode (10) bzw. (11)

angeordnet ist und M8 wobei die elektronischen Leistungsschalter (8) und (9)

alternierend in einer nicht überlappenden Weise eingeschaltet werden, gekennzeichnet durch die Kombination folgender Merkmale, M9 dass direkt zwischen dem positiven Pol (12) und demnegativen Pol (13) des Gleichrichters (4) ein Kondensator (7) angeschlossen ist, M10 dass zwischen dem positiven Pol (12) und dem negativen Pol (13) ein Spannungsbegrenzer (6) eingefügt ist und M11 dass zwischen dem positiven Pol (12) und dem negativen Pol (13) und dem ersten Pol (18) des Schweißprozesses (20) eine Koppelschaltung (14) angeschlossen ist, M12 die einen zweiten Kondensator (15) und einen in Reihe geschalteten dritten Kondensator (16) enthält, die zwischen dem positiven Pol (12) und dem negativen Pol (13) eingeschaltet sind und M13 wobei der Verbindungspunkt des zweiten Kondensators (15) mit dem dritten Kondensator (16) durch ein zweipoliges Koppelelement (17) mit dem ersten Pol (18) des Schweißprozesses (20) verbunden ist, M14 wobei das zweipolige Koppelelement (17) aus einem Widerstand oder aus einer Drossel oder aus einer Serienschaltung von beiden besteht."

Wegen der erteilten abhängigen Patentansprüche 2 bis 7 wird auf die Patentschrift verwiesen.

Die Einsprechende macht als Widerrufsgrund mangelnde Patentfähigkeit geltend und stützt ihren Einspruch auf die Druckschrift D1 US 4,876,433 Die Einsprechende ist, wie mit anwaltlichem Schriftsatz vom 19. Oktober 2009 (Bl. 54 d.GA.) angekündigt, nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen.

Die Einsprechende hatte mit Schriftsatz vom 30. Januar 2003 (Bl. 13 d.GA), beantragt, das Patent 197 38 453 zu widerrufen.

Der Patentinhaber beantragt, den Einspruch als unzulässig zu verwerfen;

hilfsweise: das Patent 197 38 453 aufrechtzuerhalten.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Der Einspruch ist unzulässig.

Der Einspruch wurde zwar formgerecht und rechtzeitig erhoben (§ 59 Abs. 1, Satz 1 und 2 PatG), er nennt auch den einen Widerruf des Patents rechtfertigenden Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit als einen der Widerrufsgründe des § 21 PatG (§ 59 Abs. 1 Satz 3 PatG). Den weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen wird der Einspruch jedoch nicht gerecht.

Nach § 59 Abs. 1 Satz 2 PatG ist der Einspruch gegen ein Patent zu begründen. Nach Satz 4 dieser Vorschrift sind die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, im Einzelnen anzugeben. Darunter ist die Gesamtheit der Tatsachen zu verstehen, aus denen die von dem Einsprechenden begehrte Rechtsfolge, nämlich der Widerruf des Patents, hergeleitet wird. Die Tatsachenangaben müssen sich auf einen der in § 21 PatG genannten Widerrufsgründe beziehen, da der Einspruch nur auf die Behauptung gestützt werden kann, dass einer dieser Gründe vorliege (BGH, Beschluss vom 26. Mai 1988 -X ZB 10/87, BlPMZ 1988, 289 -Messdatenregistrierung, m. w. N.). Dabei ist es keineswegs in das Belieben des Einsprechenden gestellt, was und in welchem Umfang er zur Stützung seines Einspruchsbegehrens vorträgt.

Im Hinblick auf die Merkmale M1 bis M8 des Patentanspruchs 1 (Oberbegriff) erschöpft sich der innerhalb der Einspruchsfrist erfolgte Vortrag in der Angabe:

"Die Merkmale des Oberbegriffs des Hauptanspruchs des angegriffenen Patents werden vollständig in Fig. 10 der US 4,876,433 dargestellt, wenn berücksichtigt wird, dass auf der Primärseite des Transformators (4) gemäß Fig. 1 der US 4,876,433 ein Inverter und ein Gleichrichter angeordnet sind, der einen aus einem Stromnetz zugeleiteten Wechselstrom in einen Gleichstrom überführt und dementsprechend eine Gleichstromquelle bildet." (Bl. 3 des Einspruchsschriftsatzes)

Der vorstehende pauschale Hinweis der Einsprechenden auf die Figuren 10 und 1 der Druckschrift D1 genügt nicht dem Erfordernis der Angabe der Tatsachen im Einzelnen, die den Einspruch rechtfertigen. Denn die Einsprechende hat es damit nicht nur versäumt konkret darzulegen, welche der in den Figuren 10 und 1 dargestellten Schaltungskomponenten sie durch die Merkmale des Oberbegriffs abgedeckt sieht, sie hat auch nicht aufgezeigt, welche der dortigen Schaltungskomponenten in Funktionsäquivalenz zu den im Oberbegriff enthaltenen Schaltungskomponenten zu sehen sind. So hat sie vor allem keinerlei Angaben darüber gemacht, durch welche Schaltungsmaßnahmen oder durch welche Textstellen in der D1 die elektronischen Leistungsschalter alternierend in einer nicht überlappenden Weise eingeschaltet werden (Merkmal M8).

Das Bundespatentgericht hat zwar in Ausnahmefällen eine pauschale Bezugnahme auf die dem Oberbegriff zugrunde liegende Vorveröffentlichung zugelassen, wenn ein kurzer Oberbegriff nicht weiter diskussionswürdigen "herkömmlichen" Stand der Technik betraf und die erfindungswesentlichen Merkmale im kennzeichnenden Teil des Anspruchs zu finden waren (BPatG, Beschluss vom 18. Dezember 1996 -19 W (pat) 28/95, abrufbar unter www.juris.de), insbesondere wenn sich der Zusammenhang aus einer kurzen Textstelle für den sachkundigen Leser von selbst ergäbe und sich als Beleg für den behaupteten Einspruchsgrund geradezu aufdränge (BGH, GRUR 1972, 592, 594 -Sortiergerät).

Ein solcher Fall, übertragen auf die pauschale Bezugnahme auf Figuren, liegt aber hier, angesichts von acht umfangreichen Merkmalen (M1 bis M8) und einer sich daraus ergebenden, auch für den Fachmann, einen Diplomingenieur der elektrischen Impulstechnik mit Kenntnissen auf dem Gebiet der Entwicklung und dem schaltungstechnischen Aufbau von Elektroschweißgeräten, relativ komplexen Schaltungsanordnung, nicht vor.

Die Einsprechende hätte daher die technische Lehre, die der Fachmann der Druckschrift D1 entnimmt, im Einzelnen angeben und in Beziehung zu allen Merkmalen des Patentanspruchs 1 setzen müssen. Allein aus dem pauschalen Verweis auf die Figuren 10 und 1 der Druckschrift D1 erschließt sich dem Patentinhaber und dem Senat nicht, welche konkreten Schaltungsdetails in der Druckschrift D1 die Einsprechende in Bezug auf den Patentgegenstand für relevant hält. Die Einsprechende überlässt es vielmehr dem Patentinhaber und dem Senat, selbst Untersuchungen dazu anzustellen, ob und inwieweit die Merkmale M1 bis M8 aus der Druckschrift D1 bekannt sind.

Die Begründung des Einspruchs genügt damit nicht den gesetzlichen Anforderungen, da sie die für die Beurteilung der behaupteten Widerrufsgründe maßgeblichen Umstände nicht so vollständig darlegt, dass der Patentinhaber und insbesondere der Senat daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ziehen können (vgl. einmal mehr BGH BlPMZ 1988, 289 -Messdatenregistrierung).

Der Einspruch erweist sich nach alledem als unzulässig.

Dr. Mayer Dr. Hartung Werner Gottstein Pr






BPatG:
Beschluss v. 30.11.2009
Az: 20 W (pat) 301/09


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