Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. April 2005
Aktenzeichen: 20 W (pat) 72/03

(BPatG: Beschluss v. 25.04.2005, Az.: 20 W (pat) 72/03)

Tenor

Die Beschwerde der Patentinhaberin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Im Einspruch ist fehlende Patentfähigkeit geltend gemacht worden. Das Patentamt hat das Patent widerrufen.

Die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit den Patentansprüchen 1 bis 5, überreicht in der mündlichen Verhandlung, aufrechtzuerhalten.

Die Einsprechende hat im Beschwerdeverfahren keine Anträge gestellt. Zur mündlichen Verhandlung ist sie - wie schriftsätzlich angekündigt - nicht erschienen.

Der in der mündlichen Verhandlung überreichte Patentanspruch 1 lautet:

"Verwendung eines Transceiver-Bauelements (1) zur optischen Datenübertragung mit einem Sender, einem Empfänger und mindestens einem integrierten Schaltkreis, die alle in einem gemeinsamen Gehäuse (2) angeordnet sind, das Anschlüsse (3) aufweist, wobei ein Anschluss des Transceiver-Bauelements ausschließlich zum Zuführen des Treiberstroms für den Sender vorgesehen ist und ein weiterer Anschluss zum Zuführen der Versorgungsspannung des Empfängers und des integrierten Schaltkreises vorgesehen ist, derart, dass der Anschluss zum Zuführen des Treiberstroms für den Sender direkt mit einer nicht regulierten Spannungsversorgung (10) verbunden wird und der weitere Anschluss mit einer regulierten Spannungsversorgung (11) verbunden wird."

Folgende Druckschriften werden erörtert:

(1) Siemens-Produktbeschreibung "IR DATACOM Design Guide", November 1996

(2) Firmendruckschrift der Firma Temic Telefunken: TFDS3000, Telefunken Semiconductors, Rev. A5, 6. Oktober 1995

(4) Siemens Produktbeschreibung "Wireless IR Data Transfer: A Guide to Siemens Datacom Opto Products", Juni 1996

(5) Optoelectronics Designer's Catalog, Hewlett Packard, April 1996.

Mit Schriftsatz vom 13. April 2005 und in der mündlichen Verhandlung überreicht die Patentinhaberin außerdem verschiedene Katalogauszüge, die nach dem Anmeldetag des Patents veröffentlicht sind.

Die Patentinhaberin führt aus, der Einspruch sei nicht zulässig. Er stütze sich allein auf Druckschrift (1), deren Vorveröffentlichung nicht feststehe. Die Vorveröffentlichung müsse jedoch als Zuverlässigkeitsvorrausetzung innerhalb der Einspruchsfrist geklärt sein. Auch die Patentfähigkeit sei gegeben. Bei den Gegenständen nach den Druckschriften (1), (2), (4) und (5) seien Überspannungsschutzstrukturen vorgesehen. Es sei daher nicht möglich, die dort beschriebenen Transceiver mit unterschiedlichen Versorgungsspannungen für den Sender einerseits und den Empfänger und den integrierten Schaltkreis andererseits zu betreiben. Dies geschehe jedoch beim Gegenstand des Patentanspruches 1. Die vorgelegten nachveröffentlichten Katalogauszüge zeigten, dass der Patentgegenstand von Wettbewerbern angeboten werde.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.

1. Der Einspruch ist zulässig.

Eine Einspruchsbegründung genügt den Anforderungen des § 59 Abs. 1 PatG, wenn sie die für die Beurteilung des behaupteten Widerrufsgrunds maßgeblichen tatsächlichen Umstände im einzelnen darlegt. Die Einsprechende beruft sich vorliegend zur fehlenden Patentfähigkeit auf die Druckschrift (1). Speziell zur Vorveröffentlichung dieses für die Verteilung an die Fachwelt vorgesehenen Katalogs verweist sie auf dessen Seite 1 und die hintere Umschlagseite mit dem Hinweis auf den Druck- und Veröffentlichungszeitpunkt "November 1996" bzw. "11/96". Ob der Vortrag der Einsprechenden einen Widerruf tatsächlich rechtfertigt, ist keine Frage der Zulässigkeit sondern der Begründetheit des Einspruchs. Erst in diesem Zusammenhang stellt sich dann möglicherweise die Frage, ob der typische Geschehensablauf der Veröffentlichung der Druckschrift (1) etwa durch die Angabe "preliminary" in Frage gestellt wird.

2. Die Druckschrift (5) war vor dem Anmeldetag des Patents der Öffentlichkeit zugänglich.

Die Einsprechende hat in üblicher Weise nur Kopien der von ihr für relevant gehaltenen Seiten der Druckschrift (5) eingereicht. Auf dem zweiten Blatt der eingereichten Kopien ist der Druckvermerk (4/96) angegeben. Es ist daher davon auszugehen, dass die Druckschrift (5) im April 1996 und damit ca. acht Monate vor dem Anmeldetag des Patents (21. Dezember 1996) gedruckt wurde. Dabei kann letztlich dahinstehen, ob der Druckvermerk auf der Umschlaginnenseite oder - wie die Patentinhaberin meint - auf der Rückseite des Katalogs angebracht ist. Bei der Druckschrift (5) handelt es sich um einen für die Verteilung an Kunden vorgesehenen Katalog. Nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises ist daher davon auszugehen, dass die Druckschrift (5) unmittelbar nach ihrem Herstellungsdatum und damit vor dem Anmeldetag des Patents der Öffentlichkeit zugänglich war. Auch für die von der Patentinhaberin vorgetragene Vermutung, die von der Einsprechenden eingereichten Seiten würden nicht zu einem Dokument gehören, fehlt jeder tatsächliche Anhaltspunkt.

3. Es kann dahinstehen, ob die Patentansprüche zulässig sind. Der Gegenstand des Patentanspruches 1 beruht jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Dies trifft auch dann zu, wenn man den Begriff "regulierte Spannungsversorgung" zu Gunsten der Patentinhaberin einschränkend als "geregelte Spannungsversorgung" auslegt.

Als Fachmann ist ein Elektroingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik anzusehen, der über Berufserfahrung in der Entwicklung von Transceiver-Schaltungen verfügt.

Aus Druckschrift (5) (S 4-14 - 4-22) ist ein Transceiver-Bauelement zur optischen Datenübertragung mit der Bezeichnung HSDL-1000 bekannt, das aus einem Sender, einem Empfänger und einem integrierten Schaltkreis besteht, die alle in einem gemeinsamen Gehäuse angeordnet sind (S 4-15 mi Sp le Abs). Das Gehäuse weist Anschlüsse auf (S 4-16 Fig 15), von denen einer ausschließlich zum Zuführen des Treiberstroms für den Sender und ein weiterer zum Zuführen der Versorgungsspannung des Empfängers und des integrierten Schaltkreises dient (S 4-18 Fig 17: LED A, VCC).

Der Anschluss zum Zuführen des Treiberstroms für den Sender ist direkt über einen Widerstand mit einer nicht regulierten Spannungsquelle V+ verbunden (Fig 17 Anschluss 8). Der Anschluss 3 für die Zuführung der Versorgungsspannung des Empfängers und des integrierten Schaltkreises ist dagegen nicht direkt, sondern über eine Kondensatorschaltung CX4, CX3 mit der Spannungsquelle V+ verbunden. Am Anschluss 3 des Transceivers liegt daher nicht die nicht regulierte Spannung V+, sondern die Spannung VCC an. Die Kondensatorschaltung dient nicht nur zur Unterdrückung des Rauschens (S 4-18 Tabelle Component CX4), sondern gleicht in einem gewissen Maß auch durch die Last der Sendediode hervorgerufene Schwankungen der Spannung aus, so dass das am Anschluss 3 anliegende Spannungssignal VCC geglättet ist.

Das Spannungssignal V+ kann in der Praxis jedoch auch starken Schwankungen unterworfen sein, die beispielsweise durch den Ladezustand eines als Stromversorgung eingesetzten Akkupacks oder durch hohe Leistung der Sendediode verursacht werden können. In diesen Fall kann das Problem auftreten, dass die Stabilität des Spannungssignals VCC für den Betrieb der integrierten Schaltung und des Empfängers nicht ausreicht. Der Fachmann hat daher Veranlassung, Verbesserungen an der Spannungsversorgung für den Empfänger und die integrierte Schaltung vorzunehmen. Es gehört zu seinem Fachwissen, dass eine Vielzahl von elektronischen Bauelementen mit einer geregelten Spannungsversorgung betrieben werden müssen. Es liegt daher für ihn nahe, den Anschluss zum Zuführen der Versorgungsspannung für den Empfänger und die integrierte Schaltung mit einer regulierten bzw. geregelten Spannungsversorgung zu verbinden.

Damit ist es für den Fachmann auch naheliegend, das in (5) beschriebene Transceiver-Bauelement derart zu verwenden, dass der Anschluss zum Zuführen des Treiberstroms für den Sender direkt mit einer nicht regulierten Spannungsversorgung (10) verbunden wird und der weitere Anschluss mit einer regulierten Spannungsversorgung (11) verbunden wird.

Dabei kann dahinstehen, ob bei dem bekannten Transceiver auf Grund von nicht beschriebenen Überspannungsschutzstrukturen tatsächlich nur Spannungen an die Anschlüsse für die Spannungsversorgung gelegt werden können, die sich höchstens um 0,5 V unterscheiden. Denn der Patentanspruch 1 trifft keine Aussage über die Spannungswerte der Eingangsspannungen.

Die nachveröffentlichten Katalogauszüge mögen zwar - wie die Patentinhaberin ausführt - den Patentgegenstand beschreiben. Ein dadurch möglicherweise belegtes Interesse der Fachwelt ändert jedoch nichts daran, dass sich der Gegenstand des Patentanspruches 1 am Anmeldetag in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt, wie die vorstehenden Ausführungen belegen.

Dr. Hartung Martens Dr. Zehendner Dr. Häußler Pr






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Az: 20 W (pat) 72/03


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