Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. August 2007
Aktenzeichen: 21 W (pat) 15/05
(BPatG: Beschluss v. 02.08.2007, Az.: 21 W (pat) 15/05)
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse A 61 B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. Januar 2005 aufgehoben und das Patent DE 101 36 239 erteilt.
Bezeichnung: Röntgendiagnostikeinrichtung mit einem flächenhaften Festkörper-Röntgenbildwandler Anmeldetag: 25. Juli 2001 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
Patentansprüche 1 bis 6, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 2. August 2007, Beschreibung, Seiten 1 bis 9, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 2. August 2007, 7 Blatt Zeichnungen Figuren 1 bis 9, gemäß Offenlegungsschrift.
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
Gründe
I Die Patentanmeldung wurde am 25. Juli 2001 unter der Bezeichnung "Röntgendiagnostikeinrichtung mit einem flächenhaften Festkörper-Röntgenbildwandler" beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht. Die Offenlegung erfolgte am 20. Februar 2003.
Im Prüfungsverfahren sind folgende Druckschriften in Betracht gezogen worden:
D1 DE 195 27 148 C1 und D2 DE 199 15 851 A1.
Die Prüfungsstelle für Klasse A 61 B hat mit Beschluss vom 25. Januar 2005 die Anmeldung unter Verweis auf den Erstbescheid vom 10. April 2002 zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Die Anmelderin verfolgt ihre Patentanmeldung auf der Grundlage von neuen, in der mündlichen Verhandlung eingereichten Patentansprüchen 1 bis 6 weiter.
Der Patentanspruch 1 lautet (mit Merkmalsgliederung):
M1 Röntgendiagnostikeinrichtung mit einer Röntgenröhre (1), M2 einem Röntgengenerator (2), M3 einem flächenhaften Festkörper-Röntgenbildwandler (5) zur Erzeugung von Rohbildern (21), M4 einem Bildsystem (6) und M5 einer Wiedergabevorrichtung (8), M6 wobei das Bildsystem (6) eine Vorrichtung (20, 22) zur Offsetkorrektur aufweist, die ständig Offsetbilder im Hintergrund erfasst und in einem Korrektur-Offsetspeicher (20) abspeichert, dadurch gekennzeichnet, dass M7 ein Mikrophonie-Detektor (28) dem Korrektur-Offsetspeicher (20) als Analyse-Vorrichtung vorgeschaltet ist, M8 wobei der Mikrophonie-Detektor (28) das jeweils aktuelle Offsetbild (27) durch einen Vergleich mit einem zuvor gespeicherten Korrektur-Offsetbild (20) auf über bloßes Pixelrauschen hinausgehende Störungen analysiert M9 und eine Abspeicherung nur eines störungsfreien aktuellen Offsetbildes (27) bewirkt.
Die Anmelderin stellt den Antrag, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse A 61 B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. Januar 2005 aufzuheben unddas Patent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 bis 6 und der in der mündlichen Verhandlung überreichten Beschreibung Seiten 1 bis 9, sowie mit der Zeichnung Fig. 1 bis 9 gemäß der Offenlegungsschrift zu erteilen.
Weiterhin beantragt die Anmelderin die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 73 Abs. 1, Abs. 2 PatG. Sie ist auch begründet, denn der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§§ 1, 3, 4 PatG). Die Beschwerde führt auch zur Zurückzahlung der Beschwerdegebühr, § 80 Abs. 3 PatG.
1. Patentfähigkeit Die Erfindung betrifft eine Röntgendiagnostikeinrichtung mit einem Festkörper-Röntgenbildwandler.
Die Erfindung geht von der Aufgabe aus, eine Röntgendiagnostikeinrichtung zu schaffen, bei der störende Einflüsse der Mikrophonie eliminiert werden (siehe OS, Absatz [0010]). Mikrophonieeffekte sind durch Erschütterungen, d. h. mechanische Schwingungen oder Vibrationen ausgelöste elektronische Störeffekte beim Bildwandler (siehe OS, Spalte 1, Zeilen 56 bis 60).
Der zuständige Fachmann ist ein Dipl.-Physiker mit Berufserfahrung auf dem Gebiet der Röntgendiagnostik.
Die Merkmale in den neuen Ansprüchen ergeben sich aus den ursprünglichen Ansprüchen und aus der Beschreibung, Absätze [0026] und [0031]. Die Ansprüche sind daher zulässig.
Gegenüber dem in Betracht gezogenen Stand der Technik ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 neu und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Aus der Druckschrift D2 (siehe insbesondere die Fig. 1 und 3 mit zugehöriger Beschreibung) ist als nächstkommender Stand der Technik eine Röntgendiagnostikeinrichtung mit einer Röntgenröhre bekannt, die einen Röntgengenerator (Röntgenstrahlenquelle 1), einen flächenhaften Festkörper-Röntgenbildwandler (Festkörperbilddetektor) zur Erzeugung von Rohbildern, ein Bildsystem (Auslese 5, Rechenmittel 6) und eine Wiedergabevorrichtung (Ausgabemedium 7) aufweist. Da das Bildsystem eine Vorrichtung (Rechenmittel 6) zur Offsetkorrektur aufweist, die ständig Offsetbilder 15 (siehe Fig. 3) im Hintergrund erfasst und entsprechend abspeichert (siehe Spalte 7, Zeilen 36 bis 43), sind somit aus der Druckschrift D2 die Merkmale M1 bis M6 bekannt.
Um die Stabilität des Offsetverhaltens zu verbessern, d. h. den zeitlichen Verlauf des Offsetverhaltens zu erfassen und zu korrigieren (siehe Spalte 1, Zeile 42 bis 66), werden gemäß der Druckschrift D2 an dem erfassten Offsetbild 15 weitere globale und lokale Offsetkorrekturen vorgenommen (siehe Fig. 3). Gemäß Schritt 18 werden bei der Ermittlung eines Offset-Korrekturwertes K1 lediglich Pixelbildsignale der Dunkelreferenzzone berücksichtigt, deren Signale in einem Schwellwertintervall liegen. Dadurch werden Signale defekter Pixel herausgefiltert und bei der Korrektur nicht berücksichtigt (siehe Spalte 7, Zeilen 44 bis 62). Zwangsläufig werden damit durch Erschütterungen erzeugte und außerhalb des Schwellwertintervalls liegende Pixelbildsignale verworfen, so dass gemäß Merkmalsgruppe M7 diese Verwerfung auch als Analyse-Vorrichtung für Mikrophonie-Effekte angesehen werden kann. Da gemäß der Druckschrift D2 aber nur einzelne Pixelbildsignale verworfen werden und die Röntgendiagnostikeinrichtung zur Korrektur des Offsets immer von einem zuvor gespeicherten Offsetbild 15 ausgeht, wird dieses Offsetbild bei Störungen nicht wie bei der Anmeldungsmerkmalsgruppe M9 verworfen. Darüber hinaus werden in der Druckschrift D2 auch keine aktuellen Offsetbilder mit zuvor gespeicherten Korrektur-Offsetbilden verglichen, sondern lediglich an dem abgespeicherten Offsetbild 15 bzw. an damit korrigierten Röntgenbildern weitere globale und lokale Korrekturen vorgenommen. Die Druckschrift D2 enthält auch keine Hinweise auf die Problematik der störenden Erschütterungen und darauf gerichtete Analyse-Vorrichtungen. Somit sind die Merkmale der Merkmalsgruppen M8 und M9 aus der Druckschrift D2 nicht bekannt oder für den Fachmann entnehmbar.
Aus der Druckschrift D1 ist offensichtlich eine Einrichtung gemäß den Merkmalsgruppen M1 bis M6 bekannt (siehe Fig. 1). Diese Druckschrift befasst sich aber mit der Erkennung und Korrektur von defekten Bildpunkten und nicht mit einer Offsetkorrektur (siehe Anspruch 1). Der in Fig. 3 mit Bezugszeichen 25 dargestellten Subtraktion eines Dunkelsignals 21 in Verbindung mit der Beschreibung Spalte 4, Zeilen 11 bis 26, entnimmt der Fachmann allerdings ebenfalls eine Offsetkorrektur. Weitere Merkmale zur Offsetkorrektur gemäß den Merkmalsgruppen M7 bis M9 und Hinweise zur Problematik von störenden Erschütterungen sind aus D1 aber nicht bekannt oder entnehmbar.
Somit sind zumindest die Merkmale der Merkmalsgruppen M7 und M9 des Anspruchs 1 aus keiner der Druckschriften bekannt.
Aus dem in Betracht gezogenen Stand der Technik ergeben sich daher für den Fachmann keine Hinweise auf eine Röntgendiagnostikeinrichtung mit einem Mikrophonie-Detektor als Analyse-Vorrichtung, der das jeweils aktuelle Offsetbild durch einen Vergleich mit einem zuvor gespeicherten Korrektur-Offsetbild auf über bloßes Pixelrauschen hinausgehende Störungen analysiert und nur eine Abspeicherung eines störungsfreien aktuellen Offsetbildes bewirkt.
2. Rückzahlung der Beschwerdegebühr Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß § 80 Abs. 3 PatG ist dann veranlasst, wenn bei ordnungsgemäßer und angemessener Sachbehandlung der Erlass eines Zurückweisungsbeschlusses nicht in Betracht gekommen wäre und damit die Erhebung der Beschwerde sowie die Einzahlung der Beschwerdegebühr hätte vermieden werden können.
Gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 sind die Beschlüsse der Prüfungsstelle zu begründen (vgl. Busse PatG, 6. Aufl. § 47 Rdn. 26, 27; Schulte PatG, 7. Aufl. § 47 Rdn. 19 bis 22 - jeweils mit weiteren Hinweisen).
Wenn ein Beschluss nicht mit Gründen versehen ist, liegt ein schwerwiegender Verfahrensfehler vor, der eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigt (siehe auch Schulte PatG, 7. Aufl. § 73 Rdn. 120 bis 133 - jeweils mit weiteren Hinweisen). Als Begründung genügen insbesondere nicht in sich unklare und widersprüchliche, unverständliche und verworrene Ausführungen, wie im vorliegenden Fall:
Im Zurückweisungsbeschluss vom 25. Januar 2005 hat die Prüfungsstelle keinen Zurückweisungsgrund angegeben und lediglich auf den Erstbescheid vom 10. April 2002 verwiesen. Darin wird festgestellt, dass der Oberbegriff des Anspruchs 1 durch die von der Anmelderin selbst genannte Druckschrift D1 bekannt sei. Der Kennzeichnungsteil sei unklar und der Anspruch 1 habe hinsichtlich seiner Merkmale einen rein aufgabenhaften Charakter. Zum Mikrophonie-Detektor wird ausgeführt, dass es nicht als erfinderische Leistung angesehen werden kann, solch eine Baueinheit im Signalverlauf einer bekannten Vorrichtung einzufügen. Aus der Druckschrift D2 sei eine Vorrichtung bekannt, die die Aufgabe ebenfalls löse. Danach resümiert die Prüfungsstelle: "Der Anspruch 1 ist deshalb im Wesentlichen wegen fehlender Lehre zum technischen Handeln nicht gewährbar". Gegen den Anspruch 1 wird somit vorgebracht, dass der Oberbegriff aus der Druckschrift D1 bekannt sei, der gesamte Anspruch aufgabenhaft formuliert sei, ein Einzelmerkmal nicht als erfinderische Leistung angesehen werden könne, die ihm zugrunde liegende Aufgabe durch Druckschrift D2 gelöst sei und sein Gegenstand deshalb "im Wesentlichen" keine technische Lehre darstelle, wobei zur mangelnden Technizität keinerlei Gründe angegeben werden.
Aus dieser völlig verworrenen Ansammlung von Aussagen und völlig unverständlichen Schlussfolgerung lassen sich keine verständlichen Gründe für die Zurückweisung der Anmeldung im Hinblick auf die genannten Druckschriften entnehmen.
Das Verfahren leidet daher an einem wesentlichen Mangel, der die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigt.
Darüber hinaus wäre vorliegend auch die Anberaumung einer Anhörung sachdienlich gewesen, die Ablehnung des Anhörungsantrages war nicht gerechtfertigt. Die Begründung der Ablehnung des Anhörungsantrages im Zurückweisungsbeschluss unter Hinweis auf die fehlende Verfahrensökonomie und keinen möglichen fruchtbaren Meinungsaustausch hat lediglich floskelhaften Charakter.
Dr. Winterfeldt Baumgärtner Dr. Morawek Bernhart Pü
BPatG:
Beschluss v. 02.08.2007
Az: 21 W (pat) 15/05
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