Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. September 2005
Aktenzeichen: 27 W (pat) 106/04
(BPatG: Beschluss v. 20.09.2005, Az.: 27 W (pat) 106/04)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen die Eintragung der am 29. November 1996 angemeldeten und am 24. Februar 1997 eingetragenen Bildmarke 396 52 125 Grafik der Marke 39652125.8 für die Waren Klasse 18: Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Sattlerwaren;
Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungenist Widerspruch aus der am 13. Oktober 1994 angemeldeten und am 23. Januar 1995 eingetragenen deutschen Marke 2 900 428 Grafik der Marke 2900428 die für die Waren Klasse 25: Bekleidungsstückeeingetragen ist, eingelegt worden. Der Widerspruch ist gezielt gerichtet gegen die Waren "Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen" der jüngeren Marke. Die Widersprechende ist außerdem Inhaberin der am 23. Januar 1998 angemeldeten und am 26. Mai 1999 eingetragenen Gemeinschaftsmarke 72660 mit identischem Zeichen und identischem Warenverzeichnis wie die nationale Widerspruchsmarke.
Die Markenstelle für Klasse 18 des Deutschen Patent- und Markenamts hat auf den Widerspruch durch Erstbeschluss vom 26. März 2002 die teilweise Löschung der angegriffenen Marke für "Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen" angeordnet und die dagegen gerichtete Erinnerung der Widersprechenden durch Beschluss vom 23. Januar 2004 zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, eine Verwechslungsgefahr könne nicht ausgeschlossen werden, weil bei Warenidentität bzw hoher Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren und normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ein großer Zeichenabstand erforderlich sei, der nicht gewahrt sei. Klanglich seien die Zeichen sehr ähnlich. Die angegriffene Marke werde ebenso wie die Widerspruchsmarke von erheblichen Teilen des Verkehrs allein mit "JUST" wiedergegeben, da ihre weiteren (grafischen) Bestandteile sowie das halbverdeckte "U" im Gesamteindruck zurückträten. Dann aber stünden sich "JUST" und "JUST" identisch gegenüber, was ohne weiteres zu Verwechslungen führen könne.
Die deutsche Widerspruchsmarke ist am 17. August 2005 auf Erklärung der Widersprechenden mit Ablauf der Schutzfrist im Markenregister gelöscht worden.
Die Markeninhaberin wendet sich gegen die teilweise Löschung ihrer angegriffenen Marke mit der Beschwerde. Sie ist der Auffassung, der erforderliche Abstand der Vergleichsmarken sei eingehalten. Sie wichen schon optisch stark voneinander ab. Bei der Aussprache werde der Verkehr das "U" in ihrer Marke zudem nicht vernachlässigen, sondern mitbenennen, so dass die Marke JUST YOU ausgesprochen werde und sich damit nicht nur klanglich, sondern auch begrifflich von dem Markenwort JUST der Widerspruchsmarke klar unterscheide. Zudem bestehe jedenfalls zwischen Schuhwaren und Kopfbedeckungen einerseits und Bekleidungsstücken andererseits eine erhebliche Warenferne, so dass in der Gesamtschau eine Verwechslungsgefahr ausscheide.
Die Markeninhaberin beantragt, die Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.
Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt den Beschluss der Markenstelle als auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens der Markeninhaberin zutreffend und hält eine Verwechslungsgefahr nicht für gegeben.
In der mündlichen Verhandlung am 20. September 2005 vor dem Senat hat die Widersprechende erklärt, nach der Löschung der deutschen Widerspruchsmarke solle nunmehr ihre Gemeinschaftsmarke 72660 als Basis des Widerspruchs gelten. Sie hat insofern die Auffassung vertreten, die deutsche Marke sei mit ihrer Löschung in der identischen Gemeinschaftsmarke aufgegangen.
Die Markeninhaberin ist dieser Auffassung entgegengetreten. Hilfsweise hat sie die Vorlage dieser Frage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften beantragt.
Die Akte des Beschwerdeverfahrens 27 W (pat) 115/03 wurde zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
II.
1.
Die Beschwerde ist zulässig. Der allein aus der nationalen Marke in zulässiger Weise erhobene Widerspruch ist nicht deshalb unzulässig geworden, weil die Marke nach Widerspruchserhebung im Register gelöscht worden ist. Zwar führt nach ständiger Rechtsprechung der Wegfall der Widerspruchsmarke zur nachträglichen Unzulässigkeit des Widerspruchs (vgl BPatGE 4, 90, 92; 20, 235, 238; 24, 112, 115; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl, § 42 Rn 8; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 42 Rn 95). Widerspruchsmarke ist anstelle der nationalen Marke aber nunmehr die mit der nationalen Marke identische Gemeinschaftsmarke der Widersprechenden (offengelassen bei BPatG, Beschl vom 24. Februar 2005, 27 W (pat) 105/03, veröff auf der PAVIS-CD-ROM). Das zunächst auf die deutsche Widerspruchsmarke gestützte Widerspruchsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt ist, jedenfalls nachdem die Widersprechende eine derartige Erklärung abgegeben hat, nunmehr auf der Basis der Gemeinschaftsmarke in dem Stande weiterzuführen, in dem es sich im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung befunden hat. Nach Art 34 Abs 1 GMVO kann der Inhaber einer nationalen Marke, der eine identische Marke zur Eintragung als Gemeinschaftsmarke für identische Waren und Dienstleistungen wie die nationale Marke anmeldet, für die Gemeinschaftsmarke den Zeitrang der älteren Marke in Bezug auf den Mitgliedsstaat, in dem die ältere Marke eingetragen ist, in Anspruch nehmen. Das hat nach Art 34 Abs 2 GMVO die alleinige Wirkung, dass dem Inhaber der Gemeinschaftsmarke, falls er auf die ältere Marke verzichtet oder sie - wie hier - erlöschen lässt, weiter dieselben Rechte zugestanden werden, die er gehabt hätte, wenn die ältere Marke weiterhin eingetragen gewesen wäre. Zu den der Widersprechenden aufgrund dieser gemeinschaftsrechtlichen Regelung weiterhin zustehenden "Rechten" gehört nach Auffassung des Senats, der - soweit ersichtlich - Stimmen weder in der einschlägigen Rechtsprechung noch der Literatur entgegenstehen, auch das Recht, ein aufgrund der nationalen Marke eingeleitetes nationales Widerspruchsverfahren gegen eine jüngere Marke ohne Verlust hierdurch erlangter Rechtspositionen mittels Ersetzung der nationalen Widerspruchsmarke durch die identische Gemeinschaftsmarke übergangslos weiterzuführen. Das liegt deswegen nahe, weil die nationale Marke im Fall des Art 34 GMVO sozusagen unter das "Dach" der identischen Gemeinschaftsmarke gebracht (so HABM Mitt 2001, 517/518 . EXAKTA/exacta) bzw durch die Ankoppelung der nationalen Marke an die identische Gemeinschaftsmarke die nationale Rechtsposition akzessorisch mit der Gemeinschaftsmarke verknüpft wird (so Ingerl/Rohnke, aaO, § 125 c Rn 3 mwN), wodurch der Inhaber der nationalen Marke quasi in den Genuss eines fortan territorial erweiterten Schutzbereichs auf das gesamte Gebiet der EU-Vertragsstaaten für sein älteres Zeichen kommt, mithin der Fortbestand des nach nationalem Recht untergegangenen Schutzrechts gemeinschaftsrechtlich fingiert wird (so Ingerl/Rohnke, aaO, § 125 c Rn 3). Es widerspräche auch Sinn und Zweck der GMVO, die den nationalen Markeninhabern einen Anreiz zur Eintragung von Gemeinschaftsmarken als integrativer Schritt zur Verwirklichung des gemeinschaftlichen Wirtschaftsraumes der Europäischen Gemeinschaften geben will, wenn die Inanspruchnahme der Seniorität aus der nationalen Marke, die nach Art 34 Abs 2 GMVO die Aufgabe dieser nationalen Marke voraussetzt, zu einem Verlust von (Verfahrens-)Rechten führen würde, die die nationale Marke bereits erworben hat. Jedenfalls vorliegend hat ein erweiterter territorialer Schutzbereich des nationalen Zeichens durch die Anmeldung des identischen Zeichens als Gemeinschaftsmarke auf die Entscheidung des Falles in materieller Hinsicht keinen Einfluss, da die Beteiligten hierüber nicht streiten. Insoweit stehen auch die Interessen der Markeninhaberin an einem fairen Verfahren einer solchen Auffassung nicht entgegen, da sie durch diese Auslegung des Art 34 Abs 2 GMVO nicht schlechter gestellt wird, als wenn die Widersprechende die nationale Marke nicht fallengelassen, sondern die Schutzfrist verlängert hätte.
2.
Die Beschwerde ist aber nicht begründet. Die Markenstelle hat die Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken iSd §§ 42, 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zutreffend bejaht.
Nach §§ 42, 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG ist eine Marke zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Identität oder der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Für die Frage der Verwechslungsgefahr ist von dem allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen allen in Betracht zu ziehenden Faktoren auszugehen, insbesondere der Ähnlichkeit der zu beurteilenden Marken, der Warennähe und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke (st Rspr; vgl BGH, GRUR 2003, 1040, 1042 - Kinder; GRUR 2003, 1044, 1045 - Kelly; GRUR 2004, 594, 596 - Ferrari-Pferd; GRUR 2005, 427, 428 - Lila-Schokolade; GRUR 2005, 513, 514 - Ella May/MEY).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann vorliegend eine Verwechslungsgefahr nicht verneint werden.
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist als durchschnittlich anzusehen, denn ihr kommt keinerlei warenbeschreibender Inhalt zu. Hiervon sind auch die Beteiligten stillschweigend ausgegangen.
Die Warenähnlichkeit liegt teilweise im Identitätsbereich, nämlich soweit sich die jeweils für beide Marken geschützten "Bekleidungsstücke" gegenüberstehen. Zwischen den sich weiterhin gegenüberstehenden "Schuhwaren" der angegriffenen Marke und den "Bekleidungsstücken" der Widerspruchsmarke besteht in ständiger Rechtsprechung des Senats jedenfalls eine an der oberen Grenze liegende mittlere Ähnlichkeit (vgl Beschl des Senats v 11. Dezember 2001, 27 W (pat) 246/00 - BLUE BROTHERS/BLUES BROTHERS, Beschl des Senats v 22. Juni 2004 27 W (pat) 231/02 - EL DIABLO/DIAVOLO, veröffentlicht auf der PAVIS-CD-ROM). Im mittleren bis engen Ähnlichkeitsbereich liegen auch die Waren "Kopfbedeckungen" einerseits und "Bekleidungsstücke" andererseits (vgl Beschl des Senats v 17. Februar 2004, 27 W (pat) 151/02 - FIAMMA/fimma, veröffentlicht auf der PAVIS-CD-ROM).
Angesichts der teilweisen Identität der Waren sowie der teilweise bis zur mittleren Ähnlichkeit im oberen Bereich reichenden Warenähnlichkeit ist ein mittlerer bis großer Abstand der Vergleichszeichen erforderlich, der hier nicht gewahrt ist. Ausreichend ist bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit die Verwechslungsgefahr in einem der drei Bereiche Klang, Bild, Bedeutung/Sinngehalt (BGH GRUR 2002, 167, 169 - Bit/Bud; GRUR 2003, 712, 714 - Goldbarren; GRUR 2004, 594, 596 - Ferrari-Pferd). Vorliegend handelt es sich um die Gefahr der Verwechslung der Marken aufgrund der klanglichen Identität. Ungeachtet der Tatsache, dass ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise in Kenntnis einer verbreiteten Übung der Werbesprache, für englische Wörter lautmalerisch einzelne Buchstaben einzusetzen, die angegriffene Marke "JUST YOU" aussprechen wird, verbleibt die nicht zu vernachlässigende Möglichkeit, dass der Verkehr in beachtlicher Größenordnung die angegriffene Marke - wie die Widerspruchsmarke - "JUST" aussprechen wird. Zum einen ist längst nicht allen Verbrauchern die genannte Spielart der modernen Werbesprache bekannt. Zum anderen werden aber auch maßgebliche Teile des Verkehrs beim Anblick der Marke das U gar nicht als zum Markenwort gehörig erkennen und es daher bei der Benennung der angegriffenen Marke vernachlässigen. Dieser Buchstabe ist aufgrund der grafischen Gestaltung der Marke im Verhältnis zu dem Wort "JUST" in den perspektivischen Hintergrund gerückt, es bildet deswegen keinen derartig zweifelsfreien logischen Sinnzusammenhang mit ihm, dass das Markenwort zwingend "JUST YOU" benannt werden müsste. Vielmehr verliert sich das von dem Wort "JUST" teilweise verdeckte "U" eher wie eine nebensächliche grafische Beigabe in Form eines großen Bogens oder einer Wiederholung des Buchstabens "U" aus dem Markenwort "JUST", jedenfalls drängt sich das "U" dem Betrachter nicht als für die Benennung der Marke unverzichtbar auf. Damit stehen sich bei der Benennung für einen maßgeblichen Teil des Verkehrs die beiden Markenwörter "JUST" in identischer Form gegenüber, wodurch sie miteinander verwechselt werden können. Nach alledem kommt es nicht mehr darauf an, ob die Vergleichsmarken, wie die Markeninhaberin meint, jedenfalls in visueller und/oder begrifflicher Hinsicht hinreichend unterschiedlich sind.
III.
Es sind keine Gründe ersichtlich, von dem Grundsatz des § 71 Abs 1 S 2 MarkenG abzuweichen, wonach jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt.
IV.
Im Hinblick auf die Frage der Zulässigkeit des Widerspruchs, weil die ursprüngliche nationale Widerspruchsmarke, die erloschen ist, und für sie gemäß Art 34 GMVO die Seniorität einer Gemeinschaftsmarke wirksam in Anspruch genommen worden ist, sieht der Senat keinen Anlass, entsprechend der Anregung der Inhaberin der angegriffenen Marke die Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen. Eine solche Vorabentscheidung kann nach Art 234 EG veranlasst sein, wenn die Auslegung des EG-Vertrags oder davon abgeleiteten Gemeinschaftsrechts fraglich ist. Darum geht es jedoch vorliegend nicht, weil die Frage, ob der Widerspruch durch die Löschung der nationalen Marke im Nachhinein unzulässig geworden ist, nicht die Auslegung von Gemeinschaftsrecht, sondern eine Frage der Anwendung des nationalen (Verfahrens-)Rechts betrifft. Die Auslegung des Art 34 Abs 2 GMVO stellt hierzu ungeachtet der Entscheidungserheblichkeit der Beantwortung dieser Frage in verfahrensrechtlicher Hinsicht für den vorliegenden Fall lediglich eine Vorfrage für die Beurteilung der Zulässigkeit des Widerspruchs dar, die der Vorlagepflicht nicht ohne weiteres unterliegt (vgl hierzu auch Ströbele/Hacker, aaO, § 83 Rn 99).
Auch die Zulassung der Rechtsbeschwerde kommt nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen des § 83 MarkenG nach Auffassung des Senats nicht vorliegen. Hierzu hat die Markeninhaberin auch nichts vorgetragen.
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BPatG:
Beschluss v. 20.09.2005
Az: 27 W (pat) 106/04
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