Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Juli 2006
Aktenzeichen: 28 W (pat) 143/04
(BPatG: Beschluss v. 12.07.2006, Az.: 28 W (pat) 143/04)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 10 vom 15. März 2004 aufgehoben und die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zur weiteren Ermittlung der behaupteten Verkehrsdurchsetzung zurückverwiesen.
Gründe
I.
Angemeldet zur Eintragung in das Markenregister für die Waren Massagegeräte für medizinische Zwecke; Massagegeräte für die Schönheitspflegeist die Wortfolge HYDRO JET Die Markenstelle für Klasse 10 hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und wegen eines bestehenden Freihaltungsbedürfnisses zurückgewiesen. Der angemeldeten Marke sei lediglich ein unmittelbar beschreibender Sachhinweis mit der Bedeutung "Wasserstrahl" zu entnehmen, dem der Verkehr keine betriebliche Kennzeichnungswirkung zuweisen werde. Als Sachangabe über die Wirkungsweise der beanspruchten Waren bestehe an der angemeldeten Marke außerdem ein Freihaltungsbedürfnis. Eine Internet-Recherche habe ergeben, dass die Wortfolge "HYDRO JET" bereits intensiv zur Bezeichnung von Massagegeräten verwendet werde.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, sowie hilfsweisedie Eintragung der angemeldeten Marke aufgrund festgestellter Verkehrsdurchsetzung zu beschließen.
Zur Begründung führt sie aus, der Marke könne weder fehlende Unterscheidungskraft noch ein bestehendes Freihaltungsbedürfnis entgegengehalten werden. Es handle sich bei ihr um eine Wortneuschöpfung, die dem inländischen Publikum keinen eindeutig beschreibenden Gehalt vermittle. Die Internet-Nachweise, auf die in dem angefochtenen Beschluss Bezug genommen worden sei, wiesen fast ausnahmslos auf Kunden der Anmelderin und nicht etwa auf Mitbewerber hin. Zudem sei die Marke im Verkehr durchgesetzt.
Durch Beschluss in der mündlichen Verhandlung vom 20. April 2005 ist in das schriftliche Verfahren übergegangen worden.
II.
1. Die zulässige Beschwerde ist in der Hauptsache nicht begründet, da der angemeldeten Marke auch nach Auffassung des Senats jegliche Unterscheidungskraft fehlt (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende, konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. BGH, WRP 2001, 1310 - LOOK). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere solche Marken, denen die angesprochenen Verkehrskreise für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674 - Postkantoor).
Wie bereits die Markenstelle zutreffend und überzeugend dargelegt hat, ist der Begriff "Hydro" dem inländischen Publikum als Wortbildungselement mit der Bedeutung "Wasser" (vgl. Duden - Das große Fremdwörterbuch - Hydro) ebenso allgemein geläufig wie die sachbezogene Verwendung des Begriffs "JET" in der Bedeutung "Strahl" bzw. "Düse" (vgl. Langenscheidts Großwörterbuch Englisch, Muret-Sanders, Teil I - jet: 1. (Wasser-, Dampf-, Gas- etc.)Strahl; 2. tech. Düse, Strahlrohr). Dass den beiden Wörtern für sich genommen eine beschreibende Bedeutung zukommt, wurde auch von der Anmelderin eingeräumt.
Zwar darf die Feststellung der Unterscheidungskraft einer angemeldeten Wortfolge nicht in einer zergliedernden, auf den beschreibenden Bedeutungsgehalt ihrer einzelnen Bestandteile hin ausgerichteten Betrachtungsweise erfolgen. Es ist jedoch stets zu prüfen, ob der Kombination ein über die Summe ihrer Bestandteile hinausgehender Eindruck zukommt oder ob sie in ihrer Gesamtheit ebenfalls als beschreibender Sachbegriff zu werten ist (vgl. hierzu auch EuGH GRUR 2004, 680 - "BIOMILD"). Für die Frage der markenrechtlichen Schutzfähigkeit ist es in diesem Zusammenhang nicht entscheidend, ob die Bezeichnung "HYDRO JET" bereits lexikalisch belegbar oder ihre beschreibende Verwendung anderweitig nachweisbar ist, wie dies auch von der Markenstelle in dem angefochtenen Beschluss zutreffend festgestellt wurde. Maßgeblich ist vielmehr, dass der angemeldete Begriff aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise völlig sprachüblich gebildet ist und sich nahtlos in eine Reihe vergleichbarer Bezeichnungen einfügt, wie beispielsweise die Fachbegriffe Hydrotechnik, Hydrotherapie oder Hydromassage bzw. Inkjet, Airjet, oder Waterjet.
Die Anmelderin selbst hat die von ihr vertriebenen Geräte als "Wasserstrahl-Massage-Geräte" bezeichnet. Wasserstrahl-Massagen sind dem inländischen Publikum wegen ihrer zahlreichen Heilwirkungen, wie beispielsweise Verbesserung der Durchblutung, Lockerung der Muskulatur oder Aktivierung des Stoffwechsels bereits seit langem bekannt und werden insbesondere für medizinische Zwecke sowie im Rahmen so genannter ganzheitlicher Entspannungsprogramme im Wellness-Bereich eingesetzt. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die durchschnittlich informierten, aufmerksamen inländischen Verkehrskreise der angemeldeten Bezeichnung "HYDROJET" ohne weiteres Nachdenken den Bedeutungsgehalt "Wasserstrahl, Wasserdüse" und damit einen unmittelbar beschreibenden Hinweis auf die Funktionsweise der fraglichen Waren entnehmen werden. Der beschreibende Zusammenhang zwischen der angemeldeten Marke und den beanspruchten Waren wird dabei nicht von dem Gesichtspunkt beeinflusst, ob der Patient bei der Behandlung mit den fraglichen Massagegeräten mit den Wasserstrahlen in direkte Berührung kommt oder dies gerade nicht der Fall ist, wie dies von der Anmelderin für die von ihr vertriebenen Geräte besonders hervorgehoben wurde. Denn selbst wenn die Massage auf einer - etwa mit einem Wasserbett vergleichbaren - Liegefläche erfolgt, beruht die spezielle Funktionsweise der Massagegeräte auf dem Einsatz von Wasserstrahlen, die, durch eingebaute Düsen gesteuert, den trocken aufliegenden Körper massieren. Dies belegen auch die von der Anmelderin eingereichten Unterlagen.
Die angemeldete Marke stellt somit für die beteiligten Verkehrskreise eine leicht verständliche, unmittelbar beschreibende Sachaussage dar. Dem steht auch nicht eine mögliche Mehrdeutigkeit des Markenteils "JET" entgegen, wie sie von der Anmelderin geltend gemacht wurde. Dies bereits deshalb nicht, weil einem Wortzeichen schon dann die Schutzfähigkeit abzusprechen ist, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen geeignet ist, ein Merkmal der in Frage stehenden Waren zu bezeichnen (vgl. BGH WRP 2005, 218, 219 - Bürogebäude). Zudem hat der Verkehr im Hinblick auf die beanspruchten Waren und die konkrete Wortverbindung mit dem vorangestellten Markenwort "HYDRO" von vorneherein keine Veranlassung, spekulative Betrachtungen über mögliche weitere Interpretationsmöglichkeiten des Begriffs "JET" anzustellen, wie etwa die von der Anmelderin vorgetragenen Bedeutungsgehalte "(Düsen)jet" oder "Düsenflugzeug".
Die angemeldete Marke ist somit wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen, was bereits von der Markenstelle überzeugend dargelegt wurde. Bei dieser Sach- und Rechtslage kann es dahingestellt bleiben, ob ihr darüber hinaus der Schutzversagungsgrund des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht.
2. Nachdem sich die Anmelderin im Beschwerdeverfahren erstmals darauf berufen hat, dass sich die Marke infolge ihrer Benutzung für die fraglichen Waren im Verkehr durchgesetzt habe und hierzu umfangreiche Glaubhaftmachungsunterlagen eingereicht hat, wird das Verfahren aber gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG zur Prüfung der Verkehrsdurchsetzung gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG zur erneuten Entscheidung an das Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
Um die Voraussetzungen für eine Verkehrsdurchsetzung der angemeldeten Marke gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG glaubhaft zu machen, sind schlüssige Angaben vorzutragen, seit welchem Zeitpunkt sie in welcher Form und für welche Waren von der Anmelderin markenmäßig eingesetzt worden ist. Weiter sind Angaben zur Intensität der Benutzung, zur geografischen Verbreitung sowie zu den erzielten Umsätzen, zum erbrachten Werbeaufwand und zum erreichten Marktanteil erforderlich (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 - CHIEM-SEE). Diese Angaben sind in geeigneter Weise zu belegen, etwa durch Vorlage von Warenkatalogen, Preislisten oder Werbematerial sowie darüber hinaus durch Stellungnahmen des DIHT bzw. anderer Berufsverbände oder durch Meinungsumfragen. Zweck dieser Glaubhaftmachung ist es, zu verhindern, dass in von vornherein aussichtslosen Fällen arbeits- und kostenaufwendige Ermittlungen, insbesondere in Form amtlicher Befragungen durch das Patent- und Markenamt angestellt werden müssen, die erkennbar nicht zum Erfolg führen können. An die Glaubhaftmachung dürfen andererseits aber auch keine überzogenen Anforderungen gestellt werden, da ansonsten der Eintragungsanspruch der Anmelderin gemäß § 33 Abs. 2 MarkenG unterlaufen würde.
Die Anmelderin hat im Laufe des Beschwerdeverfahrens vorgetragen, die Marke werde bereits seit 1994 für Massageräte für medizinische Zwecke und Massageräte für die Gesundheitspflege benutzt, von denen insbesondere seit 1999 Stückzahlen von jährlich mindestens 3.000 Stück vertrieben würden. Die jährlich erzielten Umsätze stiegen kontinuierlich an und lägen in den letzten Jahren jeweils deutlich über 1 Million Euro. Bezogen auf gleichartige Geräte habe sie in Deutschland inzwischen einen Marktanteil von etwa 92 % erreicht. Dies sei das Ergebnis einer stetigen Bewerbung und aktiver Verkaufsbemühungen der Anmelderin. Hierzu wurden Angaben zum erbrachten Werbeaufwand sowie zur umfangreichen, jährlich mit einem Budget von mehreren 100.000 Euro ausgestatteten Teilnahme an Fachmessen und -kongressen vorgetragen. Außerdem wurden Unterlagen zur Reaktion von Kunden vorgelegt. Darüber hinaus hat die Anmelderin vorgetragen, dass es sich bei den von der Markenstelle in dem angefochtenen Beschluss angeführten Internet-Einträgen nahezu ausnahmslos um Einträge von Kunden handle, bei denen ihre Geräte zum Einsatz kämen.
Zwar lässt sich aus den vorgelegten Unterlagen nicht abschließend entnehmen, in welchem Umfang die Marke in Alleinstellung verwendet worden ist. Zum Teil ist auf den eingereichten Abbildungen die Verwendung des Schriftzugs "HYDRO-JET" in Verbindung mit einem Logo zu erkennen, während sich andere Unterlagen auf die Bezeichnung "HYDRO JET MEDICAL" beziehen. Bei einer Gesamtwürdigung der vorgelegten Unterlagen erscheint es aber unangemessen, allein aus diesem Umstand zu schließen, dass die erforderliche Glaubhaftmachung deshalb bereits misslungen sei, zumal von der Anmelderin im gegenwärtigen Verfahrensstadium noch kein Vollbeweis gefordert werden kann. Nach Ansicht des Senats lässt der substantiierte Vortrag der Anmelderin und die von ihr eingereichten Unterlagen die behauptete Verkehrsdurchsetzung in einem Maße möglich erscheinen, das über die bloße "Behauptung ins Blaue hinein" hinausgeht, mit der registerrechtlichen Folge, dass der Anmelderin die Gelegenheit einzuräumen ist, die Verkehrsdurchsetzung der angemeldeten Marke in Deutschland nachweisen zu können.
Auf die Beschwerde der Anmelderin war der angefochtene Beschluss daher aufzuheben und die Sache zur weiteren Prüfung an das Patent- und Markenamt zurückzuverweisen (§ 70 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG).
BPatG:
Beschluss v. 12.07.2006
Az: 28 W (pat) 143/04
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