Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Juli 2010
Aktenzeichen: 30 W (pat) 526/10
(BPatG: Beschluss v. 22.07.2010, Az.: 30 W (pat) 526/10)
Tenor
Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Markenanmeldung 30 2009 056 558.9 ist durch die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patentund Markenamtes wegen absoluter Schutzhindernisse zurückgewiesen worden. Der Beschluss wurde am 18. März 2010 mit Rechtsbehelfsbelehrung abgesandt, die Anmelderin hat den Beschluss laut Empfangbekenntnis des Anmeldevertreters (zurückgesandt mit Fax am Montag, den 22. März 2010) am Freitag, den 19. März 2010 erhalten.
Die Anmelderin hat Beschwerde mit Schriftsatz vom 20. April 2010 eingelegt, der am selben Tag eingegangen ist. Darin hat der Anmeldevertreter hilfsweise Wiedereinsetzung beantragt und unter Versicherung an Eides statt erklärt, dass die tatsächliche Zustellung an ihn als Bevollmächtigten erst am Montag den 22. März 2010 erfolgt sei. Der Beschluss sei zwar am Freitag den 19. März in seinem Büro eingegangen, er selbst habe aber erst am Montag den 22. März - nach einer Woche Urlaub - Kenntnis davon erlangt und das Empfangsbekenntnis unterschrieben. Seine Mitarbeiterin, die das Empfangsbekenntnis am Freitag den 19. März versehentlich zusammen mit der anderen Post gestempelt habe, sei nicht beauftragt, Zustellungen für ihn in Empfang zu nehmen.
Mit Schriftsatz vom 21. April 2010 hat die Anmelderin die Beschwerde zurückgenommen und beantragt, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.
Eine nähere Begründung wurde nicht abgegeben. Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr hat keinen Erfolg.
Die Beschwerdegebühr ist mit Einlegung der rechtswirksamen Beschwerde verfallen, so dass eine Erstattung nur aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 3 MarkenG in Betracht kommt.
1. Die Beschwerde ist rechtswirksam eingelegt, da die Frist zur Einlegung der Beschwerde erst mit der Zustellung am 22. März 2010 zu laufen begonnen hat und damit die Einlegung der Beschwerde am 20. April 2010 fristgerecht erfolgt ist.
Wie vom anwaltlichen Vertreter der Anmelderin an Eides statt versichert, hat er vom Beschluss erst am 22. März 2010 Kenntnis erhalten und das - mit Datumsstempel 19. März 2010 versehene -Empfangsbekenntnis erst am 22. März unterschrieben. Das Empfangsbekenntnis ist damit zwar mit Datum 19. März 2010 gestempelt und unterschrieben, die Zustellung ist beim anwaltlichen Vertreter aber erst dann bewirkt, wenn dieser den Beschluss mit dem Willen, ihn als zugestellt gegen sich gelten zu lassen, entgegennimmt und dies durch seine Unterschrift auf dem Empfangsbekenntnis mit Angabe des Zustellungszeitpunkts dokumentiert. Macht er die Unrichtigkeit der Datumsangabe auf dem Empfangsbekenntnis geltend, steht ihm der Gegenbeweis offen (vgl. BGH IV ZR 147/01 v. 19.6.2002). Dieser setzt voraus, dass die Beweiswirkung des § 174 ZPO vollständig entkräftet und jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass die Angaben des Empfangsbekenntnisses richtig sein können. Hingegen ist dieser Gegenbeweis nicht schon dann geführt, wenn lediglich die Möglichkeit der Unrichtigkeit besteht, die Richtigkeit der Angaben also nur erschüttert ist (vgl. BGH VIII ZB 100/05 v. 17.4.2007).
Im vorliegenden Fall genügt die unter Versicherung an Eides Statt abgegebene Erklärung des anwaltlichen Vertreters den Anforderungen, um die Beweiswirkung des Empfangsbekenntnisses zu entkräften, so dass die Zustellung des Beschlusses am 22. März 2010 und damit die Beschwerdeeinlegung fristgerecht erfolgt ist.
2. Gemäß § 71 Abs. 3 MarkenG kann das Patentgericht anordnen, dass die Beschwerdegebühr zurückgezahlt wird. Die Rückzahlung als Ausnahme gegenüber dem Grundsatz der vom Verfahrensausgang unabhängigen Gebührenpflichtigkeit der Beschwerde wird nur aus Billigkeitsgründen angeordnet, d. h. in Fällen, in denen es aufrund der besonderen Umstände unbillig wäre, die Beschwerdegebühr einzubehalten. Hierbei kommt es weder auf den Ausgang des Beschwerdeverfahrens noch auf die Feststellung eines vorwerfbaren Fehlers der Vorinstanz an (vgl. Ströbele/Hacker MarkenG, 9. Aufl. § 71 Rdn. 31). Biligkeitsgründe für die Rückzahlung können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern wie der Verletzung des rechtlichen Gehörs in der Vorinstanz ergeben. Fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts rechtfertigt die Rückzahlung an sich noch nicht. Diese kommt nur in Betracht, wenn die Rechtsanwendung als völlig unvertretbar erscheint, z. B. weil eindeutige gesetzliche Vorschriften oder eine gefestigte Amtspraxis bzw. eine ständige Rechtsprechung unbeachtet geblieben sind; das jeweilige Fehlverhalten muss zudem die Beschwerdeeinlegung notwendig gemacht haben (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 71 Rdn. 32).
Im vorliegenden Fall sind keine Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Sachbehandlung durch das Deutsche Patentund Markenamt erkennbar, die ursächlich für die Einlegung der Beschwerde durch die Anmelderin gewesen wäre. Es fehlt hierzu schon am konkreten Sachvortrag der Anmelderin.
Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist daher nicht veranlasst.
Winter Paetzold Hartlieb Hu
BPatG:
Beschluss v. 22.07.2010
Az: 30 W (pat) 526/10
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