Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. März 2005
Aktenzeichen: 9 W (pat) 363/03

(BPatG: Beschluss v. 08.03.2005, Az.: 9 W (pat) 363/03)

Tenor

Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

- Patentansprüche 1 bis 9, eingegangen am 03. Dezember 2004, mit redaktionellen Korrekturen offensichtlicher Unrichtigkeiten in Patentanspruch 2 (Änderung des Bezugszeichens 12a in 11a (Zeile 25) und des Bezugszeichens 11a in 12a (Zeile 30)),

- Beschreibung Seiten 1 bis 9, eingegangen am 03. Dezember 2004, mit redaktionellen Korrekturen offensichtlicher Unrichtigkeiten (Seite 1: Änderung von "hinteres" in "hinteren" (Zeile 28); Seite 2: Änderung von "Fahrzeug" in "Fahrzeugs" (Zeile 26); Seite 4: Änderung von "umfassend" in "umfassen" (Zeile 6),

- Zeichnungen Figuren 1-7 wie erteilt.

Gründe

I.

Gegen das am 18.April 2001 angemeldete und am 27.März 2003 veröffentlichte Patent mit der Bezeichnung

"Klappverdeck für ein Cabriolet-Fahrzeug"

ist von der D... GmbH Einspruch erhoben worden.

Die Einsprechende weist zur Begründung ihres Einspruchs auf die Druckschrift EP 1 092 579 A1 hin und meint, der Gegenstand nach dem erteilten Patentanspruch 1 sei gegenüber diesem Stand der Technik nicht neu. Auch die erteilten Patentansprüche 2,3,4,6,7 und 8 seien demgegenüber mangels Neuheit ihrer Gegenstände nicht patentfähig. Die Ausgestaltungen nach den Ansprüchen 3,4,6,7 und 8 seien überdies selbstverständlich. Die in Anspruch 5 angegebene Kopplung betreffe nur das hintere und nicht das vordere Viergelenk, weil dieses aus mechanischen Gesichtspunkten ausscheide.

Die Einsprechende beantragt sinngemäß, das Patent im Umfang des erteilten Patentanspruchs 1 sowie der erteilten Patentansprüche 3,4,6,7 und 8, soweit sich diese nicht auf die Patentansprüche 2 oder 5 beziehen, zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt sinngemäß, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:

- Patentansprüche 1 bis 9,

- Beschreibung Seiten 1 bis 9, jeweils mit Schriftsatz vom 02. Dezember 2004 eingegangenam 03. Dezember 2004, Figuren 1 bis 7 gemäß Patentschrift DE 101 19 069 C2.

Sie ist der Meinung, der mit den mit Schriftsatz vom 01. Dezember 2003 eingereichten und auf die Zwischenverfügung des Berichterstatters des Senats vom 04. November 2004 nochmals geänderten Patentansprüchen beschränkte Patentgegenstand sei gegenüber dem in Betracht gezogenen Stand der Technik, insbesondere auch gegenüber der dem Einspruch zugrundegelegten EP 1 092 579 A1 patentfähig.

Hilfsweise beantragt sie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, falls ihrem Sachantrag nicht ohne weiteres entsprochen werden kann.

Zu dem beschränkten Patentgegenstand der Patentinhaberin hat die Einsprechende in der Sache nicht mehr Stellung genommen. Mit Schriftsatz vom 01.September 2004 hat sie vielmehr um beschleunigte Entscheidung im schriftlichen Verfahren gebeten.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

" Klappverdeck für ein Cabriolet-Fahrzeug, umfassendein vorderes Dachteil (1), ein mittleres Dachteil (2) undein hinteres Dachteil (3), wobei das vordere Dachteil (1), das mittlere Dachteil (2) und das hintere Dachteil (3) gleichsinnig übereinander verlagerbar sind, wobei das vordere Dachteil (1), das mittlere Dachteil (2) und das hintere Dachteil (3) gemeinsam in eine Ablageposition in einem Heckbereich des Cabriolet-Fahrzeugs verschwenkbar sind, wobei an zumindest einem der Dachteile (1,2,3) eine Linearführung (2a,3b) vorgesehen ist, wobei ein Viergelenk (11,12) mit seiner Basis (11d,12d) entlang der Linearführung (2a,3b) beweglich aufgenommen ist und die Koppel (11a,12a) des Viergelenks mit einem anderen der Dachteile (1,2,3) verbunden ist, undwobei das mittlere Dachteil (2) in der Ablageposition unter dem hinteren Dachteil (3) zu liegen kommt."

Rückbezogene Patentansprüche 2 bis 9 sind dem Patentanspruch 1 nachgeordnet.

Im Prüfungsverfahren waren über die von der Einsprechenden genannte Entgegenhaltung hinaus noch folgende Druckschriften in Betracht gezogen worden:

- DE 39 03 358 A1

- DE 197 14 128 C2

- DE 196 42 152 A1

- DE 198 05 477 C1 II.

Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts ist durch PatG § 147 Abs.3 Satz 1 begründet.

Der Einspruch ist zulässig. Er hat im Rahmen der Beschlussformel Erfolg.

1. Die geltenden Patentansprüche 1 bis 9 sind zulässig.

Das Patentbegehren ist der Patentschrift zu entnehmen und in den ursprünglichen Unterlagen offenbart.

Der geltende Patentanspruch 1 ergibt sich aus dem erteilten Patentanspruch 1 unter Hinzunahme von Angaben aus der Beschreibung der Patentschrift (Spalte 4, Zeilen 38-42). Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ergibt sich auch aus dem ursprünglichen Anspruch 1 iVm mit der ursprünglichen Beschreibung (Seite 7, Zeilen 15-18).

Die geltenden Patentansprüche 2 bis 9 stimmen mit den erteilten und ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 9 überein.

2. Das Patent betrifft ein Klappverdeck für ein Cabriolet-Fahrzeug, umfassend ein vorderes, ein mittleres und ein hinteres Dachteil. In der geltenden Beschreibungseinleitung ist sinngemäß ausgeführt, dass sich bei bekannten Klappverdecken häufig Nachteile hinsichtlich des Raumbedarfs des abgelegten Verdecks oder hinsichtlich der Komplexität, der Störanfälligkeit und der Kosten der für die Bewegungsabläufe der Dachteile notwendigen Mechanik ergeben.

Das dem Patent zugrundeliegende und mit der Aufgabe formulierte technische Problem besteht daher darin, ein Klappverdeck für ein Cabriolet-Fahrzeug zu schaffen, bei dem mit einfachen Mitteln eine flexible Öffnung des Verdecks ermöglicht wird und das in einem geöffneten und abgelegten Verdeckzustand möglichst wenig Raum in einem Heckbereich des Fahrzeugs beansprucht.

Dieses Problem wird durch das Klappverdeck mit den im geltenden Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen gelöst.

3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist patentfähig.

a) Das ohne Zweifel gewerblich anwendbare Klappverdeck nach dem geltenden Patentanspruch 1 ist neu.

Weder die von der Einsprechenden zur Begründung ihres Einspruchs genannte EP 1 092 579 A1 noch die im Prüfungsverfahren genannten Druckschriften (s.o.) zeigen ein Klappverdeck mit allen im geltenden Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen. Insbesondere ist aus diesen Druckschriften kein Klappverdeck mit drei klappbaren Dachteilen und einem in einer an einem Dachteil angeordneten Linearführung beweglichen Viergelenk zur Verbindung dieses Dachteils mit einem anderen der Dachteile bekannt, wobei das mittlere Dachteil in der Ablageposition unter dem hinteren Dachteil zu liegen kommt.

b) Die Lehre nach dem Patentanspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Als Durchschnittsfachmann nimmt der Senat einen Konstrukteur der Fachrichtung Maschinenbau an, der bei einem Kfz-Hersteller/Zulieferer mit der Konstruktion von Klappverdecken befasst ist und über mehrjährige Berufserfahrung verfügt.

Die EP 1 092 579 A1 ist erst am Anmeldetag des Streitpatentes veröffentlicht. Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit hat diese Druckschrift deshalb außer Betracht zu bleiben (PatG § 4 Satz 2).

Ein Klappverdeck der streitpatentgemäßen Art mit einem vorderen, einem mittleren und einem hinteren Dachteil ist aus der DE 196 42 152 A1 bekannt. Dabei sind das vordere, das mittlere und das hintere Dachteil 2, 3, 4 gleichsinnig übereinander verlagerbar und gemeinsam in eine Ablageposition 6 in einem Heckbereich (Figuren 4-7) des Fahrzeugs verschwenkbar. Zu ihrer Stellbewegung sind die Dachteile durch Viergelenke gekoppelt (Spalte 3, Zeilen 38-43; Ansprüche 8, 9). Das mittlere Dachteil kommt in der Ablageposition unter dem hinteren Dachteil zu liegen. Insoweit stimmt die Ausgestaltung des Klappverdecks nach dem geltenden Patentanspruch 1 mit diesem bekannten Fahrzeugdach überein.

Die Viergelenke bei diesem vorbekannten Dach sind durch Winkelhebel gebildet, wobei jedes Viergelenk aus paarweise zusammenwirkenden Winkelhebeln 25/27, 30, 31 (Spalte 3, Zeilen 38-43) gebildet ist. Die beiden Viergelenke sind miteinander durch eine in Längsrichtung des mittleren Dachteiles verlaufende Schwingstange 29 verbunden (Spalte 3, Zeilen 24-37), wobei jeweils ein Winkelhebel 27, 30 jedes Viergelenkes mit seinem einen Ende an der Schwingstange angelenkt ist.

Diese vorbekannte Ausgestaltung löst bereits für sich die dem Fachmann gestellte Aufgabe im Hinblick auf konstruktive Einfachheit und raumsparende Ablage (DE 196 42 152 A1, Spalte 1, Zeilen 19-26). Will der Fachmann ein Klappverdeck dieser Art zusätzlich im Hinblick auf eine flexibel einstellbare Öffnung des Daches verbessern (vgl. streitpatentgemäße Aufgabe), so mag er Veranlassung haben, die den Antrieb der einzelnen Dachteile bewirkende Stellkonstruktion weiterzubilden. Im Zusammenhang mit der von ihm angestrebten flexiblen Öffnung des Verdecks wird er Klappverdecke in Betracht ziehen, bei denen mehrere Antriebe zur gegebenenfalls unabhängigen Verstellung der Dachteile vorgesehen sind.

Ein solches Klappdach ist aus der DE 39 03 358 A1 bekannt. Hierbei ist über einen Linearantrieb 11 ein vorderes Dachteil 1 für sich in eine Öffnungs- und Schließstellung bewegbar (Spalte 3, Zeilen 26-51), und das gesamte Dach 1, 2 einschließlich der C-Säulen 5 kann durch einen weiteren Antrieb 9 zusammengeklappt und im Heckbereich des Fahrzeugs abgelegt werden (Spalte 3, Zeile 63 bis Spalte 4, Zeile 42). Die Stellkonstruktion für das vordere, separat verstellbare Dachteil besteht aus dem Linearantrieb und über in Längsführungen 13, 14 geführten Stellhebeln 15. Dabei greifen am obenliegenden Dachsegment 1 gelenkig angebrachte Stellhebel 15 verschiebbar und schwenkbar in an der Oberseite des untenliegenden Dachsegmentes 2 angeordnete Längsführungen 13 und am untenliegenden Dachsegment 2 angebrachte weitere Stellhebel 15 verschiebbar und schwenkbar in an der Unterseite des obenliegenden Dachsegmentes 1 angeordnete Längsführungen 14 ein.

Der Fachmann entnimmt hieraus die Lehre, jeweils einem Dachteil zugeordnete Stellhebel in am benachbarten Dachteil angeordneten Linearführungen verschiebbar zu führen. Überträgt der Fachmann diese Lehre auf ein Fahrzeugdach nach Art der DE 196 42 152 A1, so mag er die Dachteile mit Längsführungen versehen und die Winkelhebelpaare 25/27, 30/31 durch in diesen verschiebbare Stellhebel ersetzen. Bei dem Klappverdeck nach dem geltenden Patentanspruch 1 ist aber darüber hinaus das einem solchen Stellhebel entsprechende Verbindungselement als Viergelenk mit in der Längsführung geführter Basis ausgebildet und das angelenkte Dachteil an der Koppel des Viergelenks befestigt. Zu einer solchen Ausgestaltung erhält der Fachmann bei dieser Verknüpfung des aus der DE 196 42 152 A1 und der DE 39 03 358 A1 Bekannten keine Anregung.

Auch die beiden weiteren Druckschriften DE 197 14 128 C2 und DE 198 05 477 C1 können dazu keine Anregung geben, da dort die Dachteile ausschließlich durch Schwenkbewegungen relativ zueinander verstellt werden. Ein Gegeneinander-Verschieben in Längsführungen ist nicht vorgesehen.

Aus alledem folgt, dass auch eine beliebig geartete Zusammenschau des in Betracht gezogenen Standes der Technik den Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 nicht nahezulegen vermag.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist demnach patentfähig.

4. Die Unteransprüche 2 bis 9 mögen Merkmale enthalten, die für sich gesehen bekannte Konstruktionsvarianten kennzeichnen. In der beanspruchten Kombination und Rückbeziehung auf das Klappverdeck nach Patentanspruch 1 werden die Gegenstände dieser Patentansprüche von dessen Patentfähigkeit mitgetragen.

Die Patentansprüche 3, 4, 6 bis 8 enthalten keine Selbstverständlichkeiten.

Die in Patentanspruch 3 gekennzeichnete Anlenkung des mittleren Dachteiles an Hauptlenkern ist insofern nicht selbstverständlich, als durchaus abweichende Konstruktionen möglich sind. Dies wird bestätigt durch den Stand der Technik z.B. nach der DE 196 42 152 A1, wonach die Hauptlenker anstatt am mittleren am hinteren Dachteil angelenkt sind.

Die Anlenkung der Hauptlenker an einer Hauptantriebsvorrichtung (Patentanspruch 4) ist ebenfalls nicht selbstverständlich. Z.B. könnte ein Dachteil unmittelbar an der Antriebsvorrichtung angelenkt sein.

Auch der Linearantrieb nach Patentanspruch 6 stellt eine spezielle Ausgestaltung des Klappverdeckes nach Patentanspruch 1 dar, weil zur Erzeugung der linearen Bewegung weder ein Linearantrieb vorgesehen noch dieser am Viergelenk angebracht sein muss.

Die Patentansprüche 7 und 8 kennzeichnen aus einer Mehrzahl möglicher Konstruktionsvarianten konkrete Gestaltungen des Linearantriebes nach Patentanspruch 6. Auch sie sind daher nicht selbstverständlich.

Auch die Gegenstände der übrigen Unteransprüche betreffen vorteilhafte Weiterbildungen des Klappverdecks nach Patentanspruch 1 und stellen ebenfalls keine Selbstverständlichkeiten dar.

Schließlich kann entgegen der Auffassung der Einsprechenden die in Anspruch 5 gekennzeichnete Kopplung auch für das erste Viergelenk gelten, was durch entsprechende geometrische Abstimmung der Lenker und Hebel erreichbar ist. Im übrigen ist das erste Viergelenk ohnehin - mittelbar über das mittlere Dachteil - mit den Hauptlenkern verbunden.

5. Zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung bestand kein Anlass, da dem Sachantrag der Patentinhaberin stattgegeben wird und die Einsprechende um beschleunigte Entscheidung im schriftlichen Verfahren gebeten hat. Im übrigen waren den Beteiligten alle der Entscheidung zugrundeliegenden Sachumstände bekannt.

Petzold Dr. Fuchs-Wissemann Küstner Reinhardt Bb






BPatG:
Beschluss v. 08.03.2005
Az: 9 W (pat) 363/03


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